Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 12. Dezember 1852 (an Schädel)

Liebster Freund! Ich meine, es wäre jetzt wieder lange genug, daß wir keine Nachrichten gewechselt haben. Kollischon, dem der Himmel zu seinen übrigen Tugenden auch etwas Talent verliehen haben sollte, brachte mir Grüße von Dir, dazu den Ausspruch »in der Hauptsache ginge es gut«. Die Hauptsache ist das Himmelreich, für diese aber ein gesundes corpus, und da sich das erste teils von selbst, teils gar nicht versteht, denn Sperrsitze gibt es da nicht, so beziehe ich es auf das zweite, und getröste mich, daß Du kein Übel mehr, allenfalls Nachwehen zu tragen hast. Ich wünsche Dir von Herzen, daß auch die verschwinden, denn mit gesunder Haut hat man in hac lacrimarum valle noch genug auszustehen und zu befahren. Ich lebe der Hoffnung, daß mit dem neuen Jahr einiges Ausschnaufen vergönnt werde, denn das ganze Jahr gab's was zu leiden. Meine Krankheit, der Frau sehr geplagte Hoffnungszeit, Niederkunft, jetzt Abgewöhnen des Kindes,Louise, am 23. Juli 1852 geboren, im Alter von einem Jahre gestorben. begleitet von Kopfschmerzen und Nervengeschichten, die Flecken bei zwei Kindern – es ist immer etwas. Mir hat das Salzbad wieder treffliche Dienste getan, und hauptsächlich, wie ich glaube, der dreimal wiederholte Gebrauch: 1850 Seebad, 51 Aussee, 52 Salzburg. Ich bin in frischerer Stimmung als seit vielen Jahren, kann zu Dingen lachen, die mich sonst außer sich gebracht hätten, und arbeite mit lang nicht mehr gekannter Lust und Sicherheit. Von außen haben Zurücksetzung und Verringerung des Einkommens eher zu- als abgenommen, von innen dagegen die Verachtung des ganzen Kunstbabels, von der höchsten Protektion bis zu den Bilderrahmen herab, und die Überzeugung, daß nur außerhalb des ganzen »Geschäftes« was Rechtes gedeihen kann, eine solche Höhe und Festigkeit erreicht, daß ich dazu lache wenn Unsummen ausgegeben werden, um dem gemeinen Zeitgeist so viel Monumente als möglich zu setzen. Ja, ich kann mich daran freuen, daß meine Existenz, mit der ich sehr zufrieden sein kann, wie durch eine fortgesetzte Reihe von Wundern im Gang erhalten wird. Kann ich auch nicht so viel größere Werke zustande bringen als ich wünschte und könnte, so bin ich doch bei dem, was mir möglich ist, nicht geeilt, und nicht durch die höhere Weisheit der Besteller beirrt und verstimmt. Die schöne Sage von der Aschenbrödel ist gegenwärtig in vollem Gang. Leider aber enthält es weder Mordtat und Hurerei, und so muß ich auf den König von Persien als Abnehmer rechnen; in Deutschland wird man es nicht brauchen können. Im Vorbeigehen laß Dich auf einen neuen Zug unseres holden Publikums aufmerksam machen. Dasselbe Lumpenpack, das sich mit schamloser Vornehmheit von den Leichen aus Donners »Körner« weggewendet hat, als einem kunstwidrigen Gegenstand, adoriert jetzt die Kopfabschneiderei aus Gallaits »Egmont«. Was ist das?

Weiters denke! habe ich mich nicht enthalten können, abends in meinem unterirdischen Zimmer die zweite Musikzimmer-Wand, wovon das Beethovische Bild die erste ist, in Angriff zu nehmen. Die Zauberflöte für Mozart. Ich bin ganz erstaunt über den Reichtum des Stoffes und lache mir den Buckel voll, daß es ohne irgendeine Gewalttat sich in eine ganz kongruierende Form wie von selber fügt. Der einzige Sarastro ist ein bißchen hohl, dagegen prächtig und stilisiert, wie alle Mozartischen Aufzugsmusiken. Es kann sein, daß ich während des Malens der Aschenbrödel mit den Zeichnungen fast ganz zustande komme. Man wird mich auslachen, das versteht sich, ich frage aber, ob der Faust von Goethe ein viel größerer Nationalschatz ist als dieses herrliche, das man freilich nicht so dumm sein muß, sich ohne die Musik denken zu wollen.

Lachners Musik zum Ödipus ist alles Mögliche. Ouverture und Eingangsmarsch ganz vortrefflich. Leonhard ist zu meiner großen Freude hier, mit einer des Tags zwei Stunden fressenden Anstellung als Oberlehrer des Klaviers am Conservatorio. Gibt er noch ein paar Stunden die Woche dazu, so geht's ihm gut. Lachner ist sehr von ihm eingenommen und mit der Zeit hoffe ich das Beste. So ein lediger Bursche kommt schon durch.

So hätte ich ziemlich Rapport abgestattet, und ersuche um ein Gleiches. Von Weimar immer noch keine Entscheidung – es liegt mir nichts mehr daran. In Salzburg war ich wieder mit Cornelius und Schnorr beisammen zu meiner großen Freude. Mein Ausseer Bruder, der jetzt in Salzburg ist, hat geheiratet. Steinle hat geschrieben, ich antworte demnächst. Das ist nichts Kleines, eine erwachsene Tochter verlieren.

Der Frau Liebsten nebst Kindern alles gute Glück. Leb recht wohl und schreibe bald und Erfreuliches Deinem alten schlanken Freund Schwind.

Ist Graf Reichenbach mit seiner Zeichnung zufrieden?


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