Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 12. Dezember 1868 (an Bauernfeld)

Gestern wurde »Aus der Gesellschaft« im Hoftheater gegeben und ich ging hinein mit der ehrlichen Absicht, Dir heute morgen, auf telegraphischem Wege, über den glänzenden Erfolg Bericht zu erstatten. Was ich erlebte, hatte aber Zeit bis heute abends. Hervorruf nach Aktschluß zweimal – Applaus bei offener Szene ein paarmal, Applaus am Schluß u. dergl. wäre zu registrieren, aber die ganze Wirtschaft war erschrecklich weniger schön als in Wien. Es war als reiße der Gang der Sache alle Augenblick ab, namentlich im letzten Akt. Die schönsten Pointen gingen wirkungslos vorbei, und es war keine Wärme im Publikum zu spüren, wahrscheinlich weil sie bei den Schauspielern auch nicht allzu hochgradig zu finden war. Die Schauspielerinnen sind Gott sei Dank alle häßlich, namentlich die junge Gräfin, die noch überdies einen ordinären Anflug hat. Die gute Frau Dahn wird nacheinander alt, wohl gegen ihren Willen, aber doch alt. Der Graf, der Offizier, der Fürst machten ihre Sache gut, der letzte etwas tragisch, der Advokat etwas grimmig. Gesellschaftsszene etwas schlampert. – Da hast Du die erste und einzige Theater-Rezension meines Lebens. Die Lust, bald wieder in ein Schauspiel zu gehen, ist mir gestern so ziemlich vergangen.

Seit wir uns nicht mehr gesehen, habe ich einen glücklichen Monat mit meiner Frau allein am See verlebt. – Dann kam aber eine Kalamität nach der andern. Ich habe Monate zugebracht in den qualvollsten Sorgen – es ist besser, nicht davon zu reden. Es wurde endlich so, daß meine Gesundheit ganz herunter kam und aller Mut und alle Kraft dahin war. Der Doktor jagte mich fort und drei Wochen in Frankfurt, Karlsruhe und in Lorch bei Mörike zugebracht, dazu ein leidliches Ende der desperaten Zustände, brachten mich wieder so weit, daß ich das abgetan zu vergessen und mich der Arbeit hinzugeben imstande war. Dafür ist aber jetzt meine Frau krank und, was einen ganz toll machen kann, die Mittel, die ihr helfen sollen, kann sie nicht vertragen. Das ist ein schönes Leben!

Mit der »Melusina« bin ich so ziemlich im Gang. Es gab noch viel zu denken daran – es ist alles geordnet und eingeteilt und die paar Stücke, die ich aufgezeichnet habe, klappen gut. Wird daraus was will, es wird mich angenehm beschäftigen. Bilder gibt's genug auf der Welt, was tut's, wenn eins mißrät? Eine Schubertiade ist auch fertig geworden, aber ich habe sie an die Wand gestellt, vielleicht wird sie im Liegen gut wie die Holzäpfel. Die Sammlung von »Gelegenheitsgedichten« ist jetzt über Nr. 30. Sonst noch allerhand kleine Sachen. Leb recht wohl, lieber Freund, grüße Dessauer recht schön und gib wieder einmal Nachricht von Dir, den Wertheimsteins, die ich bestens grüße, und gratuliere Dir, daß Du der gestrigen Vorstellung nicht hast anwohnen müssen. Dein alter Freund Schwind.


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