Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 31. Januar 1868 (an Mörike)

Verehrter Freund! Da Sie nun, wie es scheint, ganz ernstlich ein Hafner werden wollen, wäre es ein Verbrechen, Ihnen mein für das deutsche Gewerbwesen unentbehrliches Werk länger vorzuenthalten. Eine gänzliche Umwandlung, ein unerhörter neuer Aufschwung kann gar nicht ausbleiben. Nur schade, daß sich kein Verleger dafür findet, und es bei näherer Betrachtung auch keinem zuzumuten ist, dem deutschen Nationalstolz mit einer Sache entgegenzutreten, die sich untersteht, ohne sehnsüchtigen Hinblick auf Paris zu existieren. Wovon Ihnen [Friedrich Theodor] Vischer erzählt hat. Die Schwersteine – die wurden in einer Zeitschrift gebracht. Es war Theseus, der den Grabstein seines Vaters aufheben soll, Fallstaff im Waschkorb und ein Hausknecht, der einen Koffer eintritt. Es war damals eine Antwort auf die eselhafte Frage so vieler Ästhetiker: In welchem Stile sollen wir verzieren? Da habt ihr Griechisches, Mittelalterliches und Modernes, aber alle drei sind schwer auf die Unterlage drückende Gegenstände – Papierschwerer. Mit eigentlichen Ornamenten habe ich mich wenig eingelassen, meine Tätigkeit fängt da an, wo das Bezeichnende gerade dieses Geräts anfängt. Sie ist epigrammatisch und illustrierend. Ich lege ein Heft »Almanach von Radierungen« bei (sehr schön eingebunden, den Versen von Feuchtersleben zu Ehren). Ich hoffte, mit einem solchen Jahresgeschenk etwas zu verdienen, machte aber gleich so gänzlichen Fiasko, daß nicht weiter daran zu denken war. Später war ich veranlaßt, mehreres für eine Tongeschirrfabrik zu zeichnen, wovon ich einiges in die Sammlung aufgenommen habe, einiges war für einen Silberarbeiter, der mir sie als unbrauchbar zurückschickte, und so machte sich das Ding. Eine Stunde werden Sie sich schon damit unterhalten.

Ich habe Ihre vier Erzählungen wieder gelesen und mich ein paar Abende damit ergötzt, den Lebenslauf des magern Hansels zu entwerfen.Mörikes Märchen »Der Bauer und sein Sohn«. Es fehlt noch ein Bild, wo ihn die Königin reitet. Sehen Sie einmal, was das Pferdl für Situationen durchmacht. In guten Tagen könnte man's für Ihre zwei Töchterln herrichten.

Billigerweise sollte ich Ihnen einiges Schöne sagen über die vierte Ausgabe; das laß ich aber sein bleiben. Über solche Sachen zu reden, ist ein poetischer Akt und kann nichts anderes sein, und dazu gehört auch eine poetische Sprache, mit der ich nicht dienen kann. So viel kann ich Ihnen aber sagen: Wie nobel ist es, daß so wenig Neues daran ist! Ein anderer würde sein Gäulchen anders hetzen. Dann kann ich Ihnen sagen, daß ich in Anerkennung der köstlichen Vollendung Ihrer Gedichte fünf Wochen lang an meiner Lyrik gesessen bin, feilend und nachhelfend. Damit aber auch die Kritik nicht fehle, muß ich gestehen, daß ich einen traurigen Einblick in Ihren Charakter getan habe. Wenn Sie sich dazu bekennen, noch unpraktischer zu sein als unser werter Freund Richter, da bin ich mit meinem Latein zu Ende. Ich habe immer geglaubt, der hätte das Übermenschliche geleistet!

Zuletzt möchte ich noch wissen, wie dieser Fuß heißt: Laberdan (– ˘ –) etwa. Von der Melusine wäre sehr viel zu sagen. Ein Punkt ist ungeheuer kitzlich, daß sie nämlich keinen Fischschwanz hat. Das ist offenbar ein boshaftes Geschwätz, dessen Entstehung gezeigt werden muß, und es geht zum großen Gewinn für das Ganze. Wir werden's schon einmal anschauen.

Sonst geht alles gut, nur etwas einsam, seit die zweite Tochter fort ist. Auch muß ich noch etwas für Wien machen und das ist schrecklich langweilig. Die Foyerbilder schicke ich ein anderes Mal, es muß viel dazu geschrieben werden, oder angenehmer: gesprochen.

Lassen Sie sich Ihre Einsamkeit recht behagen! Sie sei gesegnet, wenn sie ein paar Gedichte einträgt. Leben Sie recht wohl und empfehlen mich den Ihrigen; alles Schöne von der Frau. Ihr ergebenster Freund Schwind.


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