Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 16. Februar 1865 (an Mörike)

Sehr verehrter Herr und Freund! Ich befinde mich seit acht Tagen in einer unfreiwilligen, aber ganz behaglichen Vakanz. Eine Verkältung, die ich mir zugezogen und die aussah, als wollte sie eine niederträchtige Grippe werden, hat sich durch Zuhausebleiben und Warmhalten in einen harmlosen Schnupfen aufgelöst, und ich habe den Profit davon, aus dem verwünschten Tagwerk herausgekommen zu sein, Studien zu zeichnen, die ich nicht recht sehe, und mit grauslicher Kohle zu zeichnen, von der man ganz schwarz wird, zu ändern, zu feilen, und mich zu ärgern, kurz, was man in diesem Leben Kartonzeichnen heißt. Dieses verteufelte Geschäft treibe ich jetzt im dritten Monat, und froh, daß mich das Schicksal ein wenig zur Ruhe gesetzt hat, so habe ich doch Zeit einzusehen, daß ich mich bereits ganz dumm gearbeitet habe und eine kleine Abwechslung das Beste sein wird, was ich mir antun kann. Sie waren so freundlich, es eine Inspiration zu nennen, einmal der »Zauberflöte« zu Leib zu gehen, aber ich habe genug an der Inspiration; ich bin halb ersoffen in der Inspiration, das Ding nimmt kein Ende und ist immer nicht schön genug – also lassen wir's ein wenig ruhen, da doch das Schwierigste überwunden ist, und denken wir daran, das Leben wieder ein wenig aufzuputzen und neue Freude in die Wirtschaft zu bringen. Wenn ein Acker so und so viel Teufelszeug hergegeben hat, um Frucht zu tragen, so muß er eben so und so viel Teufelszeug – die chemischen Ausdrücke sind nicht zu merken – wieder zurückbekommen, sonst hat das Fruchttragen ein Ende. Ebenso wenn unsereiner so und so viel Vernunft hergegeben, muß wieder so und so viel Vernunft nachgeheizt werden, sonst macht man dummes Zeug. Bitte sich also zu erinnern, daß bei unserm fröhlichen Beisammensein Sie, mein verehrter Freund, das Ansinnen, sich einmal nach München zu bringen, nicht ganz von der Hand gewiesen haben. Ich melde mich beizeiten und sage Ihnen ganz bescheidentlich, daß ich für Ostern meine Gedanken in dieser Richtung fleißig spazieren gehen lasse. Sie werden Ferien haben, werden hier mit Kirchenmusik regaliert wie nirgends, erleben am Palmsonntag ein Konzert, und was mich betrifft, hoffe ich, Ihnen sowohl »Zauberflöte« als »Reisebilder« fertig vorführen zu können, – zweiundsiebzig Nummern. Was meinen Sie? Sie haben manchen braven Kerl hier zum Freunde – ich habe schon an dem Speiszettel gearbeitet, wenn Sie ein Dutzend zu Tisch laden wollen. Der grimmige Scherzer pflegt um Ostern auch hier zu sein. Lassen Sie sich etwas zureden. Wahrscheinlich sehe ich Sie noch vorher, denn die Frau Tochter wird nächsten Monat in die Wochen kommen. Ist es ein Bub, soll ich Gevatter stehn, ist es ein Mädel, reise ich jedenfalls hin, dessen Bekanntschaft zu machen. Sie entgehen mir also doch nicht. Jetzt leben Sie recht wohl, verehrter Freund, empfehlen Sie mich der Frau Gemahlin und den kleinen Töchterln, von denen Sie eines mitbringen sollten. Ich habe auch ein neunjähriges Ding im Haus. Ihr ganz ergebenster

M. v. Schwind.


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