Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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II. Auf Vorposten

»Die Sache in München war nicht mehr auszuhalten.« Dagegen: »Karlsruh ist für mich die interessanteste Stadt von der Welt geworden. Es gibt keine schönere Gegend, keine schöneren Straßen, keine schöneren Sterne als hier. Dieses neugebackene Loch enthält alles, was ich brauche.« So berichtet Schwind in der guten, zuversichtlichen Stimmung, mit der er jeder Veränderung seiner Lage entgegen ging, an den »Trienter Hof«, das heißt an zwei im Trienterhofe zu Wien wohnende Jugendfreundinnen, Frau Therese und Fräulein Marianne von Frech.

(Die Briefe an den Trienter Hof sind von ganz besonderer Grazie, gemäß dem Bekenntnis ihres Schreibers: »Man kann nicht bald wieder so lang und heimlich plaudern als bei dieser Frau von Frech«; sowie: »Wenn Ihnen meine Briefe Vergnügen machen, so wird das daher kommen, daß ich Ihnen, wo ich weiß verstanden zu werden, lieber und leichter schreibe, als vielen andern.«)

Schon bald aber hieß es wieder: »Ich habe oft so das Heimweh nach Wien, daß ich glaube, es ist nicht auszuhalten.« Denn alles, was er brauchte, sollte Schwind auch in Karlsruhe nicht beschieden sein, – er meinte nämlich: »Wirkungskreis und Frau, den will ich sehen, der mehr verlangen kann, höchstens einen Haufen Kinder dazu.« Der Wirkungskreis blieb ihm versagt, er klagte über »schlechte Behandlung« und hatte den besonderen Verdruß, in der Konkurrenz um die Ausmalung der Trinkhalle zu Baden-Baden (der »Vater Rhein« ist daraus hervorgegangen) dem Historienmaler Jakob G. Götzenberger nachgesetzt zu werden. Aber die Frau wurde ihm hier beschert: Luise Sachs, die Tochter eines badischen Majors, mit der er sich am 3. September 1842 vermählte; sie waltet fortan sichtbar wie im Leben, so in den Briefen des glücklichen Mannes.

Von Karlsruher Bekannten nennt Schwind nur, gelegentlich, den Minister Freiherrn von Blittersdorf, seinen Gönner, – »ich kenne die meisten Deputierten persönlich recht gut und in Blittersdorfs Haus habe ich ein ›Leben‹ nach Schober« – und den außerordentlichen preußischen Gesandten und bevollmächtigten Minister Josef Maria von Radowitz (in Karlsruhe 1842 bis 1845), den Vertrauten Friedrich Wilhelms IV. Einer weiteren Erklärung bedürfen die folgenden Briefe nicht. Lediglich ein neuer Briefempfänger ist noch vorzustellen, der bisher, obwohl die persönliche Annäherung schon im Jahre 1836 erfolgt war, nur flüchtig erwähnt wurde: Buonaventura Genelli. »Mit dem dicken, aber originellen, kräftig gesinnten Schwind stehe ich seit einiger Zeit in ziemlich lebhaftem Briefwechsel,« – so schreibt dieser ums Jahr 1843 an einen Freund – »den ich nicht vernachlässigen mag, da er unter den Künstlern der einzige ist, dem ich mich gern mitteile, weil er ein ganz von mir Verschiedener und zwar kein aus dem Kunstparadiese Verstoßener ist.« Welche Hochschätzung dafür Schwind dem neuen Freund entgegenbrachte, der allzulange wahrhaft ein Verstoßener blieb, das ist in seinen Briefen zu lesen, zugleich als ein edles Zeugnis für die treue und tatkräftige Freundschaft, deren Schwind, neben jähestem Unmute, fähig war. Einige dieser Briefe hat vor 35 Jahren schon Lionel v. Donop in der Zeitschrift für bildende Kunst mitgeteilt.

Als es auch in Karlsruhe »nicht mehr auszuhalten« war, da ging bald ein Gerücht um, das der seit 1836 in Frankfurt übende Alfred Rethel an seinen Bruder Otto, am 28. Jänner 1844, also vermeldet: »Noch ein anderer Künstler soll sich um diesen wurmstichigen Institutsapfel bewerben, nämlich Schwind aus Karlsruhe, früher in München, ein saugrober Mensch, aber tüchtiger Künstler.« Jener eine Künstler aber war der von Schwind gehaßte, von der Zeit gefeierte Meister der Düsseldorfer Schule, Karl Friedrich Lessing; der wurmstichige Apfel war die Lehrstelle für Historienmalerei am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt a. M. Und das Gerücht bekam recht; nichts war in Karlsruhe, was Schwind gehalten hätte: auch »das Ministerhaus ist fort und mit ihm das einzige, das ich außer der Familie besuchte, findet sich aber in Frankfurt wieder«. Er übersiedelte, nachdem das Institut noch ein größeres Werk »aus der deutschen Geschichte« von ihm bestellt hatte (es wurde der Sängerkrieg auf der Wartburg daraus), im Mai 1844 nach Frankfurt a. M.; »auf Vorposten,« wie er Genelli schrieb. »Die Zelte werden schon abgebrochen und ich erwarte täglich ein Kamel von Fuhrmann, das meine Siebensachen transportieren soll. Gleich nach Ostern soll 's weitergehen. Nach München ginge ich freilich lieber,« – dies ist auch der Inhalt der letzten Karlsruher Briefe an Schaller und an Kaulbach – »aber ich denke, es wird sich leben lassen.«


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