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München, 11. Jänner 1852 (an Schädel)
Liebster Freund Schädel! Gratuliere von Herzen zu dem kleinen Buben sowohl als zu der so weit wieder gewonnenen Gesundheit. Was noch fehlt kommt mit dem Frühling. Gut, daß Ihr in Frankfurt einen habt, in München reduziert er sich auf ein paar frühlingsartige Tage oder Stunden. Die Büste mag Dich manchmal erinnern, daß ich noch auf der Welt bin und, Gott sei Dank, seit die Schwäche nach dem Seebad gewichen ist, gesünder als seit langen Jahren. Obgleich aus der Reihe der lebenden Künstler ausgestrichen, bin ich nichts desto weniger tätig und guter Dinge, und trotz aller Zurücksetzungen und Preisherabdrückungen verbessert sich mein Haus und mein Vermögele, wie die Frau sagt, mehrt sich, wenn auch langsam. Die Kinder sind kreuzwohlauf, und die Frau, obgleich noch stellenweise von der Nesselsucht geplagt, ist doch wieder so weit praktikabel, daß wir unsere Spaziergänge machen und abends, in der Regel, ja fast immer allein, in unserm unterirdischen Kneiplein beisammensitzen. Nachdem die Kirchenfahnen für die hiesige Theatinerkirche, zu meiner Zufriedenheit und hoffentlich zum Ärger des Publikums, fertig sind, arbeite ich mit allem Eifer an der Bestellung des Königs Otto, die Beethovische Zeichnung nämlich in Farben auszuführen. Die Haut wird mir zwar dabei über die Ohren gezogen, aber bei so etwas muß man froh sein, wenn man's machen darf. Nicht um das fünfzigfache Geld möchte ich so Lumpenzeug machen oder gemacht haben, wie es jetzt das Reich der Kunst beherrscht. Kommt's noch einmal dazu, daß von deutscher Kunst überhaupt die Rede ist, dann wird man sich wundern, was für dumme Bestien unsere Mecäne waren. Wie gut dem Ding die Farbe tut, kannst Du Dir gar nicht denken. Es ist alles so klar gefordert, daß sich's ganz ohne Anstand heruntermalt. Bis Ostern hoffe ich fertig zu sein und gehe dann damit nach Wien, vielleicht daß es behilflich ist, meinen alten Ehrgeiz zu befriedigen, ein Bild in die Wiener Galerie zu bringen. Geht's nicht, ist's mir auch recht, ich habe selbst eine Galerie.
Siehst Du, so ist man noch immer voll Eifer für seine Kunst und meint, andere mögen das mit Beifall anhören.
Lachner hat seine neueste Symphonie in Wien mit größtem Beifall aufgeführt, und es sieht fast aus, als wollten sie ihn von München entführen. Ich rechne aber auf die bei Reorganisierung der Akademie bewiesene Energie, die so groß ist, daß nach zweijährigem Reorganisieren die Anstalt zugesperrt ist. Es wäre für München eine schöne Ohrfeige, umsomehr als Dingelstedt mir ganz so vorkommt, als schaffte er an Lachners Stelle den Cimborasso Liszt herbei. Ist keine Aussicht, daß Dich ein Güterkauf nach München führt? ein Bilderkauf wäre eine noch schönere Veranlassung. Kann ich's irgend machen, so rutsche ich einmal nach Frankfurt. Möge sich das neue Jahr in diesem und allen rechtschaffenen Punkten gut aufführen.
Der Frau Gemahlin und dem neuen Ankömmling nebst sämtlichen Kindern und Freunden alles Schöne. Schreib wieder einmal und recht viel gutes Deinem alten Freund Schwind.
Frau Luise von Schwind mit ihren Kindern
Bleistiftzeichnung von M. v. Schwind aus dem Jahr 1851