Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 30. April 1866 (an Bauernfeld)

Liebster Freund! Es scheint angezeigt, Dir zu gratulieren, denn die Ereignisse in Kammer- und Herrnhaus scheinen derart zu sein, daß Dir ein großer Gefallen damit geschieht. Illumination, Grillparzer als Senator, Vivat hoch! lauter schöne Sachen. Jetzt wollen wir nur wünschen, daß alles auch nachhält und zu was Gutem führt. Hier gibt es Menschen, die sehen übers Jahr die Guillotine aufgerichtet, so fest sitzt die Ueberzeugung, daß man alles aus Paris beziehen muß. Hol's der Teufel!

Ich bin schon seit vier Wochen nach Wien unterwegs. kann mich aber immer nicht aus den Armen meiner schändlichen Grippe loswinden, die mich beim Schopf hat. Aus Husten und Schneuzen wollte ich mir nichts machen, aber ein allgemeines Elend ließ mich den ganzen Tag schlafen. Jetzt bin ich so weit auf dem Strumpf, daß ich ausgehen könnte, wenn das Wetter nicht unter aller Kanone wäre. Meine Arbeiten werden gepackt und ich hoffe, ich kann ihnen nächster Woche nachreisen. Vier Wochen schlage ich mich mit Kranksein herum.

Lachner ist pensioniert und ganz glücklich, schreibt fleißig und was er macht, ist voller Heiterkeit und Wohlsein. Im Theater werden die »Meistersinger von Nürnberg« einstudiert und die Konzerte brachten wieder einen Marsch von Schubert, instrumentiert par Liszt Aus dem Trio ein Adagio gemacht, im Marsch-Takte eingesetzt, kurz – mache doch Dessauer begreiflich, daß der ganze Herr Liszt ein musikalisches Rindvieh ist, sonst müßte er doch einsehen, daß er an Schubert zu verbessern durchaus nicht berufen ist. Wo sich Salon und Meßbude vereinigen wie bei diesem Edlen, da gibt es einen guten Klang.

Gemacht habe ich wenig, obwohl ich fleißig war; es gab eine Menge nachzuholen und dergl. Melusina wenig gezeichnet, aber viel gefeilt. Sie wird, unbeschadet des Gesindels, stellenweise ihren Fischschwanz kriegen. So lang's möglich ist, muß man dem Stoff nicht weh tun.

Mörike hat ein sehr hübsches Gedicht an mich gerichtet. »Aus der Gesellschaft« und »Die Bauern von Weinsberg« habe ich wieder gelesen und bin immer entzückter davon. Die »Fürstin Agnes«, die ich auf dem Theater mich nicht erinnere gesehen zu haben, wirkt vortrefflich. Ist es wahr, daß der Aufführung jetzt Hindernisse in den Weg gelegt werden? Wäre nicht übel! Das wäre »Aus der Gesellschaft«. Wird mir die Bagage so zuwider, daß ich's gar nicht sagen kann. Bei uns veraltet's ein wenig wegen des Wehrgesetzes, wundervoll, ich glaub die Bauern-Esel nehmen's übel, daß die andern auch Soldaten werden müssen. Von wem sind denn die Artikel »Aus dem Wiener Leben« in der »Allgemeinen Zeitung«? Mahnen manchmal an Dich. Jetzt wünsche ich nur noch, daß ich bei Wertheimsteins gebesserte Zustände antreffe, und so leb wohl auf baldigs Wiedersehen. Dein alter Freund Schwind. So ein lausiger Brief strengt mich an.


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