Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 26. März 1853 (an Schädel)

Liebster Freund Schädel! Guck emol an! wenn der heillose Schnee nicht gekommen wäre, so träte statt dieses armseligen Briefes wahrscheinlich meine eigene Gestalt bei Dir ein. Es war so gut als abgemacht, daß ich Montags abreisen sollte und zwar nach Gotha und Weimar, um mit dem Erbgroßherzog endlich ins Reine zu kommen, und von da wäre ich über Frankfurt und Karlsruhe, überall drei Tage verweilend, zurückgekehrt. Ecco legt es einen Schnee her, daß vollkommenes Steckenbleiben das Minimum des zu Erwartenden ist und einem der Bart gefriert, wenn man nur ans Reisen denkt. Insuper [dazu] stürzt mir der Rhein von der Wand und schlägt sich eine tüchtige Wunde, deren Herstellung Gott sei Dank vollkommen möglich, deren Kur aber an die 100 fl. verschlingen wird. So sind die Ferien verschneit, das Geld verfallen, und Reise und Überraschung, Veränderung der äußeren Eindrücke, daraus zu erwartende Erfrischung – alles schrumpft zusammen auf vier bis fünf Tage ohne Arbeit und ohne Zerstreuung. Wenigstens will ich Dir schreiben und womöglich Dir einen Brief entreißen. Was macht Dein Exsudat? Das meine war groß genug, ich spüre nichts mehr davon und das schon lange. Ich hoffe die Deinige wird unterdessen überwunden sein oder sich endlich bezwingen lassen. Wie gern sieht man seine Freunde nach einer tüchtigen Krankheit. Dein letzter Brief klang nicht ganz befriedigend. Schau, daß Du was besseres schreiben kannst.

Bei mir ist Gott sei Dank alles wohl, etwas Nervositäten bei der Frau abgerechnet. Die Kleine kriegt ihre Zähne, die Großen ihre guten Noten, und an den nötigen Lebensmitteln und Stiefeln hat es noch nie gefehlt. Dem Hermann, der gute Ohren zu haben scheint, soll ein Geigenlehrer beigelegt werden, er hat Freude dazu, und ich halte es für ein gar nützliches und geselliges Instrument. Will er Klavier spielen lernen, soll er's tun, wenn seine Finger zum Konzert spielen zu steif sind, so kann ihm der moderne Firlefanz nicht an den Leib. Musikalischerweise lebe ich sehr zurückgezogen. Es greift mich mehr an als sonst, und ich exponiere mich nicht gern zu starken Eindrücken. So profitiere ich auch nicht so viel von Leonhard, als ich könnte, es setzt aber hin und her eine Bachsche Fuge, ein Stück Sinfonie, und partienweise sein Oratorium Johannes (Täufer), das mich sehr interessiert. Durch ihn machte ich die Bekanntschaft Maiers, der Generalbaßlehrer am Conservatorio ist, eines vortrefflichen unangesteckten Mannes und Palästrinapietisten, wie er sich selber nennt. Wir sitzen alle Samstag mit den beiden Lachner im Wirtshaus zusammen, was mein einziger Klubgang ist. Mit den Malern ist nichts anzufangen. Die reden immer von verschiedenen Wegen, und ich sehe nur ein großes Loch voll süßem Morast, wo sie alle zusammen in der Rundung herumtaumeln. Wer da nicht mit essen und natürlich immer tiefer hinein kommen will, der muß für sich allein bleiben. An der Aschenbrödel spare ich nicht Zeit nicht Mühe, obgleich in der Gewißheit, daß ich schwerlich was dafür bekomme, und tröste mich und halte mich frisch mit der Gewißheit, daß ich das, was gern bezahlt wird, um das Zehnfache nicht machen möchte, was die armen Tröpfe dafür bekommen. Ich bin bereits tüchtig müde und hätte eine Erholung gut brauchen können, aber es ist auch hübsch was fertig, das Ganze auf gutem Weg und der bei weitem größte Teil überstanden. Da ich doch von Nebenarbeiten leben muß, sei Dir angezeigt, daß von diesem Werke eine fünf Schuh lange, achtzehn Zoll hohe, sehr präsentable Sepia-Zeichnung existiert, an der der Besitzer, für den Gedanken nicht das Wertloseste sind, etwas rechtes hätte. Ich meine damit, gerade herausgesagt, Deinen jungen Grafen. Versteht sich, muß das Bild erst da sein. Aufrichtig gesagt kann ich gar nicht genug staunen, daß immer das Nötige da war und noch da ist, wenn ich bedenke daß es bald ein Jahr ist, daß ich nichts mehr fertig machte und der König von Griechenland erst anfangs dieses Monats bezahlt hat. Dazwischen Krankheit, Kindbett und Badereise! Also tapfer zu. Daß Veit von Frankfurt weggeht, ist natürlich, aber viel zu spät. Ich komme manchmal auf den tollen Gedanken zurück, daß wir hätten in einer kleinen wohlfeilen Stadt sollen zusammensitzen und uns so selber eine Kunststadt machen, – das geht aber nur mit einer Ordensregel und wer kann ein Kloster gründen mit Weib und Kind. So sieht man, wie weit man's bringt als Künstler und eigner Mecän zugleich.

Ich habe mir ausgedacht gehabt, wir säßen mit Veit zusammen, und ließen Dir die Wahl, ob du wolltest katholisch werden oder Dir einen Haarbeutel antrinken auf die Gefahr hin, ein Türke zu werden.

Frau und Kindern alles Glück und Heil! und schreib bald wieder Deinem alten Freund Schwind.


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