Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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Karlsruhe, 4. April 1842 (an Bauernfeld)

Liebster Freund! Deinen Roman solltest Du doch nicht verschmähen mir zu schicken, wenn es ohne große Unbequemlichkeit geschehen kann. Erstens möchte ich ihn gar gerne lesen und dann macht man so hin und her etwas viel angenehmer und besser, als wenn man alles auf einmal machen soll. Die Kammer hat ihren Tee. Blittersdorf kann was ertragen und plagt mich eigentlich um Karikaturen. Ich hab ihm eine Szene gezeichnet, wo man ihm die Fenster einwerfen will, das gefällt ihm sehr gut und er will es herausgegeben haben. Ich will es nicht abgelehnt haben und vor allem nicht, bis ich die Sache kenne. Schober also läßt sich oder ließ sich gar nicht mehr sehen, das ist ein merkwürdiger Kerl. Seine Geschichte wäre nicht uninteressant wo einzuflechten. Sei doch so gut und vergiß nicht, mich wissen zu lassen, wo dein Nekrolog Vogls zu lesen ist. Gleich daneben sei gesagt, daß ich meinem Schatz ein Hochzeitsgedicht versprochen habe. Sie möchte gern von Niembsch eines, dessen Gedichte sie sehr liebt, ich möchte von Dir eines, es sei also jedermann eingeladen.Schon am 23. Februar 1842 hatte Schwind an den Freund geschrieben: »Ich werde nächster Zeit ein Porträt einschicken, damit doch jedermann sich überzeugt, daß es der Mühe wert ist, und auch die Hochzeitscarmina nicht brauchen aufs gerade Wohl gemacht zu werden.« Bis 1. Juli soll die große Feierlichkeit vor sich gehen. Wenn man gewiß wüßte, daß jeder so gut zu käme wie ich, so müßte man Tag und Nacht seinen Freunden in den Ohren liegen, bis jeder eine Frau hätte. Dieses Mädl ist vortrefflich und wenn Dir die Frau des »Selbstquälers« gegenwärtig ist, so kennst Du sie. Dazu ist sie heiter und standhaft, daß es eine Art hat. Wenn's so fort geht, und das ist zu hoffen, denn wir haben ohne Ekstase angefangen, so hoffe ich, statt ein Philister zu werden, die Masse von Verdrießlichkeit, Unlust und Verstockung, und das ist das wahre Philisterium, abzuschütteln. Etwas behagliche Gewohnheit ist unserm Alter angemessen und gehört dazu, um etwas Gesundes zu machen. Ich würde mich jetzt gar nicht besinnen, die ganzen Staatsarbeiten abzudanken und mich, bloß auf meine Gedanken gestützt, dem Publikum gegenüber zu stellen, was ich früher kaum würde gewagt haben. Ich habe jetzt so Zeug genug gemacht, vedremo. Die Sache in München war nicht mehr auszuhalten. Ich habe müssen einsehen, daß da keine Wahl war, als aufgeben oder, wo nicht geradezu närrisch zu werden, in Ärger und Verbitterung um alle Fähigkeit zu kommen. Gott sei's geklagt, daß es so hat kommen müssen, aber es war nicht zu helfen. Alle äußere Entbehrung, Unbehagen und Langeweile hätte ich ertragen, wenn man aber einsieht, daß alles inwendige zugrunde geht, da ist nichts mehr zu tun als salvare animam [das Seelenheil zu retten]. Es kostet mich viel und ich habe viel auszustehen von dorther. Das muß man aber in Gottesnamen hinnehmen und froh sein, mit einem blauen Auge weggekommen zu sein.

Glaub mir, ein ausgesprochenes Verhältnis hat fast keinen von allen den Schrecken, wie wir uns eingebildet haben. Ich finde das alles so natürlich, als wäre es nie anders gewesen. Es harmoniert alles so gut, daß einem eine Menge Verdruß und Zeit erspart ist. Kann sein, daß es mir gar so behaglich ist, weil ich früher habe müssen so viel ausstehen, auch habe ich mein Alter und daher mehr Freude an Kindern als an einem Roman, deren ich genug und das nasenverbrennende gehabt habe. Du wirst sehen, Du wirst mit meinem Mädel zufrieden sein. Dialectus jonica, sie schwäbelt vortrefflich. – Bevor das Freskomalen wieder angeht, wird noch nach Düsseldorf geflossen, ich will den Rhein ein wenig verkosten und den Cölner Dom noch sehen, bevor ihn das uneinige Deutschland verhunzt. Leb recht wohl und vergiß nicht wegen des Nekrologs und Hochzeitsgedichtes. Empfiehl mich bei Neuner bestens.

Dein Freund Schwind.


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