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Karlsruhe, 24. März 1844 (an Kaulbach)
Lieber Freund Kaulbach! Zum Dank für das große Vergnügen, das Du mir durch die Abfertigung Götzenbergers gemacht hast, – denn ich kann mir kaum etwas Possierlicheres denken als das Gesicht dieses aufgeblasenen Balgs, bei einer so empfindlichen Enttäuschung – sollst Du gleich wieder in Anspruch genommen werden. Ich habe einen Karton an Schaller geschickt, damit ihm meine Freunde auf den Puls fühlen und mir sagen, ob Leben darin ist oder nicht. Hier in der Wüste weiß man am Ende nicht, was man macht oder zu machen im Begriff ist. Fändest Du's der Mühe wert, mir ein paar Zeilen zu schreiben, so solltest Du sehr bedankt sein. Gib auch Deine Stimme ab, ob es ratsam ist, zu einer Ausstellung auf der Akademie zu schreiten oder nicht, und stoße Dich nicht zu sehr an einzelnen Ungeschicklichkeiten.
Gleich nach Ostern ziehe ich hier weg, bereichert um eine vortreffliche Frau, einen rotbackigen Buben, ein gutes Stück Geld und einen schönen Auftrag für das Institut in Frankfurt. Da mögen sich andre in die hiesigen Verhältnisse mühsam eindrängen, an denen ich nichts gut finde, als daß sie für mich selbst in der Erinnerung nicht mehr existieren.
Empfiehl mich Deiner Frau, wenn sie sich meiner erinnert. Leb recht wohl und nimm Dir die Zeit, das Prachtstück anzusehen.
In vorhinein dankend Dein alter Freund Schwind.
Nun hieß es: »Es ist in Frankfurt nicht übel leben, und ich habe Leute gefunden, mit denen sich leben läßt.« Zu diesen Leuten gehörte in erster Linie der Musiker Bernhard Schädel; nach dem »für den ausübenden Künstler verhängnisvollen Jahr 1848« übernahm dieser, durch das frühere Studium der Kameralwissenschaften befähigt, die Güter- und Vermögensverwaltung des Grafen Wilhelm von Reichenbach-Lessonitz und übersiedelte 1858 als Privatmann nach Darmstadt. Er empfing von Schwind eine Reihe von inhaltreichen Briefen, die er selbst vor dreißig Jahren auszugsweise in der Zeitschrift »Nord und Süd« mitgeteilt hat. Neben Schädel ist auch der 1828 in Frankfurt geborene Historienmaler Otto Donner-von Richter zu nennen, der bis 1847 Schüler des Städelschen Instituts, dann Delaroches in Paris war und darauf unter Schwinds Augen in München arbeitete. Die von Schwind öfters genannte Frau Hoffstadt war die Witwe des 1846 verstorbnen bayerischen Appellationsrates Friedrich Hoffstadt, der sich besonders um die Wiederbelebung der Gotik bemüht und eine reichhaltige Sammlung gotischer Kunstschätze hinterlassen hatte.
Von nun an wird öfters auch ein Mann genannt werden, dessen Kunst und Hingabe Schwind besonders viel zu danken hatte: der prächtige Julius Thäter. Dieser hervorragende Kupferstecher verstand Schwinds Handschrift wie kein Zweiter zu lesen, und Gustav König, der Freund sowohl Schwinds als Thäters, hatte recht, ihn »Vorzüglichster aller Grabstichel!« anzureden. (Der lustige Maler, der für seine Darstellungen aus der Reformationsgeschichte den Beinamen »Luther-König« erhielt, machte dabei den Vorbehalt: »Du brauchst dir diesen Eingang nicht gerade zu merken, damit du deine Antwort nicht etwa anfängst ›bedeutendster aller Pinsel‹!«) Thäter kam, 1804 in den ärmlichsten Verhältnissen zu Dresden geboren, nach einer furchtbar harten Jugend und Lehrzeit durch eigene Tüchtigkeit zur Kunst, war zunächst Schüler der Akademie in Dresden, dann Amslers in München, bis er 1842 an die Kunstschule zu Weimar, 1844 an die Dresdener Akademie und endlich, 1849, nach Amslers Tode, durch Schwinds Bemühung an die Akademie in München berufen wurde; er starb am 14. November 1870. Julius Thäter war ein Charakter von seltener Reinheit und Festigkeit, darin verwandt und aufs innigste befreundet mit den Dresdener Meistern Ernst Rietschel und Ludwig Richter. Neben des Letzteren »Lebenserinnerungen eines deutschen Malers« steht, trotz seiner Vergessenheit, ebenbürtig Thäters »Lebensbild eines deutschen Kupferstechers«.
In Frankfurt baute sich Schwind ein eigenes Haus, das in seiner Stattlichkeit wahrlich nicht an das Schilderhaus des Vorpostens gemahnte. Und doch spähte er, um weiter zu kommen, von Anfang an nach Norden und nach Süden. »Nach München ginge ich lieber,« hatte er ja schon bei der Übersiedelung nach Karlsruhe gesagt, einstweilen aber handelte sichs um Leipzig, Berlin und Dresden. Jedoch: »In Dresden sticht man mich aus und sorgt zugleich, daß ich nicht nach München kann, im Fall der König an mich dächte. Gott sei Dank, ich kann mir selber helfen und denke, ohne Titel und Orden noch Manchem zu schaffen zu machen«. Nebenbei mühte er sich, auch Genelli nach Berlin und Dresden zu verhelfen, doch ebenso vergeblich; immerhin konnte er schon am 6. August 1842 berichten: für Genelli scheine die Zeit der Not vorbei zu sein, womit ihm ein großer Stein vom Herzen falle. Dies schrieb er an den Bildhauer Ernst Julius Hähnel, mit dem er schon in München befreundet war und der später sein Mitarbeiter am Wiener Opernhause werden sollte. Hähnel, an den auch einige unserer Briefe gerichtet sind, wurde 1838 auf Gottfried Sempers Veranlassung nach Dresden berufen, wo er an der Akademie der bildenden Künste wirkte; sein populärstes Werk ist wohl das Beethovendenkmal in Bonn.
Im November 1846 erhielt Schwind die Nachricht, es sei in der Künstlerschaft ein Gerede, er werde nach München berufen werden; und kurz darauf, am 20. Dezember, teilt er Genelli vertraulich mit: »si tratta di una professura a Monaco! Mit Frau und Kind kann man das nicht abweisen, und wenn ich denke, daß wir wieder beisammen sitzen werden, so lacht mir das Herz im Leibe. Unsere Frauen werden auch zusammen taugen, und meinem zimpferlichen Buben wird es ganz gesund sein, wenn er von dem Ihrigen Prügel bekommt. Nähme ich die Stelle nicht an, so weiß der Kuckuck, wer sie bekommt, und es ist mir nicht gleichgültig, wer da sitzt. Gearbeitet soll werden, daß es eine Freude ist. Wenn ich erst wieder bei Leuten bin, denen meine Sachen Vergnügen machen und die ein Urteil haben.« Die bestimmte Nachricht von seiner Berufung nach München, an die Stelle des als Akademiedirektor nach Dresden versetzten Julius Schnorr, empfing Schwind von Friedrich von Gärtner, dem 1792 in Koblenz geborenen und 1847 in München verstorbenen Erbauer u. a. der Hof- und Staatsbibliothek, der Ludwigskirche, der Universität, des Siegestores in München; ihm gebührt das Verdienst, Schwind die Wege nach München geebnet zu haben.