Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, Pfingstsonntag 1847 (an Schädel)

Liebster Freund! Wäre ich noch in Frankfurt, so ist wohl kein Zweifel, daß ich heute morgens nach der Mainzer Chaussee geschlendert wäre und mit Zigarrenanzünden und Schwätzen Ihre Ungeduld nach der Kirche gehörig gesteigert hätte. Da nun die Promenade zwischen uns sich bedeutend verlängert hat, so benütze ich die unvollkommene aber doch angenehme Erfindung des Schreibens, dem Mangel der Wirklichkeit in etwas nachzuhelfen. Es ist dies der erste Brief, den ich nach Frankfurt schreibe, nicht ohne Gewissensbisse, da es sich wohl schickte, empfangene Briefe zu beantworten, – es kann aber auch noch geschehen. Was ist in diesen acht bis neun Wochen alles vorgekommen! von der kleinlichen Pein des Wohnungsuchens, Frauerwartens, Besuchemachens, Zimmermalens und Möbelkaufens gar nicht zu reden. Unter allem diesem Trubel ist vorderhand das wichtigste geschehen; ich habe Frankfurt vergessen, rein abgeschüttelt, und was davon halten kann, das kommt jetzt zum Vorschein, ohne den Beigeschmack alberner Verdrießlichkeiten, die alle in den großen Papierkorb versenkt sind. Hier ist Fahrwasser, und wer Kräfte hat, der kann sie loslassen. Ich habe lange zu tun gehabt, mich des langersehnten herrlichen Zustandes, als eines wirklich erreichten, ganz zu bemächtigen: daß ich mich hinsetzen kann und mit aller Muße Werke unternehmen, bei deren Ausführung mich von vornherein kein fremder Einfluß auf die Wahl des Stoffes, hintennach keine alberne und neidische Verdächtigungspolitik verstimmt und ermüdet. Im Vorbeigehen gesagt ist das Musikantenbild mit Glück überarbeitet und braucht nur mehr die letzte Feile. Der Rhein im Begriff auf die Leinwand gepaust zu werden, und für die Geschichte mit der Beethovischen Symphonie ein wichtiger Schritt geschehen, nämlich die Einteilung erfunden. Über den Verkauf des Hauses bin ich vollkommen getröstet. Meine hiesige Wohnung (in Schnorrs Haus) ist um ein tüchtiges größer, der Garten schöner, die Umgebung ganz grün, und statt des Eschenheimerturms haben wir die Glyptothek vor Augen, die auch nicht bitter ist. Veni et vide. Ein Gastzimmer fehlt nicht. Die Akklimatisierung scheint vorüber zu sein. Die ganze Gesellschaft hustete und fieberte – jetzt ist es, Gott sei Dank, gut. Die Kinder fressen wie die Wölfe und schlafen wie die Würste. Ich hatte anfangs viel von Schwindel zu leiden, der aber auch seinen Abschied genommen hat. Drei, vier Ärzte, die ich über das Schleimfieber gesprochen, versichern, daß es erstens seinen epidemischen, zweitens seinen nervösen Charakter, den es seit der Cholera behauptet, seit mehr als einem Jahre ganz verloren und wieder, wie sonst, nur mehr sporadisch und entzündlicher Natur sei. Dies zum Trost für die Frau Gemahlin, wenn sie den Reisepaß ausfertigen muß.

Lachner ist ganz der Alte. (Die »Nachbarn auf dem Lande« hab ich ihm noch nicht gezeigt – er kennt aber Sachen von Ihnen und schätzt sie.) Morgens schreibt er an seiner neuen Oper »Benvenuto Cellini«, klopft dann Noten aus und füllt den übrigen Tag mit Billardspielen und Biertrinken aus. Eine Oper seines Bruders »Lorley« habe ich mit großem Vergnügen gehört. Wäre die von Mendelssohn: welchen Spektakel! Ich sage Ihnen, das sind Leute, daß einem das Herz im Leibe lacht: Sie müssen notwendig kommen und sie kennen lernen. Er macht auch so vortreffliche Schwänke, e. g. behauptet er von Meyerbeers Instrumentierung, wenn ein Besenstiel irgendeinen Ton von sich gäbe, müßte er auch ins Orchester. Was macht der Instrumentalverein? Dieser Tage habe ich mit der Liedertafel gekneipt – eine solche Massa von Humor habe ich nicht bald beisammen gesehen, dazu singen die Kerls prächtig. Zum Künstler-Maifest habe ich Frau und Kinder hinausgeführt, welche treffliche Wirtschaft! Man sitzt und liegt im Wald herum, hält Reden, Maskenzüge, singt, ißt und trinkt, alles auf das fröhlichste. Der König ist im allerbesten Humor. An meiner Tür war er einmal vergeblich und rufen hat er mich nicht lassen. Fräulein Lola [Montez] sitzt in ihrem Haus und zeigt sich wenig. Ich habe nur erst ihr Porträt gesehen, das ist aber schon der Mühe wert. Um unsern Direktor Gärtner hat es mir leid getan. Es war ein Grobian, aber eine ehrliche Haut und ein Mann von Energie und großen Gaben. Wenn man sich um den unentbehrlichsten Mann in München gefragt hätte, so war es Gärtner, jetzt ist er vier Wochen tot, und wenn er heute zurückkommt, kann man ihn gar nicht mehr brauchen. Das ist eine traurige Betrachtung.

Der Geldbeutel von Ihrer guten Frau sieht schon sehr strapaziert aus. Er soll getragen werden, solang er hält. Ein Klavier wird sich herausschlagen lassen und zwar der Leipziger Stutzflügel à 280 fl. Fassen Sie nur den Gedanken fest ins Auge, daß Sie herkommen müssen, grüßen Sie Frau und Kinder nebst der ganzen Nachbarschaft von meiner Frau Louisl und Ihrem alten Freund Schwind.

 


Bernhard Schädel
Bleistiftzeichnung von M. v. Schwind

 


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