Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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III. Meisterjahre

München sollte von nun an Schwinds dauernde Heimat sein. Aber erst achteinhalb Jahre nach seiner Übersiedelung ergibt er sich darein, sich für einen Bayern anzusehen. »Ich habe mich lang genug gewehrt.« Davon geben seine Briefe wiederholt und deutlich Zeugnis. Bei den Äußerungen seines Heimwehs nach Wien ist häufig von Josefine von Wertheimstein die Rede, einer durch seltene Anmut des Leibes wie des Geistes ausgezeichneten Frau, deren gastliches Haus ein Künstlerheim von fast geschichtlicher Bedeutung gewesen ist. (Bauernfeld, zum Beispiel, schloß die Augen in ihrer Döblinger Villa.) »Sag ihr,« schreibt Schwind an diesen, »daß sie an mir eine gewaltige Eroberung gemacht hat; ich glaube, wenn ich nach Wien komme, laufe ich zu allererst zu ihr. Warum weiß ich eigentlich nicht.« Eine treffliche Antwort auf dieses Warum wäre in Anton Bettelheims anmutvoller Charakteristik dieser Frau, in dem Essaibande »Deutsche und Franzosen«, nachzulesen. Schwinds Briefe an Josefine von Wertheimstein sind leider verschollen.

Die Lage in München schildert der Meister im Jahre des »Völkerfrühlings« mit folgenden an Marianne von Frech gerichteten Worten: »Die Professur kostet wenig Zeit und ich habe ein paar Schüler, die mich interessieren – setzt mich aber in den Stand, meine sieben Sachen zu malen nach meiner Lust, unbekümmert um Käufer, die jetzt ohnedem alle vor den Strahlen der Freiheit dahingeschmolzen sind.« Und wenn auch Rietschel (am 18. Februar 1850) Julius Thäter gegenüber äußerte: »Wie ist die künstlerische Richtung in München? Ich höre, daß die jungen Leute alle an Schwind mit Begeisterung hängen. Das sollte mir lieb, als ein erfreulich Zeichen für die Jugend sein,« – so blieb doch wahr, was Thäter zu gleicher Zeit in seinen Tagebüchern schrieb: »Schwind ist und bleibt einer der genialsten Künstler unserer Zeit, und es ist bitter zu beklagen, daß er so unbenützt liegen gelassen wird. Hier bekümmert sich kein Mensch um ihn.« Nur preisen wir es als ein Glück, daß er nicht zu »monumentalen« und andern seinem Wesen fremden Aufgaben »benützt« wurde, sondern, durch sein Gehalt vor Not geschützt, Zeit fand, »seine Siebensachen«, seine Meisterwerke, zu malen.

Er war zu finden »in einem kleinen Parterrehäuschen [Briennerstraße Nr. 35], das unter ein Paar gewaltigen Linden, im Hintergrund eines Wiesen- und Gartengrundes liegt, gerade groß genug, um die verehrliche Familie aufzunehmen und einen anspruchlosen Gast. Das Atelier, an welchem erweitert und nachgeholfen wird, übertrifft das Frankfurter.« Darin förderte er hauptsächlich: »Die Symphonie«, von der als der »musikalischen Novelle«, der »modernen Zeichnung«, der »Beethovenschen Zeichnung« viel die Rede ist; die »Rückkehr des Grafen von Gleichen«, die er 1864 für den Grafen Schack in Öl ausführte; ferner das »Aschenbrödel«, – »hoffentlich die klarste und reichste meiner sämtlichen Arbeiten« – worüber er im Jahre 1852 an Bauernfeld schreibt: »Es ist ein lang herumgetragener Gegenstand, ursprünglich gedacht als die Dekoration eines Tanzsaals, welchem Eindruck zulieb die Musikanten, die unten sitzen, noch beibehalten sind«; endlich das Märchen von den sieben Raben, gleichfalls, wie alle die besten von Schwinds Werken, ein lang herumgetragener Gegenstand, »eine Lebensarbeit, denn die ersten Striche, wovon ich noch Gebrauch machen konnte, sind dreißig Jahre alt« (11. November 1858). Von diesem und dem übrigen Schaffen des Meisters erzählen die Briefe viel des Bedeutenden; auch die köstlichen »Nebenarbeiten«, die »lyrischen Stücke«, die »Reisebilder« (die Perlen der Schack-Galerie!) – »wovon die älteste Komposition vielleicht vom Jahr 22, die neueste von vorgestern ist, . . . eine rechte Alte-Herren-Arbeit,« (13. Oktober 1853) – werden mehrfach besprochen. Um die Gleichenburgen durchzustudieren, guckte Schwind im Jahr 1849 »ein wenig ins Thüringische« und wurde dabei vom Zufalle mit Schober, den er lange nicht gesehen noch hatte sehen wollen, »in ein Wagerl« zusammengeführt. Schober brachte den Freund zu seinem Herrn, dem Großherzog Karl Alexander von Sachsen-Weimar, und überzeugte diesen bald, daß kein anderer als Schwind der rechte Mann für seinen Plan sei, die von Hugo von Ritgen wiederhergestellten Räume der Wartburg mit Fresken zu schmücken. Nach langen Verhandlungen (wir verfolgen sie nur in den entscheidenden Wendungen) kam die Verbindung im Jahr 1853 zustande und zwar »durch Schobers Vermittlung, wozu er als ›beiderseitiger Freund‹ vom Erbgroßherzog aufgestellt ist und wobei er sich mit nicht genug zu lobender Geduld und Ausdauer bewiesen.« »Damit aber die Hindernisse nicht ausgehen,« berichtete der Meister noch am 10. April 1853 an Schober, »kömmt Graf Esterhazy, der österreichische Gesandte, zu mir und nimmt meinen Patriotismus und Ehrgeiz sehr in Anspruch durch die Aufforderung, eine Zeichnung zu machen zu einem Schild, den die kaiserliche Armee an Graf O'Donnel, den Erretter des Kaisers, verehren will.« Graf O'Donnel hatte den Attentäter, der am 18. Februar 1853 den Kaiser beim Spaziergang zu erdolchen versuchte und durch einen Messerstich nicht unbedenklich verwundete, abgewehrt. Um den ihm dafür zugedachten Ehrenschild gab sich Schwind bedeutende, aber schlecht gelohnte Mühe – »es war beiläufig die Arbeit, die ein tüchtiger Plafond macht«. Die Fresken für die Wartburg, Darstellungen aus der Geschichte der thüringischen Landgrafen, aus dem Leben der heiligen Elisabeth (»Das ist die Perle aller Geschichten!«) und eine Komposition des Sängerkrieges, nahmen ihn dann vom Sommer 1853 bis zum Herbst 1855 in Anspruch. Die Bedeutung dieser Arbeit für seine Künstlerschaft beschreibt er in einem Brief an Bauernfeld mit den Worten: »Für mich ist es gerade so wichtig, eine öffentliche Arbeit zu machen, als für Dich, daß Deine Stücke aufgeführt werden.« Auf der Wartburg hatte sich Schwind der besonderen Freundlichkeit der Herzogin Helene von Orleans, geborenen Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz zu erfreuen, die er als »die liebenswürdigste und seelenvollste Fürstin, die mir noch vorgekommen ist,« preist. Gelegentlich spricht er auch von der damals auf der Altenburg in Weimar lebenden Fürstin Wittgenstein, an die seine Skizzen zu den Fresken kamen, als seiner alten Freundin.

In München wurde Schwind, was Umgang anbetrifft, »immer aristokratischer«: er ging den Verwirrungen der Zeit aus dem Wege, mied jeden öden Zeitvertreib und ließ sich einzig durch die Klänge der Musik, der er ja mit Pinsel und Fiedelbogen ergeben war, aus seiner Häuslichkeit locken. Da hieß es einerseits: »Schon bevor der politische Galimathias mich gänzlich aus allen Gesellschaften vertrieben hat, war der künstlerische Unsinn hinreichend, mich sehr rar zu machen.« Anderseits: »In musicalibus lebe ich wie Gott in Frankreich.« Dies namentlich dank der k. b. Hofsängerin Caroline Hetzenecker, »die aus mir altem Haushahn noch einen Theaterläufer machen wird,« und dank der »Diezischen«, des Sängers Friedrich Diez nämlich und dessen Gattin Sophie, – »heiterer, trefflicher Leute, und eines singenden Paares, wie so leicht keines aufzutreiben ist.«

Im April 1856 war der Meister zum Besuche der Weltausstellung in Paris und im Sommer 1857 im Auftrage des Königs auf der Ausstellung in Manchester und in London, sonst aber lebte er nach diesem Rezept: »Ich überlasse die große Bühne andern und ziehe mich unter meine Lindenbäume, ich bin da vielleicht besser am Platz, und keinenfalls werde ich der Narr sein und mir meine Pfeife nicht schmecken lassen.«


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