Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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Nieder-Pöcking, 11. Juni 1869 (an Mörike)

Sehr verehrter Freund! Ich habe meinen Skalp-Skalp glücklich wieder nach Haus gebracht, bin aber nicht in Belgrad gewesen. Hab ich ungeschickter Mensch die Verse vergessen, an denen die Fee Lau versprochen hat, ihre Landsleute zu erkennen! Wäre also der Hauptzweck doch verfehlt gewesen.

Übrigens bin ich sehr befriedigt heimgekehrt, denn ich habe meinen Sohn gesehen, ganz zufrieden mit seiner Situation, schaffend zur größten Zufriedenheit seiner Brotgeber, und gewissermaßen berühmt; denn er ist der Glückliche, der die ersten Pfähle zu einer Brücke über die Donau geschlagen hat, was für Ungarn ein Ereignis ist. Desgleichen in Wien meine Tochter, mit einem allerliebsten Kinde, und in einer sehr freundlichen Wohnung, also ganz glücklich. Das Theater, an dem ich mitgeholfen habe malen, ist ein wahres Wunder. Ein so poetisches Stück Architektur wie die Stiege, Foyer und Loggia steht, glaube ich, auf der ganzen Welt nicht wieder. Der Kaiser, dem ich in einem zu leihen genommenen Frack meine Aufwartung machte, um mich für den Leopoldsorden zu bedanken, war außerordentlich freundlich, und überdies war Hochzeit in meines Bruders Hause – also alles prächtig.

Gestern erst sah ich Lachner, wo ich erfuhr, daß Sie, statt mich mit meiner unverschämten Bitte abfahren zu lassen, wirklich so freundlich waren, der Mimi ein eigenhändiges Exemplar »Rohtraut« zukommen zu lassen. Das gute Mädel ist ganz glücklich, und ich fürchte nur, dieses gute Ding, das bis jetzt so bescheiden war, wird jetzt stolz werden und uns nicht mehr anschauen. Nur mit einem schriftlichen Dank an Sie will's gar nicht weiter gehen. Sie sagt, Ihnen gegenüber schäme sie sich. Wollen sehen.

Herr Bruckmann wird Ihnen zuschicken oder zugeschickt haben das erste Blatt von »Das Pfarrhaus von Cleversulzbach. Mörikes Freunden gewidmet von M. S.« Möge es Ihnen Freude machen und möge alle Welt daraus lesen, wie sehr ich Sie verehre.

Ich sitze an der Melusina und habe die Ehre zu versichern, daß das Ding gar nicht gehen will. Ich sehe nicht recht und mache einen Schnitzer nach dem andern. Vielleicht wär's gescheiter, ich ließe die ganze Geschichte liegen und begnügte mich mit leichteren Sachen. O Gryllos, Gryllos!

Recht schön, aufmunternd und erquickend wäre es, wenn man daran denken könnte, Sie, Verehrtester, einmal zu entwurzeln und für etliche Tage hieher zu bereden. Es ist von Lorch auch nicht weiter als von der Kanzleistraße nach Cannstatt. Einsteigen und aussteigen, damit ist's fertig! Wie würde sich Lachner freuen! Ich werde so bald nicht wegkommen und bin von meinen Irrfahrten etwas müd. Leben Sie recht wohl, seien Sie noch einmal schönstens bedankt, empfehlen mich der Frau Gemahlin und vor allem schreiben recht bald Ihrem ganz ergebenen M. v. Schwind.


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