Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 8. November 1863 (an Schädel)

Lieber Freund! Ich würde unsrer guten Frau Diez und Dir sehr unrecht tun, wenn ich hingehen wollte und fragen, ob sie auch eine so freundliche Auszeichnung zu schätzen wisse oder nicht. Dediziere Du drauf los und sei versichert, daß sie sich allerschönstens bedanken und ihre größte Freude dran haben wird. Sie ist die Frau Sophie Diez, k. b. Kammersängerin, welches die allerhöchste ihrer Würden ist, nebenbei ist sie Hof-, Opern- und Kapellsängerin und geborene Hartmann, wohnt Promenadeplatz. Du solltest nicht glauben, daß die treffliche Frau, nachdem sie vor zwei Jahren ihre fünfundzwanzigste Jahresfeier bestanden, jetzt noch immer größere Partien übernimmt und immer schöner singt. Jammerschade, daß Du zu dem Musikfest nicht gekommen bist – Du hättest Deinen Ohren nicht getraut, was die Frau leisten kann, und es steht überhaupt dahin, ob so ein Orchester und Chor jemals wieder zusammenkommt. Dazu die Virtuosenleistungen, die ich eigentlich nicht ausstehen kann, aber eine Geige wie Joachim, da lacht einem das Herz im Leibe. Du mußt Dir einen vorstellen, der alle disparaten Geigenkünste, namentlich die der Doppelgriffe, oder besser des zwei- und dreistimmigen Spiels, in der höchsten Reinheit besitzt und von da aus ein volles Herz und das feinste Verständnis ins Feld führte Ihr müßt doch nicht gar so Angst haben vor dem bißl Klima in München. Von der ganzen musikalischen Einwanderung, und die hat nicht übel gezecht mitunter, ist kein Mensch krank geworden.

Lachner ist ein wenig älter geworden, dirigiert aber immer noch dem Deixl ein Ohr weg. Zu meiner großen Freude finden seine neuesten Arbeiten – Suiten – immer mehr Anerkennung. Du solltest schon einmal kommen, um seine Lebensgeschichte zu sehen, von mir gezeichnet.

Von mir ist wenig zu schreiben. Von der Kirchenarbeit bin ich recht müd nach Haus gekommen und habe seitdem nichts gemacht als fünf alt- und fünf neutestamentliche Kompositionen für ein gemaltes Fenster in eine neue Kirche in London und ein paar kleine Bildchen für die bewußte lyrische Sammlung – es werden grade auch vierzig sein. Im Lauf des Winters wird sie ganz fertig werden. Es gibt immer was zu feilen dran.

Nach der Anna ihrer Hochzeit will ich dann die Zauberflöte anfangen.

Meine Frau ist nach dem zweiten Besuch von Karlsbad wenigstens wieder so weit, daß sie wieder hinlänglich essen kann, wenn auch mit einiger Auswahl. Mein Hermann ist von der Karlsruher Schule zurück und bleibt ein Jahr zu Haus, um noch einen Ingenieurkurs zu sich zu nehmen. Es freut mich für Dich, daß Deine Buben ordentlich weiter machen. Man sollt's nicht glauben, wie das vorwärts geht. Von der Frau Tochter schreibst Du gar nichts. Sind Kinder da? quanti? Die Frau Siebert wird schon einmal nach Darmstadt hinüber kommen. Kommst Du aber eher nach Frankfurt, so wohnt sie Großer Hirschgraben resp. Goldene Federgasse Nr. 11 über zwei Stiegen. Siehst Du denn unsern alten Freund Ignaz nicht, der in Frankfurt Kapellmeister ist?

Also mit der Frau Diez vorwärts gemacht, willst Du ihr durch mich schreiben, stehe zu Diensten. Empfiehl mich schönstens an Frau, Familie und alle Freunde und behalte lieb Deinen alten Freund Schwind.


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