Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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Frankfurt, 4. November 1844 (an Bauernfeld)

Liebster Freund! Aus den Zeitungen wirst Du wissen, wie es dem guten Niembsch geht. Da ich durch die Familie seiner vortrefflichen Braut von dem Gang seiner Krankheit unterrichtet bin, will ich nicht versäumen, Dir was ich weiß darüber mitzuteilen um so mehr, als die letzten Nachrichten hoffnungsvoller Natur sind. Er saß am 29. September beim Frühstück (alle schriftlichen Angelegenheiten waren in Ordnung und er wollte als übermorgen hierher reisen), als ihm, wie er selber schreibt, ein sonderbares Gefühl über den Körper bis an die linke Wange lief. Er sprang an den Spiegel und da die linke Seite des Gesichtes verzogen erschien, rief er aus, er sei vom Schlag gerührt. Die Ärzte erklärten die Erscheinung für eine rheumatische Gesichtsmuskel-Lähmung, die sich bald heben lasse und auch wirklich verschwunden ist. Indessen zeigte sich bald, daß er seiner Gedanken nicht mehr Herr sei, indem er einen Aufsatz schrieb, des Inhaltes, daß er durch eine musikalische Wunde geheilt sei, den er durchaus wollte in der Allgemeinen Zeitung abdrucken lassen. Dann kamen Phantasieren des Nachts durch, stellenweises Irrereden bei Tag, bis endlich das Übel in Tobsucht überging, die die traurige Maßregel notwendig machte, ihn nach Winnenthal zu bringen. Dr. Pfitzer fuhr mit ihm hinaus und verließ ihn ruhig, wissend wo er ist, nach einem Spaziergang im Garten, eingeschlafen. Nach Dr. Zellers Ausspruch sollte er ganz herzustellen sein, wenn seine Körperkräfte ausreichen. Ein Brief Zellers acht Tage später sagt: leichte und trübe, ruhige und stürmische Momente wechseln ab. Er hoffe viel und fürchte viel. Zugleich werden seine Braut und Fr. Reinbeck in Stuttgart aufgefordert, ihm fleißig zu schreiben. Gestern erhalten wir Nachricht, daß sein Schwager Schurz ihn in Winnenthal besucht, mit ihm im Garten spazieren gegangen und von Zeller (dem Vorstand der Anstalt) den Trost empfangen habe, daß eine gänzliche Herstellung zu hoffen sei.

In seinen Phantasien kommt nichts vor als Schwärmerei über Musik, seine Braut und das Glück, dem er entgegen geht. Also keine fixe Idee. Von der Trauer und dem Entsetzen, das die erste Nachricht verbreitete, ist nicht zu reden. Mir ist, seit man wieder hoffen kann, ein Stein vom Herzen.

Zur Enthüllung des Goethe-Monuments hätte ich jemand aus Wien hergewünscht. Es war von Literaten niemand als Dingelstedt und Dräxler-Manfred da, zwei ziemlich langweilige Menschen. Ich habe ein großes Transparent gemalt, was viel Aufsehen machte. Im Hause ist alles wohlauf. Nächster Tage erwarte ich ein zweites Kind. Frankfurt gefällt mir in jeder Hinsicht vortrefflich und ich fühle mich von Tag zu Tag aufleben. In Karlsruhe hätte ich müssen einschlafen oder mich zu Tod ärgern.

Meine Hauptarbeit ist, den »Sängerkrieg« zu malen, ein Bild von zehn Fuß und ebenso hoch – ich bin aber noch am Zeichnen. Außerdem habe ich Kleineres und Kleines teils angefangen, teils fertig, teils in Auftrag, teils zu meinem Vergnügen. Ich kann nur wünschen, daß es so bleibt wie es ist, ich bin im besten Zug und habe meine besten Tage. Frau Frech war hier einen Tag bei uns, wußte aber nicht so viel zu erzählen, als ich gern gehört hätte. An Spann alles Schöne, nächstens schreibe ich. Alle Freunde grüße bestens. Ein halber Bogen Nachrichten von Dir und der gottesfürchtigen Stadt Wien wäre ein wahres Fest.

Richte Dich ein, nächstes Jahr im September von hier über Brüssel nach Paris zu reisen, so findest Du mich bereit und gepackt. Es geht gar leicht und muß doch einmal geschehen. Leb recht wohl und schreibe bald. Ich wünsche von Herzen, bald Erfreuliches von unserm Freund schreiben zu können, und werde keinen Tag säumen. Adieu. Dein alter Freund Schwind.


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