Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 17. Dezember 1863 (an Mörike)

Hochverehrter Herr! So muß es mir gehen. Wenn mir je was eine rechte Freude gemacht hätte, so wär es, Ihnen, dem ich so viele schöne Stunden danke, eine kleine Freude zu machen, so geht's nicht. Daß ich Ihr unvergleichliches Gedicht immer wieder gelesen, daß mir die zarte, kränkliche, sinnige Griechin ganz ans Herz gewachsen ist, können Sie sich denken. Daß es an und für sich kein übles Bildchen wäre, ein so liebliches Wesen am Putztisch, auch mit dem Ausdruck einer allgemeinen Bangigkeit hinzustellen, das ist kein Zweifel, und wenn Ihnen damit gedient ist, will ich mich gleich mit allem Eifer dran machen. Aber es wird aus dem Bilde nie zu lesen sein, was in Ihrem Gedichte geschrieben steht. Ganz abgesehen von dem kleinen Format, das solche äußerste Feinheiten im Ausdruck so gut als unmöglich macht, halte ich es für unmöglich, das Unheimliche, das sie in ihrem Auge bemerkt, und ihr Stutzen darüber zugleich sichtbar zu machen. Wäre es ein weniger zartes und unberührbares Ding, so wäre ich bald fertig: ich hielte mich an das höchst sichtbare Sprichwort »Der Tod schaut ihr über die Achsel.« Aber sagen Sie selbst, ob das nicht unerträglich plump und grob ist gegen Ihr Gedicht. Es ist aber nicht anders. So gut es Gedichte gibt, denen man schaden würde, wenn man sie in Musik setzt, so gibt es Gedichte, die so fein sind, daß sich ein Maler sicherlich blamiert, wenn er meint, dergleichen Hauche von Empfindungen ließen sich sichtbar machen. Haben Sie denn gar nichts, wo irgend etwas vor sich geht? seien es so kolossale Dinge, wie sie »der sichere Mann« verrichtet, oder so einfache und heilige wie die schöne Dorothea.

Übrigens wenn Ihnen vielleicht der Zeitschrift [»Freya«] gegenüber oder sonst aus einem Grunde damit gedient ist, so werde ich mich nicht lange zieren. So gut als ein anderer mach ich's auch, aber ich möchte in Ihren Augen nicht als ein Hasenfuß erscheinen, der sich etwa einbildete, da was Rechtes zu leisten, wo man doch wissen muß, daß es nicht geht. Entscheiden Sie also nach Gutdünken. Ihnen zulieb tut man auch einmal das Kleinste.

Da ich jetzt doch einmal das Recht habe, an Sie zu schreiben, verehrter Herr, so frage ich auch an, ob es denn gar nicht denkbar ist, Sie einmal nach München zu persuadieren. Ich weiß, daß Sie sich für meine Arbeiten ein wenig interessieren, und es wäre für mich von sehr großem Wert, gerade Ihnen ein neues Werk vorzureiten, bevor wir es in die Welt hinausschicken. Es sind gegen vierzig lyrische Bilder, die etwa unter dem Begriff »Reisebilder« ein zusammengehöriges Ganze bilden. Wenn Sie mit einer leidlichen Herberge, einem bescheidenen Tisch und einem Glas Bier sich bescheiden wollen, so hätten Sie nichts zu tun, als in Stuttgart ein- und in München auszusteigen, das übrige würde ich besorgen. Ich mache mir aber wenig Hoffnung. An dem guten Fellner habe ich mich halbtot gebettelt und ihn nicht vom Fleck rühren können, und man sagt Ihnen auch nach, Sie seien über die Maßen ansässig. Jedenfalls aber wird mich die erste Ahnung des Frühjahrs nach Frankfurt treiben, wo eine Tochter von mir verheiratet ist, und da werde ich mich nicht abweisen lassen, Sie ein paar Stunden mit meiner unheiligen Gegenwart zu plagen.

Bitte also, über mich zu disponieren, und verbleibe mit der aufrichtigsten Verehrung Ihr ergebenster Schwind.


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