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München, 28. November 1856 (an Schädel)
Liebster Freund Schädel! Seit ich wieder zurück bin, geht's von einer Schwulität in die andere, von einer Stimmung oder Verstimmung in die andere, so daß ich noch nicht einmal dazu gekommen bin, Dir zu schreiben. Das muß ich sagen, wenn man nach so langer Zeit wieder einmal hereingeschneit kommt. und wird aufgenommen, als käme da was Rechtes, da kann man sich braver Freunde rühmen. Im Schreiben bin ich liederlich, schicken tue ich Dir gar nie etwas, als einmal die Diezischen – und komme ich daher, so ist es, als wäre ich nie weg gewesen. Wenn ich in einer so festlichen Gesellschaft ein wenig über die Schnur haue, so ist es mir nicht übel zu nehmen, da es mir hier das ganze Jahr nicht so gut wird. Ich bin gewiß ein häuslicher Mensch und wäre unglücklich, wenn ich müßte alle Tage Gesellschaft laufen, aber da sage mir einer, was er will, von Zeit zu Zeit muß der Mensch was haben, was ihn ein wenig auf die Beine stellt. Was waren für treffliche Leute auf einem Häufel beisammen, was gab's zu sehen und zu hören! Wenn ich sehe, daß mich die alle lieb haben und sich freuen, mich zu sehen, da kommt's mir auch wieder vor, als wäre was an mir und es wäre gerade nicht auf den Mist zu werfen, was ich allenfalls machen kann. Was ist aber da viel zu sagen. Ich sitze einmal in München und daran ist nichts zu ändern. Das Bild für den gescheiten »Verein für historische Kunst« ist Gott sei Dank komponiert und auf der Leinwand angefangen.Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe. Daran ist zu erkennen, daß ich etwas altere, daß es mir so viel Ärger macht, eine Arbeit anzupacken, die mir nicht recht zu Gesicht steht. Ich finde es impertinent, daß ein anderer, weil er ein paar Taler zu vergeben hat, mir sagen kann, jetzt machst du das, und das laßt du sein. Aber was ist zu tun? Kinder sind da – und da das Ärgste überwunden ist, so wird es auch gehen.
Herr und Frau Diez haben mich um Nachrichten von Dir und Deinem Hause fast aufgespeist. Die Frau schwört hoch und teuer, so wohl als bei Dir sei es ihr lange nicht geworden, und daß Dir ihres Mannes Gesang noch besser gefallen als der ihre, macht ihr die größte Freude. Heute habe ich sie die Servilia im Titus singen hören, einzig! Bei der ersten Privatmusik werden Deine Quartetten gesungen. Ich wollte, Du wärest dabei.
Deinem freundlichen Grafen bitte ich mich schönstens zu empfehlen. Wenn ich wieder komme, und es geschieht so bald als möglich, so richte ich mich auf acht Tage ein, daß man sich auch seines Lebens freuen kann. Vorderhand schau, daß Du einmal herkommst, und zwar in der Musikzeit. Man ist da, bevor man sich umschaut, und kosten tut es auch nicht viel.
Also, lieber Freund, nochmals meinen herzlichsten Dank; wenn ich mir gar keinen guten Tag mehr weiß, so komme ich zu Dir, da finde ich gewiß einen. Leb recht wohl, grüße Frau und Kinder schönstens von mir, und alle Freunde, die an mich denken. Daß doch die dummen Esel keine Ruhe hatten, bis ich zur Stadt draußen war, und hätten mich so gut brauchen können. Ich lasse sie auch recht schön grüßen und bleibe Dein alter Freund Schwind.