Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 9. Februar 1867 (an Schädel)

Lieber Freund! Voriges Jahr, anfangs September, pochte ich an Deiner Tür wie der Ritter Toggenburg, aber höchst vergeblich, denn Du warst nicht nur ausgezogen, sondern auch verreist, auf langes Ausbleiben. Seitdem führe ich ein ebenso langweiliges als arbeitsames Leben und spüre bereits ganz deutlich, daß ich bei den ersten leidlichen Tagen davonlaufen werde, und zwar ins Preußische nach Frankfurt, bei welcher Gelegenheit ich hoffe, Dein neues Quartier zu entdecken. Mittlerweile haben uns, Deiner Weissagung gemäß, die Preußen geholfen, zu was das wird sich zeigen, von was? von dem leidigen Bundestag, von ein paar Fürsten, um die kein Schade ist, und von etlichen Millionen, die mich nicht rühren. Mir persönlich haben sie von vier Vettern geholfen, braven jungen Leuten, wovon einer eine 20jährige Witwe hinterläßt, und haben mir den Aufenthalt in Wien außerordentlich erheitert. Jede Familie hatte wo nicht ihre Verluste, so ihre Sorgen und Ängste, die allgemeine Stimmung war eine terrible, kurzum es gehörte etwas Archimedes dazu, um in der Wirtschaft fortzumalen. Und Gott sei Dank, das ist mir gelungen. Ich marschierte früh halb sechs Uhr aus, war um sieben an der Arbeit, um zehn Uhr ging ich in ein Wirtshäusel, wo mich fast täglich wer besuchte, und arbeitete dann weiter bis vier – fünf Uhr, fuhr nach Haus und brachte den Abend in einem wundervollen alten Garten oder im Prater zu. Meine Frau war alle Tage von sieben bis zwei im Spital, wusch ihre hundert Wunden aus, und die Marie stickte Hosen und Hemden. Der Anblick der vielen Verwundeten, der anfangs entsetzlich war, wurde nach und nach etwas erfreulicher, weil man sah, daß die guten Bursche gute Tage hatten. Die Wiener schleppten alles an, endlich Briefpapier, Bücher, ja es machten sich manche ein Geschäft daraus, sich Briefe diktieren zu lassen. Ich hatte, und habe noch, eine kleine Wohnung in der Resi Gutherz ihrem Haus, sah sie also alle Tage. Leider starb ihr, während wir da waren, ihre zweite verheiratete Tochter. Sie selbst war diesen Winter wieder krank und erholt sich sehr langsam. Das Haus Wertheimstein, wo ich meine frohen Tage hatte, ist aufs traurigste heimgesucht. Ums neue Jahr waren wir noch froh beisammen, bis zum Mai war der 20jährige Sohn gestorben, die Mutter geisteskrank, der Mann an seinem Vermögen beschädigt, und die schöne Tochter liegt an einem kranken Knie darnieder und kann höchstens auf Krücken gehen. Das will was heißen. Hoffentlich kommt's dies Jahr etwas besser, denn das alles war kaum zum Aushalten. Dreizehn Kartons sind fertig, es fehlt noch Rossini, der wird mich nicht umbringen, dann gibt's noch so kleine Sachen und ich hoffe einige Wochen Rasttag herauszubringen, bevor es im halben Mai wieder ans Freskomalen geht. Lachner hat diesen Sommer gar nichts machen können, jetzt arbeitet er an einer Suite, die Ostersonntag in Mannheim aufgeführt wird. Wir unterhalten uns davon, Ignaz aus Frankfurt, Scheffel aus Karlsruhe, Mörike aus Stuttgart und Herrn Schädel aus Darmstadt hin zu persuadieren und auf dem Heidelberger Schloß ein Glas Wein zu trinken.

Leb recht wohl und schreib bald einmal Deinem alten Freund Schwind.


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