Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 4. April 1869 (an Bauernfeld)

L. F.! Ich habe noch die gestrige Vorstellung des »Tagebuchs« abwarten wollen, sonst hätte ich gleich geantwortet.

Lachner, der, wie Du weißt, mit seinem Schreiberkrampf sehr schwer tut, trägt mir auf, Dir an seiner Statt zu schreiben. Er ist der umgekehrte Hamlet, dem alles gut ausschlagt. Es kostete einige Mühe, wieder für ein Jahr quiesziert zu werden, sie hätten ihn gar zu gern wieder gehabt, wenn auch nur für die klassischen Opern. Nun hat sich's auch mit [Hans v.] Bülow leidlich eingerichtet. Dieser Gute mußte endlich merken, daß es so nicht mehr weiter gehe, und fand für gut, unsern Freund feierlich und deputionaliter einzuladen, er möchte die Suite V. in einem Konzerte selber dirigieren, wie denn auch nach mehrfachem Weigern geschah, wohl hauptsächlich aus Angst, wenn nicht er, so dirigierte sie Büloffus. Bei gedrängt vollem Saal gab es eine Aufführung, wie ich wohl nie etwas Vollendeteres gehört habe an Klarheit und Feuer. Die Suite selbst, mit allen kontrapunktischen, instrumentalischen und harmonischen Wässern gewaschen, ist keinen Takt lang ohne Melodie, Wohllaut und Charakter. Der Beifall erinnerte ziemlich an den Spektakel, mit dem seinerzeit die neunte Sinfonie empfangen wurde. Von allem Schlendrian, was bis jetzt die Parole war, wird wohl nicht mehr die Rede sein. Übrigens benahm sich Bülow sehr artig und ich bin froh, daß die Nörgeleien ein Ende haben. An Sohn und Tochter kann er alle Freude haben und wenn er noch dazu den vierzehnjährigen Mädeln den Kopf verdreht, möchte ich wissen, was da noch zu wünschen wäre.

Die gestrige Aufführung ließ freilich zu wünschen übrig. – Das Mädl, obwohl schön und geschickt, trieb die Naivetät etwas gar zu weit. Sie rieb sich so oft an den Armen u. dgl. – und vergaß manchmal, daß sie keinen Augenblick aufhören dürfe, reizend zu sein. Man beging auch die erstaunliche Dummheit, vor das Kanapee, auf dem sie eingeschlafen ist, einen großen behängten Tisch zu stellen, so daß sie gar nicht zu sehen war. Die könnte weiter nicht reizend aussehen! Mich juckt's schon lang, das einmal zu versuchen – fürchte mich aber auch, denn ich bin wohl zu plump dazu. Genug, ich habe mich vortrefflich befunden. Man lebt so in der Gesindstube und im Vorzimmer seiner Seele dahin – was kann da lieblicher sein, als einmal wieder in jene heimlichen Prunkzimmer zu kommen, wo das Feinmenschliche erst zur Sprache kommt und das auf die ungesuchteste Weise und in aller Wärme. Laß Dich von irgend jemand loben, der's besser versteht. Ich sage nur, das ist Kunst und macht mich glücklich, während alles concertante mich langweilt, ja anekelt. Daher ich auch mich nicht anstrenge, von dergleichen Heroen, sei's Wagner, sei's Liszt, sei's Makart, noch ein fünftes Werk kennen zu lernen, wenn mich schon viere angewidert haben. Die Regionen, wo es gleichgültig ist, ob einer ein denkender Mensch oder ein verwirrter eitler Eselskopf ist, ziehen mich gar nicht an. Aber dem Publiko ist wohl dabei, und die Zärtlichkeit für das Mittelmäßige, ja Garstige setzt sich wieder um so viel fester, das könnte einen auch ärgern. Das hindert aber nicht, daß fortgearbeitet wird, also schadet's nicht. »Des tätigen Manns Behagen sei Parteilichkeit.«

Daß Du am »Landfrieden« noch herumarbeitest, macht mir klar, daß es bei der Preisbewerbung nicht mitgespielt hat. Es hat mich, so lang ich das nicht wußte, scheußlich geärgert, daß andere vornan gekommen sein sollten. In Deinem Köcher wird sich schon noch was vorfinden, da ist mir gar nicht bang, und wenn nicht, so meine ich, Du hast genug gemacht und lang genug ausgehalten, soll's ein andrer probieren.

Bei mir fehlt es nicht an Stoffen, aber die Arbeitslust wird eines schönen Tages ausgehen – bei dem gänzlichen Mangel an Anregung. Der Leopoldorden langt da nicht, obwohl etwas Höfliches immer angenehmer ist als etwas Grobes. Einmal hab ich ihn angehängt, bei der letzten Neujahrs-Cour, aber zugleich geschworen, daß mich keine sechs Gäul mehr hineinbringen; früher war doch eine schöne Königin da und die Hofdamen haben einen ausgelacht, aber unter lauter Männern ist die Dummheit nicht auszuhalten. Es fehlen auch so erschrecklich viele.

Wenn der Franzl etwas Glückliches bevorsteht, sei's was es sei, so freut es mich, als sollte es mir selber widerfahren. So schön und so gut und schon so grausam Unglück ausgehalten. Möge es nur recht bald kommen und ewig dauern.

Die Geschichte mit unserer Kunstausstellung war einzig. Es zweifelt kein Mensch mehr daran, daß unser Glaspalast für Wagnerische Zwecke verwendet werden sollte. Was fangt man mit so einer Figur an?

Die schönsten Grüße von der Frau, von Lachner und dessen allerliebster Tochter. Grüße alle Bekannten und schreibe bald wieder Deinem alten Schwind. Dauert nimmer lang, so sehen wir uns!


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