Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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Anhang.

Die Kabiren und Kabirmysterien.

Da wir derselben früher bei verschiedenen Gelegenheiten gedenken mußten, ohne doch eine passende Stelle für ihre Einordnung finden zu können, so möge der oft besprochene Gegenstand in diesem Nachtrage etwas ausführlicher zur Sprache kommen.

Sicher ist es daß die Kabiren zu derselben Klasse von Dämonen gehörten wie die Kureten und Korybanten, mit denen sie oft verwechselt wurden, die idaeischen Daktylen, die rhodischen Telchinen und andre derartige Erd- Wald- Berg- und Meeresgeister, welche wir früher besprochen habenVgl. Strabo 10, 470, Lobeck Aglaoph. 1202–95.. Sicher auch daß der Glaube an diese Dämonen vorzüglich auf den Inseln Lemnos Imbros und Samothrake und auf der benachbarten Küste von Troas zu Hause warStr. 473 μάλιστα μὲν οὖν ἐν Ἴμβρῳ καὶ Λήμνῳ τοῦς Καβείρους τιμᾶσϑαι συμβέβηκεν, ἀλλὰ καὶ ἐν Τροίᾳ κατὰ πόλεις.. Fragt man aber nach der bestimmteren Herkunft und dem religiösen Zusammenhange dieses Glaubens, so ergeben sich alsbald manche Schwierigkeiten.

So ist gleich der Ursprung des Wortes Κάβειροι und seine Bedeutung unsicher. Die Alten nennen hin und wieder einen Berg Kabeiros in Phrygien, indem sie auch die Verehrung der Kabiren aus dieser Gegend ableitenStesimbrotos b. Str. 472, wo ἡ Βερεκυντία auf eine Gegend am Ida deutet, s. Aeschyl. b. Str. 580, Athenikon b. Schol. Apollon. 1, 917 (Hist. Gr. fr. 4, 345). Auch im Pontos gab es ein Bergschloß Namens Κάβειρα Str. 556.. Die Neueren haben das Wort oft aus dem Phoenikischen erklären wollen, da Kabirim in 661 der verwandten hebraeischen Sprache die Großen, die Mächtigen sind, was zu den auf Samothrake verehrten Göttern allerdings sehr gut paßt, da diese nicht selten ϑεοὶ μεγάλοι, ϑεοὶ δυνατοί, dii magni, dii potentes genannt werdenכּבִּדִים Gesen. Mon. Phoen. p. 404. Schon Scaliger, Grotius, Bochart, Selden erklärten so und neuerdings hat Schoemann beigestimmt, Gr. Alterth. 2, 360.. Auch konnten die in diesen Gegenden von Thasos bis Adramyttion früh ansässigen Phoeniker wohl so viel Einfluß auf die Gottesdienste derselben gewinnen daß sie Veranlassung zu gewissen herkömmlichen Benennungen gaben, ohne daß deshalb die Kabiren selbst oder die Kabirmysterien phoenikischen Ursprungs zu sein brauchen; denn dieser Annahme würde sowohl die Ueberlieferung bei Herodot 2, 51 widersprechen als das was wir sonst von diesen Mysterien wissen. Jedenfalls scheint das Wort Κάβειροι etwas Aehnliches bedeutet zu haben wie das Wort Ἄνακες, Ἄνακτες, da auch die Dioskuren und ähnliche dämonische Wesen früh und oft mit ihnen verwechselt werdenVgl. Paus. 10, 38, 3 und die Anaktotelesten b. Gem. Protr. p. 16. Auch der Name des priesterlichen Geschlechts der Kabarner auf Paros scheint desselben Ursprungs zu sein, also priesterliche Würde zu bedeuten.. Also ein Name der nur einen gewissen Grad der religiösen Verehrung, keine bestimmte Natur und Eigenschaft aussagte, wie die Kabiren denn wirklich in verschiedenen Gegenden unter verschiedenen Cultusbeziehungen erscheinen und nur darin immer dieselben bleiben, daß sie überall für mächtige und ehrwürdige Dämonen gehalten wurden.

Dazu kommt noch ein zweites Bedenken, daß gerade da wo die Kabiren seit alter Zeit am meisten zu Hause waren, auf den Inseln Lemnos Imbros und Samothrake, der Sprachgebrauch in einer gewissen Zeit keineswegs feststand. Auf Lemnos nehmlich verstand man unter den Kabiren entschieden gewisse dem Hephaestos und dem Dionysos verwandte Dämonen, wenigstens zur Zeit des Aeschylos und der älteren Logographie. Aeschylos nehmlich hatte ein Drama »die Kabiren« gedichtet, wo diese als gutwillige Dämonen der Insel die landenden Argonauten mit einer so reichlichen Weinlese bedachten, daß Iason und seine Helden sich weidlich bezechtenLobeck a. a. O. 1207 sqq., Trag. Gr. fr. p. 24 ed. Nauck. Vgl. oben S. 141.; während andere Sagen von Kabiren und ihnen verwandten Nymphen berichteten, welche in gleichem Sinne neben der Demeter verehrt würden. Akusilaos 662 aber und Pherekydes, jene alten Mythographen und Genealogen, wußten von drei Kabiren und eben so vielen kabirischen Nymphen, ihren Schwestern, welche entweder direct oder durch Vermittlung des Kadmilos (d. i. vermuthlich der ithyphallische Hermes von Imbros) vom Hephaestos, dem lemnischen Feuergotte, und der Kabiro, einer in der Gegend von Pallene und Torone verehrten Tochter des Meeresgottes Proteus abstammtenStr. 472, vgl. Steph. B. v. Καβειρία und oben S. 477, [Anmerkung 1485]. Es ist bei dieser Verschmelzung der Sagen von Lemnos Imbros und Samothrake und der jener Halbinseln beim Berge Athos wohl zu bedenken, daß ursprünglich beide Gegenden von tyrrhenischen Pelasgern bewohnt waren.. Dahingegen denselben Schriftstellern von derartigen Kabiren auf Samothrake so wenig bekannt war, daß Pherekydes hier vielmehr nur eine Gruppe von neun Korybanten zu nennen wußte, die er für Söhne des Apoll und einer Nymphe des benachbarten Festlandes hieltLob. 1141 sqq. Apollo wurde auf der benachbarten Küste von Asien und Thrakien viel verehrt und konnte als Tänzer (S. 215, [Anmerkung 598]) und als Gott des Enthusiasmus leicht zum Vater der Korybanten werden., wie spätere Stimmen denn überhaupt die Existenz von Kabiren auf Samothrake in Abrede gestellt haben sollen. Also scheint man auf dieser Insel unter Kabiren insgemein keine Dämonen, sondern nur Götter verstanden zu haben, die sogenannten Großen Götter, deren geheime Namen in den Mysterien überliefert und auf verschiedene Weise erklärt wurden.

Wie dem nun sein mag, überall sind diese Mysterien auf Samothrake dasjenige was uns bei diesen Fragen am meisten interessirt. Daher wir auf die Natur, die Lage, die Geschichte dieser Insel etwas näher eingehen, um darauf ihre mythischen Traditionen und jenen Gottesdienst bestimmter ins Auge zu fassen.

Samothrake ist ein hoch aus dem Meere emporgetriebener Felsrücken, sein Gipfel der höchste in der ganzen Umgegend nächst dem Athos, daher derselbe in den Sagen dieser Küsten und Inseln eine ähnliche Rolle spielt wie der Parnaß in denen der umliegenden Landschaften. Dazu kommt daß es gerade vor der Einfahrt in den Hellespont liegt, dieser wichtigen Verkehrsstraße des schwarzen Meeres mit dem aegaeischen und mittelländischen. Uebrigens ein düstres und geheimnißvolles Eiland, ohne gute Häfen, nur an einer Stelle, da wo die alten Heiligthümer und die einzige Stadt lag quellenreich und fruchtbar, sonst durchaus felsig und waldig und mit schroffer Küste ins Meer 663 abfallend. Indessen mochte gerade dieses die Heiligkeit des Ortes und der Gottesdienste erhöhen, welche seit der Vorzeit der Thraker und Pelasger in jener fruchtbaren Gegend bei der alten Stadt oder hin und wieder an der Küste oder auf dem Gipfel des Berges geübt wurden: auf diesem dem Gott der Höhen und Stammgott der eingebornen Geschlechter Zeus, in der Zerynthischen Höhle an der nördlichen Küste der Hekate (S. 246), endlich in jenem Thale bei der Stadt den befruchtenden Mächten des Erdbodens d. h. den chthonischen Göttern Pluton DemeterDaß namentlich diese Göttin auf Samothrake zu den angesehensten gehörte beweist außer andern Umständen der Hafen Demetrium d. h. ὁ πρὸς τῷ Δημητρείῳ λιμήν, Liv. 45, 6, Plut. Aemil. 26. Persephone und dem ithyphallischen Hermes, dessen Dienst auch sonst über diese Inseln verbreitet war. Auch Poseidon wird nicht gefehlt haben, auf einer Insel wo von Poseidonischen Fluthen und Zerstörungen so viel erzählt wurde, er und andere Dämonen der See und der Schifffahrt, welche man später bald Dioskuren bald Kabiren nannte. Was die Geschichte der Insel betrifft so kann sich diese nicht wesentlich von der der übrigen Küsten und Inseln des thrakischen Meeres, namentlich Thasos unterschieden haben, nur daß Samothrake wegen seiner Mysterien ziemlich früh eine Art von geistlicher Autonomie erlangt zu haben scheint. Vor den Perserkriegen hatten Thasos und Samothrake sich in verschiedenen Stellen auf der thrakischen Küste festgesetztHerod. 6, 46. 47; 7, 59. 108. 118. Die Pelasger behaupteten sich auf Lemnos und Imbros bis zur Zeit der Perserkriege, 5, 26. Thasos hatte von Paros, Samothrake angeblich von Samos neue Ansiedler bekommen., was auf Selbständigkeit und einige Macht schließen läßt, zumal da auch die Stadt Samothrake dereinst sehr stark befestigt gewesen ist, wie die vorhandenen Trümmer einer alten Mauer lehren. Die zuerst von Herodot erwähnten Mysterien werden sich vor den Perserkriegen eines allgemeineren Ansehens nicht erfreut haben; dahingegen sie sich nach denselben höchst wahrscheinlich unter attischem Einfluß entwickelten und eben dadurch auch berühmt wurden. Denn Athen war es welches sich nach dem kurzen Intermezzo der persischen Herrschaft in diesen Gegenden mit besonderem Eifer und Erfolg festsetzte, auf Lemnos und Imbros, wo noch jetzt die gefundenen Inschriften größtentheils attischen Ursprungs sindDaß auch Thasos sich fügen mußte erzählt Thukyd. 1, 100. 101. Also gewiß auch Samothrake., an der thrakischen und makedonischen Küste, endlich auch am 664 Hellespont und bei Sigeum, wo die attischen Besitzungen zum Theil sogar noch älter sind als die Perserkriege: so daß auch Samothrake sich dem Einflüsse des damals in seiner höchsten Kraftentwicklung begriffenen Staates unmöglich entziehen konnte. Dazu kommt daß gerade in diese Zeit die Entwicklung des Mysterienwesens überhaupt fällt, daß dabei soviel wir wissen vorzüglich attische Priester, namentlich der mit den Pisistratiden vertraute OnomakritosHerod. 7, 6 erzählt daß dieser in die Weissagungen des Musaeos einen Spruch eingeschaltet habe, ὡς αἱ ἐπὶ Λήμνους ἐπικείμεναι νῆσοι ἀφανιζοίατο κατὰ γῆς ϑαλάσσης. Dieses stimmt sehr zu der samothrakischen Sage von der großen Fluth, in welcher Samothrake die allgemeine Zuflucht gewesen sei. thätig gewesen, endlich daß die attischen Eleusinien nicht blos die ältesten und angesehensten Mysterien waren, sondern auch das Vorbild für viele ähnliche Institute, höchst wahrscheinlich auch für das auf Samothrake. Obwohl allerdings auch Kleinasien und der hier verbreitete Dienst der Großen Mutter auf den Gottesdienst von Samothrake früh und bestimmend eingewirkt hat; wir dürfen dieses sowohl aus der Lage der Insel als daraus folgern daß die Korybanten schon von Pherekydes als einheimische Dämonen genannt werden. Ja es scheint wohl daß Samothrake eine der ältesten Stätten jener Vermischung verschiedener Götterdienste, pelasgischer hellenischer asiatischer und thrakischer gewesen ist, welche überall ein wesentliches Merkmal der Mysterien ist und in dem Kreise der auf Samothrake verehrten Gottheiten, der Demeter und Rhea, der Persephone und Hekate, sich am frühesten geltend gemacht hat.

Leider sind aus dieser älteren Zeit zu wenig Zeugnisse vorhanden als daß man mit Sicherheit urtheilen könnte, außer Herodot 2, 51 nur ein Fragment des Pindar, wenn es wirklich von diesem Dichter ist, wo Lemnos das Geburtsland des Kabiros und dieser der Urheber geheimer Orgien genannt wirdb. Hippol. ref. haer. 5, 7 p. 136 ἢ Ῥαρίας οἰκήτορα Δίαυλον Ἐλευσὶν ἢ Λῆμνος καλλίπαιδα Κάβιρον ἀρρήτων ἐτέκνωσεν ὀργιασμῶν. Vgl. Schneidewin Philol. 1 p. 429 sqq. Es ist bemerkenswerth daß die Mysterien von Eleusis und die von Samothrake zusammengenannt werden, wie dieses auch sonst oft geschieht., und eine gelegentliche Erwähnung derselben Mysterien bei Aristophanes Pac. 278, wo diese Weihe eine Art von Universalmittel gegen Gefahren aller Art genannt wird. Ohne Zweifel ist dabei vorzugsweise an die Gefahren zur See zu denken, welche der 665 Schiffer in den gefährlichen Gewässern des aegaeischen Meeres und des Pontos zu bestehen hatte und gegen welche man, worin viele Zeugnisse übereinstimmen, auf Samothrake immer vorzugsweise Schutz suchte. Auch ist es kaum wahrscheinlich daß Athen, so lange es auf der See und über die Inseln herrschte, den Mysterien auf Samothrake eine vielseitigere Entwicklung und eine solche, daß sie mit den Eleusinien schon hätten wetteifern können, verstattet haben wird.

Desto bestimmter wissen wir daß seit den Zeiten des Epaminondas die Verehrung der Kabiren und das Ansehn der samothrakischen Mysterien sehr zunahm, bis dasselbe unter der makedonischen hellenistischen und römischen Herrschaft seine höchste Blüthe erreichte. Auf einige wichtige Merkmale aus der Zeit des Epaminondas werden wir später zurückkommen; hier sei nur des Umstandes gedacht, daß sowohl die Literatur als die neuerdings sorgfältig untersuchten Reste der heiligen Gebäude auf Samothrake und die dort gefundenen Inschriften diese Ansicht aufs glänzendste bestätigen. Erst in dieser späteren Zeit der griechischen Literatur mehren sich die Zeugnisse, bei Dichtern Mythographen und Historikern, welche von Samothrake und seinen Göttern reden, wie dahin namentlich verschiedene Andeutungen der Alexandriner gehören, des Kallimachos, Apollonios von Rhodos, Mnaseas von Patara u. A. Ferner hören wir von zahlreichen Einweihungen der makedonischen Könige seit Philipp und Olympias, den Eltern Alexanders d. Gr., die sich bei der Weihe von Samothrake kennen gelernt haben sollen, von dem Schutze und einer sorgfältigen Pflege welche der thrakische König Lysimachos den Heiligthümern auf Samothrake habe zu Theil werden lassenVgl. die wichtige in den Berl. Mtsber. 1855 S. 623 mitgeteilte, von Sauppe Weimar. Gymnasialprogr. 1856 S. 15 behandelte Inschrift., von einer letzten Zuflucht und außerordentlichem Beistande welchen Perseus im Kriege gegen die Römer auf dem geweiheten Boden der heiligen Insel und bei den dort verehrten Göttern suchteLiv. 45, 5. 6. Vgl. Plut. Aemil. 26.. Was die Ruinen betrifft so befindet sich darunter nach dem Urtheile eines sachverständigen Reisenden neuerer ZeitConze Reise auf den Inseln des thrak. Meeres S. 61. nur eine, welche auf einen älteren Bau aus griechischer Zeit (d. h. aus der Zeit zwischen den Perserkriegen und Philipp von Makedonien) schließen ließe; die bei weitem größere Masse derselben d. h. die Trümmer von drei 666 andern noch erkennbaren Gebäuden fallen dem Stile nach jedenfalls erst nach Alexander d. Gr. So hat sich auch unter den Bildwerken und Inschriften bis jetzt mit einer einzigen AusnahmeDas samothrakische Relief mit Agamemnon Talthybios und Epeios, der Rest eines Sessels, mit der Choiseul-Gouffierschen Sammlung nach Paris gekommen, s. O. Müller in Böttigers Amalthea 3, 35–40, Handb. d. Arch. § 96, 18. nichts gefunden was auf eine ältere Zeit zurückdeutete.

Eine nähere Ansicht von den Traditionen auf Samothrake, welche, aus älteren und jüngeren Bestandtheilen gemischt, vermuthlich erst in dieser makedonischen und hellenistischen Periode eine feste Gestalt gewonnen hatte, verdanken wir dem Historiker Diodor 5, 47–49, mit dessen Nachrichten die Andern meist übereinstimmen. Man sieht daraus daß Samothrake mit der Zeit zu einem heiligen Mittelpunkte der gesammten Umgegend geworden war, der sich eines ewigen, nur in seltenen AusnahmenAußer dem in jener Inschrift erwähnten Attentat zur Zeit des K. Lysimachos, wo es auf τὰ ἀναϑήματα τὰ ἀνατεϑέντα ὑπὸ τῶν βασιλέων καὶ ὑπὸ τῶν ἄλλων Ἑλλήνων abgesehen war, wird von einer Plünderung der Piraten zur Zeit des Mithridatischen Kriegs berichtet, deren Schaden auf 1000 Talente veranschlagt wurde, Appian bell. Mithrid. 63, Plut. Pomp. 24. gestörten Gottesfriedens erfreute und durch seine Feste und die außerordentlich hoch gehaltene Weihe jährlich eine Menge von Gläubigen anzog. Die Sage begann mit einer großen Fluth, indem sich die Gewässer des Pontos über diese Gegenden ergossen und dadurch eine große Katastrophe herbeigeführt hätten, wie davon auch sonst oft die Rede istS. oben S. 455, [Anmerkung 1399]. Das älteste Zeugniß der Wissenschaft für diesen Durchbruch des Pontos ist das des Peripatetikers Straton b. Str. 1, 49. Vgl. noch Plin. 2, 205, Valer. Flacc. 2, 617 ff.. In dieser Noth ist der Gipfel von Samothrake eine ähnliche Zuflucht der Geretteten wie der Ararat für Noah und die Seinigen, der Parnaß für Deukalion und Pyrrha. Von daher, so behauptete man, stammte die Heiligung der ganzen Insel durch Marksteine und Altäre, welche sie gegen jede bewaffnete Annäherung schützten und den Landenden ein sicheres Asyl gewährtenDiod. 5, 47 καὶ διασωϑέντας κύκλῳ περὶ ὅλην τὴν νῆσον ὄρους ϑέσϑαι τῆς σωτηρίας καὶ βωμοὺς ἱδρύσασϑαι ἐφ' ὧν μέχρι τοῦ νῦν ϑύειν, ὥστ' εἶναι φανερὸν ὅτι πρὸ τοῦ κατακλυσμοῦ κατῴκουν τὴν Σαμοϑράκην. Liv. 45, 5 sacram hanc insulam et augusti totam atque inviolati soli esse. Iuven. 3, 144 iures licet et Samothracum et nostrorum aras.. Dann werden verschiedene Heroen, Söhne des Zeus oder des Hermes, 667 genannt welche der Insel den Namen und ihre Bevölkerung gegeben hätten, auch ihre Gottesdienste: in welcher Beziehung namentlich die Abkömmlinge des Zeus und der Atlantide Elektra bemerkenswerth sind. Es sind Dardanos Iasion und Harmonia, von denen ursprünglich und nach älterer Ueberlieferung in anderen Gegenden erzählt wurdeDardanos gehört eigentlich auf den troischen Ida, Iasion nach Kreta, Harmonia nach Theben, die Verbindung des Zeus und der Elektra nach Arkadien. Indessen konnten solche Namen in verschiedenen Gegenden genannt werden. Vgl. übrigens Strabo exc. 7, 24, 492, Schol. Apollon. 1, 916 und die abweichende Tradition b. Dionys. H. 1, 61. 68 ff., wo Dardanos der Stifter der Weihe ist. Einige erklärten die Kabiren auf Samothrake durch Dardanos und Iasion., so daß Samothrake sich diese Sagen erst später angeeignet und in seiner Weise von neuem combinirt zu haben scheint. Dardanos wandert von der heiligen Insel aus nach Troas und wird dort der Stifter von Dardania, also des troischen Reichs; ja man ließ ihn bis nach dem obern Phrygien gelangen und dort den Stifter des Dienstes der Großen Mutter werden, welcher nun also auch von Samothrake abstammte. Iasion, der bekannte Liebling der Demeter, stiftet die Mysterien, zu welchen ihn Zeus anweist und welche schon von ihm auch an Fremde mitgetheilt sein sollen. Endlich Harmonia wird die Frau des Kadmos, welcher nicht in Theben, sondern auf Samothrake seine berühmte Hochzeit gefeiert habe, wo alle Götter das Paar und die Insel mit ihren Geschenken beglückten. Die Weihe, setzt Diodor hinzu, sei ein Geheimniß, doch sei die Hülfe und außerordentliche Erscheinung der Götter von Samothrake, wenn sie von Eingeweiheten in der Noth angerufen würden, allgemein bekannt. Auch würden alle sich bei dieser Weihe Betheiligenden frömmer, gerechter und in jeder Hinsicht besser. Daher auch die berühmtesten Helden und Halbgötter der Vorzeit sich eifrig an ihr betheiligt hätten, Iason und die Dioskuren und Herakles und Orpheus, welche eben deshalb alle Gefahren siegreich bestanden hättenAndre nannten noch Odysseus und Agamemnon, namentlich verdanke jener seine Rettung eigentlich der samothrakischen Weihe, Schol. Apollon. l. c. καὶ Ὀδυσσέα δέ φασι μεμυημένον ἐν Σαμοϑράκῃ χρήσασϑαι τῷ κρηδέμνῳ ἀντὶ ταινίας καὶ σωϑῆναι ἐκ τοῦ ϑαλασσίου κλύδωνος ϑέμενον ὑπὸ τὴν κοιλίαν τὸ κρήδεμνον· περὶ γὰρ τὴν κοιλίαν οἱ μεμυημένοι ταινίας ἅπτουσι πορφυρᾶς..

Noch höher stieg der Ruhm dieser Mysterien unter den Römern, da diese sich für Abkömmlinge von Troja hielten, also 668 mit der größten Ehrfurcht auch nach Samothrake, der Metropole von Troja blickten. Namentlich brachte Varro diese Ueberzeugung in eine Art von System, indem er behauptete daß die römischen Penaten von den Großen Göttern d. h. den Kabiren von Samothrake abstammtenLob. Agl. 1237. 1242 sqq. Röm. Myth. 548.. Obwohl sich auch sonst viele Römer, namentlich die vornehmeren Standes, wenn sie als Feldherrn oder Verwalter in diese Gegenden kamen, dort einweihen ließen und die Heiligthümer auf Samothrake mit reichen Weihgeschenken bedachtenVgl. Plut. Marcell. 46 (Hist. Gr. fr. 3, 272, 46), Lucull. 13, Tacit. A. 2, 54. Fortgesetzter Wetteifer mit den Eleusinien, Aristid. Panath. p. 308 Ddf. Σαμοϑρᾷκες ἀγάλλονται τοῖς ἱεροῖς καὶ ταῦτα πάντων ὀνομαστότατά ἐστι πλὴν τῶν Ἐλευσινίων. Galen de usu part. 17, 1 ἅπαντες γάρ, ὡς οἶμαι, καὶ κατ' ἔϑνος καὶ κατ' ἀριϑμὸν ἄνϑρωποι, ὅσοι τιμῶσι ϑεούς, οὐδὲν ὅμοιον ἔχουσιν Ἐλευσινίοις τε καὶ Σαμοϑρᾳκίοις ὀργίοις.. Ja es haben in diesen späteren Zeiten, welche der Theokrasie und allen Mysterien sehr günstig waren, auch die Kabiren auf Lemnos und Imbros noch einmal einen neuen Anlauf genommen, so daß nun auch hier von Mysterien und Einweihungen die Rede istVon Lemnos s. die Verse b. Cic. N. D. 1, 42, 119, von Imbros die Inschriften u. Nachrichten der Berl. Mtsber. 1855 S. 629 ff., b. Conze a. a. O. 96 u. Iambl. v. Pyth. 151 παρὰ τῆς τελετῆς τῆς ἐν Ἐλευσῖνι γενομένης ἐν Ἴμβρῳ τε καὶ Σαμοϑρᾴκῃ καὶ Δήλῳ.. Ueberhaupt haben sich die Kabiren und die Kabirmysterien, so geheimnißvoll sie waren und blieben, bis in die letzten Zeiten des Heidenthums behauptet.

Ein näheres Urtheil über den Inhalt dieser Mysterien würde uns zustehen, wenn wir über die in ihnen verehrten Götter genauer unterrichtet wären; doch sind alle bis jetzt darüber vorliegenden Nachrichten unzureichend und widersprechend. Wir wissen daß Zeus auf Samothrake als Gott der Höhen und Stammvater, Hermes als ein wohlthätiger und befruchtender Gott der Heerden und des ThalsAuch als H. σῶκος, dem der Ktistes Σάος oder Σάων entspricht, s. oben S. 306, [Anmerkung 884]., ferner daß neben ihm Demeter Persephone und DionysosSchol. Apollon. l. c. οἱ δὲ δύο εἶναι τοὺς Καβείρους φασὶ πρότερον, πρεσβύτερον μὲν Δία, νεώτερον δὲ Διόνυσον., Rhea und Hekate, diese beiden in der Umgebung der Korybanten auf der Insel verehrt wurden, desgleichen Aphrodite mit ihrer erotischen UmgebungPlin. 36, 25 Scopas fecit Venerem et Pothon, qui Samothrace sanctissimis cerimoniis coluntur. und unter 669 den Heroen Herakles, die DioskurenDiese als Σωτῆρες, deren Epiphanie das S. Elmsfeuer ist, Diod. 4, 43, Lob. 1229. u. A. Aber es fehlt an einer befriedigenden Kenntniß des Göttersystems der Mysterien, in welchen die Götter nicht mit ihren gewöhnlichen, sondern mit eigenthümlichen und geheimen Namen genannt wurdenDionys. H. 1, 68, Dardanos habe das H. der Großen Götter gegründet ἀρρήτους τοῖς ἄλλοις ποιῶν τὰς ιδίους αὐτῶν ὀνομασίας.. Zwar liegt auch darüber ein Bericht vor, der bereits S. 296, [Anmerkung 856] angeführte des Mnaseas von Patara, indessen unterliegt auch dieser mannichfachen Bedenken, sowohl wegen des Referenten, dessen Autorität nicht viel bedeutet, als hinsichtlich der überlieferten Namen. Diese sollen in der Weihe gelautet haben Ἀξίερος Ἀξιόκερσα Ἀξιόκερσος, welche von Mnaseas erklärt wurden durch Demeter Persephone Hades. Indessen wer bürgt für die Richtigkeit dieser Erklärung, gesetzt auch daß die nur in dieser einen Stelle genannten Namen wirklich so gelautetNamentlich ist das Wort Ἀξίερος bedenklich. Die beiden andern sind zusammengesetzt aus ἄξιος in der Bedeutung einer religiösen Anrufung wie ἄξιε ταῦρε von Dionysos (oben S. 544, [Anmerkung 1708]) und κέρσος κέρσα, welche Wörter man für andre Formen von κόρος κόρα hält. Dann würde Ἀξίερος etwa die würdige Mutter bedeuten, aber wie stimmt dieses zu dem zweiten Worte der Composition? Andre Erklärungen b. Welcker G. G. 1, 329 und Gerhard Gr. Myth. § 177, hyperb. röm. Stud. 2, 209. haben sollten? Ist aber die Erklärung die richtige, und es sprechen manche Umstände dafür, so würde Demeter jedenfalls zugleich als Rhea, Persephone zugleich als Hekate zu denken sein, endlich Hades, der Gott der Unterwelt, wahrscheinlich für gleichbedeutend mit dem chthonischen oder trieterischen Dionysos Zagreus, welcher den Mysterien von Samothrake gewiß nicht fremd war. Ferner setzten zu den drei Kabiren des Mnaseas Einige als vierten noch hinzu den Kasmilos d. h. den Hermes, wodurch aber das bei den Kabiren herkömmliche Zahlenverhältniß aufgehoben wird, da ihrer sonst immer zwei oder höchstens drei sind; es sei denn daß diese Schriftsteller die Gruppe sich aus zwei weiblichen und zwei männlichen Kabiren zusammengesetzt dachten, Demeter Persephone und Hades Hermes. Endlich liegt noch eine Ueberlieferung vor, die von Varro, welche von der so eben mitgetheilten wesentlich abweicht. Nach ihm soll es auf Samothrake nur zwei oder höchstens drei Große Götter d. h. Kabiren gegeben haben. Die zwei erklärte er für Himmel und Erde, das höchste männliche und das höchste weibliche Princip 670 der Weltbildung (l. l. 5, 58), wobei er sich von seiner Vorliebe für stoische Lehrsätze leiten ließ. Oder er sprach von drei Großen Göttern auf Samothrake, deren Bilder er genau untersucht zu haben versicherte und von denen das eine den Himmel oder Iupiter, das zweite die Erde oder Iuno, das dritte die Ideen oder Minerva bedeute (Augustin c. d. 7, 18), auf welchem Wege er also dahin gelangte die Capitolinische Trias in Rom gleichfalls von Samothrake abzuleiten. Wieder andre Gelehrte erklärten die von Aeneas von Samothrake nach Rom verpflanzten Götter für Iupiter Iuno und Mercurius (Serv. A. 3, 264; 8, 679). Genug weder die Namen noch die Bilder dieser Götter können der Art gewesen sein daß sie eine bestimmte Beziehung auf die herkömmlichen Namen und Bedeutungen der griechischen oder römischen Götter rechtfertigten. Es werden eben keine göttlichen Eigennamen und ausgeführte Bilder nach hellenischer Art und Weise gewesen sein, sondern nur andeutende Symbole und Anrufungen männlicher und weiblicher Potenzen, etwa in, der Art wie Herodot uns den Gottesdienst der Pelasger vor Homer und Hesiod beschreibt.

Um so eher dürfen wir uns anmaßen über die Form, in welcher diese Mysterien überliefert wurden, etwas Glaubwürdiges zu vermuthen, da diese auf keinen Fall von der ähnlicher Institute, namentlich der Eleusinien, wesentlich verschieden gewesen sein kann. So darf man sich dort wie hier eine zahlreiche Priesterschaft von alterthümlicher HerkunftAn ihrer Spitze stand ein in den Inschriften oft erwähnter βασιλεύς d. h. Priesterkönig. Außerdem wird ein Reinigungspriester für Blutschuld genannt, Κοίης oder Κόης Hesych., heilige Gebäude nach Art der Anaktoraτὸ Σαμοϑρᾴκων ἀνάκτορον Hippol. ref. haer. 5, 8 p. 152., ein zahlreiches Einweihungspersonal und eine ähnliche Abstufung der Weihe denken. Von Reinigungen und Sühnungen ist wiederholt die Rede, namentlich von solchen welche die Zulassung der Weihe bedingtenDaher die gewöhnliche πρόρρησις und eine Prüfung der zur Weihe Angemeldeten, Liv. 45, 5, Lob. 1291.. Den Gereinigten wurde dieselbe und gewisse Unterpfänder des göttlichen Schutzes ertheilt, von denen man sich eine außerordentliche Hülfe in allen Gefahren versprach, namentlich in denen der SchifffahrtEt. Gud. Κάβειροι – δαίμονες ὧν οἱ μεμυημένοι τὰ μυστήρια ἐν καιρῷ ἀνάγκης εἰσακούονται. Mehr b. Lob. 1218., endlich gewisse belehrende Aufschlüsse über die Natur der Dinge, und zwar auf dem gewöhnlichen Wege von 671 sinnbildlichen Aufführungen der heiligen Geschichte und dazu gesprochenen WortenGalen d. usu part. 7, 14 εἴποτε μυούμενος Ἐλευσίνια καὶ Σαμοϑρᾴκια καὶ ἄλλην τινὰ τελετὴν ἁγίαν ὅλος ἦσϑα πρὸς τοῖς δρωμένοις τε καὶ λεγομένοις ὑπὸ τῶν ἱεροφαντῶν u. s. w. b. Lob. Agl. 64. Cic. N. D. 1, 42, 119 Samothracia eaque quae Lemni coluntur, quibus explicatis ad rationemque revocatis rerum magis natura cognoscitur quam deorum.. Außerdem hören wir von Weissagungen der KabirenLobeck Agl. 1291 not. f., welche den Kureten und Korybanten also auch in dieser Hinsicht glichen, und von begeisterten und aufregenden Tänzen mit einer entsprechenden Musik von Flöten Cymbeln und PaukenStat. Achill. 2, 157 multiplicantque gradum modo quo Curetes in actu quoque pii Samothraces eunt. Vgl. Diod. 5, 49 und die Ueberlieferung von den Saliern auf Samothrake b. Lob. 1292., in welcher Beziehung der Gottesdienst auf Samothrake große Aehnlichkeit mit dem der Korybanten und der Großen Mutter gehabt haben muß. Jährlich gab es ein Hauptfest und bei dieser Gelegenheit den lebhaftesten Zudrang der GläubigenPlut. Lucull. 13. Wahrscheinlich fiel dieses Fest in den Frühling., obwohl die Insel und ihre Heiligthümer auch außer dieser Zeit viel besucht wurden. Es konnten sowohl Männer als Frauen und Kinder eingeweiht werden. Die neuerdings bekannt gewordenen Inschriften, größtentheils aus der hellenistischen und römischen Zeit, geben einen anschaulichen Begriff von dem Umfange und den Gegenden, in welchen man sich bei diesem Gottesdienste betheiligteConze a. a. O. S. 72.. Vornehmlich sind es die Städte von Makedonien Thrakien und Kleinasien, aus welchen bald Gesandte zur Festfeier und Einweihung abgeordnet werden bald einzelne Gläubige zur heiligen Insel pilgern: Dion am Fuße des Olymp, Thasos Abdera Maroneia in Thrakien, Kyzikos Abydos Dardanos Eresos Kyme in Mysien und Aeolis, Klazomenae Teos Kolophon Ephesos in Ionien, Alabanda Halikarnaß Keramos Kos und Astypalaea in Karien und an der dortigen Küste. In weiterer Entfernung werden Gortys auf Kreta, Elis und Rom genannt.

Noch einigen Aufschluß geben die Nachrichten über Kabiren oder Kabirmysterien in anderen Gegenden, wohin sich diese Sagen und Sacra wahrscheinlich erst von Samothrake und den benachbarten Inseln verbreitet hatten. So rühmte sich Theben in seiner Nachbarschaft eine Weihe der kabirischen Demeter und Kore und ein damit in Verbindung stehendes Heiligthum 672 der Kabiren zu besitzen, deren Ursprung man wie gewöhnlich in eine uralte Zeit zurückschob. In Wahrheit aber scheint diese Weihe erst zur Zeit des Epaminondas durch einen wiederholt genannten Priester der Zeit Namens Methapos von AthenPaus. 9, 25, 5. 6. Ueber Methapos vgl. Paus. 4, 1, 5, Dem. u. Pers. 148 und Sauppe Mysterieninschr. a. Andania 5. Merkwürdig ist die Unterscheidung der (dämonischen) Κάβειροι und der von diesen Kabiren zuerst verehrten Demeter Καβειρία, ferner daß unter den Kabiren namentlich Prometheus und ein Sohn von ihm Aitnaios genannt werden: was auf Verwandtschaft mit den Kabirmysterien auf Lemnos deutet. Auch zu Anthedon gab es ein H. der Kabiren und in dessen Nähe einen T. der Demeter u. Persephone, Paus. 9, 22, 5. eingerichtet zu sein, also nach dem Muster der Weihe auf Samothrake, auf welche sie mithin ein gewisses Licht zurückwirft, namentlich in Ansehung des gleichartigen Göttersystems. Ferner scheinen die Großen Götter der Weihe von Andania in Messenien, welche Pausanias für die heiligste nächst der eleusinischen erklärt, gleichfalls Kabiren zu seinSauppe a. a. O. 43., wobei zu beachten ist daß auch hier die Kabiren, hier wie zu Theben Dämonen, neben den Göttern des Ackersegens und der Viehzucht verehrt wurden, der Demeter und Kore, dem Hermes und dem Apollo Karneios. Dahingegen in anderen Gegenden diese Großen Götter d. h. Dämonen nach Art der Anakten, Dioskuren und Kabiren in der Bedeutung von schützenden Geistern der Schifffahrt verehrt wurdenAuf Aktion in der Nähe der Aphrodite Aineias Dionys. H. 1, 50, vgl. Röm. Myth. 668. Weihe der Anakten, die man bald für Dioskuren bald für Kureten bald für Kabireu erklärte, zu Amphissa Paus. 10, 38, 3., auch dieses nach dem Vorbilde von Samothrake. Endlich gab es Culte und Weihen der Kabiren und zwar unter diesem Namen auch zu Thessalonich in Makedonien, zu Pergamon und zu Milet. In Thessalonich erzählte man von drei Brüdern die man bald Korybanten bald Kabiren nannte. Zwei Brüder hätten den dritten erschlagen, seinen Kopf in ein blutrothes Tuch gehüllt und auf einem ehernen Schilde an den Fuß des Olymp getragen, wo sie ihn begruben. Darauf seien diese beiden mit bacchischen Heiligthümern zu den Tyrrhenern gezogen, um unter ihnen die Mysterien des Bacchus zu verbreiten; während jener dritte, der erschlagene Bruder, Gegenstand eines mystischen Gottesdienstes in Thessalonich geworden war, dessen Priester Anaktotelesten genannt wurdenLactant. 1, 15, 8, Clem. Protr. p. 16, Iul. Firm. p. 15, Orph. H. 39, vgl. Lob. Agl. 1257 sqq. Unter den Tyrrhenern waren wohl ursprünglich die tyrrhenischen Pelasger der Chalkidike und der Inseln des thrakischen Meers gemeint, bis man später wie gewöhnlich die italischen Etrusker mit ihnen verwechselte. Münzen von Thessalonich und Syros mit den Bildern der Kabiren b. Wieseler D. A. K. 2, 818–821.. Zu Pergamon 673 galten die Kabiren für Söhne des Uranos, also für nahe Verwandte der Titanen, welche ihnen auch auf Lemnos und Imbros nahe standenPhot. v. Κάβειροι, vgl. die merkwürdige Inschrift aus Imbros b. Conze a. a. O. S. 91.. Man nannte sie deshalb die ältesten unter den Dämonen (πρεσβύτατοι δαιμόνων), welche die Gegend von Pergamon seit unvordenklicher Zeit bewohnt hätten und namentlich bei der Geburt des Zeus durch die Rhea auf der Burg der Stadt zugegen gewesen wärenPaus. 1, 4, 6, Aristid. 2 p. 709 und das Orakel aus der Zeit der Antonine C. I. n. 3538.. Also eine Art von Kureten, obwohl ihre Weihe auch hier vorzüglich den Gefahren zur See galt. Endlich in Milet und dem benachbarten Orte Assesos hatte angeblich der harte Druck eines Tyrannen und die dadurch entstandene Noth zur Aufnahme eines ähnlichen Gottesdienstes Veranlassung gegeben, welcher aber hier aus Phrygien eingeführt wird, so daß wohl eigentlich Korybanten gemeint waren. Zwei phrygische Jünglinge, Tottes und Onnes, kommen in der Noth mit den in einer Lade verborgenen Heiligthümern der Kabiren aus ihrer Heimath in das Land und bringen Sieg und wunderbare Rettung, sobald man sich zu dem Glauben an die Kabiren bekannt hatteNicol. Damasc. fr. 54 (Hist. Gr. fr. 2, 388)..

Was schließlich die Kabiren bei Philo BybliosHist. Gr. fr. 3, 569, Lob. Agl. 1277. betrifft so folgt aus ihrer Erwähnung bei diesem Schriftsteller keineswegs daß dieser Cultus überhaupt phoenikischen Ursprungs ist, sondern nur daß in dieser Zeit, da die Namen der Dioskuren Kabiren Kureten Korybanten ziemlich dasselbe bedeuteten, zu Berytos gewisse Götter oder Dämonen von gleichartigem Character verehrt wurden. Gebraucht doch schon Herodot 3, 37 das Wort Κάβειροι in der Uebertragung auf aegyptische Götter oder Dämonen welche dem Hephaestos nahe standen, offenbar nach dem Vorbilde des lemnischen Kabirendienstes.


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