Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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b. Eos.

Sie ist eigentlich das Frühlicht des anbrechenden Tages, aber auch das Licht des Tages überhaupt und nicht selten gleichbedeutend mit Hemera, der eigentlichen TagesgöttinOd. 5, 390; 10, 144, Eurip. Tr. 848 τὸ τᾶς λευκοπτέρου Ἀμέρας φίλιον βροτοῖς φέγγος, vgl. Paus. 1, 3, 1. Die Römer übersetzen gewöhnlich Dies.. Weil mit der Dämmerung des Morgens, noch beim Sternenlicht, ein frischer Luftzug sich zu erheben pflegt, galt sie für die Mutter der Sterne und Winde vom AstraeosHesiod th. 378, Hesych κιναύρα, ψῦχος τὸ ἅμα ἡμέρᾳ, Κύπριοι, also was man sonst ἄγχαυρος nannte. Theophr. d. vent. 15 ὁ ἥλιος δοκεῖ καὶ κινεῖν ἀνατέλλων καὶ καταπαύειν τὰ πνεύματα, vgl. Aristot. Meteor. 2, 5, Plin. 2, 127. 129., und weil sie als Morgenröthe erscheint, heißt sie rosenarmig und rosenfingrig (ῥοδοδάκτυλος, ῥοδόπηχυς), da die Morgenröthe sich am griechischen Himmel durch eine Glorie von breiten rosigen Streifen ankündigt, die mit den Fingern einer ausgestreckten Hand verglichen wurdenSo erklärten schon die Alten, Schol. Il. 1, 477. Welcker Gr. G. 1, 683 versteht ῥοδοδάκτυλος von den röthlich unterlaufenen Fingerspitzen der zarten weiblichen Jugend. Doch scheint das Wort in der älteren Tradition nur von der Eos gebraucht zu werden, ῥοδοπάχεες Χάριτες sagte Sappho fr. 65.. Auf Bildern ist sie reich gekleidet, meistens mit großen Schulterflügeln, bisweilen mit einer Haube versehen (gegen den Morgenwind und Morgenthau) oder sie schwebt geflügelt dahin und schüttet den Thau aus einem Gefäße auf die ErdeOvid ad Liv. Aug. 282 croceis roscida equis, Sil. Ital. 1, 576 Tithoni roscida coniux.. Noch häufiger erscheint sie mit Flügelrossen (schon die Odyssee 23, 244 spricht von ihrem Wagen) und in Verbindung mit dem Sonnengotte, dem sie als weiblicher Helios voraneilt, wie dieser mit einer Strahlenkrone und mit einem Viergespann ausgerüstet. Alles glänzt und schimmert an ihr von strahlendem Weiß und feurigem Roth, daher die Beiwörter λευκόπτερος, λευκόπωλος und χρυσόϑρονος, κροκόπεπλος, purpurea, luteaAesch. Pers. 384, Soph. Ai. 673, Virg. A. 6, 535 roseis Aurora quadrigis. 7, 25 aethere ab alto Aurora in roseis fulgebat lutea bigis. Sappho nannte sie χρυσοπέδιλος fr. 19, Antimachos ἑανηφόρος von ἑανόν d. i. ein schimmerndes Gewand von dünnem Gespinst, Hes.. Und 344 immer ist sie frisch und munter (αἰγλήεσσα, χαροπή) und allezeit rüstig, eine Freundin aller männlichen Lust und Thätigkeit des frühen Morgens, besonders der Jagd und des Krieges. Auch ist sie sehr zur Liebe geneigt, man sagte daß Aphrodite es ihr angethan weil sie mit Ares zu buhlen gewagtApollod. 1, 4, 4.. Sie liebt alles Schöne, alle frische Jugendblüthe und pflegt zu rauben was ihr nicht folgen will, denn der schöne frische Morgen ist so kurz und vergänglich, daher ein Symbol zugleich der lieblichsten Jugend und des oft gerühmten Todes in früher Jugend. So hat sie den Kleitos geraubt wegen seiner Schönheit, damit er bei den Unsterblichen weile (Od. 15, 250), den Kephalos, den Orion, auch den allbekannten Tithonos der ihr Gemahl geworden, dessen Lager sie mit jedem frühen Morgen verläßt um Sterblichen und Unsterblichen das Licht zu bringen. Auch er war schön und lieblich wie einer als sie ihn entführteTyrtaeos b. Stob. Flor. 51, 1 οὐδ' εἰ Τιϑωνοῖο φυὴν χαριέστερος εἴη. Vgl. Hom. H. in Ven. 218–238, Horat. Od. 1, 28, 8 Tithonus remotus in auras. 2, 16, 30 longa Tithonum minuit senectus, Schol. Il. 3, 151; 11, 5 u. A. Lykophron 941 gebraucht nach dem Vorgange des Kallimachos Τιτὼ für Ἠώς, als femin. zu Τιτάν. Eos und Tithonos auf einem etruskischen Spiegel b. Gerhard t. 232., und Eos erlangte vom Zeus Unsterblichkeit für ihn, vergaß aber um ewige Jugend zu bitten. Sie führte ihn also in ihre Wohnung an den Strömungen des Okeanos und dort freuten sich beide ihrer Jugend und ihrer Liebe. Da meldeten sich die weißen Haare an dem Haupte des Tithonos und an seinem Barte und Eos fing an ihn zu meiden. Doch pflegte sie ihn noch immer mit Ambrosia und herrlichen Kleidern, bis er ganz vom abscheulichen Alter übermannt wurdeMimnermos b. Stob. Flor. 116, 33 Τιτωνῷ μὲν ἔδωκεν ἔχειν κακὸν ἄφϑιτον ὁ Ζεὺς γῆρας, ὃ καὶ ϑανάτου ῥίγιον ἀργαλέου. Daher das Sprichwort Τιϑωνοῦ γῆρας, Zenob. 6, 18. Immer ist das Alter den Griechen etwas ganz Abscheuliches, Hes. th. 225, Soph. O. C. 1236, Eurip. Herc. f. 638 ff.. Zuletzt sperrte sie ihn in eine Kammer, denn alle Kraft seiner Glieder war entwichen, so daß er sich nicht mehr rühren konnte und nur seine Stimme noch fort und fort wisperte, wie eine Cicade, in welche ihn die spätere Sage auch noch endlich verwandelt werden läßt. Sie war den Griechen ein lebendiges Bild sowohl des heißen Tages als des Alters und des unvordenklichen Alterthums, daher bei den asiatischen Ionen und in Athen ein 345 Bild des autochthonischen Ursprungs. Also wird Tithonos eine Allegorie des Tages in seinem sich ewig wiederholenden Verlaufe sein, früh Morgens frisch und schön, dann von der Hitze des Tages gleichsam aufgezehrtBis zum Mittage dauert die schöne Zeit des Tages, die ἠὼς im engeren Sinne, s. Il. 8, 66 ὄφρα μὲν ἠὼς ἦν καὶ ἀέξετο ἱερὸν ἦμαρ m. d. Schol. u. Hesych v. ἠώς., verdorrt und veraltet, gerade wie Kronos im Laufe des heißen Jahres zum Symbole des Alters geworden ist. Tithonos galt bald für troischen Geschlechts (Il. 20, 237, H. in Ven. 218), bald für einen König von Aethiopien, wo er mit der Eos am Gestade des Okeanos wohnt. Als Söhne des ungleichen Paares, des ewig Hinsterbenden und der ewig Frischen, wurden Memnon und Emathion d. i. der personificirte Tag genannt (Hesiod th. 984), wo der griechische Name vielleicht nur eine Uebersetzung des orientalischen ist. Memnon wurde durch den ganzen Orient gefeiert und beklagt als der Wunderschöne, der früh Verstorbene, vorzüglich in Susa, aber auch in Phrygien, in Syrien und Paphos, endlich in Aegypten und Aethiopien, wo man überall Gräber und großartige Denkmäler von ihm aufwiesF. Jacobs vermischte Schr. 4, 3–155.. Den Griechen war er aus der trojanischen Sage bekannt wo er nach dem Tode des Hektor als Bundesgenosse der Trojaner auftrat, der schönste von allen Männern vor Troja (Od. 11, 522), ein Kind des fernen Aethiopiens, der Hauptheld der Aethiopis des Arktinos. Er tödtete den Antilochos und fiel dann selbst durch Achill, worauf Eos ihn klagend in seine Heimath trug und vom Zeus Unsterblichkeit für ihn erlangte: eine Sage welche die griechischen Dichter und Künstler immer viel beschäftigt hat. Es scheint daß er eine dem Tithonos verwandte Gestalt des Morgenlandes war, der junge Tag als schöner Jüngling, wie denselben auch die nordische Mythologie feiertJ. Grimm D. M. 706. Vgl. Philostr. v. Apoll. 6, 4 p. 107 ϑύσαντες Ἡλίῳ τε Αἰϑίοπι καὶ Ἠῴω Μέμνονι. Auf einem etruskischen Spiegel heißt er Aevas d. i. ἠῶος.. Die griechische Dichtung verlegte seine Heimath nach Aethiopien, weil man dort sowohl die Wohnung der Eos als die des Helios zu suchen gewohnt war.


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