Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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3. Die Umgebung der Aphrodite insbesondere.

a. Eros.

Der Liebesgott Eros war den Griechen seit der Hesiodischen Theogonie in der doppelten Bedeutung eines theogonischen Gottes und des von der Aphrodite unzertrennlichen Gefährten und Gehülfen bekannt. Als die theogonische Macht der Liebe, welche die Götterpaare verbindet und nach Hesiod von den Philosophen viel gefeiert wurde, nannten ihn die Dichter eine Geburt des Chaos oder der dunklen Nacht und des lichten Tages oder des Himmels und der Erde oder des Uranos oder wie sie ihn sonst in ihre Genealogieen einfügtenVgl. Plato Symp. p. 178 B., Schol. Apollon. 3, 26, Argum. Theocr. 13, Cic. N. D. 3, 23, 60., denn die Dichter erlaubten sich mit solchen Personificationen immer große Freiheiten. Als den über alle Natur, alle Götter, alle Menschen herrschenden Liebesgott und Begleiter der Aphrodite, welchen die Hesiodische Theogonie von jenem andern nicht unterscheidetth. 121 λυσιμελής, πάντων τε ϑεῶν πάντων τ' ἀνϑρώπων δάμναται ἐν στήϑεσσι νόον καὶ ἐπίφρονα βουλήν. Vgl. Schoemann opusc. 2, 65., nannte ihn 394 die spätere Tradition gewöhnlich einen Sohn der Aphrodite, obwohl es auch hier sehr verschiedene Combinationen gab, da ihn z. B. Olen einen Sohn der Eileithyia, Alkaeos den des Zephyr und der Iris, Euripides den des Zeus nannteSimonides nannte ihn einen Sohn der Aphrodite und des Ares, b. Schol. Apollon. l. c. σχέτλιε παῖ δολόμηδες Ἀφροδίτας, τὸν Ἄρει δολομαχάνῳ τέκεν. Alkaeos b. Plut. Amator. 20 δεινότατον ϑεῶν ἐγείνατ' εὐπεδιλος Ἶρις χρυσοκόμᾳ Ζεφύρῳ μιγεῖσα, während b. Apulejus Zephyr ein Diener des Eros ist. Olen b. Paus. 9, 27, 2. Euripides Hippol. 538 nennt Eros τὸν τᾶς Ἀφροδίτας φιλτάτων ϑαλάμων κλῃδοῦχον. Vgl. Maxim. Tyr. 24, 9.. Auch erscheinen häufig neben diesem Eros die verwandten Gestalten des Himeros und Pothos, welche wie er begehrendes Verlangen und mehr eine Vervielfältigung des Begriffs als einen wesentlichen Unterschied ausdrücken, daher sie auf den Vasenbildern und in den Werken der bildenden Kunst vom Eros nicht näher unterschieden werdenἜρος und Ἵμερος im Gefolge der Aphrodite b. Hesiod th. 201. Die Etymologie von ἔρος ἔρως ἔραμαι ist noch nicht sicher, die von ἵμερος ist die Wurzel is, wovon Ἰσμήνη d. i. desiderata, Ἰσμηός u. a., s. G. Curtius 1, 370. Im Lateinischen entspricht Amor dem Eros, Cupido dem Himeros. Vgl. J. Grimm über den Liebesgott, Akad. Abh. 1851 und O. Jahn Ann. d. Inst. 29, 129–141.. Immer ist es sowohl die Natursphäre als die sittliche Welt der Herzen und des Willens von Göttern und Menschen über welche der Liebesgott gebietet, wie dieser mit Rücksicht auf jene auch wohl gleich seiner Mutter als eine Gottheit des Frühlings gefeiert wurde, welcher auf dem Lande und unter den Heerden aufgewachsen sei und mit dem Frühlinge von Kypros, der schönen Insel, aufbreche um die Erde zu befruchtenTheogn. 1275 ὡραῖος καὶ Ἔρως ἐπιτέλλεται· ἡνίκα περ γῆ ἄνϑεσιν εἰαρινοῖς ϑάλλει ἀεξομένη, τῆμος Ἔρως προλιπὼν Κύπρον περικαλλέα νῆσον εἶσιν ἐπ' ἀνϑρώπους σπέρμα φέρων κατὰ γῆς. Plato Symp. 196 A οὗ δ' ἂν εὐανϑής τε καὶ εὐώδης τόπος ᾖ, ἐνταῦϑα καὶ ἵζει καὶ μένει. Vgl. Tibull. 2, 1, 67, Pervigil. Ven. 76 ff.. Und immer wurde er als wunderschöner Knabe gedacht und geflügelt und mit den Pfeilen der Liebe oder der brennenden Fackel bewaffnetEurip. Hippol. 530 οὔτε γὰρ πυρὸς οὔτε ἄστρων ὑπέρτερον βέλος οἷον τὸ τᾶς Ἀφροδίτας ἵησιν ἐκ χερῶν Ἔρως ὁ Διὸς παῖς. Med. 531 τόξοις ἀφύκτοις. 633 μήποτ' ὦ δέσποιν' ἐπ' ἐμοὶ χρυσέων τόξων ἐφείης ἱμέρῳ χρίσασ' ἄφυκτον οἰστόν, hier Aphrodite. Man unterschied beseligende und verderbliche, später auch erregende und beruhigende Pfeile Cupidos, Eur. Iphig. A. 550 ὅϑι δὴ δίδυμ' Ἔρως ὁ χρυσοκόμας τοξ' ἐντείνεται χαρίτων, τὸ μὲν ἐπ' εὐαίωνι πότμῳ τὸ δ' ἐπὶ συγχύσει βιοτᾶς. Ovid M. 1, 469 fugat hoc facit illud amorem. Vgl. Aphr. ἀποστροφία oben S. 279.. Göttliche Verehrung genoß er häufig neben der 395 Aphrodite, besonders zu Thespiae, wo sein ältestes Bild ein roher Stein war, und zu Parion am HellespontPaus. 9, 27, Plut. Amator. 1. 2, Schoemann l. c. p. 83 sqq.. In beiden Culten mag er ursprünglich wie Priap und der ithyphallische Hermes die Bedeutung einer üppig zeugerischen Naturkraft gehabt haben, von welcher Seite er auch den Mysterien, namentlich denen zu Eleusis bekannt gewesen zu sein scheint. Doch verdrängte auch in diesem Kreise die feinere und ästhetische Bildung das Alterthümliche und das Symbolische, bis das Bild des Eros vorzüglich durch die jüngere attische Kunstschule des Skopas und Praxiteles und des Lysippos in der uns bekannten Weise festgestellt wurde. Skopas hatte für Megara einen Eros Himeros und Pothos, für Samothrake eine Aphrodite und einen Pothos gebildetPaus. 1, 43, 6; 9, 27, 3. 4, Plin. H. N. 36, 22–25, vgl. O. Müller Handb. § 127, 3.; in Parion bewunderte man einen Eros von Praxiteles und den berühmtesten von allen, ein Werk desselben Meisters, in Thespiae, wo auch ein Eros des Lysippos zu sehen war und eine Aphrodite und die schöne Phryne von der Hand des Praxiteles. Auch wurden dem Eros in Thespiae alle vier Jahre Erotidien mit gymnischen und musischen Wettkämpfen gefeiert, eins der beliebtesten Spiele in Boeotien, von dessen Aufnahme bis in die römische Kaiserzeit noch jetzt zahlreiche Inschriften zeugen. Außerdem wurde dieser Gott besonders in den Gymnasien verehrt und gefeiert, als Sinnbild der Freundschaft und Liebe zwischen Jünglingen und Männern, welche in Griechenlands besten Zeiten die Seele der gymnastischen und kriegerischen Uebungen war und in mancher heißen Schlacht zur Entscheidung geführt hat. Daher sah man den Eros in vielen Gymnasien zwischen Hermes und Herakles, in der attischen Akademie sogar neben der AthenaAthen. 13, 12, vgl. Paus. 1, 30, 1, Clem. Protr. p. 38 P., Lactant. 1, 20 magnum Cicero audaxque consilium suscepisse Graeciam dicit, quod Cupidinum et Amorum simulacra in gymnasiis consecrasset, vgl. Cic. Tusc. 4, 33, 70.. Die Spartaner und die Kreter pflegten ihm vor der Schlacht zu opfern, und auch zu Theben war die beste Truppe, die sogenannte heilige Schaar, ganz vom Geiste des Eros beseelt, während die Samier diesem Gotte ein Gymnasium gewidmet hatten und demselben ihre Eleutherien feierten und Athen des Eros 396 neben seinen Befreiern Harmodios und Aristogeiton zu gedenken pflegte. Eben dahin gehört die viel besprochene Gruppe Eros und Anteros d. i. nach ihrer ursprünglichen Bedeutung die Liebe und Gegenliebe der männlichen Jugend, wie man im Gymnasium zu Elis ein Relief sah wo diese beiden Liebesgötter, der Liebe und der der Gegenliebe, um die Palme des Sieges strittenPaus. 6, 23, 4. Dieselbe Darstellung ist in einem Marmorrelief zu Neapel erhalten, während auf einem andern zu Rom befindlichen Eros und Anteros im Fackellaufe begriffen sind. Auf beiden ist Anteros durch stark ausgeschweifte Flügel unterschieden.. Endlich ist Eros immer eine der beliebtesten Veranlassungen des geistreichen Ideen- und Phantasiespieles geblieben, sowohl für die Philosophen als für die Dichter und Künstler. Hinsichtlich der Philosophen braucht man nur an Platos Symposium zu erinnern und unter den lyrischen Dichtern an Sappho und Anakreon, die vorzugsweise erotischen DichterPaus. 1, 25, 1; 9, 27, 2.. Aber auch die Tragoedie fand sehr oft Gelegenheit den Eros als das Princip verhängnißvoller Lebensverwicklungen und als die große Naturmacht, welcher alle Welt unterthan ist, zu feiernSoph. Antig. 781 ff., Eurip. Hippol. 1268 ff.. Bis in den jüngeren Zeiten der hellenistischen und römischen Poesie und Kunst jenes halb ernsthaft gemeinte halb tändelnde Bild des flatterhaften und durchtriebenen Knaben das vorherrschende wurde, welcher Götter und Menschen tyrannisirt und sich in tausend neckischen Streichen gefällt, wie dieses vorzüglich in den Anakreontischen Gedichten späterer Entstehung unter immer neuen Gestalten wiederkehrt. Auch liebte man es den Triumph des Eros über alle andern Götter ins Einzelne auszuführen, entweder in GedichtenLactant. 1,11 non insulse quidam poeta triumphum Cupidinis scripsit, quo in libro non modo potentissimum deorum Cupidinem, sed etiam victorem facit. Enumeratis enim amoribus singulorum, quibus in potestatem Cupidinis dicionemque venissent, instruit pompam, in qua Iupiter cum ceteris diis ante currum triumphantis ducitur catenatus. oder in Bildwerken, welche letzteren ihn mit den Attributen der verschiedensten Götter und mit denen des mächtigsten unter allen Heroen, des Herakles, ausgestattet oder mit ihnen spielend zu zeigen pflegen. Auch gehört diesem Zeitalter das sinnreiche Doppelbild von Amor und Psyche, des Liebesgottes und der von ihm erfüllten Seele, die im höheren Alterthum unter dem Bilde eines kleinen geflügelten Wesens, später unter dem eines Schmetterlings oder eines zarten Mädchens mit 397 Schmetterlingsflügeln vergegenwärtigt wurde, welches durch ein dämonisches Verhängniß mit Eros verbunden bald von ihm aufs höchste beglückt bald in demselben Grade gepeinigt wird. Allgemein bekannt ist das schöne Märchen bei Apulejus, wie Psyche, die Schönste der Schönen, den Neid der Venus erregte, die deshalb ihrem Sohne Amor den Auftrag ertheilt ihr Liebe zu einem niedrigen und gemeinen Menschen einzuflößen. Amor sieht sie, liebt sie, und lebt mit ihr in seligem Vereine, in einem paradiesischen Thale, in einem Feenpalaste wo nichts zu ihrem Glücke fehlt; nur darf sie den allnächtlich sie besuchenden Geliebten nicht mit ihren leiblichen Augen sehen. Da senken ihre bösen Schwestern den Stachel des Mistrauens in ihre Brust, sie überschreitet das Verbot, und ach! der Geliebte schwingt sich auf zu den Olympischen Höhen und sie bleibt allein mit ihrer Verzweiflung. Nun beginnen für sie alle Plagen Kränkungen und Prüfungen des irdischen Lebens: umsonst sucht sie den Tod, fragt sie durch die ganze Welt nach dem verlorenen Geliebten, fleht sie zu den Göttern! Der Zorn der Venus dauert und verlangt von ihr die schwersten Dienstleistungen, unmögliche wenn nicht unsichtbare Mächte geholfen hätten. Bis endlich, als sie in den Hades hinabgestiegen war um sich von der Persephone eine Büchse für ihre zürnende Herrin geben zu lassen, der stygische Duft der von ihrer Neugier geöffneten Büchse sie doch überwältigt haben würde, wäre nicht jetzt der Geliebte selbst zur Hülfe gekommen. Da waren die Prüfungen für immer zu Ende. Amor bittet für sie beim Jupiter, welcher Psyche nun zu sich in seinen Himmel aufnimmt, wo sie seitdem als Unsterbliche und in ewiger Vereinigung mit dem Geliebten lebt, nachdem sie von ihm die Mutter der Lust (Voluptas) geworden. Offenbar ein philosophirendes Märchen im Sinne einer Philosophie, welcher die Unterscheidung von drei Acten des Lebens der Seele, ihrer Präexistenz einer verlorenen Seligkeit, ihrer Prüfung im irdischen Leben, und ihrer himmlischen Zukunft geläufig geworden war. Doch ist nur dieser Inhalt auf die Rechnung der Schule zu setzen, nicht die märchenhaft sinnbildliche Einkleidung durch jenes Verhältniß zwischen Amor und Psyche, welches die Phantasie dieser Zeit, vorzüglich der bildenden Künstler, vielmehr allgemein beschäftigteO. Jahn Archäol. Beitr. S. 121–197, vgl. Apuleii Psyche et Cupido rec. et emend. O. Jahn, Lips. 1856.. Beweis davon sind die vielen vorhandenen Bildwerke wo bald Psyche 398 vom Amor gequält, bald gefesselt und gezüchtigt wird und darüber weint und klagt, oder man sieht beide in liebender Vereinigung und inniger Umarmung, wie in einer bekannten und oft wiederholten Gruppe von geistvoller Erfindung, oder dasselbe allegorische Wechselverhältniß wird auf allerlei entlegnere Beziehungen des menschlichen Lebens und Sterbens übertragen. Auch wurden um dieselbe Zeit alle diese allegorischen Personificationen Eros Pothos Psyche vervielfältigt und dadurch neue Möglichkeiten dieses allegorischen Phantasiespiels erreicht, in welcher Hinsicht die bildende Kunst ihr Mögliches gethan hat. Ueberall trifft man auf diese geflügelten Kindergestalten, am gewöhnlichsten freilich in der Umgebung der Aphrodite, welche für die Meisterin oder die Mutter aller Eroten und Pothoi zu gelten pflegte, oder in der des Dionysos. Aber auch in allen übrigen Kreisen der Götterwelt, der Natur, des menschlichen Lebens sind sie beschäftigt, indem sie die Macht und den Triumph der Liebe unter den verschiedensten Bildern darstellten, die Insignien der Götter fortschleppend oder zerbrechend, die wildesten Thiere bändigend, unter Ungeheuern muthwillig schwärmend und vor allen Dingen das menschliche Leben nach allen Richtungen hin durchdringend. Wo immer eine Neigung, ein eifriger Trieb sich äußerte, suchte die alte Kunst eine solche Thätigkeit dadurch in das Licht des Ideals zu erheben daß sie dieselbe als heitres und kindliches Spiel von Eroten und Psychen darstellte, in welcher Hinsicht die Wandgemälde aus Pompeji eine reiche Auswahl von geistreichen Conceptionen an die Hand geben. Oder die Eroten werden zu kleinen Vögeln, welche wie diese ihre Nester haben und von den Vogelstellern gefangen, eingesperrt und endlich verkauft werdenO. Jahn Archäol. Beitr. S. 211 ff., Leipz. Ber. 1851 S. 153–179, Stephani ausruh. Herakles S. 96 ff., Müller-Wieseler D. A. K. 2, 627–706..


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