Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

2. Hera.

Die Königin des Himmels, auf dessen Glanz auch der Name Ἥρα nach der wahrscheinlichsten Erklärung deutetVgl. skr. svar der Himmel, zend hvar die Sonne, womit auch lat. sôl verwandt ist, Bopp vgl. Gramm. § 127, Bd. 1, 123. So erklären den Namen Ἥρα L. Meyer z. ältest. Gesch. d. Gr. M. 18 und G. Curtius Grundz. 1, 96 u. so wird auch der Name des Ἡρακλῆς, des der Hera entsprechenden Sonnenheros zu erklären sein. Die gewöhnlichen Erklärungen von ἔρα die Erde oder von ἀὴρ die Luft oder Ἥρα d. i. hera die Frau, die Herrin schlechthin, lassen sich weder etymologisch noch dem Sinne nach rechtfertigen., und als solche die älteste unter den Töchtern des Kronos und eheliche Gemahlin des Zeus nach altgriechischer Vorstellung d. h. im Sinne der Monogamie und des Anspruchs auf höchste weibliche Ehre und Würde. Auch theilt sie die meisten Rechte und Eigenschaften mit Zeus; nur daß ihre besondre Bedeutung die ist daß sie die weibliche Seite des Himmels darstellt, also die Luft, die Atmosphäre, das zugleich weiblich fruchtbare, aber auch am meisten wandelbare Element der himmlischen Elementarkraft. Daher sie im ehelichen Bunde mit Zeus als lieblich, segensreich, die Erde befruchtend, unter den Menschen die Ehe stiftend und behütend gedacht wird, im ehelichen Zerwürfniß mit Zeus aber als finster, furchtbar, hadersüchtig und verderblich. Wenigstens lassen sich aus diesen Vorstellungen die meisten Bilder der 125 altgriechischen Culte der Hera und der entsprechenden Dichtungen ableiten.

Argos galt in solchem Grade für die Wiege alles Heradienstes und die Argivische Hera für die heiligste von allen (Ilias 4, 8. 51), daß wir die pelasgische Bevölkerung dieser Gegend und der peloponnesischen Halbinsel überhaupt für ihre ältesten Verehrer halten dürfen, zumal da in Dodona nicht Hera, sondern Dione als Gemahlin des höchsten Gottes verehrt wurde. Die Ilias nennt Argos, Mykenae und Sparta ihre liebsten Städte (4, 51), von denen das letztere, damals eine Hauptstadt der Achaeer, in dorischer Zeit der Hera nicht in gleicher Verehrung anhängig geblieben warDoch hieß sie in Sparta noch später die argivische, Paus. 3, 13, 6, nach welchem sie als ὑπερχειρία d. h. als Schutzgöttin (μάλα γὰρ ἔϑεν εὐρύοπα Ζεὺς χεῖρα ἑὴν ὑπερέσχε Il. 9, 419. 686, vgl. 5, 433) und als Ἀφροδίτη verehrt wurde, welcher letzteren die Mütter bei Verheirathung ihrer Töchter opferten. Außerdem gab es eine Hera εἰγοφάγος in Sparta, Paus. 3, 15, 7, Hes. und ein Fest an welchem sie mit Blumen geschmückt wurde, Athen. 15, 22. Einen Mt. Ἡράσιος bei den Lakonen nennt Hes., Argos aber und Mykenae durch die Heiligkeit und das weit verbreitete Ansehn des zwischen beiden Städten gelegenen Tempels, viele Feste, altherkömmliche Gebräuche und die bedeutungsvollen Sagen von der Io und dem Herakles sich als dieser Gottheit vorzugsweise ergeben bewährtenVon dem alten Heiligthume am Berge Euboea, 15 Stadien von Mykenae, 45 von Argos, Strabo 8, 372, Paus. 2, 17, E. Curtius Peloponn. 2, 396 ff., Ausgrabung b. T. der Hera unweit Argos, Halle 1855. Die drei Töchter des Bachs Asterion Εὔβοια Πρόσυμνα Ἀκραία sind drei mit alten Beinamen der Hera benannte Höhen, während der Name des ihr geweiheten Bachs und des an ihm wachsenden Krauts Ἀστερίων auf den gestirnten Himmel deutet. Argos Ἥρας δῶμα ϑεοπρεπές, Pind. N. 10, 2. Auch die Proetidensage von Tiryns bezieht sich auf diesen alten Heradienst.. So wurde Hera auch in der Nachbarschaft von Argos viel verehrt, ferner in Arkadien, besonders in Stymphalos und MantineaPaus. 8, 9, 1; 22, 2. Auch in Megalopolis 31, 6, in Heraia 26, 2. Von Olympia Paus. 5, 16., desgleichen in Elis und in Olympia, wo das Heraeon auch für sehr alt und heilig galt. Ein wichtiger Dienst ist ferner der von Korinth, wo Hera als Burgherrscherin (Ἥρα ἀκραία) wie oft auf Höhen verehrt wurde und wegen der Beziehungen der Medea zu dieser Göttin für die Mythologie von besonderem Interesse istZenob. 1, 27, vgl. Thuk. 3, 75. 81, C. l. n. 1840.. In den korinthischen Colonien, namentlich auf Korkyra, lassen sich die Spuren dieses Dienstes weiter verfolgen, während andererseits auf dem ursprünglichen Schauplatze der Argonautensage, 126 im minyeischen Iolkos, die pelasgische Hera als Schutzgöttin Iasons genannt wurdeApollon. Rh. 1, 14. Dieselbe Hera des Argos Pelasgikon rühmt sich 11. 24, 59 ff. die Thetis erzogen und dem Peleus zugeführt zu haben. Dionys. Per. 534 nennt auch die argivische Hera Πελασγίς.. Ferner war Boeotien mit dem nahen Euboea reich an Tempeln und Festen dieser Göttin und besonders der Kithaeron ein altertümlicher Mittelpunkt derselben, wohin die anliegenden Ortschaften, Thespiae Plataeae u. a. ihre Processionen zu richten pflegten und manche alte Sage z. B. die vom Oedipus in bedeutsamen Zügen zurückweist. Unter den Inseln begegnen wir wieder einem der ältesten Mittelpunkte des Heradienstes auf Samos, welches seinen Cultus der Hera am Flusse Imbrasos von dem argivischen ableitete und durch den Glanz seiner Feste und Processionen wie durch die Größe und Pracht des unter Polykrates erbauten Tempels vor allen übrigen Stätten berühmt warHerod. 3, 60, Str. 14, 637, vgl. die Legenden bei Athen. 15, 12, Paus. 7, 4, 4. Der Name Ἴμβρασος scheint wie Ἴμβρος und Ἴμβραμος d. i. Hermes karischen Ursprungs zu sein und dasselbe zu bedeuten was ἵμερος, wenigstens wurde nicht allein von der Liebe und Vermählung des Zeus und der Hera an seinem Ufer, sondern auch von der andrer Götter erzählt. Samos Ἰμβρασίης ἕδος Ἥρας b. Apoll. Rh. 1, 187, vgl. die Schol. u. 2, 866, Athen. 7, 19.. So wird auch der Heradienst auf Kreta von der argivischen des Peloponnes abgeleitet werden dürfen, obwohl die Gegend von Knosos ein Mittelpunkt desselben warDiod. 5, 72. Aus Inschriften kennt man einen Mt. Ἥραιος in Olus auf Kreta, Bithynien und Delphi.; desgleichen in Italien der auf dem Vorgebirge Lakinion in der Gegend von Kroton, welcher vermuthlich achaeischen Ursprungs war und von sämmtlichen Griechen Italiens sehr heilig gehalten wurdeAristot. Mirab. 96 ἐπὶ Λακινίῳ ἐν τῇ πανηγύρει τῆς Ἥρας, εἰς ἣν συμπορεύονται πάντες Ἰταλιῶται. Herakles soll den Tempel gegründet, die Nereide Thetis den Garten gepflanzt haben, Lykophr. 857 Tz., Serv. V. A. 3, 552, vgl. Dionys. P. 371 ἔνϑα κεν αἰπὺν ἴδοιο Λακινιάδος δόμον Ἥρης, Theokr. 4, 22, Plin. 2, 240, u. Röm. Mythol. 256. Auch in Metapont und in Sybaris wurde Hera verehrt Plin. 14, 9, Steph. B. Σύβαρις, Aelian V. H. 3, 43, Athen. 12, 21..

Die Sage wußte zwar auch von der Jugend der Hera zu erzählen, wie sie nach der Ilias (14, 202. 203) von Okeanos und der Tethys aufgezogen wurde, nach dem alten Delischen Hymnensänger Olen von den Horen (Paus. 2, 13, 3), während die örtlichen Sagen von Argos, von Stymphalos, von Samos von ihrer Geburt in diesen Gegenden und von ihrer Pflege bald durch 127 die Nymphen des Ortes bald durch alte Heroen berichteten. Der eigentliche Kern aller Sagen von der Hera, desgleichen der meisten Feste und festlichen Legenden bleibt aber immer ihr eheliches Verhältniß zum Zeus, als dessen jungfräuliche Braut (παρϑενία), dann als seine neuvermählte Gattin (κουριδίη ἄλοχος), endlich als seine zu ewigem Bunde vereinte Ehefrau (τελεία) sie in vielen sinnreichen und empfindungsvollen Gebräuchen und Mythen verherrlicht wurde. Der Cultus feierte diese Vermählung im Frühlinge, als eine heilige Hochzeit und liebende Vereinigung der beiden großen Himmelsmächte, von denen alle Fruchtbarkeit der Erde abhängt. Von kosmogonischen Dichtungen gehört dahin die Sage daß Zeus und Hera sich schon unter Kronos geliebt und heimlichen Umgang gepflogen hätten, denn diese Ehe ist eben so alt und wesentlich als die des Uranos und der Gaea oder des Kronos und der Rhea und nur im mythologischen Sinne später als dieseIl. 14, 295 οἷον ὅτε πρῶτόν περ ἐμισγέσϑην φιλότητι εἰς εὐνὴν φοιτῶντε, φίλους λήϑοντε τοκῆας, also vor dem Titanenkampfe. Später dichtete man daß Zeus die Hera dreihundert Jahre geliebt habe und daß Hephaestos ein Sohn dieser verstohlenen Liebe und deshalb lahm sei, Kallim. b. Schol. Il. 1, 609. Vgl. auch Stat. Theb. 10, 61, Cat. Dir. 166.: auch die schöne Dichtung von dem segenströmenden Beilager des Zeus in den seligen Gegenden des Okeanos, wo Ambrosia fließt und wo die Erde den Baum des Lebens mit den goldenen Hesperidenäpfeln zur Hochzeit der Hera hat wachsen lassenEur. Hippol. 743 Ἑσπερίδων δ' ἐπὶ μηλόσπορον ἀκτὰν ἀνύσαιμι τᾶν ἀοιδῶν, ἵν' ὁ ποντομέδων πορφυρέας λίμνας ναύταις οὐκέϑ' ὁδὸν νέμει, σεμνὸν τέρμονα κύρων οὐρανοῦ τὸν Ἄτλας ἔχει, κρῆναι τ' ἀμβρόσιαι χέονται Ζηνὸς μελάϑρων παρὰ κοίταις, ἵν' ὀλβιόδωρος αὔξει ζαϑέα χϑὼν εὐδαιμονίαν ϑεοῖς.. Und ein epischer Nachklang dieser alten Poesieen ist auch die eben so reizende als bedeutungsvolle Erzählung der Ilias (14, 152–353) von dem Beilager auf dem Gipfel des Idagebirges, wo die große Göttin im vollen Schmucke der Liebe und ihrer himmlischen Schönheit den Göttervater mit gleichem Verlangen entzündet wie bei dem ersten Genusse ihrer Liebe, so daß er Troer und Griechen vergessend nur von ihr wissen will, die er in dichtem goldnen Gewölke verlangend umfängt, während die Erde blühende Kräuter und duftende Blumen zum bräutlichen Lager wachsen läßt. Die argivische Legende erzählte, Zeus sei mit Sturm und Regenschauer und in Gestalt eines Kukuks, weil dieser Vogel Frühling und belebenden Regen bringt, auf einem Berge zur Hera gekommenSo erzählte man namentlich in der Gegend von Hermione, wo man zwei Berge zeigte, den einen der früher Θόρναξ (von ϑρόνος) später Κοκκύγιον d. i. der Kukuksberg hieß und dem Zeus heilig war, den andern mit einem H. der Hera, Paus. 2, 36, 2, vgl. Schol. Theokr. 15, 64. Ueber den Kukuk und seinen Ruf Hesiod W. T. 486., und im Culte feierte 128 man das göttliche Paar mit Blumen und Kränzen, führte Hera im bräutlichen Schmucke umher, flocht ihr ein Brautbette aus zarten Weidenzweigen des Frühlings und beging die ganze Cerimonie wie eine menschliche Hochzeit, für deren Vorbild und Stiftung diese göttliche galtPaus. 2, 17, 2, vgl. Ἥρα Ἀνϑεία ib. 22, 1 und Poll. 4, 78, wo ἀνϑεσφόροι d. h. Blumen tragende Mädchen der Hera genannt werden, wie b. Hesych Ἡρεσίδες κόραι αἱ λουτρὰ κομίζουσαι τῇ Ἥρᾳ. Vgl. Hes. Λέχερνα (von λέχος und ἔρνος) υπὸ Ἀργείων ἡ ϑυσία ἐπιτελουμένη τῇ Ἥρᾳ u. Welcker z. Schwenk Andeut. 267 ff.. Aehnliche Gebräuche und Legenden gab es zu Plataeae und in der Umgegend, wo Zeus und Hera als höchstes Götterpaar auf dem Kithaeron verehrt wurdenUeber die Feier der Daedalen zu Plataeae Plut. b, Euseb. Pr. Ev. 3 p. 83 sqq. u. p. 99 und Paus. 9, 2, 5; 3, 1–4, über Ἥρα Κιϑαιρωνία Plut. Arist. 11, Clem. Protr. p. 40., auf Euboea wo der Gipfel des Ocha für die Stätte der Vermählung galtSteph. B. v. Κάρυστος, vgl. das νυμφικὸν Ἐλύμνιον bei Schol. Arist. Pac. 1126. Von Athen Phot. v. ἱερὸν γάμον, Hes. Et. M. 468, 52., in Athen wo man das Fest den ἱερὸς γάμος des Zeus und der Hera nannte, auf Kreta wo man dasselbe Fest in der Nähe von Knosos feierteDiod. 5, 72. Auch hier war das Fest eine Nachahmung der Hochzeit καϑάπερ ἐξ ἀρχῆς γενέσϑαι παρεδόϑη., endlich auf Samos wo man gleichfalls sowohl von der Jugend als von der Hochzeit der Hera erzählte, diese jährlich mit einem glänzenden Feste feierte und sich auch wegen der volkstümlichen Sitte einer ehelichen Vertraulichkeit vor der Vermählung auf Zeus und Hera zu berufen pflegteSchol. Il. 14, 296. Varro b. Lactant. 1, 17, 8 Insulam Samum scribit Varro prius Partheniam nominatam, quod ibi Iuno adoleverit ibique etiam Iovi nupserit. Itaque nobilissimum et antiquissimum templum eius est Sami et simulacrum in habitu nubentis figuratum et sacra eius anniversaria nuptiarum ritu celebrantur. Vgl. Apulei. Met. 6, 4, Augustin C. D. 6, 7, Lobeck Agl. 606..

Indessen erzählte man sich bekanntlich noch häufiger von den Streitigkeiten des Zeus und der Hera als von ihrer Liebe, ein Thema welches freilich vornehmlich durch die epische Sage und im Sinne ihrer Motive ausgebildet worden ist. Der tiefere Grund wird aber auch hier in der Naturbedeutung beider Gottheiten zu suchen sein, und in der That finden wir in einigen alten Culten, aber noch mehr in mehreren sehr altertümlichen 129 Naturbildern die beste Anleitung zur richtigen Auffassung dieser Zänkereien. So wurde Hera zu Stymphalos in Arkadien unter drei Gestalten verehrt, als Jungfrau d. h. vor der Verbindung mit Zeus, als seine Vermählte und endlich als Wittwe d. h. als eine solche die mit Zeus zerfallen war und eine Zuflucht in Stymphalos gefunden hattePaus. 8, 22, 2 Τήμενος ein Sohn des Pelasgos erzieht Hera und stiftet ihr drei Heiligthümer, παρϑένῳ μὲν ἔτι οὔση παιδί, γημαμένην δὲ ἔτι τῷ Διὶ ἐκάλεσεν αὐτὴν τελείαν, διενεχϑεῖσαν δὲ ἐφ' ὅτω δὴ ἐς τὸν Δία καὶ ἐπανήκουσαν ἐς τὴν Στύμφαλον ὠνόμασεν ὁ Τήμενος χήραν. Auch nach der Sage von Plataeae entweicht Hera zürnend nach Euboea, um als νυμφευομένη und τελεία zum Feste der Daedalen d. h. zur Hochzeit mit Zeus zurückzukehren.: von welchen Bildern dieses letzte so aufzufassen ist wie Demeter Erinys, der leidende Dionysos, der grollende und alternde oder gar gestorbene Zeus, nehmlich vom Winter, in welchem auch Hera als das Gegentheil von dem gedacht wurde was sie im Frühlinge war. Daß aber für Heras Characteristik sich aus solchen Anschauungen die Vorstellung des Haderns und des ehelichen Widerspruches entwickelte, war eine natürliche Folge sowohl davon daß ihre Bedeutung wesentlich auf ihrem ehelichen Verhältnisse zum Zeus beruht als der Eigenthümlichkeiten des griechischen Himmels, wie er sich in allen Uebergangs- und stürmischen Jahreszeiten darzustellen pflegt. Denn wie das Land meist sehr gebirgig ist, die Thäler eng, das Meer überall nahe, die Luft weit feiner und durchdringender als bei uns, so entwickeln sich dort auch alle Erscheinungen der Atmosphäre und des Wolkenhimmels, Regen Sturm u. s. w. mit einer so heftigen und plötzlichen Gewaltsamkeit und so durchdringender Kraft, daß das Bild eines ehelichen Zanks der herrschenden Mächte ein außerordentlich natürliches und ausdrucksvolles ist. In diesem Sinne wird man nun namentlich auch die bekannten Erzählungen der Ilias aufzufassen haben, die sich theils an die kosmogonische theils an die Heraklessage anlehnen, in welcher letzteren überhaupt dieser Antagonismus der beiden Himmelsmächte zuerst in jenen großartigen Allegorien einen Ausdruck gefunden zu haben scheint, wie sie später in den übrigen Kreisen der epischen Dichtung in milderen Wendungen wiederholt wurden. So die bekannte Mahnung der Ilias 1, 586 ff., wie Zeus die Hera einst im Grimme gepeitscht und ihren Sohn Hephaestos vom Olymp heruntergeschleudert habe, was gewiß ursprünglich nichts Anderes als die Aufregungen des Himmels ausdrücken sollte, wenn Ζ. μαιμάκτης, wie er in wüthenden 130 Stürmen und Wetterwolken daherfährt, die Luft gleichsam geißelt und mit Feuerstrahlen um sich wirft. Desgleichen jene andere (Il. 15, 18 ff.), wo Zeus in der Wuth über die Nachstellungen welche Hera dem Herakles bereitet, die Göttin am Himmel aufhängt und ihre Füße mit zwei Ambossen (Erde und Meer) beschwert, die sie in der Luft schwebend erhalten, während ihre Arme mit goldnen Fesseln gebunden werden: wieder ein Bild von der Gewalt des höchsten Himmelsgottes, der die Luft und alle sichtbaren Erscheinungen in der Schwebe trägtProb. V. Ecl. 6, 31 quae autem possunt Iunonis videri suspendia nisi librati aeris elementa? quae sunt pedibus demissa pondera nisi terra marique iacentia! quisve aureus laqueus nisi igneus? Vgl. oben S. 83., im Epos zu einer Strafe der Hera geworden. Ein andermal (Il. 1, 396 ff.) verbündet sich Hera mit Poseidon und Athena um Zeus zu fesseln, und sie hätten es gethan wenn Thetis nicht den gewaltigen Meeresriesen Aegaeon zu Hülfe gerufen hätte: nach der wahrscheinlichsten Erklärung gleichfalls das allegorische Gemälde eines furchtbaren Aufruhrs der Natur, in welchem Zeus durch die vereinigten Mächte des Himmels und des Meeres Gewalt zu leiden scheintZenodot, der hier und an andern anstößigen Stellen durch Correctur zu helfen suchte, setzte v. 400 Φοῖβος Ἀπόλλων für Παλλὰς Ἀϑήνη, um dadurch die troische Fabel von der Dienstbarkeit Poseidons u. Apolls bei Laomedon zu motiviren, Schol. Pind. Ol. 8, 41, Ribbeck im Philol. 9, 72.. Nach derselben Analogie sind aber nothwendig auch jene Fabeln zu erklären, wo Hera sich mit den finstern Mächten der Tiefe verbindet um weltverderbliche Mächte zu erzeugen, wie sie denn in diesem Sinne schon in der Ilias (8, 478 ff.) in ein nahes Verhältniß zu den Titanen gesetzt wird und nach Stesichoros (Etym. M. 772, 49) und dem Hymnus auf den Pythischen Apoll 127 ff. im Zorne gegen Zeus sogar den Typhon von diesen Mächten der Tiefe empfangen und geboren hat. Ein Bild von der unheilsschwangeren, in dichten Nebeln über der Erde gelagerten und wie auch wir bildlich zu sagen pflegen brütenden Luft, die im Bunde mit jenen urweltlichen Mächten also auch für eine Ursache vulkanischer Eruptionen angesehen wurdeWie in jenen Bildern die furchtbare Strafe der Hera durch ihre Feindschaft gegen Herakles motivirt wird, woran schon die alten Erklärer Anstoß genommen haben, so wird in diesen das Motiv eingeschaltet, daß Hera sich wegen der Geburt der Athena allein durch Zeus habe rächen wollen. Andre nannten Hephaestos d. i. das Feuer als die Ausgeburt dieser ergrimmten und von Zeus sich absondernden Hera. Auch die Dichtung von der Abkunft des Titanen Prometheus von der Hera und dem Gigantenkönige Eurymedon (Schol. Il. 14, 295, Meineke Anal. Al. 145) gehört in diese Bilderreihe..

131 Als Sturmgöttin ist Hera überhaupt eine sehr strenge und eifrige Göttin (κυδρή, κυδίστη), die Mutter des Ares und selbst dem Kriege und dem Spiele der Waffen nicht fremd, in dem Kriege vor Troja die eifrige Gesellin der Athena und von solcher Wuth gegen Priamos und alle Trojaner erfüllt, daß sie sie am liebsten alle, wie Zeus sich gelegentlich ausdrückt, mit Haut und Haaren auffräßeIl. 4, 35, vgl. 5, 711 ff.; 8, 350 ff.; 21, 418 ff.. Eben deshalb kommen in ihrem Culte, obgleich er vorzugsweise die Frauen anging und von priesterlichen Frauen besorgt wurde, doch auch viele kriegerische Spiele der Männer vor. So namentlich bei den argivischen Heraeen, einem der glänzendsten Feste der peloponnesischen GriechenPind. N. 10, 22 ἀγών τοι χάλκεος δᾶμον ὀτρύνει ποτὶ βουϑυσίαν Ἥρας ἀέϑλων τε κρίσιν, vgl. Schol. Ol. 7, 152, Plut. Demetr. 25, Hermann Gottesd. Alterth. § 52, 1. 2, Schoemann Gr. Alterth. 2, 457, Welcker A. D. 3, 512 ff., wo auf die durch Kleobis und Biton bekannte Procession und die Darbringung einer Hekatombe das ritterliche Spiel mit dem Preise des heiligen Schildes (ἡ ἐν Ἄργει ἀσπίς) folgte, für dessen Stifter Lynkeus galt, während Trochilos (τροχός das Rad) nach der Sage des argivischen Heradienstes in gleichem Sinne für den Erfinder des Wagens galt wie Erichthonios in der des attischen PallasdienstesTertull. d. spect. 9, Schol. Arat. Phaen. 161, Hygin P. A. 2, 13.. Und ähnliche Spiele und kriegerische Aufzüge gab es auch zu AeginaSchol. Pind. P. 8, 113. Bei der Procession in Samos erschienen die Männer bewaffnet, übrigens in dem vollen Luxus der ionischen Nationaltracht und des samischen Wohllebens, s. Asios b. Athen. 12, 30, Polyaen. Strat. 1, 23. und im samischen Heradienste. Auch gehört dahin die Hera ὁπλοσμία in Elis und in dem Culte des Lakinischen VorgebirgesLykophr. Alex. 614. 857. τροπαία ib. 1328., wie sie denn auch zu Olympia unter den ritterlichen Gottheiten verehrt wurde, obwohl die ihr hier und zu Elis eigenthümliche Festfeier ein Wettlauf der Jungfrauen und alle vier Jahre die Darbringung eines von den Frauen gewebten Peplos warPaus. 5, 15, 4; 16, 2 ff. Vgl. Curtius Pelop. 2, 24. 62..

Ihre eigentlichste Bedeutung blieb aber doch immer die himmlische Herrschaft neben Zeus und das weibliche und eheliche Leben.

Die erste zeigt sich besonders darin daß trotz aller 132 Schalkhaftigkeit, die sich das Epos wo von Zeus und Hera die Rede ist angewöhnt hat, doch bei allen Gelegenheiten wo das vielbeliebte Motiv ihrer Zwistigkeiten nicht berührt wird von dem Bunde dieser beiden höchsten Gottheiten mit der größten Ehrfurcht gesprochen wird, so daß das ältere und ursprüngliche Cultusverhältniß deutlich durchblickt. Zeus pflegt mit Auszeichnung ἐρίγδουπος πόσις Ἥρης d. h. der lauttosende Gemahl der Hera genannt zu werden, Hera ist aus eben diesem Grunde desselben Geschlechtes wie er und die ehrwürdigste, stattlichste, hochgeehrteste unter allen Göttinnen des OlymposIl. 4, 57 ἀλλὰ χρὴ καὶ ἐμὸν ϑέμεναι πόνον οὐκ ἀτέλεστον, καὶ γὰρ ἐγὼ ϑεός εἰμι, γενος δ' ἐμοὶ ἔνϑεν ὅϑεν σοι, καί με πρεσβυτάτην τέκετο Κρόνος ἀγκυλομήτης. Vgl. H. in Ven. 40–44 u. H. 12.. Auf goldnem Sessel thront sie neben ihrem königlichen Gemahle (χρυσόϑρονος), wie dieser von allen Göttern durch königliche Ehren ausgezeichnetIl. 15, 85. Vgl. Pindar N. 7 z. A. Ἐλείϑυια παῖ μεγαλοσϑενέος Ἥρας. 11 z. A. Ἑστία Ζηνὸς ὑψίστου κασιγνήτα καὶ ὁμοϑρόνου Ἥρας. Clem. Str. 5 p. 661 ναὶ τὰν Ὄλυμπον καταδερκομέναν σκαπτοῦχον Ἥραν. Phoron. ib. 1 p. 418 Ὀλυμπιὰς βασίλεια Ἥρη Ἀργείη., und der Olymp erbebt unter ihr wenn sie zürnt (Il. 8, 198). Wären die beiden einig, so würde kein Gott zu widersprechen wagen (Il. 4, 62), und trotz alles oft sehr gehässigen Widerstrebens der Hera wird sie vom Zeus doch immer am meisten gehört, die βοῶπις πότνια Ἥρα wie das Epos sie zu nennen pflegt. Auch über die himmlischen Erscheinungen gebietet sie wie Zeus. So sendet sie Stürme und dichte NebelIl. 15, 26; 21, 6. Daher ist der Kranich ein Vogel der Hera, Athen. 9, 49, Aelian N. A. 15, 29, Ovid M. 6, 91., gebietet über Donner und BlitzIl. 11, 45 ἐπὶ δ' ἔγδούπησαν Ἀϑηναίη τε καὶ Ἥρη, τιμῶσαι βασιλῆα πολυχρύσοιο Μυκήνης. Vgl. Il. 5,785 wo es von der Hera und von ihr allein heißt, sie habe im Kampfe gerufen wie Στέντωρ χαλκεόφωνος ὃς τόσον αὐδήσασχ' ὅσον ἄλλοι πεντήκοντα d. i. nach L. Meyer a. a. O. der Donnrer, skr. stan donnern, lat. tonitru., leitet die Bahn des Helios und hat die Iris und die Horen d. h. die Wolken und den Regenbogen in ihrem DiensteIl. 8, 433; 18, 166 ff. 239.. Eben deswegen pflegte sie wie Zeus auf den Bergen und Burgen d. h. als ἀκραία verehrt zu werdenSo in dem Heiligthume bei Myken, auf der argivischen Burg Larissa Paus. 2, 24, 1 u. in Korinth Strabo 8, 380, Zenob. 1, 27 Κορίνϑιοι ϑυσίαν τελοῦντες Ἥρᾳ ἐνιαύσιον τῇ ὑπὸ Μηδείας ἱδρυνϑείσῃ καὶ ἀκραίᾳ καλουμένῃ αἶγα τῇ ϑεῷ ἔϑυον, daher αἰγοφάγος in Sparta, wo Herakles diesen Cultus stiftet Paus. 3, 15, 7, vgl. Hes. v. αἲξ αἶγα und ἀκρία. Einen Ζεὺς αἰγοφάγος nennt Et. M.; einen κριοφάγος Hes., über das Symbol der Ziege und des Widders s. oben S. 94 u. 112. Auch Hera βουναία Paus. 2, 4, 7 ist diese Höhengöttin, wie die auf dem πρὼν bei Hermione verehrte ib. 36, 2. H. εὐεργεσία in Argos b. Hesych, wahrscheinlich die das Thal durch Regen segnende., wo auch sie von den Gläubigen um Regen angefleht wurde 133 und im Sturme toste; daher man sie zu Sparta und Korinth als Ἥρα αἰγοφάγος verehrte, indem ihr die Ziege als Symbol des Regensturmes geweiht und geopfert wurde. Insbesondre schrieb man ihr endlich auch eine Herrschaft über Sonne Mond und Sterne zu. So kann im argivischen Culte die Sage von der Dienstbarkeit des Herakles wie die von der Io und von dem tausendäugigen Argos, in Korinth die von der Medea nicht wohl anders als aus diesem Zusammenhange gedeutet werden, und auch das Symbol des Pfaus, wie es auf Samos und von daher auch in Argos und sonst gewöhnlich war, deutet auf die Pracht des gestirnten HimmelsAnakr. p. 846 Bergk v. 49 ταώς τις ὄρνις ὁ κατάστερος πτεροῖσιν, Ovid M. 1, 723 gemmis caudam stellantibus implet. Vgl. Athen. 14, 70, Varro r. r. 3, 6, Paus. 2, 17, 6. Auf den Münzen von Argos und Samos pflegt der Mond ein gewöhnliches Attribut zu sein und die Cultusbilder von Samos b. Gerhard A. B. t. 307 zeigen Hera auch mit dem Attribute des halben Mondes. Mit der Zeit treten noch allerlei andere siderische Beziehungen hinzu, wobei die syrischen und phoenikischen Culte der Iuno caelestis eingewirkt haben.. Selbst das alte Epithet βοῶπις, obwohl es später gewöhnlich durch großäugig erklärtWie βούπαις, βοίλιμος, βουγάϊος u. dgl. Plut. Qu. Gr. 36, Hes. s. v., vgl. Il. 3, 144 Κλυμένη τε βοῶπις. Hera κυνῶπις Il. 13, 396 und in der Uebertragung auf Aspasia b. Kratin Plut. Per. 24, εὐρωπία Hes. und in diesem Sinne auf andre Frauen übertragen wurde, möchte ursprünglich auf den Mond als das Auge des nächtlichen Himmels gezielt haben, zumal da der Name Εὔβοια d. h. die schöne Kuhtrift sowohl bei Myken als auf der Insel Euboea aus dem Culte der Hera stammt und in demselben zunächst die Trift der Io bedeuteteStrabo 10, 445, Steph. B. v. Ἀβαντίς u. Ἄργουρα, Et. M. v. Εὔβοια, vgl. S. 125, [Anmerkung 302].. Obwohl sonst die Kuh die symbolische Bedeutung der mütterlich nährenden Gattin des Zeus hatte und in diesem Sinne auch das gewöhnliche Opfer der Hera war, wie das des Zeus der junge StierPind. P. 4, 141 μία βοῦς Κρηϑεῖ τε μάτηρ καὶ ϑρασυμήδεϊ Σαλμωνεῖ, vgl. Aesch. Ag. 1125 ἄπεχε τῆς βοὸς τὸν ταῦρον. Sowohl im Culte der Hera als in dem des Zeus waren Hekatomben herkömmlich s. Hesych v. ἑκατόμβαια, ἑκατόμβαιος, ἑκατόμβη, ἑκατομβοίδιον, eigentlich Stiere für Zeus, daher das attische Fest der Βουφόνια und Διὸς βοῦς in Milet, Hes. s. v., und Kühe für Hera Paus. 5, 16, 2, Virg. Ge. 3, 532..

Die zweite Bedeutung nehmlich ist die der Hera τελεία, wie 134 sie selbst als die bräutliche Gattin des Zeus hieß, aber auch als die Gattin und das eheliche Weib schlechthin, welche als solche zugleich γαμηλία und ζυγία istEpigr. des Archilochos Anthol. 6, 133 Ἀλκιβίη πλοκάμων ἱερὴν ἀνέϑηκε καλύπτρην Ἥρῃ, κουριδίων εὖτ' ἐκύρησε γάμων. Aristoph. Thesm. 973 Ἥραν τὴν τελείαν – ἣ κλῆδας γάμου φυλάττει. Deshalb war der attische Monat Gamelion der Hera heilig. Die ζυγία entspricht der römischen iuga, vgl. σύζυξ ὁμόζυξ, coniux coniugium, Apollon. Rh. 4, 96, Dionys. H. Rhet. 2 Ζεὺς καὶ Ἥρα πρῶτα ζευγνύντες τε καὶ συνδυάζοντες, Hesych u. A. b. Böttiger Kunstm. 2, 270., der göttliche Vorstand des weiblichen Lebens wie es in ehelicher Zucht und Sitte blüht und reift. Daher wird sie selbst als sehr schön und reizend gedacht, so daß sie mit Athena und Aphrodite vor den Paris treten konnte und in ihrem eigenen Culte, wenigstens auf Lesbos, Schönheitswettkämpfe der Frauen angestellt wurdenIl. 9, 129 Schol. παρὰ Λεσβίοις ἀγὼν ἄγεται κάλλους γυναικῶν ἐν τῷ τῆς Ἥρας τεμένει λεγόμενος Καλλίστεια.. Doch ist ihre Schönheit eine keusche, strenge und würdigeSo heißt sie λευκώλενος, ἠΰκομος, μέγα εἶδος ἀρίστη ἐν ἀϑανάτησι ϑεῆσιν und die Chariten sind ihre beständige Begleitung, später ihre Töchter. Aber sie ist vor allen Dingen αἰδοίη, πότνια, κυδρή, ὑπείροχον εἶδος ἔχουσα. Virgil A. 8, 393 nennt sie formae conscia., und wie sie selbst in ihrer ersten jungfräulichen BlütheIm Cultus dachte man sich eine beständige Erneuerung ihrer Jungfräulichkeit und feierte in diesem Sinne die Ἡ. παρϑένος oder παρϑενία mit jedem Frühjahr von neuem, in Argos Hermione Samos und sonst, Paus. 2, 38, 2, Schol. Pind. Ol. 6, 149, Steph. B. v. Ἑρμιών. dem Zeus vermählt wurde und von keiner andern Liebe weiß als von der seinigen, so daß es das Aeußerste von Wahnsinn und Lust hieß der Hera zu begehren: so fordert sie gleiche Treue und gleiche Keuschheit von allen Vermählten und ist eben deshalb im Epos zur personificirten ehelichen Eifersucht geworden, in welchem Sinne nicht allein jene alten Naturbilder von den Streitigkeiten des Zeus und der Hera umgedichtet wurden, sondern auch eine Menge von landschaftlichen und religiösen Sagen, namentlich die von der Io, von der Leto, vom Herakles, vom Dionysos. Zu dem weiblichen Leben aber, wie es zur Ehe bestimmt und durch die Ehe befruchtet wird, hat Hera neben anderen Göttinnen z. B. der Demeter Thesmophoros und der Aphrodite besonders das Verhältniß welches sich schon in ihren beiden Töchtern Hebe und Eileithyia ausdrücktIhre Töchter heißen beide bei Hesiod th. 921.. Sie verleiht blühende Lebenskraft, wie sie selbst als hohe Frauengestalt, von reifer, kräftig blühender Schönheit gedacht wurde, und sie ist eine Hülfe in den kritischen Momenten 135 des weiblichen Lebens d. h. in den Nöthen und Aengsten der Entbindung, wobei der Einfluß der Mondgöttin Hera, der Juno Lucina, wie die Römer sie nannten, wieder mit im Spiele ist. In Argos ward sie selbst als Εἰλήϑυια verehrt (Hesych) und der Bogen und die Fackel des alten Cultusbildes zu Myken und bei anderen alten Bildern andere Attribute haben wahrscheinlich dieselbe BedeutungDas argivische Cultusbild sieht man auf einem Vasenbilde der Iosage El. céram. 1, 25. Nach Tertull. d. cor. 7 war es mit einer Weinrebe bekränzt und stand auf einer Löwenhaut, was man auf Heras Feindschaft gegen Dionysos und Herakles deutete. Ein Bild der elischen Hera mit Bogen, Schale und Polos auf einem Vasengem. b. Gerhard D. u. Forsch. 1853 t. 55. In anderen alten Bildern führte Hera die Scheere in der Hand, als μαιεύτρια und ὀμφαλητόμος, nach Welcker kl. Schr. 3, 199. Auch der Löwe auf ihrer Hand in dem Vasenbilde b. Gerhard A. B. t. 33 scheint dahin zu deuten, vgl. Il. 21, 483 ἐπεί σε λέοντα γυναιξὶν Ζεὺς ϑῆκεν καὶ ἔδωκε κατακτάμεν ἥν κ' ἐϑέλῃσϑα, und selbst die Sirenen auf der Hand des Cultusbildes zu Koronea, Paus. 9, 34, 2, deuten vielleicht auf Todesgefahr.. Weit seltener sind dagegen die Darstellungen der säugenden Hera und erst die spätere Vermischung ausländischer Fabeln siderischen Inhaltes mit den griechischen scheinen derartige Bilder hervorgerufen zu habenSo die bekannte Fabel von dem säugenden Herakles und der Milchstraße, daher nach der späteren Fabel auch andere sterbliche Kinder des Zeus, auch Dionysos, als Säuglinge von der Brust der Himmelskönigin trinken. Eratosth. Catast. 44 οὐ γὰρ ἐξῆν τοῖς διὸς υἱοῖς τῆς οὐρανίου τιμῆς μετασχεῖν, εἰ μή τις αὐτῶν ϑηλάσει τὸν τῆς Ἥρας μαστόν..

Auch im Culte der Hera, sowohl dem argivischen als dem samischen, hatte man sich früher mit der symbolischen Andeutung durch Pfeiler oder Balken begnügtDas älteste Bild der argivischen Hera, für deren Priesterin Io Kallithoe galt, war ein langer Pfeiler, κίων μακρός, nach der Phoronis b. Cl. Al. Strom. 1, 24 p. 418, das der kithaeronischen in Thespiae ein πρέμνον ἐκκεκομμένον, das der samischen zuerst ein Brett, σανίς und erst später ἀνϑρωποειδές, Cl. Al. Protr. p, 40. Vgl. Thiersch Epochen 19 und zur Kunstm. der Hera überhaupt Böttiger Bd. 2, O. Müller Handb. § 352. 353, D. A. K. 2 t. 4. 5, Braun K. M. t. 23–26., bis später mit der menschlichen Bildung die künstlicheren Formen entstanden und daraus endlich in der besten Zeit der griechischen Kunst die ideale Gestalt der himmlischen Frau und Königin hervorging. Gewöhnlich wurde sie thronend dargestellt, wie eine Braut verschleiert oder als Ehefrau prächtig gekleidet, immer mit weitem, die ganze Gestalt verhüllendem Peplos, dazu mit der königlichen Stephane oder mit dem Modius oder dem Polos, welche Kopfzierden auf Fruchtbarkeit, aber auch auf himmlische Herrschaft deuten. Die 136 eheliche Liebe und Fruchtbarkeit bedeutete auch die Granate in ihrer Hand, wie jene Aepfel welche Gaea zu ihrer Hochzeit hatte wachsen lassen. Berühmt vor allen übrigen Bildern war das des Polyklet im Heraeon bei Myken, welches für diese Gottheit dieselbe Bedeutung hatte wie für den Cult des Zeus und der Athena die Bilder des Phidias. Ein colossales Werk der thronenden Hera von Gold und Elfenbein, ihre Krone mit den Chariten und Horen verziert, in der einen Hand die Granate in der andern das Scepter, auf welchem mit Beziehung auf die oben berührte Sage der Kukuk saß. Der Kopf ist durch Münzen und in verschiedenen sehr schönen Büsten erhalten, unter denen die bekannteste die sogenannte Juno Ludovisi ist, eine seltene Verschmelzung großer Schönheit mit hoher Würde und sittlichem Adel. Auch andere Künstler der besten Zeit, Kallimachos Alkamenes und Praxiteles hatten sich an diesem Ideale versucht, namentlich hatte der letztere ein Sitzbild zu Mantinea gearbeitet, neben welchem Athena und Hebe standen, die Göttinnen des kriegerischen Muthes und die des blühenden Jugendreizes, welche Eigenschaften sich ja auch in den Vorstellungen von der Hera durchdrangen; und eine colossale aufrecht stehende Hera τελεία hatte derselbe Praxiteles für Plataeae geliefertPaus. 1, 1, 4; 8, 9, 1; 9, 2, 5.. Für uns geben eine weitere Anleitung die Bilder der Hera in größeren Göttergruppen, die besseren Reliefdarstellungen und Statuen, unter denen sich die Barberinische auszeichnet, die Münzen von Argos Elis Knosos Pandosia und Kroton, endlich verschiedene Vasengemälde und Pompejanische Gemälde, welche Hera in vollem Schmucke und in der ganzen Fülle ihrer stattlichen Erscheinung zeigen. Unter den Vasenbildern diejenigen, welche das Urtheil des Paris darstellen, wie diese Vorstellung namentlich auf apulischen Vasen eine gewöhnliche ist, unter den Pompejanischen ein mit Wahrscheinlichkeit durch die bekannte Liebesscene auf dem Ida erklärtesR. Rochette Peint. d. Pomp. t. 1, Ternite t. 22, Niccotini t. 2..


 << zurück weiter >>