Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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b. Eurynome und die Chariten.

Die später wenig erwähnte Göttin Εὐρυνόμη d. i. die Weitschaltende ist ein Nachhall aus alten, halbverklungenen Göttergeschichten. Die Ilias kennt sie als Meeresgöttin welche mit der Thetis den kleinen Hephaestos, als Hera ihn vom Olymp geworfen, aufgenommen und neun Jahre lang im Grunde des Meeres verborgen habe, bei Hesiod th. 357. 908 erscheint sie unter den Töchtern des Okeanos. Spätere im Orphischen Geschmack gedichtete Theogonieen machten sie zur Gemahlin des Ophion und 377 ersten WeltbeherrscherinApollon. 1, 503 ff., Lykophr. 1192. Εὐρυνόμη Τιτηνιὰς b. Kallimach. s. O. Schneider Proleg. in Αἰτ. fragm. p. 11. Bei Alkiphr. 1, 2 ist mit Lobeck zu lesen ἐν Εὐρυνόμης λειμῶνι.. In der Gegend von Phigalia gab es ein alterthümliches und schwer zugängliches Heiligthum, dessen Schnitzbild eine weibliche Figur mit einem Fischleibe zeigte, das mit goldnen Ketten umschlungen war und von Kundigen für Eurynome erklärt wurde (Paus. 8, 41, 4), die also jedenfalls eine befruchtende Göttin des feuchten Elements war. Diese Göttin also ist nach Hesiod vom Zeus die Mutter der Chariten, der Göttinnen des Reizes und der Blüthe aller sinnlichen Erscheinung, der Heiterkeit Schönheit Anmuth, zunächst in der Natur, aber auch in der menschlichen Sitte und Lebensweise. Sehr alt war ihr Cult zu Orchomenos in Boeotien, in Sparta und Athen, wo der alte Hymnensänger Pamphos von ihnen gedichtet hatte (Paus. 9, 35), auch auf der Insel Paros, wo man seit Minos ihre Feste feierte (Apollod. 3, 15, 7). Aus Orchomenos stammen wahrscheinlich auch die Namen Aglaja Euphrosyne und Thalia, die ihnen als Göttinnen der heiteren Lebenslust eignen. Das Heiligthum der Chariten galt in dem altertümlichen Orte für das älteste und ihre ersten Bilder waren Steine, die man wie gewöhnlich vom Himmel gefallen glaubte (Paus. 9, 38, 1). Sie waren in diesem Culte aufs engste mit dem der Aphrodite und des Dionysos verbunden, neben denen sie an den Quellen Akidalia und Argaphia verehrt wurden, daher sie in späteren Sagen auch für die Töchter des Dionysos und der Aphrodite galtenDaher Venus Acidalia Virg. A. 1,720, vgl. Serv. z. ds. St., Alkiphr. 3, 1, Meineke Anal. Al. p. 282, Müller Orchom. 177 ff. Nach Nonnos 15, 91; 33, 1 ist die Charis Pasithea eine T. des Bacchos. Nach Dems. 48, 554 zeugte er die Chariten mit der Koronis.. Man feierte ihnen die Charitesien mit musischen Wettspielen, von welchen noch jetzt mehr als eine Urkunde zeugt (C. I. n. 1583. 1584). Am schönsten aber hat Pindar sie gefeiert in einem seiner herrlichen Siegesgesänge (Ol. 14), wo er sie die gesangesreichen Königinnen des prangenden Orchomenos und die Schutzgöttinnen der altgebornen Minyer nennt, welche in der fetten Trift am Kephissos wohnen und die Quelle alles Süßen, alles Schönen, alles Anmuthigen sind. In Sparta verehrte man nur zwei Chariten Κλήτα und Φαέννα d. i. Klang und Schimmer, deren Heiligthum auch an einem Bache lag (Alkman b. Paus. 3, 18, 4), in Athen gleichfalls zwei die man Αὐξὼ und Ἡγεμόνη, die Mehrerin und die 378 Fahrerin nannte. Die Ilias dagegen weiß von vielen Chariten, z. B. 14, 267 ff. wo Hera dem Schlafe eine von den jüngeren Chariten verspricht und zwar die Pasithea (von ϑέα Schau, also die Wunderschöne), während eine andere 18, 382 die Gattin des Hephaestos ist, nach Hesiod th. 945 Aglaja, die jüngste der Chariten. Verschiedene Namen und Zahlen, welche wahrscheinlich mit örtlichen Eigentümlichkeiten des Aphroditedienstes zusammenhängen, zu dessen näherer Umgebung die Chariten gehörten, da sie wie Aphrodite eigentlich Göttinnen der feuchten und fruchtbaren Natur sind, wie sie sich besonders im Frühlinge offenbart (Horat. Od. 1, 4). Doch gehören sie auch zur Umgebung des Zeus und der Hera, auch zu der des Apoll, da sie den Musen aufs engste verbunden waren und mit ihnen zu tanzen und zu singen pflegten; daher das Bild des delischen Apoll die drei Gratien auf der Hand trug. Endlich und ganz besonders gehören sie zu dem Kreise des Dionysos, nicht allein in Orchomenos, sondern auch in Elis und KorinthPind. Ol. 13, 19, Plut. Qu. Gr. 36. Altar des Dionysos und der Chariten zu Olympia Schol. Pind. Ol. 5, 10. und auf alterthümlichen Bildwerken. Ueberhaupt sind sie überall im Spiele wo blühende Natur und heitere Lebenslust geschildert und gefeiert wirdPindar Ol. 7, 11 Χάρις ζωϑάλμιος. Theokr. 16, 109 τί γὰρ Χαρίτων ἀπάνευϑεν ἀνϑρώποις ἀγαπατόν;, bei Tanz und Spiel, beim fröhlichen Mahle, beim Klange der Saiten und Lieder. Nach Pindar kommt den Menschen alles Erfreuliche mit den Chariten, wo einer weise schön und guter Dinge sei, und selbst die Götter würden ihre Tänze und Mahlzeiten nicht ohne die Chariten zu Stande bringen. Nach Theognis v. 15 sangen sie mit den Musen auf der vielgefeierten Hochzeit des Kadmos über das Thema: was schön ist das ist lieb, was nicht schön das ist nicht lieb, welcher Satz ganz ihr eignes Wesen ausdrückt. So verdankt auch die Poesie diesen Göttinnen ihren besten Schmuck (Pindar Ol. 9, 26, Theokr. 16, 6), ja sie helfen auch der Athena als Göttin der ernsten Studien, die ohne Anmuth gleichfalls nichtig sind; desgleichen dem Wohlredner Hermes, daher nach Hermesianax die freundlich überredende Peitho eigentlich selbst eine Charis ist. Andre Dichter haben ihnen andre Eltern gegeben, z. B. Antimachos Sonne und Glanz, weil sie selbst nichts als Licht und Glanz sindPaus. 9, 35, 1, Hesych v. Αἴγλης., aber im Wesen sind sie immer dieselben geblieben, unzertrennlich von allem Frühling, allem Schönen, 379 aller Lust und Liebe. Man dachte sich die Chariten als reizende und höchst anmuthige Gestalten, immer tanzend singend und springend, in den Quellen badend und mit Frühlingsblumen bekränzt, vor allen mit Rosen, die vorzüglich ihnen und den Horen und der Aphrodite geheiligt waren. So waren auch ihre Attribute Rosen und Myrten und Würfel, ein gewöhnliches Symbol des heitern Spiels, oder Aepfel und Salbenfläschchen, oder Aehren und Mohnbüschel, oder musikalische Instrumente, Leier Flöte und Syrinx, je nachdem sie entweder als Umgebung der Aphrodite und des Eros oder des Apoll oder des Dionysos und der Fruchtgöttinnen gedacht wurden. In älterer Zeit wurden sie bekleidet gebildet und so waren auch die Chariten, welche zu Athen beim Aufgange der Burg standen, angeblich eine Arbeit des Sokrates, ganz bekleidetDie Tradition über die Chariten des Sokrates war unsicher, s. Schol. Ar. Nub. 773, Paus. 1, 22, 8; 9, 35, Diog. L. 2, 19, Plin. 36, 32. Bekleidete Chariten sah Pausanias auch in ihrem T. zu Elis, 6, 24, 5. Auch wurden sie an Apollinischen Altären gewöhnlich so abgebildet, Stephani ausruh. Herakles S. 249 ff.. Später und je mehr sie sich dem Dienste der Aphrodite anschlossen erschienen sie bald in gelöster Kleidung (solutis zonis Horat. Od, 1, 30, 6) oder ganz entblößt, daher das Sprichwort αἱ Χάριτες γυμναί, und zwar gewöhnlich tanzend in der bekannten engverschlungenen GruppeZenob. 1, 36, Seneca de benef. 1, 3 tres Gratiae sorores manibus amplexis ridentes, iuvenes ac virgines, solutaque ac pellucida veste. Bei Euphorion ἀφάρεες s. Meineke Anal. Al. p. 106. Vgl. v. Köhler ges. Schriften 5, 65 ff., pl. 5–7, Müller-Wieseler D. A. K. 1, 722–726..


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