Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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f. Der Sirios und die Hundstage.

Σείριος ist eigentlich jedes Gestirn von strahlendem Glanze, auch die SonneHesych Σειρίου κυνὸς δίκην Σοφοκλῆς τὸν ἀστρῶον κύνα, ὁ δὲ Ἀρχίλοχος τὸν ἥλιον, Ἴβυκος δὲ πάντα τὰ ἄστρα, vgl. Archiloch. fr. 63, Ibyk. fr. 3. Das Wort hängt zusammen mit der Wurzel svar glänzen, ist also verwandt mit lat. sol, s. Röm. Myth. 239. Suidas kennt die Form σεὶρ für Sonne. Arat. Phaen. 331 ὅς ῥα μάλιστα ὀξέα σειριάει καί μεν καλέουσ' ἄνϑρωποι Σείριον.. Doch benannte man mit diesem Namen speciell den sogenannten Hund des Orion, welchen schon die Ilias (22, 29) unter diesem Namen kennt. Er ist der hellste von allen Fixsternen und zugleich derjenige welcher, wenn er zuerst in der Morgendämmerung erscheint, die heißeste Zeit des Jahres, die Zeit des reifenden Sommers und der Hundstage (dies caniculares) mit sich bringt. Die Ilias vergleicht den Glanz der Waffen in welchen ihre Helden strahlen gern mit seinem Glanze, indem 356 sie ihn bald den Stern der Opora d. h. der reifenden Baumfrucht nennt (5, 5) bald den verderblichen (οὔλιος ἀστήρ 11, 62), bald vergleicht sie den Achill wie er Hektor verfolgend dem Priamos erscheint, leuchtend wie der strahlendste Stern der Nacht, aber ein böses Zeichen wie dieser, denn er bringt den armen Sterblichen die feurige Gluth am Himmel (22, 30). Und so wetteifern auch die übrigen Dichter, griechische und lateinische, die schlimmen Wirkungen dieses Gestirns zu schildern z. B. Hesiod O. D. 582 ff. und Sc. Herc. 393, wo der Einfluß dieser Zeit des Sonnenbrandes (καῦμα) auf Menschen und Vieh sehr lebendig geschildert wird, unter den lateinischen Dichtern Virgil Ge. 4, 425, A. 3, 141; 10, 273, Horaz. ep. 1, 10, 16, Pers. 3, 5, Rutil. Nam, 1, 479 u. A. Diese letzteren nennen den Hund bei solchen Schilderungen oft zusammen mit dem Löwen, welcher im Orient und von daher auch bei den Griechen des Mittelmeers gleichfalls seit alter Zeit ein Symbol der verzehrenden Hitze und der heißesten Jahreszeit warLöwen im T. des Apoll zu Patara Clem. Protr. p. 41 P., als Symbol des Punischen Kronos s. oben S. 46, [Anmerkung 61]. Ein Dichter, den Böckh frg. Pind. p. 584 für Pindar hält, nannte den Hund des Orion λεοντοδάμας, den Löwenbändiger, Lukian pro imag. 19., wie er als solches auf den Münzen von Cypern Kyrene Rhodos Knidos Samos und ihren Colonieen oft zu sehen ist, gewöhnlich mit aufgesperrtem Rachen, also brüllend oder verschlingend. Mit der Zeit ist daraus das Sternbild des Löwen geworden, in welchem die Sonne so lange verweilt als die Hundstage dauern, s. Arat. Phaen. 150, Manil. 5, 206, Stat. silv. 1, 3, 5; 4, 4, 27 u. A. Besonders galt aber immer die Hundswuth für eine Wirkung dieser Jahresperiode, daher man diese Wuth (λύσσα) auf das Gestirn selbst übertrug und ihn für ein böses wüthendes Thier hielt, wie solche Bilder auch in Aegypten üblich warenPlin. H. N. 2, 107 Caniculae exortu accendi solis vapores quis ignorat, cuius sideris effectus amplissimi in terra sentiuntur? Fervent maria exoriente eo, fluctuant in cellis vina, moventur stagna. Orygem appellat Aegyptus feram, quam in exortu eius contra stare et contueri tradit ac velut adorare cum sternuerit. Canes quidem toto eo spatio maxume in rabiem agi non est dubium. Vgl. 18, 269.. Das führte weiter zu manchen religiösen Gebräuchen und bildlichen Sagen, von denen die wichtigsten hier zur Sprache kommen mögen.

So zuerst die weitverbreitete Verehrung des Aristaeos (von ἄριστος), des milden guten Urhebers der Viehzucht, der Bienenzucht und andrer wohlthätigen Stiftungen und eines 357 Schutzgottes in dieser bösen Jahreszeit. Am nächsten verwandt ist er dem Apollo Nomios, obwohl er in der Sage wie Dionysos als ein wegen seiner Verdienste erst zum Gott erhobener Mensch auftritt. In Thessalien galt er für einen Sohn der Kyrene, einer Tochter des Lapithenkönigs Hypseus, den eine Najade dem Peneios in den Schluchten des Pindos geboren habeHesiod Pherekydes u. A. b. Schol. Pind. P. 9, 6. 27, Apollon. Rh. 2, 500 ff., Diod. 4, 81, Iustin 13, 7. Nach Pherekydes b. Schol. Apollon. 2, 498 entführte Apollo Kyrene ἐπὶ κύκνων ὀχηϑεῖσαν und so pflegen Vasenbilder und andre Bildwerke die Entführung darzustellen, O. Jahn b. Gerhard Denkm. u. Forsch. 1858 S. 236 ff.. Pindar Pyth. 9 erzählt ausführlich wie sie eine rüstige Jägerin geworden und wie Apollo sie von der Höhe des Pelion im Walde jagen gesehen, geliebt und auf goldenem Wagen nach Libyen entführt habe, wo die den Apoll vor allen Göttern verehrende Stadt Kyrene ihren Namen von jener Nymphe ableitete. Dort sei sie eines Knaben genesen den Hermes den Horen und der Mutter Erde bringt, die ihn groß ziehn und unsterblich machen, zu einem Gott wie Zeus und Apollo, seinen Lieben eine hülfreiche Freude, ein Hort der Lämmer, Agreus d. h. der Jäger und Nomios d. h. der Weidende und Aristaeos genannt. Hirtenleben und Schafzucht, die Pflege des Oelbaums und der Weinberge, die Bienenzucht, auch die JagdPlut. Amator. 14, Nonnos Dionys. 5, 229 ff. waren sein Betrieb, endlich der Schutz gegen die verwüstenden Folgen der Hundstage. In Boeotien nannte man ihn den Vater Aktaeons, auf Euboea den Pflegevater des DionysosOppian Kyneg. 4, 265 ff., vgl. Apollon. 4, 1131 und Diod. l. c, wo er zuletzt in Thracien als Freund des Dionysos lebt., mit dessen Dienst sich der seinige überhaupt oft berührte, in Arkadien den Gott der Weiden, einen Sohn des Silen und den Urheber der LandesculturVirg. Ge. 4, 283, Serv. zu 1, 14, Paus. 8, 4, 1, Clem. Protr. p. 24.. Endlich kannten ihn auch die westlichen Inseln, Kerkyra und Sicilien, wo man seiner vorzüglich bei der Olivenerndte gedachte, auch Sardinien, welche fruchtbare Insel Aristaeos zuerst der Cultur gewonnen hatteAristot. Mirab. 100, Paus. 10, 17. 3. Man nannte dort zwei Söhne des Aristaeos, Χάρμος und Καλλίκαρπος, Diod. l. c. Neuerdings hat sich auf Sardinien in einem Grabe eine mit Bienen an dem Körper bedeckte Apollinische Jünglingsgestalt aus Erz gefunden, welche man für Aristaeos hält. In Syrakus befand sich das Bild des Aristaeos im T. des Dionysos Cic. in Verr. 4, 57, 128.. Unter den Inseln des Mittelmeers war ihm vorzüglich Keos ergeben, welche wie überhaupt diese kleineren Inseln von der Hitze der 358 Hundstage viel zu leiden hatte und wo deshalb Aristaeos mit besonderer Beziehung auf diese Plage verehrt wurdeHeraklid. polit. 9, Apollon. Rh. 2, 498 ff. m. d. Schol., Hygin P. A. 2, 4 u. A. Vgl. Bröndsted Reis. u. Unters. 1, 41 ff. Der Kopf des Aristaeos auf den Münzen der Insel ist bärtig. So heißt er auch bei Hesiod th. 977 βαϑυχαίτης. Der Sirios erscheint auf denselben Münzen als Hund in einem Sterne.. Man erzählte daß Keos anfangs von guten Nymphen bewohnt gewesen sei, welche der Kindheit des Aristaeos gepflegt hätten. Dann sei ein Löwe gekommen und habe die Nymphen verjagt und selbst von der Insel Besitz ergriffen, wie noch jetzt das Bild des Löwen auf einem dortigen Berge zu sehen ist. Darauf habe Aristaeos zum Zeus ἐκμαῖος d. h. dem Befeuchtenden (S. 111) gebetet und geopfert, worauf Zeus damals zuerst die Etesien gesendet habe, kühlende Passatwinde welche im ganzen Archipelagos im Juli und August vierzig Tage lang wehenTheophr. d. vent. 14, Plin. H. N. 2, 123. 127, Prob. Virg. Ge. 1,14., und mit ihnen auch den erfrischenden Thau welchen der frühe Morgen um diese Zeit oft sehr reichlich spendet. Auch habe Aristaeos den Aufgang des Sirios von den Bergen der Insel beobachten, darnach das Jahr beurtheilen und den schädlichen Einfluß des Gestirns durch Opfer und andre Sühngebräuche besänftigen gelehrtHeraklid. Pont. b. Cic. d. Divin. 1, 57, 130, Apollon. 2, 523, Nonnos 5, 269 ff. Die Worte μεϑ' ὅπλων ἐπιτηρεῖν τὴν ἐπιτολὴν τοῦ κυνὸς sind zu verstehen vom Zusammenschlagen der Waffen und ähnlichem Getöse, wie man es bei Mondfinsternissen, Leichenbegängnissen und andern Gelegenheiten zur Abwendung nachtheiliger dämonischer Einflüsse anwendete, s. Schol. Theokr. 2, 36 und das Verfahren der Argonauten b. Apollon. 2, 1609 ff., Hygin f. 20. Auch der Lärm der Kureten bei der Geburt des Zeus auf Kreta wird so zu erklären sein, s. oben S. 104, [Anmerkung 235].. Aehnliche Beobachtungen wurden in Kilikien auf der Höhe des Tauros angestellt, auch in Aegypten, wo man die feurige Gluth des Sirios und seine üblen Wirkungen auf das Klima durch Beschwörungen und angezündete Haufen Feuers abzuwenden suchteManil. 1, 396 ff., Suid. v. Ἰαχήν.. Endlich in Kyrene galt Aristaeos für den Urheber der Cultur des Silphion, durch welche jene Stadt berühmt warSchol. Arist. Eq. 894..

Die Sage vom Aktaeon, dem Sohne des Aristaeos und der Autonoe, einer Tochter des KadmosEurip. Bacch. 1227, Diod. 4, 81., veranschaulicht den verhängnißvollen Einfluß des Hundssterns in einem noch 359 lebendigeren Bilde. Es scheint daß diese Sage am Pelion und in Boeotien heimisch war, worauf sie durch Stesichoros und andre Dichter allgemeiner bekannt und durch Aeschylos sogar auf die Bühne gebracht wurdeIn den Τοξότιδες. Der gehörnten Maske des Aktaeon gedenkt Poll. 4, 141.. Aktaeon ist der Held des Küstengebirgs, ein weidlicher Jäger wie sein Vater, ein Bild der frischen JugendKallim. lav. Pall. 110 παῖς ἀβατὰς Ἀρισταίου. Der Name Ἀκταίων bedeutet soviel wie ἀκταῖος von ἀκτή s. Meineke Vindic. Strab. p. 133. Es scheint zunächst das Küstengebirge Pelion gemeint zu sein. Die Erklärung durch Ζεὺς ἀκταῖος ist aufzugeben s. oben S. 112, [Anmerkung 259]. Pan ἄκτιος b. Theokr. 5, 14 d. h. der ἐν ἀκταῖς, in den längst der Küste sich hinstreckenden Bergen heimische, auch ein eifriger Jäger. Apollo ἄκτιος, ἐπάκτιος, ἀκταῖος, Apollon. 1, 403, Strabo 13, 588. und der schönen fruchtbaren Jahreszeit, deren Segen sein Vater Aristaeos ausdrückt, bis ihn in den heißen Sommertagen das Verhängniß ereilte. Beim Chiron, also auf dem kühlen und quellenreichen Pelion war er aufgewachsen und in dieser Zucht ein rüstiger Jäger geworden, dessen höchste Lust das Leben in den Wäldern und Bergen war, bis ihn seine eignen, von der Hundswuth ergriffenen Hunde auf der Jagd im Kithaeron zerrissen haben. Nach Einigen geschah ihm dieses weil Zeus ihm zürnte, da er um die Semele zu freien gewagt, nach Andern weil er sich ein beßrer Jäger als Artemis zu sein gerühmt, nach der gewöhnlichen Ueberlieferung weil er die Artemis im Bade überrascht hatte, das schlimmste Verhängniß das ihn treffen konnte, denn alle Nymphen und Göttinnen bestrafen den Anblick ihrer Entblößung auf das härteste, vollends die keusche Artemis. Diese habe den AktaeonApollod. 3, 4, 4, Ovid M. 3, 138–252, Hygin f. 180. 181. Ein Kreter Σιπροίτης wird zum Weibe, weil er die Artemis auf der Jagd im Bade sieht, Antonin. Lib. 17. deshalb in einen Hirsch verwandelt und seine Hunde toll gemacht, so daß sie ihn zerrissen. Hernach, da sie wieder zu sich gekommen, suchen sie heulend im Walde nach ihrem Herrn, bis sie zu jener Höhle des Chiron gelangen, der ihnen ein Bild des Aktaeon gemacht und sie dadurch beruhigt haben soll. Polygnot hatte in seinem Gemälde der Unterwelt Aktaeon und seine Mutter auf dem Fell eines Hirsches sitzend und mit einem Hirschkalbe in den Händen gemalt, ein Jagdhund bei ihnen und in ihrer Nähe die Maera d. i. die Sirioshitze in weiblicher GestaltPaus. 10, 30, 3, Hesych v. μαῖρα.. Stesichoros hatte nach Pausanias 9, 2, 3 gedichtet daß Artemis, als sie vom Aktaeon überrascht worden, demselben ein 360 Hirschfell übergeworfen und dadurch seinen Tod herbeigeführt habe, damit Semele nicht sein Weib würde. Ein Freier der Semele, das bedeutet die beste Blüthe der Jugend, während der Hirsch, das schnelle Thier des Apollo und der Artemis, von selbst an die Lust des Frühlings und an die Opfer der Elaphebolien erinnert. Die schöne Jahreszeit und all ihr heitres und männliches Treiben verschmachtet unter dem Einflusse dieser wüthenden Zeit der Hundstage, dieses scheint der kurze Sinn der Fabel zu sein, wie auf vielen Münzen und altertümlichen Bildwerken die symbolische Gruppe des von einem Löwen zerfleischten Hirsches vermuthlich dasselbe ausdrücken sollte. Den Aktaeon sieht man in der Gestalt eines Jünglings mit Hirschgeweih auf einer Münze von Orchomenos, wo seine Reliquien gelegentlich zur Vertreibung eines Gespenstes, das die Gegend verheerte, wahrscheinlich einer Seuche beigetragen hattenPaus. 9, 38, 4. Die Stelle ist durch eine Lücke entstellt. Auch Peleus und Chiron scheinen am Pelion durch Hirschopfer verehrt worden zu sein, s. b. Peleus., wie Chiron nach jener Sage die Wuth der Hunde durch sein Bild beruhigte. Die ganze Geschichte seiner Verwandlung und seines Todes durch die tollen Hunde ist eine beliebte Darstellung älterer Vasengemälde und andrer bildlicher DenkmälerZ. B. einer Metope von Selinus und eines archaistischen Terracottareliefs b. Campana t. 58. Vasenbilder El. céramogr. 2, 99–103 B. Vgl. O. Müller Handb. § 365, 5, D. A. K. 2, 17.. Auch waren die Hunde Aktaeons in ihrer Art so berühmt wie die Pferde des thrakischen Königs Diomedes und ihre Namen für die Dichter ein erwünschter Anlaß sich in der Erfindung sinnreicher Namen zu üben. Um so weniger ist eine allegorische Bedeutung in diesen zu suchen, wohl aber scheinen die fünfzig Hunde, welche Zahl Apollodor nennt, die fünfzig Caniculartage zu bedeuten.

Ferner gehört Linos und der Linosgesang in diese bildliche Ideenreihe, eine weitverbreitete schwermüthige Weise in der Form eines Klageliedes auf einen früh verstorbenen Jüngling, mit dem wehmüthigen Refrain αἴλινον αἴλινον, wie ihn der Chor bei den attischen Tragikern mehrmals ertönen läßt. Herodot 1, 79 fand dieses Lied in Phoenicien Cypern und Aegypten, wo man es Maneros nannte und auf einen frühverstorbenen Königssohn, den einzigen Sohn seines Vaters bezog. Wahrscheinlich ist es bei den Völkern semitischen Ursprungs entstanden, da sich der Name Linos am natürlichsten aus dem 361 herkömmlichen Klageruf dieser Sprache ai lenu d. h. wehe uns! erklärt; wie man neuerdings die ins Aegyptische übertragene Form des Manerosliedes aus dem Rufe mââ-ne-hra d.h. kehre wieder als Refrain der Klage der Isis um den Osiris hat erklären wollenMovers Phoenizier 1, 244 ff., Brugsch die Adonisklage und das Linoslied, B. 1852.. An solchen klagenden Gesängen war Phoenicien und Cypern von jeher reich, Kinyras und die Adonisklage können zum Beweise und als Beispiel dienen. Ueber Karien und Kleinasien mag das Linoslied sich früh zu den Griechen verbreitet haben, denn die Klageweiber Kariens, welches viel phoenikische Cultur in sich aufgenommen hatteKarien hieß bei Korinna und Bacchylides Φοινίκη, Athen. 4, 76. Vgl. Artemid. Oneirocr. 2, 70 καὶ γὰρ εἶναί τινα Λυδοῖς προξενίαν πρὸς Φοίνικας οἱ τὰ πάτρια ἡμῖν ἐξηγούμενοί φασιν. Artemidor war selbst aus Lydien., waren in ihrer Art berühmt und Euripides nennt diese Weise ausdrücklich eine asiatischeEurip. Or. 1395 αἴλινον αἴλινον ἀρχὰν ϑανάτου βάρβαροι λέγουσιν αἰαῖ ἀσιάδι φωνᾷ, βασιλέων ὅταν αἷμα χυϑῇ κατὰ γᾶν ξίφεσιν σιδαρέοισιν Ἅιδα.. Schon die Ilias gedenkt dieses Liedes (18, 570), Hesiod bei den alten Auslegern dieser Stelle des in demselben beklagten Linos, des Sohnes der Muse Urania »den alle Sänger und Saitenspieler mit klagenden Weisen verherrlichen, bei Mahlzeiten und Chorgesängen mit ihm anhebend und mit ihm endigend.« Der attische Hymnendichter Pamphos hatte ihn Οἰτόλινος d. h. Weh-Linos genannt, Sappho diesen Weh-Linos d. h. den früh und in seiner besten Blüthe Verstorbenen neben Adonis besungenPaus. 9, 29, 3. Οἰτόλινος wie Αἰνόπαρις u. dgl.. Mit der Zeit ward daraus ein früh verstorbener Sänger und Erfinder des Linosliedes, dessen Grab man an verschiedenen Stellen zeigte, an beiden Musensitzen d. h. am Helikon und am Olymp, aber auch in Theben und in Chalkis auf Euboea, nach welchen örtlichen Denkmälern sich auch die Genealogieen und die andern Überlieferungen vom Linos verschiedentlich modificirtenVerschiedene Grabschriften b. Schol. Il. 18, 570, eine dritte, die aus Chalkis, b. Diog. L. 1, 4.. Gewöhnlich aber hieß es von ihm, dessen Andenken sich in den Sängerschulen fortpflanzte, er sei bei allen Göttern hochgeehrt gewesen, denn ihm zuerst sei es gegeben worden in hellem Laut den Menschen ein Lied zu singen. Da habe Phoebos ihn in seinem Grimme getödtet und nun mußten die Musen ihn ewig 362 beklagenDie Scholien u. Eustath. z. Il. l. c. geben zwei verschiedene Formen des Linosliedes wie es die Musen sangen: 1) ὦ Λίνε ϑεοῖς τετιμημένε, σοὶ γὰρ πρώτῳ μέλος ἔδωκαν ἀϑάνατοι ἀνϑρώποισι φωναῖς λιγυραῖς ἀεῖσαι, φοῖβος δέ σε κότῳ ἀναιρεῖ, Μοῦσαι δέ σε ϑρηνέουσιν. 2) ὦ Λίνε πᾶσι ϑεοῖσι τετιμένε, σοὶ γὰρ ἔδωκαν ἀϑάνατοι πρώτῳ μέλος ἀνϑρώποισιν ἀεῖσαι ἐν ποδὶ δεξιτερῷ, Μοῦσαι δέ σε ϑρήνεον αὐταὶ μυρόμεναι μολπῆσιν, ἐπεὶ λίπες ἡλίου αὐγάς. Vgl. Th. Bergk über das älteste Versmaaß der Griechen, Freib. 1854.. Dahingegen der Knabe Linos in Argos zu einer volkstümlichen Figur geworden war, um welche sich das bange Gefühl der Zeit der Hundstage in bildlichen Gebräuchen und herkömmlichen Gesängen zu einem eignen Gottesdienst mit entsprechender Legende ausgebildet hattePaus. 1, 43, 7; 2, 19, 7, Konon 19, Athen. 3, 56, Aelian N. A. 12, 34, Stat. Theb. 1, 562 ff.; 6, 64. Auch diese Fabel war bei Kallimachos vorgekommen, fr. 315.. Linos hieß hier ein Sohn des Apoll und der Psamathe d. h. der Quelle im Sande, wie ihre Bilder auch in der Nähe des Heiligthums des lykischen Apollo in Argos (S. 195, [Anmerkung 530])zu sehen waren. Aus Furcht vor ihrem Vater, dem Könige Krotopos, setzt Psamathe das Kind des Gottes aus, welches nun bei einem Hirten unter Lämmern aufwächst, aber von den Hunden zerrissen wird. Auch die Mutter erliegt dem Zorne ihres Vaters, worauf Apollo eine Pest ins Land sendet, in der Gestalt eines weiblichen Scheusals welches den Müttern ihre Kinder raubt. Endlich wird dieses Ungethüm von einem edlen Argiver Koroebos getödtet und auch Apollo läßt sich durch die Stiftung eines Heiligthums auf mittlerem Wege zwischen Delphi und Argos versöhnen. Doch wurde seitdem jährlich Linos und seine Mutter von den Frauen und Kindern in klagenden Liedern beweint, an welche sich eine Klage über ihre eigenen Verstorbenen und Fürbitten für die Lebenden anschlossen. Die Tage an welchen dieses geschah nannte man Lämmertage (ἀρνηίδες) und einen darunter Hundetodtschlag (κυνοφόντις), weil alle Hunde die sich auf der Straße sehen ließen todtgeschlagen wurden, den Monat den LämmermonatἈρνεῖον. Wahrscheinlich entsprach er dem Karneios, s. oben S. 198.. Ohne Zweifel bedeuteten diese Hunde den Sirios und seine verderbliche Wirkung, die Lämmer vermutlich die zarte Jugend des Linos und der Kinder, für welche die Mütter in dieser Zeit am meisten fürchteten, denn vorzugsweise sie wurden von den schädlichen Einflüssen des Gestirns getroffenHesych ἀστροβλήτους τοὺς ἀπὸ τοῦ κυνὸς βαλλομένους, ἀστροβληϑῆναι νόσῳ τινὶ κατασχεϑῆναι, ἐπὶ τῶν παιδίων. Es ist der Sonnenstich, σειρίασις, welcher vorzüglich die Kinder trifft. Die ϑρῆνοι Ἀργεῖοι waren in ihrer Art berühmt, Aristid. 1 p. 421., daher das Kinder raubende Ungeheuer. 363 Ovid Ib. 479 nennt diesen Linos, den Enkel des Krotopos, zusammen mit Aktaeon und dem Knaben Thasos, den auch die Hunde zerrissen hatten, einem Sohne des Apollinischen Priesterkönigs Anios auf Delos, daher kein Hund die Insel Delos betreten durfteNach Hygin f. 247 und Kallimachos b. Schol. Ovid. l. c.. Aber auch in Arkadien gab es ähnliche Sagen und Gebräuche, z. B. in Tegea die sehr durchsichtige Allegorie von den feindlichen Brüdern Skephros und Leimon, von denen dieser die feuchte Au mit blühenden Blumen, jener das dürre, in der Sonnenhitze des Sommers verschmachtete Land bedeutetPaus. 8. 53, 1. Λειμών von λείβω, also i. q. λείβηϑρον. Σκέφρος ist i. q. ξηρός (σκ nach aeol. und dor. Weise für ξ), also das Gegentheil von ὑγρός. Personificirte Λειμῶνες in Gestalt nackter Jünglinge b. Philostr. Im. 2, 4 und auf Pompejanischen Gemälden s. Stephani Parerga Archaeol. 14, 580. Der mit Gras und Blumen bekleidete Knabe des griechischen Gebrauchs entspricht dem auf gleiche Weise ausgestatteten und mit Wasser begossenen Mädchen der deutschen, serbischen und neugriechischen Gebräuche der Regenbeschwörung b. Grimm D. M. 560.. Skephros verklagt den Leimon beim Apollo, wofür Leimon seinen Bruder jählings überfällt und tödtet (in der nassen Jahreszeit), selbst aber wieder von der Artemis getödtet wird (in der heißen Jahreszeit), nach welcher Heimsuchung ihr Vater, der König von Tegea, und Maera d. i. der weibliche Hundsstern Apollo und Artemis durch Opfer zu versöhnen suchen. Dennoch wird das Land durch schweren Mißwachs bestraft, daher man seitdem am Feste des Apollo den Skephros beklagte und sein Andenken auch auf andre Weise ehrte, einen nach Art des Leimon gekleideten, also mit Gras und Blumen geschmückten Knaben aber von der Priesterin der Artemis förmlich verfolgen ließ. Das griechische Jahr wechselt eben immer zwischen Ueberfluß und Mangel an Feuchtigkeit. Endlich gab es in verschiedenen Gegenden Ortschaften des Namens Κύναιϑα d. h. Hundsbrand, die bekannteste in Arkadien, in deren Nähe eine kalte, unter einer Platane hervorsprudelnde Quelle ἄλυσσος hieß, weil man einem Trunke daraus beim Biß eines tollen Hundes eine heilende Wirkung zuschrieb (Paus. 8, 19, 2).


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