Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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5. Apollon.

Der Gott der Sonne und des Lichtes, wofür ihn schon die Alten oft erklärt haben und worauf auch die neuere Mythologie nach längerem Widerstreben zurückgekommen ist. Nur ist er freilich nicht die Sonne blos als Erscheinung, in dieser wandernden, am Himmel auf- und absteigenden Gestalt des Helios, sondern die Sonne ist nur die hervorragendste Erscheinung der Naturkraft, welche unter allen griechischen Göttern vorzüglich dieser vertritt, der herrlichen, feierlichen, im erhabensten Sinne des Wortes göttlichen Natur des Lichtes, der siegreichen Feindin von allem Unholden und Widerwärtigen und der alldurchdringenden Ursache von allem Schönen und Harmonischen. Apoll ist der Lichtgott schlechthin, im Lichte geboren und im Lichte wohnend, und insofern die erhebendste, das Gemüth noch jetzt tief ergreifende Gestalt der griechischen Religion. Am nächsten verwandt ist er dem Zeus, der ja auch Lichtgott ist, und der Athena, nur daß diese beiden mehr die Macht des Aethers ausdrücken und besonders Zeus die mit dem Himmel eng verbundenen atmosphärischen Wirkungen mit umfaßt, also auch mit der irdischen und sinnlichen Natur so viel mehr in Berührung tritt; dahingegen Apollons Character, namentlich der des pythischen Gottes, durchweg ein hochfeierlicher, ernster und würdiger bleibt, auch in seiner Liebe und in seinem Haß. Immer ist seine Gestalt von einer heiligen Würde und Majestät wie umflossen und kaum hat die leichtfertigste Dichtung gewagt von diesem Gotte unehrerbietige Vorstellungen zu verbreiten.

Auch der alte Cultusname Φοῖβος Ἀπόλλων ist ein beredter Ausdruck für diese lichte Reinheit und Klarheit seines Wasens, vor welcher alles Unholde von selbst verschwindet. Schon Homer bedient sich gewöhnlich beider Namen, obgleich sie auch nicht selten getrennt vorkommen. Φοῖβος bezeichnet die strahlende Natur des Lichts, speciell des SonnenlichtsAesch. Pr. 22 ἡλίου φοίβη φλογί, daher die Titanin Φοίβη S. 40. Dem Lichte entspricht die Reinheit, daher Φοῖβος i. q. ἀγνός, doch sagten erst die alexandrinischen Dichter φοῖβον ὕδωρ, Lykophr. 1009, Apollon. lex. Hom. p. 164. Der Gebrauch des Wortes φοιβάς für μαινάς b. Eur. Hek. 827 u. A., vgl. φοιβάζω d. i. vaticinor, aber auch purgo, φοιβόλαμπτος Herod. 4, 13, φοιβονομεῖσϑαι Plut. Εἰ ap. Delph. 20 ist erst in der gottesdienstlichen Praxis entstanden., aber auch 183 die Heiligkeit (ἀγνότης) des Gottes, welcher nach delphischer Sage, nachdem er den Drachen getödtet hatte, erst durch Buße und Sühnung wieder zum Phoebos wurde, endlich die Gabe der Weissagung, wie sie nach der Lehre so vieler Orakel vornehmlich von Apollon ausging. Bei diesem Namen, wofür man in den örtlichen Dialecten, besonders im dorischen, ἈπέλλωνAhrens dial. Dor. p. 122. Die weite Verbreitung des Monats Ἀπελλαῖος (auf Tenos Ἀπελλαιών) beweist daß diese Form nicht blos dorisch war. Ueber Ἀπλοῦν s. Plat. Krat. 405 C, C. I. n. 1766. 1767. Unter den Alten vgl. Kassandra b. Aesch. Ag. 1081 ἀπόλλων ἐμός, ἀπώλεσας γὰρ οὐ μόλις τὸ δεύτερον und Archilochos u. Euripides b. Macrob. S. 1, 17, 10. Das Verbum ἀπέλλειν kennen Hesych u. Et. M. 120, 52. Vgl. O. Müller Dor. 1, 301 , Schoemann Opusc. 1, 338, Welcker Gr. G. 1, 460., in Thessalien Ἁπλοῦν sagte, haben die Alten in ihrer geistreich spielenden Weise gewöhnlich an den Verderber (ἀπολλύων) gedacht, den strafenden und rächenden Gott, von dem so viele Sagen erzählten. Dahingegen die Neueren, bei der auch im älteren Rom gewöhnlichen Namensform Apellon anknüpfend, darunter im Gegentheil den Abwender des Bösen und Widrigen verstehen (ἀπέλλω d. i. ἀπείργω), den Alexikakos, dessen Verehrung wie wir sehen werden gleichfalls eine sehr alte und in den Ueberlieferungen der örtlichen Gottesdienste tiefbegründete war.

Die heilige Sage, welche sich vornehmlich in den drei Abschnitten von Apollons Geburt, von seinem Kampfe mit den Mächten der Finsterniß und des Ungeheuers, und von seinem Kommen und Gehen von und zu den Hyperboreern bewegt, scheint ihre Ausbildung denselben Culten zu verdanken welche in der Ueberlieferung auch sonst als die ältesten hervortreten, d. h. dem des Xanthosthales in Lykien, dem der Insel Delos und dem von Delphi. Wenigstens gelten diese Gegenden nicht allein für die Stätten seiner Geburt, seiner Kämpfe und seines Aufenthaltes in schöner Jahreszeit, sondern es wurde auch die älteste Hymnendichtung des Apollinischen Cultus sehr bestimmt von dort abgeleitet, namentlich von Delos und Delphi. Und zwar bezog sich Delos weiter zurück auf Lykien und einen mythischen Sänger der Vorzeit, den Lykier Olen, welcher den Deliern ihre ältesten Hymnen gedichtet haben sollteAuf ältere Traditionen von Männern und Frauen deutet Hom. H. in Ap. Del. 160, den Lykier Olen nennen Herod. 4, 35, Kallim. Del. 304, Paus. 1, 18, 5; 2, 13, 3; 5, 7, 4; 8, 21, 2; 9, 27, 2; 10, 5, 4. Auch Homer und Hesiod sollen zur Ehre Apolls auf Delos gesungen haben, Schol. Pind. N. 2, 1., während die Tradition 184 von Delphi und von Krisa, von welcher zur Zeit Solons zerstörten Stadt der Dienst in Delphi zuerst eingerichtet wurde, auf Kreta und dessen alte Priester und Cultussänger zurückwiesH. in Ap. Pyth. 210 ff., 355 ff., Paus. 2, 7, 7; 30, 3; 10, 7, 2; 16, 3..

Seine Mutter ist Leto, eine Göttin welche zwar auch in Griechenland neben ihren beiden Kindern Apollo und Artemis viel verehrt und schon in der älteren epischen Tradition mit besondrer Ehrerbietung genannt und als Gemahlin des Zeus gefeiert wirdHesiod th. 404, Hymn. in Ap. Del. 1–13, Horat. Od. 1, 21 Latonamque supremo dilectam penitus Iovi, vgl. oben S. 107. In Delos Delphi und sonst wurde sie sehr verehrt, in Argos gab es einen T. der Leto mit einem Bilde von Praxiteles, Paus. 2, 21, 10, an der attisch-megarischen Grenze einen T. des Ap. Λατῶος, P. 1, 44, 4. Apollo selbst heißt im epischen Gesange oft mit Auszeichnung Λητοῦς καὶ Διὸς υἱὸς oder ἄναξ τὸν ἠύκομος τέκε Λητώ. Leto ist κυδίστη ϑυγάτηρ μεγάλοιο Κοίοιο, H. Ap. Del. 62, daher Κοιηὶς oder Κοιογενής bei Kallimachos, s. oben S. 40. Auf den Vasenbildern sieht man sie meist mit ihren beiden Kindern.. Doch kann sie dieses nach althellenischer Tradition, welche nur Hera gelten läßt, nicht gewesen sein, wie denn auch ihr Name sowohl als ihre völlige Bedeutung am ersten aus dem Alterthume Lykiens sich erklären lassen, in welchem Lande Leto eine Göttin von großem Ansehn gewesen zu sein scheintΛητῷον am Xanthos in der Nähe der St. Xanthos, Strabo 14, 665, Λητῷον ἄλσος auf rhodischem Gebiete in der Nähe von Lykien und an der Küste von Rhodos, ib. p. 651. 652. Die Ableitung von λαϑεῖν will die neuere Sprachforschung nicht gelten lassen; wahrscheinlich ist Λήδα derselbe Name, s. dort. Λητὼ μυχία oder νυχία b. Plut. d. Daed. Plat. 3. Nach lykischen Inschriften wurden die Gräber oft unter ihren Schutz gestellt, s. C. I. n. 4300 h. (T. 3 p. 1130) ἐὰν δέ τις ἀδικήσῃ ἢ ἀγοράσῃ τὸ μνῆμα, ἡ Λητὼ αὐτὸν ἐπιτρίψει, vgl. n. 4259. 4303 und 4303 e p. 1138. 1139. Doch war sie auch eine Göttin der Befruchtung und κουροτρόφος s. Antonin Lib. 17, Theokr. 18, 50. Eine Inschrift in lykischer Sprache nennt sie Edbebe, was ein Zuname sein mag und an Kybebe erinnert.. Im Zusammenhange der Dichtung von der Geburt des Apoll und der Artemis ist ihre Bedeutung die der Nacht (daher κυανόπεπλος), aus welcher das Licht geboren wird. Von dem Gotte des Himmels befruchtet gebiert sie den strahlenden Gott des Lichtes, nach langem Kreisen und schweren Beängstigungen, das ist der einfache Sinn des alten Mythus, wie auch die Geburt der Alkmene eine sehr schwere ist und Danae in ihrem dunklen Kerker erst nach bitteren Leiden ihres lichten Sohnes froh wird. Nur daß 185 die epische Dichtung in alle diese Sagen das Motiv von der Eifersucht der Hera eingeschoben hat. So war auch der Ort wo Leto von ihren beiden Kindern entbunden wird ursprünglich wohl nur ein Ort der Phantasie. Doch liegt das Localisiren solcher Vorstellungen in der Natur aller positiven Religion; daher man von der Geburt des Apoll und der Artemis in sehr verschiedenen Gegenden erzählte, besonders in dem kleinasiatischen Xanthosthale von Lykien und auf der Insel Delos, deren Ansprüche zuletzt alle Griechen anerkannten. Der alte Hymnus auf den delischen Apoll giebt die Sage in ihrer alterthümlichsten Gestalt, Kallimachos in dem Hymnus auf Delos in der modernen des hellenistischen Zeitalters. Die Grundzüge sind folgende. Langes Umherirren der Leto um einen Ort zu finden wo sie ihrer Bürde ledig würde. Im Homerischen Hymnus irrt sie förmlich im Kreise umher von Kreta nach Athen und an der griechischen Küste bis zum Athos, dann an der thrakischen und asiatischen, bis sie endlich in dem Mittelpunkte wo die Radien dieses Kreises zusammenlaufen den gesuchten Ort findet, in Delos. Ueberall weist man sie zurück, weil man sich fürchtet vor dem gewaltigen Gotte den sie gebären werde, als ob die ganze Natur in zitternder Ehrfurcht seiner Erscheinung entgegensähe. Endlich kommt sie nach Delos, der kleinen verrufenen, ganz unfruchtbaren Insel, die nichts zu bieten hat als hartes Gestein, Schaalthiere und stinkende Robben, eine Zuflucht der Möwen und der Fischer. Denn es ist eine Eigenthümlichkeit der Apollinischen Religion und überhaupt wie es scheint der Religion des Lichtes, daß sie vorzugsweise einsame unfruchtbare Klippen im Meere, Vorgebirge und felsige Schluchten zu den Geburts- und Cultusstätten ihrer Götter aufsuchte, wie auch Delphi so eine einsame und unfruchtbare Felsenschlucht ist, die erst durch Apollo zu großer Aufnahme und hoher Ehre gekommen war. In jenem Gedichte läßt sich Delos erst von der Leto das Versprechen geben daß ihr hehrer Sohn sie nicht wieder verlassen oder wohl gar in die wogende Meeresfluth hinausstoßen werde. Später und zwar zuerst bei Pindar findet sich die Sage, welcher offenbar auch eine alte und tiefreligiöse Idee zu Grunde liegt, daß Delos als wüster Fels im Meere herumgetrieben sei, bis dieser um als Stätte der Geburt des Apoll zu dienen mit ragenden Säulen im Grunde des Meeres befestigt wurdePindar hatte die delische Sage in einem παιὰν προσοδιακὸς auf Dolos ausgeführt, von welchem leider nur einige Bruchstücke erhalten sind, b. Strabo 10, 485. Vgl. Kallim. Del. 35–50, Petron. Anthol. lat. 1, 175 und von der Asteria und Ortygia unten bei der Geburt der Artemis. Der Glaube daß Delos keinem Erdbeben unterworfen sei konnte erst durch wiederholte Erfahrung widerlegt werden, Plin. 4, 66. und den Namen Δῆλος bekommen habe d. i. 186 die Insel der Offenbarung, der ersten Epiphanie des Lichtgottes; grade wie die Insel Rhodos nach der gleichfalls von Pindar so schön ausgeführten Sage für den Sonnengott erst aus dem Schooße des Meeres hervorgehoben wurde. Endlich erfolgt die Geburt. Neun Tage und neun Nächte dauern die Wehen, alle hülfreichen Göttinnen sind nahe, aber Hera die eifersüchtige läßt Eileithyia nicht vom Olymp. Da schicken die Göttinnen die Iris um die Göttin der Entbindung zu holen, indem sie ihr ein prächtiges Halsband versprechen, eins von jenen wunderbar schönen Geschmeiden, die in den griechischen Sagen oft erwähnt werdenμέγαν ὅρμον χρυσείοσι λίνοισιν ἐερμένον, ἐννεάπηχυν, wo die Neunzahl der Ellen der Dauer der Wehen entspricht. Ohne Zweifel trug das alte Bild der Eileithyia auf Delos ein solches Geschmeide.. Sie kommt also und nun kniet Leto auf dem Rasen nieder, faßt die heilige Palme und hervor aus ihrem Schooße springt der Gott des Lichtes, begrüßt von der dunklen Meeresfluth, die sich im leisen Anhauch der Winde rings um die Insel emporhebt, und von dem lauten Jubel der Göttinnen. Gleich greift er nach Bogen und Kithar und wie er dahinschreitet, der lichte Gott mit den wallenden Locken und den klingenden Pfeilen (ἀκερσεκόμης ἑκατηβόλος), strahlt ganz Delos von goldenem GlanzeVgl. Theognis v. 5–10. Φοῖβε ἄναξ, ὅτε μέν σε ϑεὰ τέκε πότνια Λητώ, φοίνικος ραδινῆς χερσὶν ἐφαψαμένη, ἀϑανάτων κάλλιστον ἐπὶ τροχοειδέι λίμνῃ, πᾶσα μὲν ἐπλήσϑη Δῆλος ἀπειρεσίη ὀδμῆς ἀμβροσίης, ἐγέλασσε δὲ γαῖα πελώρη, γήϑησεν δὲ βαϑὺς πόντος ἁλὸς πολιῆς.. Oder wie Kallimachos dieses Wunder schildert: Heilige Schwäne kommen gezogen und ziehen ihre Kreise siebenmal um die Insel. Da wird Apollo geboren als das Kind des siebenten Monatstages, da singen die delischen Nymphen das heilige Lied der Eileithyia. Da war Alles golden auf Delos, der ganze Boden der Insel und alle die heiligen StättenDie Heiligthümer lagen am Fuße des Berges Κύνϑος (daher Cynthius Cynthia), von dem ein kleiner Bach fließt, der gleichfalls oft erwähnte Ἰνωπός. Statt der in ältester Zeit berühmten, auch auf den Vasenbildern oft sichtbaren Palme (Od. 6, 162, Theophr. hist. pl. 4, 13, 2) nennt die spätere Sage einen gleichfalls sehr berühmten Oelbaum, Paus. 8, 23, 4, daher in der dichterischen Tradition fortan die Palme, der Oelbaum und auch wohl ein heiliger Lorbeer neben einander genannt werden, Eurip. Hek. 458, Ion 924 ff., Iphig. T. 1097 ff., Catull 34, 7, Ovid M. 6, 335.: ein schönes Bild für den dichten Schimmer des zuerst ausstrahlenden Lichtes und 187 Sonnenglanzes, der in den südlichen Ländern bei so feiner Luft in der That wie eine starke Vergoldung auf den beleuchteten Gegenständen aufliegt. Der siebente Tag war in allen Monaten dem Apollo heilig, weil Leto ihn am siebenten geboren (daher Ap. ἐβδομαγενής, ἐβδόμειος), und zwar nach delischer Ueberlieferung am siebenten Thargelion, welcher von Jahr zu Jahr als sein Geburtstag gefeiert wurde, wie in Delphi der siebente Tag des Monates BysiosHesiod W. T. 770, C. I. n. 463, Plut. Symp. 8, 1, 2, Qu. Gr. 2, Diog. L. 3, 2.. Außerdem waren dem Apollo, wie dem Licht- und Sonnengotte Ianus in Rom, alle ersten Tage der Monate d. h. die des von neuem erscheinenden Mondes heiligDaher Ap. νεομήνιος, Schol. Arist. Plut. 1126, Schol. Od. 20, 155. Nach Et. M. v. εἰκάδιος war auch der 20 Tag dem Apollo heilig..

Auf Apollons Geburt folgt die Stiftung seines Orakels zu Delphi und der Tod des Drachen Python, den er mit den ersten Pfeilen seines Bogens niederstreckteDie delische, die pythische und die gewöhnliche epische Tradition erzählten den Vorgang verschieden. Nach dem H. in Ap. Del. 127 ff., Ap. Pyth. 5, Aesch. Eum. 9 begab sich Apollo von Delos zunächst nach Delphi. Nach Eur. Iphig. T. 1250, Macrob. S. 1, 17, 52 verfolgt der Drache Leto und die Kinder gleich nach der Geburt, worauf Apollo ihn noch von der Mutter getragen tödtet, und so stellen auch verschiedne Vasenbilder den Vorgang dar. Nach Apollon. 2, 707 und den Traditionen der ennaeterischen Feier zu Delphi, Plut. def. or. 15, war Apollo bei dein Kampfe Knabe (κόρος). Der größere pythische Hymnus, welcher Delos ignorirt, läßt Apollo vom Olymp über Euboea und Boeotien nach Delphi kommen.: ein Kampf welcher dem Drachenkampfe Siegfrieds in der deutschen und nordischen, dem des h. Georg in der christlichen Mythologie entspricht und als symbolische Grundlage der meisten Feste und Legenden von Delphi durch Musik, Poesie und bildende Kunst weit und breit verherrlicht wurde. Man nannte diesen Drachen, den man sich bald männlich bald weiblich dachte, gewöhnlich Python, nach späterer Tradition aber auch Delphyne oder DelphynesVon der δράκαινα weiß schon Hom. H. Ap. P. 122. Den Namen Δελφύνη oder Δελφίνη, masc. Δελφύνης, kannte erst die Tradition der Alexandriner, Apollon. 2, 706 Schol., Apollod. 1, 6, 9, vgl. Dionys. P. 442, Suid. v. Δελφοί, Schol. Eur. Phoen. 232. 233, Tz. Lykophr. 208. Man erklärte dadurch den Namen Delphi und der b. Steph. B. v. Δελφοί erwähnten Quelle Δελφοῦσσα.. Immer ist er ein Symbol der sich dem Lichte entgegensetzenden Finsterniß, sowohl im physikalischen als im ethischen Sinne des Worts, unter dem Bilde einer wilden Ueberfluthung, einer faulenden Verwesung, wie sie sich im Thale von Krisa und in den 188 Umgebungen von Delphi in der wüsten Zeit des Jahres darstellen mochte. Die Dichter beschreiben diesen Drachen als ein dem Typhon verwandtes, von der Erde gebornes Ungethüm, welches vom Gebirge und dem oberen Pleistosthale in die fruchtbare Ebene von Krisa hinabkriechend die Felder verheert, die Nymphen verjagt, Menschen und Vieh würgt, die Bäche schlürft, die Berge in furchtbaren Windungen rings umkreistHom. H. in Ap. P. 122 ff., Kallim. Del. 91 ff., Ovid M. 1, 437, Lucan Phars. 6, 407, Stat. Theb. 1, 563 ff., Claudian in Rufin. 1 praef., Schol. Pind. Pyth. argum.: ein schlangenartig gebildetes Ungeheuer, wie sie die Sagen aller Völker so oft schildern. Sobald Apollo bei Delphi erschien hat er es gleich mit seinem Pfeile getödtet und der Verwesung anheimgegeben, wovon gewöhnlich der Name Python abgeleitet wird, desgleichen der Name des gleich nach dem Siege gestifteten Heiligthums ΠυϑὼHom. H. vs. 194 ἐξ οὐ νῦν Πυϑὼ κικλήσκεται, οἳ δὲ ἄνακτα Πύϑιον καλέουσιν ἐπώνυμον, οὕνεκα κεῖϑι αὐτοῦ πῦσε πέλωρ μένος ὀξέος ἠελίοιο. Also πύϑω activ von der durch Verwesung auflösenden Kraft der Sonne, eine Ableitung welche durch die Länge der ersten Silbe unterstützt wird. Andre leiteten das Wort ab von πυνϑάνομαι, besonders bei der Erklärung des delphischen Frühlingsmonates Βύσιος, weil am 7 d. Mts. der Gott geboren, das Orakel gestiftet und in alter Zeit auch nur an diesem Tage befragt sei, Plut. Qu. Gr. 9, vgl. Soph. O. T. 603 Πυϑώδ' ἰὼν πεύϑον, Str. 9, 419. und der dadurch bestimmte, von Delphi aus allgemein verbreitete Beiname des Apollo Πύϑιος. Auch erscholl nach diesem Kampfe zuerst das helle Lied des Sieges und des triumphirenden Lichtes ἰὴ ἰὴ παιῆον, das seitdem von Ort zu Ort und von Jahr zu Jahr gesungen wurde, bis es für alle Welt zum gewöhnlichen Jubel des Sieges und alles höchsten Preises und Dankes geworden warDas Gegentheil von dem Rufe αἴλινον αἴλινον, s. Kallim. H. in Apoll. 20. 102 mit d. Anm. von Spanheim, Apollon. 2. 701 ff. und Schwalbe üb. die Bedeutung des Paean als Gesang im Apollinischen Cultus, Magdeb. 1847. Man erklärte später gewöhnlich Ἰήιος ἀπὸ τοῦ ἰᾶσϑαι i. e. a sanando, Παιὰν ἀπὸ τοῦ παίειν τὰς ἀνίας, aber auch Ἱήιος ἀπὸ τοῦ ἱέναι i. e. ab immittendo (βέλος) und Παιὰν ἀπὸ τοῦ παίειν a feriendo, Macrob. S. 1, 17, 16 Ian.: ursprünglich ein Cultuslied des Apollinischen Dienstes, wie denn auch Apollo selbst in Folge dieser herkömmlichen Anrufung und als der allgemeine Helfer und Heiler Ἰήιος und Παιήων und Παιὰν genannt zu werden pflegte.

Eine zweite und gleichartige Erzählung ist die von dem erdgebornen Riesen Tityos, welcher Leto anzutasten gewagt hatte und deshalb von ihren Kindern getödtet wird, denn hier ist 189 Artemis immer mit bei dem Triumphe betheiligt: eine Sage welche sowohl auf der Insel Euboea erzählt wurde und hier schon der Odyssee bekannt istOd. 7, 324, Str. 9, 423. Τιτυός (auf einem Vasenb. Τιτύας) ist wahrscheinlich durch Reduplication entstanden aus ταύς d. i. μέγας, πολύς, Hesych, davon ταύσας μεγαλύνας und Ταύγετον das Gebirge. Im Zend ist tav posse, valere., als in der Gegend von Delphi wo Tityos als ein den Frieden der heiligen Straße bei Panopeus störender, von Zeus mit der Nymphe Elara erzeugter, aber von der Erde geborner Recke gewaltthätigen Sinnes erscheintOd. 11, 576 ff, Str. 9, 422, Apollod. 1, 4, 1, vgl. Pind. P. 4, 90, Apollon. 1, 759 ff. Schol., Virg. A. 6, 595 ff. und meinen Aufsatz zu Mon. d. Inst. 1856 t. 10. 11 p. 40–44, vgl. El. céram. 2, 55–57.. Viele Lieder und Denkmäler verewigten auch dieses Ereigniß, wie Leto von dem lüsternen Riesen angetastet wurde und wie er dann gleich den Pfeilen ihrer göttlichen Kinder erlag, worauf er in die Unterwelt gebannt wurde um dort für immer ein Sinnbild böser Lust zu sein.

Endlich das Kommen und Gehen des Apoll, mit dem die Sage bei dem schönen Mythus von den Hyperboreern anknüpft, deren zuerst Hesiod und das Gedicht von den Epigonen gedacht und von denen besonders der alte Lykier Olen in seinen delischen Hymnen gesungen hatteHerod. 4, 33 ff., wo ausdrücklich bemerkt wird daß die Hyperboreersage vornehmlich auf Delos zu Hause sei. Die Hyperboreer in Delphi b. Paus. 10, 5, 4; 23, 3 vgl. 1, 4, 4 scheinen nicht so alt zu sein. Ausserdem erzählte man von ihnen in Attika P. 1, 31, 2, in Olympia ib. 5, 7, 4 und in Dodona, Et. M. Λωδωναῖος.. Boreas ist Winter und Sturm, sein Sitz das nördliche Grenzgebirge der Rhipaeen. Jenseits desselben dachte man sich ein Land und Volk voll seliger Ruhe und Klarheit, wobei eine dunkle Kunde von den hellen Nächten des Nordens mitwirkte, die sich in der mythischen Geographie zur Dauer eines halben Jahres, während dessen immer lichter Tag sei, erweitert habenPlin. H. N. 4, 89. Schon die Odyssee 10, 82 weiß von den hellen Nächten.. Also sind die Hyperboreer ein Volk das hoch im Norden im ewigen Lichte wohnt, deshalb das geliebte priesterliche Volk Apollons, den sie unausgesetzt feiern und in heiligen Gesängen preisenΦοίβου παλαιὸς κῆπος Sophokl. b. Str. 7, 295, vgl. Pindar P. 10, 30 ff., Diod. 2, 47. Ueber die Eselsopfer des hyperboreischen Apoll, deren Pindar gedenkt, vgl. Schol. vs. 49 ff., Clem. Protr. p. 25 P., Antonin Lib. 20.. Auch seine eigentliche Wohnung und Heimath ist bei ihnen, wie die der Leto und der Artemis, daher auch die diesen Göttern dienenden Priester und Priesterinnen sammt andern ihrer Verehrung geweiheten oder sie 190 verbreitenden Personen nicht selten aus dem wunderbaren Lande der Hyperboreer abgeleitet werden. Immer gehören zu diesem ferner die Schwäne, als schimmernde und singende Vögel des Lichts, die man auf dem Okeanos heimisch dachte, weil das Land der Hyperboreer mit seinem Eridanosstrome an den Okeanos grenzteHesiod sc. Herc. 315, Eurip. Phaeth. fr. 775, 31, Aelian N. A. 11, 1. Bei Kallim. Del. 250 kommen die singenden Schwäne zur Geburt aus Lydien, wo die Asische Wiese am Kayster Hermes und Hyllos und der Paktolos bei Sardes durch ihre Schwäne berühmt waren, vgl. Himer. or. 6, 1. Andre nennen die vom Hebros in Thrakien, Aristoph. Av. 774, Himer. or. 3, 4.. Aber auch die orientalische Fabel von den goldhütenden Greifen (denn Gold und Licht sind homogene Gedanken) und den einäugigen Arimaspen wurde mit der Hyperboreersage in Verbindung gebracht, namentlich durch Aristeas von Prokonnesos, welcher selbst ein Priester des Apoll und ganz von Wundern umgeben die Sage in dieser Gestalt in einem Gedichte ausgeführt hatte (Herod. 4, 13 ff.). So wurden nun auch die Greife zu heiligen Thieren des Apoll und zu Symbolen seines Dienstes, so daß er oder Artemis mit ihnen fährt, oder sie werden von Greifen getragen, oder auch von fliegenden SchwänenWelcker Alte Denkm. 2 S. 71 ff.. Andre suchten jenes Wunderland geographisch zu bestimmen, indem sie sich die Hyperboreer als Nachbarn der frommen Skythen dachten, daher der hyperboreische Apollonspriester Abaris, auch ein wunderbarer Mann, als Skythe auftratHerod. 4, 36, Lobeck Agl. 314. Unter den spätern Mythographen hatte Hekataeos von Abdera ausführlich von den Hyperboreern gehandelt. Das Geographische s. b. Völcker Myth. Geogr. d. Gr. u. Rö. 145–170.. Oder man suchte sie in den fabelhaften Donaugegenden, wohin bei Pindar die heilige Hirschkuh der Artemis flüchtet. (Ol. 3, 30), oder dort wo man sich den Eridanos und die Heimath des Bernsteins dachte. In Delos erzählte man sogar von Sendungen der Erstlinge von der Erndte, welche aus hohem Norden und auf unbekannten Wegen nach Dodona und von dort durch Thessalien ans Meer, dann über Euboea nach Delos gelangt wärenHerod. 4, 32 ff., Kallim. Del. 281 ff. Nach attischer Tradition kamen diese Erstlinge durch Vermittlung der Skythen nach Sinope und von dort über das attische Prasiae, einen alten Verbindungsort mit Delos, nach dieser Insel, Paus. 1, 31, 2. Zu Grunde liegen die im Apollinischen Cultus herkömmlichen Erndtesendungen.. Der wahre Grund dieser sinnbildlichen Ueberlieferungen aber hatte sich im Cultus erhalten. Man feierte nehmlich Apollo zu Delos und Milet, auch zu Delphi und zu Metapont in Italien als einen mit der bösen Jahreszeit in ferne Gegenden Abreisenden (ἀποδημία) und bei 191 Erneuerung des Jahres Wiederkehrenden (ἐπιδημία) und gab ihm dabei förmlich das Geleite mit sogenannten Entlassungsgesängen, wie man ihn im Frühjahre mit Einladungsgesängen wieder herbeiriefMenander d. encom. 1, 4 ἐπιλέγονται δὲ (ὕμνοι ἀποπεμπτικοί) ἀποδημίαις ϑεῶν νομιζομέναις ἢ γενομέναις, οἷον Ἀπόλλωνος ἀποδημίαι τινὲς νομίζονται παρὰ Δηλίοις καὶ Μιλησίοις καὶ Ἀρτέμιδος παρὰ Ἀργείοις. – ἀνάγκη δὲ γίνεσϑαι καὶ τὴν εὐχὴν ἐπὶ ἐπανόδῳ καὶ ἐπιδημίᾳ δευτέρᾳ. In Italien rühmten sich die Metapontiner daß Apoll allein bei ihnen gewesen, daher dort nicht allein von der Erscheinung des Aristeas gefabelt, sondern selbst Pythagoras für eine Erscheinung des Apollo ἐξ Ὑπερβορέων gehalten wurde, Herod. 4, 15, Diog. L. 8, 11.. Die größten Meister der Lyrik hatten solche Gesänge gedichtet, unter ihnen Alkaeos einen sehr schönen von welchem Himerios or. 14, 10 eine Skizze erhalten hat. Zeus schmückt den Apoll nach seiner Geburt mit goldner Mitra und Lyra und giebt ihm einen Schwanenwagen, auf daß ihn nach Delphi trage, wo er Prophet und Richter über alle Griechen sein soll. Aber die Schwäne eilen in die Heimath des Lichtes, zu den Hyperboreern, von wo die Delpher den Gott nun alljährlich, wenn der Sommer kommt, mit Paeanen und schönen Chorgesängen herbeirufen. Auch heißt Apollo, nachdem er ein Jahr bei den Hyperboreern geweilt, seinen Schwänen ihn nach Delphi zu führen, damit der heilige Dreifuß auch dort ertöne. Es war um die Mitte des Sommers, als Alkaeos ihn mit seinem Paean begrüßte, daher in dem strahlenden Glanze der Natur auch das Lied des Dichters ihn mit gleichen Tönen der Freude willkommen hieß. Es sangen die Nachtigallen dem Gotte entgegen und die Schwalben und die Cicaden, alle nicht ihr eignes Lied, sondern von Apollo begeistert. Und auch die Flüsse fühlen dann seine Nähe und die Kastalia strömt mit silbernen Strömungen und der Kephissos rauscht in höheren Wogen. Mithin war den Griechen die lichte Jahreszeit des Frühlings und des Sommers eine Offenbarung und Rückkehr des Lichtgottes aus seiner hyperboreischen Heimath; daher Apollo dann überall mit festlichen Hekatomben und jubelnden Chorgesängen begrüßt wurdeTheogn. 773–779 von dem Apoll seiner Vaterstadt Megara, er möge diese Stadt vor den Persern schützen, ἵνα σοι λαοὶ ἐν εὐφροσύνῃ ἦρος ἐπερχομένου κλειτὰς πέμπωσ' ἑκατόμβας, τερπόμενοι κιϑάρῃ καὶ ϑαλίῃς ἐρατῆς παιάνων τε χοροῖς ἰαχῇσι τε σὸν περὶ βωμόν. Bei jenem Gedichte des Alkaeos scheint das Fest der Erscheinung des Gottes zu Delphi zu Grunde zu liegen, welches Herod. 1, 51 Θεοφάνια nennt, vgl. Prokop. Soph. Ep. p. 435 (Epp. Gr. ant. rhet. Aur. Allobr. 1606) οὐδὲ γὰρ οἱ Δελφοὶ ὅλως αὐτῶν ἀπεῖναι τὸν Πύϑιον ἔλοιντο, εἰ καὶ παρόντος εὐϑὺς ἑορτὴν ἄγουσι τὴν ἐπιδημίαν Ἀπόλλωνος. Auf eine cyclische Feier der Ankunft bei den Hyperboreern deutet Diod. 2, 47, wo die 15 Jahre statt der sonst gewöhnlichen 9 eine Accommodation an den Metonischen Cyclus sind. und auch seine Feste sämmtlich in diese Jahreszeit 192 fielen, namentlich an den beiden Hauptstätten seines Gottesdienstes, zu Delos und zu Delphi. Hier ertönte vom ersten Frühlinge bis zum Herbste Apollons Preis und der Paean, während in den drei Wintermonaten vielmehr der Dithyrambos und die Feier des leidenden Dionysos vorherrschtePlut. Εἰ ap. Delph. 9, Virg. A. 4, 143–149, wo Servius hinzusetzt: hibernam Lyciani non asperam, sed aptam hiemare cupientibus. Sic enim se habet natura regionis. Uebrigens hängt diese Theorie mit den Ansprüchen des Orakels zu Patara zusammen, Herod. 1, 182, da man sonst sowohl in Lykien als auf Delos an einen Verkehr mit den Hyperboreern glaubte.; nach Delischem Glauben brachte Apollo die sechs Wintermonate in dem wärmeren Lykien und zwar zu Patara, die sechs Sommermonate auf der geweiheten Insel zu, die ihn alljährlich von neuem mit festlichen Chören und Aufzügen begrüßte. Ja so consequent war man in dieser Uebertragung aller Erscheinungen und Wirkungen des Lichts auf den triumphirenden Apollo, daß er auch am frühen Morgen als ἑώιος und Sieger über die Finsterniß durch den Paean begrüßt zu werden pflegteApollon. 2, 669 ff., vgl. den Ap. ἔναυρος von ἐναύρω d. i. πρωί bei den Kretern (Hesych) und Porphyr v. Pyth. 32, Iamblich 110, Athen. 15, 22 v. ϑυρεατικοί, wo mit Schwalbe üb. d. Paean S. 26 zu lesen ist: χοροὶ δ' εἰσὶ τὸ μὲν πρὸς ἕω παίδων τὸ δ' ἐξ ἀρίστου ἀνδρῶν κτλ., wie er mit Beziehung auf den Lichtwechsel des Mondes an jedem ersten Monatstage als νεομήνιος und an jedem siebenten als ἑβδόμειος gefeiert wurde.

Außerordentlich mannichfaltig sind die örtlichen Cultusformen, sowohl hinsichtlich ihrer weiten Ausbreitung die sich über die ganze alte Welt erstreckte, als deswegen weil sie die Natur und das menschliche Leben in den verschiedensten Richtungen und Beziehungen berühren. Und dabei stellt diese Religion sich im Ganzen angesehen fast wie ein eignes System von Symbolen und Glaubensformen dar, mit einer gewissen hierarchischen und theokratischen Haltung, wie das Apollinische Institut z. B. in Delphi im Besitze eines ansehnlichen Gebietes war und von priesterlichen Collegien verwaltet wurde, bedient von zahlreichen Tempelsklaven, die als Zehnte überwundener Völker dahin geweiht zu werden pflegten und von denen eigne Colonieen ausgesendet wurden. Fragen wir nach ihrem Ursprunge, so ist die Ansicht wohl gänzlich aufzugeben daß der Apollodienst im nördlichen Griechenland entsprungen und erst mit den Doriern und 193 durch dieselben verbreitet worden sei. Eher dürfte sich das Umgekehrte behaupten lassen, daß der Ursprung ein südlicher und östlicher war und daß die Wiege dieser Religion bei jener ältesten Bevölkerung des ältesten Kleinasiens und der griechischen Küsten und Inseln zu suchen sei, die uns unter vielen verschiedenen Namen begegnet. Am besten wird man drei Gruppen der Apollinischen Dienste unterscheiden: 1) Die der vorhellenischen Zeit, wo diese Religion ganz besonders an den Küsten und auf den Inseln des aegaeischen Meeres von Kleinasien bis nach Kreta verbreitet war. Dahin gehören die zahlreichen Dienste an der ganzen westlichen, später von den Griechen colonisirten Küste Kleinasiens, von Troas und den Inseln Tenedos und Lesbos bis Knidos mit dem triopischen Vorgebirge und Rhodos, ferner die Culte und Sagen von Lykien, wo Apoll der eigentliche Nationalgott war. Aber auch Kreta muß ein sehr alter Mittelpunkt dieser Religion gewesen sein, da sowohl die Traditionen von Lykien als die von Delos und Delphi hier anknüpfen. Endlich weisen andere Verzweigungen dieser alten Lichtreligion nach Athen, nach Theben, nach Argos, nach Amyklae und Messenien. 2) Die attisch-ionischen Dienste, die ihren religiösen Mittelpunkt frühzeitig in Delos fandenDas Bruchstück eines A. κλητικὸς des Hipponax b. Schol. Aristoph. Ran. 659 zählt mehrere wichtige Punkte des ionischen Apollodienstes auf: Ἄπολλον, ὅς κου Δῆλον ἢ Πύϑων' ἔχεις ἢ Νάξον ἢ Μίλητον ἢ ϑείην Κλάρον, ἵκου καϑ' ἱερ' ἢ Σκύϑας ἀφίξεαι, wo wohl zu lesen ist ᾗ Σ. α. d. h. auf demselben Wege auf dem du zu den Hyperboreern gegangen bist. Ueber Delos als Mittelpunkt des ionischen Stammlebens s. Hom. H. in Ap. Del. 146 ff., Thukyd. 3, 104.. Dahin gehört außer den Kykladen der attische Apoll, welcher als Vater des Ion durchaus ionischer Stammgott war und als solcher unter dem Beinamen πατρῶος verehrt wurde. Auch Apoll und Artemis auf Euboea gehörten dahin, besonders der Apollodienst von Chalkis, welcher sich von dort über die thrakische Chalkidike verbreitet hatte. Ferner die ionischen Pflanzstädte in Asien, welche nun jene älteren Stiftungen der Apollinischen Religion mit hellenischem Geiste pflegten und ausbildeten, vorzüglich Milet mit seinem Heiligthum des Didymaeischen und Kolophon mit dem des Klarischen Apoll. Endlich 3) der von der Stadt Krisa begründete und lange Zeit von ihr abhängige, später unter die Aufsicht des Bundes der Amphiktyonen gestellte Dienst von Delphi und der der nördlichen Stämme, durch Thessalien bis in die Gegenden des Olymp, wo 194 das schöne Tempethal mit seinen Lorbeerhainen ein alter und wichtiger Mittelpunkt der Apollinischen Religion für Thessalien und Makedonien warC. I. n. 1767 Ἅπλουνι Τεμπείτα, vgl. Müller Dor. 1, 202. Nur glaube ich weder daß diese Gegend der älteste Sitz der Dorier noch daß sie der Ursprung des Apollinischen Dienstes zu Delphi war. In Makedonien gab es einen Dienst des Ap. Ἰχναῖος von dem Orte Ἴχναι in Bottiaea mit einem Orakel, Hes. Steph. B. v., Herod. 7, 123.. Für diesen ganzen griechischen Norden ist der pythische Dienst von Delphi sehr früh ein Anlaß zu Fest- und Stammesvereinigungen geworden, daher man durch die ganze Gegend, besonders an der heiligen Straße die vom Olymp nach Delphi führte, eine Menge Apollinischer Stiftungen findet. Das hervorragendste Glied dieser Verbündung wurden die Dorier, welche nach ihrer Eroberung des Peloponnes die alte Anhänglichkeit für Delphi bewahrten, aber sich zugleich die älteren peloponnesischen Religionen, namentlich den Dienst zu Amyklae aneigneten. Aber auch die attisch-ionische Bundesgenossenschaft bekannte sich früh zu Delphi, so daß man auf den heiligen Straßen von Athen und von Euboea eben so eifrig dahin wallfahrtete wie vom Olymp und aus dem Peloponnes, daher dieser Ort immer mehr zum Mittelpunkte der gesammten Apollinischen Religion geworden ist. Dazu kamen die zahlreichen Filialdienste und Colonien, welche von dort unter Apollinischer Hoheit in alle Welt, besonders nach Akarnanien und Italien ausgesendet wurden. In jenen Gegenden am ionischen Meer waren die Dienste auf der Insel Leukas und zu Ambrakia, in Italien die zu Kroton und Metapont die Mittelpunkte dieser weit verbreiteten Beziehungen zu den pythischen Heiligthümern.

Suchen wir die zahlreichen Formen in denen der Apollinische Dienst vorkommt auf gewisse Reihen zurückzuführen, so ist einer der ältesten der des lykischen Apoll. Daß er auch am Ida der vorherrschende war beweist das Volk der Λύκιοι und die Landschaft Λυκία, deren Führer in der Ilias Pandaros ist, der Apollinische Bogenschütze, der Sohn des Lykaon und Verehrer des Apollon ΛυκηγενήςIl. 2, 826; 4, 101. 119; 5, 105. 171. Fellows Lycia p. 277. 466.. Und auch der zu Thymbra auf troischem Gebiet verehrte Apoll, wo Kassandra die Weissagung lernte und Achill durch Paris fiel, Laokoon Priester war, war eigentlich Λύκειος, wie der von ChryseHes. v. Λυκαῖον. Bis nach Lemnos erstreckte sich die Verehrung dieses Apoll, Soph. Philokt. 1461., obgleich der vorherrschende Cultusname dieser Gegenden der des Ap. Σμινϑεύς 195 war d. i. der Gott welcher die Aecker gegen die verderbliche Plage der Feldmäuse schützte; eine Verehrung welche auch in Rhodos heimisch war und dort sogar zu der Benennung des Monates Sminthios geführt hatte, während die Aeoler in Asien als Schutz gegen die Heuschrecken einen Apollo Πορνοπίων und einen danach benannten Monat hattenStrabo 13. 604. 613, Paus. 1, 24, 8. Die Feldmaus, σμίνϑος, war das stehende Symbol jenes Gottes, dessen Name auf späteren Münzen Ζμίνϑιος und Ζμινϑεὺς geschrieben wird. Das Wort scheint mit μῦς zusammenzuhängen. Vgl. De Witte Apollon Sminthien, P. 1858 (Revue Numism. N. 5. T. 3).. Ferner ist der Name der bekannten Landschaft Kleinasiens Lykien gleichfalls von diesem alten Apollinischen Cultusnamen abzuleiten, da das Volk ursprünglich Termilen geheißen hatte, wie der Dienst des lykischen Apoll denn seit mythischer Vorzeit im Xanthosthale einheimisch warDiod. 5, 55, vgl. das Märchen von der Ankunft der Leto in Lykien b. Antonin Lib. 35, Ovid M. 6, 317 ff. und Höck Kreta 2, 359.. Derselbe Cultus war aber auch in Attika verbreitet, wie das Λύκειον bei Athen und die Sage von Lykos dem Pandioniden beweistPaus. 1, 19, 4. Nach der gewöhnlichen Ueberlieferung flüchtete er nach Lykien und gab diesem Lande den Namen, Herod. 1, 173; 7, 92. In Argos war das H. des lykischen Apoll, wonach der Markt Λύκειος ἀγορὰ hieß, eins der angesehensten, s. Soph. El. 6 Schol., P. 2, 19, 3, Hesych Λύκ. ἀγ. und Λυκιάδες κόραι, welche Glosse auch auf Argos zu beziehen ist. Auch der Wolf auf den Münzen von Argos ist das Symbol dieses Cultus., auch in Argos wo Danaos für den Stifter dieses Dienstes galt, ferner in Sikyon, in Troezen, in Theben und in Delphi. Der Name Λύκιος Λυκηγενής mag ursprünglich den Gott des Lichtes (λύξ, lux) bedeutet habenλύξ, daher λύκη, das erste Morgenlicht, sonst λυκόφως, ferner λυκάβας λυκαυγής λυκοειδής von der Morgenröthe (Hesych), der Berg Λυκαβηττός b. Athen u. s. w., s. Macrob. S. 1, 17, 36, Welcker Gr. G. 1, 476, G. Curtius Grundz. 1, 130., doch wird er gewöhnlich von dem Symbole des Wolfes (λύκος) abgeleitet, welches diesem Gottesdienste wie dem des lykaeischen Zeus in Arkadien eigenthümlich war und sowohl in den lykischen als in den attischen und argivischen Legenden und Sinnbildern, endlich in den Ueberlieferungen von Delphi in verschiedner Anwendung hervortritt. Und zwar scheint das scheue und gefräßige Thier des Waldes und des Winters auch in diesem Ideenzusammenhange eine der lichten Gewalt des Apollo widerstrebende Macht des Winters, der gefräßigen Pest und anderer Plagen bedeutet zu haben, welche Apollo in siegreicher Majestät vertreibt und 196 abwehrtSophokl. El. 6 nennt den lyk. Apoll von Argos ausdrücklich λυκοκτόνος. Auch wird Ap. Λύκειος bei den attischen Dichtern gewöhnlich mit dem Nebenbegriff einer furchtbaren und drohenden Majestät genannt, Aesch. Sept. 130 καὶ σὺ Λύκει' ἄναξ Λύκειος γενοῦ στρατῷ δαίῳ, vgl. Suppl. 686, Soph. O. T. 203. Bei Philostr. Her. 10, 1 sind die Wölfe des Apoll die Vorboten der von ihm verhängten Pest.. Indessen hatte es, wie die meisten Ortslegenden beweisen, vorherrschend die Bedeutung eines scheuen Flüchtigen angenommenIn diesem Sinne erhält Lykien nach dem flüchtigen Lykos den Namen, wie in Argos nach der Stiftungslegende des lykischen Apoll und einem alten Bildwerke der Wolf den flüchtigen Danaos im Gegensatze zu dem einheimischen Könige bedeutete, Paus. 2, 19, 3, Plut. Pyrrh. 22. Eben so ist die in eine Wölfin verwandelte Leto als Flüchtige, auf Delos Schutz suchende gedacht; ja man glaubte, weil Leto als Wölfin in 12 Tagen von den Hyperboreern nach Delos gekommen sei, daß alle Wölfinnen in denselben 12 Tagen des Jahres zu werfen pflegten, Arist. H. An. 6, 35, Antigon. Mirab. 56, Aelian N. A. 4, 4, Schol. Apollon. 2, 124. Immer schildern die Legenden sie als Flüchtige, indem sie bald vor dem Zorne der Hera, bald vor dem Drachen Python, bald vor einem wilden Eber Schutz sucht. Am bestimmtesten tritt diese Bedeutung des Wolfes hervor in den Ueberlieferungen von Athen und Delphi, s. Ulrichs Reisen S. 62 ff., O. Jahn über Ap. Λυκωρεύς Berichte d. K. Sächs. G. d. W. 1 S. 417., welcher bei Apollo als dem Schutzgotte der Flüchtigen und Bittenden (φύξιος) Gnade findet: eine Vorstellung die sich von selbst aus den leitenden Ideen der Apollinischen Mordsühne erklärt, nach welchen für den flüchtigen Verbrecher, nachdem er sich der vorgeschriebenen Buße und Sühne unterzogen, Schutz und Wiederherstellung möglich wurde; daher in Athen der Wolf des Apoll oder der aus ihm entstandene Heros Wolf sogar zum Sinnbilde des Schutzes der Gerichtshöfe überhaupt geworden warAristoph. Vesp. 389 σύ γὰρ οἷσπερ ἐγὼ κεχάρησαι τοῖς δακρύοισιν τῶν φευγόντων ἀεὶ καὶ τοῖς ὀλοφυρμοῖς. Vgl. Hesych, Phot. v. Λύκου δεκάς, Harpokr. v. δεκάζων u. A.. Also mögen sich diese Ideen der Sühne, auf welche wir zurückkommen werden, zuerst und vorzugsweise in diesen Kreisen des lykischen Apollodienstes entwickelt haben.

Nicht minder alterthümlich und bedeutungsvoll ist der Gottesdienst des Apollo von Amyklae, welcher durch die Hyakinthien gefeiert wurde, und der des Apollo Karneios und der Karneen in Sparta und der Pelopsinsel überhaupt. Beide Dienste waren vordorisch, obgleich sie erst durch die dorische Bevölkerung der Halbinsel recht in Aufnahme kamen. Das Amyklaeon, so hieß der alte Tempel des Apollo von Amyklae, der früher sehr bedeutenden, später neben Sparta herabgekommenen Stadt, die in einer sehr fruchtbaren Gegend lag, gehörte zu den 197 angesehensten Heiligthümern in Lakedaemon, die Bilder des Apollo in demselben zu den alterthümlichsten und merkwürdigsten in GriechenlandThukyd. 5, 24, Polyb. 5, 19, Paus. 3, 18, 5–19, 4. Wie zu Amyklae das pfeilerartige Bild auf dem Sessel (ϑρόνος) nicht saß, sondern stand, so sieht man auf den Münzen von Aenos und Sestos eine auf einem Sessel stehende Herme.. Das von Pausanias beschriebene Bild, ein Pfeiler dem man Füße und Hände und ein behelmtes Haupt angesetzt und Bogen und Lanze in die Hände gegeben hatte, stand auf einem kunstreich geschmückten Sessel, unter welchem sich das Grab des Hyakinthos befand, welchem an den Hyakinthien an dieser Stelle ein Todtenopfer dargebracht wurde. Es war der verklärte Liebling des Amyklaeischen Apoll, welcher ihn der Sage nach beim Spiele mit seinem Diskos getödtet hatte, worauf die Erde aus seinem Blute die nach ihm benannte Blume von düstrer Farbe und Bedeutung entstehen ließApollod. 3, 10, 3, Paus. 3,1,3; 19, 4, Ovid M. 10,162 ff., Lukian D. D. 14, Philostr. Imag. 1, 24, Philostr. iun. 14 u. A. Auch Amyklas galt für einen Liebling des Apoll, Aristid. 1 p. 131 Ddf.: eins jener schwermüthigen, früh zum Volksgesang gewordenen Sinnbilder der vergänglichen Lust des Jugendreizes und des Frühlings, dessen Blüthen unter den Strahlen der Sonne, auf welche der Diskos deutet, und in der Gluth des Hundssterns schnell dahinstirbt; daher man seinen Bruder Kynortas d. i. Hundsaufgang nannte, während seine Schwester Polyboia an die nährende Fruchtbarkeit des Thales von Amyklae erinnerte. Wie sich aber in solchen Legenden und den entsprechenden Gebräuchen der Schmerz der Klage immer mit der hoffnungsvollen Lust der Wiederkehr des Schönen mischte, so war auch das Fest der Hyakinthien, welches mitten im Sommer, in Lakonien vom 7 Hekatombeus an drei Tage lang gefeiert wurde, ein aus schwermüthigen und aus heiteren Gebräuchen gemischtesHesych Ἑκατομβεὺς μὴν παρὰ Λακεδαιμονίοις, ἐν ᾧ τὰ Ὑακίνϑια. Er entspricht dem Juli und hieß auf Thera Rhodos und Sicilien Ὑακίνϑιος. Mehr über das Fest in Amyklae nach Didymos b. Athen. 4, 17. Bei dem Festmahle des fröhlichen Tages, welcher auf die Trauer des ersten folgte, bekränzten sich die Schmausenden nach bacchischer Weise mit Epheu, Macrob. S. 1, 18, 2. Vgl. Schoemann Gr. Alterth. 2, 404 ff., weil man den Hyakinthos zugleich als einen Verstorbenen und als einen wie Dionysos und Herakles Erhöheten feierte. Nicht minder verbreitet war im Peloponnes und bei den Doriern überhaupt der Dienst des Apollo KarneiosThukyd. 5, 54 Καρνεῖος ἦν μήν, ἱερομηνία Δωριεῦσι, Paus. 3, 13, 3 Κάρνειον Ἀπόλλωνα Δωριεῦσι τοῖς πᾶσι σέβεσϑαι καϑέστηκεν.. Wir begegnen seinen Festen 198 besonders zu Sparta und in Lakonien, aber auch in Messenien, auch in Argos Korinth und SikyonIn Argos wurde Ap. Karneios als Ἀγήτωρ d. h. als Führer auf dem Zuge der Dorier verehrt, daher auch die Legende von dem erschlagenen Weissager Karnos hier zu Hause war und das Fest Ἀγητόρια hieß, Schol. Theokr. 5, 83, Hesych v. ἀγητής. In Sikyon hatte Praxilla vom schönen Karneios gesungen, dem Sohne des Zeus und der Europa, den Apollo geliebt, und bei den Chronologen folgten auf die Könige der Sikyonier die Priester des Ap. Karneios, Euseb. Chron. p. 126 ed. Mediol., Synkell. Chron. p. 182.. Sein Ursprung wurde bald von dem kadmeischen Geschlechte der Aegiden abgeleitet, welches diesen Dienst in früherer Zeit von Theben nach Sparta, später von dort nach Thera und Kyrene verpflanzteSo von Pindar, welcher selbst vom Geschlechte der Aegiden war, P. 5, 73 ff. Schol., Isth. 6, 15 Schol., vgl. Böckh not. crit. p. 478, Müller Orchom. 327 ff. Paus. 3, 13 sagt ausdrücklich daß Ap. Karneios schon in vordorischer Zeit von den Achaeern in Sparta verehrt worden sei. Ueber den Weissager Karnos s. Theopomp b. Schol. Theokr. 5, 83, Konon 26., bald von einem Apollinischen Weissager Karnos, welcher die Herakliden bei ihrer Rückkehr nach dem Peloponnes begleitet habe und dessen Mord durch einen derselben den Doriern den Zorn des Apollo zugezogen und dadurch zu der Stiftung des Sühnfestes Veranlassung gegeben habe. Der Name hängt zusammen mit dem Worte κάρνος d. i. Schaafbock, WidderHesych v. κάρ, κάρνος, Lobeck Pathol. gr. serm. 108, Welcker Gr. Götterl. 1, 471. Wie der Widder die Heerde führt, so führte jener Karnos, eigentlich Ap. Karneios selbst, den Zug der Dorier., so daß also Apollo Karneios nur eine eigenthümliche Form der weitverbreiteten Verehrung des Ap. Nomios wäre, des Gottes der Weiden und der Heerden; daher in dem karneasischen Haine in der Nähe der alten Stadt Andania im obern Messenien Hermes mit dem Widder und Demeter mit ihrer Tochter neben diesem Apollo verehrt wurdenPaus. 4, 33, 5. Aus dem Dienste der dort verehrten Demeter und Kore, welche letztere schlechthin Ἁγνή hieß, entstand bei der Wiederherstellung Messeniens eine Weihe nach Art der eleusinischen, vgl. Dem. u. Perseph. 147, Sauppe die Mysterieninschr. a. Andania, Gött. 1860. Diese neuerdings gefundene Mysterienordnung jener Weihe schreibt als Opfer für die im karneasischen Haine verehrte Götter vor, für Demeter eine trächtige Sau, für Hermes einen Widder, für die großen Götter eine junge Sau, für den karneischen Apoll einen Eber, für Hagne ein Schaaf. Ein Widder (κριὸς) wird dem karneischen Apoll b. Theokr. 5, 82, ein Bock (τράγος) dem pythischen b. Paus. 10, 11, 4 geopfert.. Dahingegen er in Sparta, wo das Fest in den Monat Karneios fiel, welcher auf den Hekatombeus folgte und unserm August entsprach, und in diesem Monate vom 7 bis 15 199 neun Tage lang dauerte, mit kriegerischen Erinnerungen und musikalischen Uebungen gefeiert wurde, welche seit Terpander zu immer größerem Ansehn gelangt warenDemetrios v. Skepsis b. Athen. 4, 19, vgl. Schoemann a. a. O., Hermann Gottesd. Alterth. § 53, 29 ff. Auf den musikalischen Theil des Festes deutet Eurip. Alk. 445 ff.. Von Sparta war dieser Dienst mit den Aegiden über Thera nach Kyrene gewandert, wo die Feier der Kameen gleichfalls zu den festlichsten und heiligsten gehörtePind. l. c, Kallim. Ap. 71 , Plut. Symp. 8, 1, 2. Ueberhaupt war Apollo der angesehenste Gott in Kyrene, s. Thrige Cyren. p. 281 sqq., C. I. n. 5131–45.. Auch finden sich Hyakinthien und Kameen oder die entsprechenden Monate auf Rhodos und den benachbarten Inseln, auch auf Sicilien, namentlich zu Syrakus Gela und Agrigent, endlich in Italien zu Tarent und SybarisEin Grab des Hyakinthos b. Tarent Polyb. 8, 30, vgl. die Münzen b. De Luynes Ann. d. Inst. 2, 337. Kameen in Sybaris b. Theokr. 5, 82. Auch auf Kreta scheint der karneische Apoll verehrt worden zu sein, s. Hesych v. Καρνησσόπολις.. Auch der nach dem triopischen Vorgebirge bei Knidos benannte Dienst des Apollo, unter dessen Schutz die Dorier der Hexapolis ihre Bundesversammlungen hielten und dem wir auch auf Rhodos und den benachbarten Inseln begegnen, von wo er sich weiter nach Agrigent verbreitet hatteHerod. 1, 144; 7, 153, Dionys. H. 4, 25, vgl. Böckh Schol Pind. p. 314, Expl. p. 115., scheint zu derselben Klasse des dorischen Apollodienstes gehört zu haben. Wenigstens durchkreuzte sich auch hier die Verehrung der chthonischen Götter mit der des Apollo, wie in jenen Gebräuchen und Legenden zu Amyklae und in dem karneasischen Haine bei Andania.

Noch eine andere Reihe von alterthümlichen Cultusideen ergiebt sich aus den Diensten des Apollo Δελφίνιος und Θαργήλιος, von denen jener über Sturm und Meer gebietet, also gewissermaßen zu den Meeresgottheiten gehört, dieser ein Gott der reifenden Sonne ist, also den agrarischen Gottheiten nahe steht. Der Delphinische Apoll wurde seit alter Zeit in Knosos auf Kreta verehrt, von wo derselbe Dienst nach Krisa und Delphi gekommen warS. meine Abb. in den Ber. d. K. Sächs. G. d. W. 6, 119–152. Von Knosos s. C. I. n. 2554, 99 und die Eidesformel der von Knosos abhängigen Stadt Dreros, wo auf die Hestia des Prytaneums und den Zeus der Agora u. Z. Tallaios gleich Ap. Delphinios und Ath. Poliuchos folgt, dann Ap. Pythios mit Leto und Artemis u. s. w., wahrscheinlich nach knosischem Herkommen. Auch das bestätigt den kretischen Ursprung, daß Ap. Delphinios und Art. Diktynna oft zusammen verehrt wurden, Plut. sol. anim. 36. Die Ableitung des Namens Delphinios von der Delphyne in Delphi, welche Schoemann op. 1, 343 für die richtige hält, scheint mir späteren Ursprungs zu sein.. Und zwar hatte der Gott nach der von 200 dem Hymnus auf den Pythischen Apoll bewahrten Sage die Kreter, welche Krisa gründeten und seine ersten Verehrer an diesen südlichen Abhängen des Parnasses waren, in Gestalt eines Delphins über das Meer geleitet, worauf er ihnen voraneilt und sie in seinem Tempel als weithin strahlendes Meteor empfängt. Ausserdem finden wir diesen Cultus auf Aegina und auf manchen anderen Inseln und Vorgebirgen, die dem Apoll überhaupt lieb waren, vorzüglich in allen Gegenden der attisch-ionischen Bevölkerung von Milet bis MassaliaStrabo 4, 179, wo es von dem H. des Ap. Delphinios auf der Burg von Massalia heißt: τοῦτο μὲν κοινὸν Ἰώνων ἀπάντων. Einen Mt. Delphinios, welcher vermuthlich dem attischen Munychion entsprach, kennen wir in Aegina und Thera. In Aegina war mit der Delphinienfeier ein Wettkampf verbunden, welchen man Ὑδροφόρια oder ἀγὼν ἀμφορίτης nannte, auch mit Bez. auf die Seefahrt der Argonauten, Schol. Pind. O. 7, 156, P. 8, 88, N. 5, 81, Apollon. 4, 1766, Apollod. 1, 9, 26.. Auch gehört dahin der in der Argonautensage oft genannte Apollo, namentlich Ap. Αἰγλήτης oder Ἀναφαῖος auf der kleinen felsigen Insel Anaphe, von dem jene Sage erzählte daß er den kühnen Schiffern, als sie von Sturm und Finsterniß verschlagen in diese Gegend kamen, dadurch daß er von einer Klippe bei Thera mit seinem Bogen in das wüthende Meer schoß den Himmel wieder aufgeklärt und den bergenden Hafen jener Insel gezeigt habeStr. 10, 484, Apollod. 1, 9, 26, Konon 49, Cornut. 32, Roß Inselreise 1, 77. Man erklärte Ἀνάφη von ἀναφῆναι als die plötzlich erschienene. Vgl. den Ap. Φαναῖος bei dem Vorgeb. und Hafen Φάναι auf Chios, Hesych v., Conze im Philol. 14, 157, den Ap. Προόψιος d. h. den der weiten und freien Aussicht neben Ζ. ὄμβριος auf dem Hymettos, Paus. 1, 32, 2, den Ap. Μυρτῶος C. I. n. 5138. Durch die Argonautensage wurde auch der Ap. ἐπάκτιος oder ἐμβάσιος bei Pagasae und der ἐκβάσιος oder Ἰασόθιος bei Kyzikos erklärt, Apollon. 1, 404 u. 966 Schol. Ap. mit einem Dreizack in Tarsos Dio Chrys. 33 u. A.. Ferner der bekannte Apollo auf dem Vorgebirge Aktion und auf dem Felsen Leukate, der in das ionische Meer hinausragenden Südspitze der Insel Leukas, von welchen bei den Alten besonders der letztere wegen seiner Sühnungen und seines Einflusses auf die gefährliche Schifffahrt dieser Gegend berühmt warVirg. A. 3, 274, vgl. die Leucadia des S. Turpilius b. Ribbeck Com. lat. 85. 86. Bei Plut. Pomp. 24 werden der Ap. ἐν Ἀκτίω und der ἐν Λευκάδι zusammen genannt. Der Aktische ist der durch August berühmt gewordne, der Ap. Λευκάτας der durch den Sprung der Sappho berühmte.. Ueberall hatte sich 201 in diesem Culte Apollons Kampf und Sieg über wüste Fluth und Finsterniß zu dem Bilde eines mächtigen Schutzgottes zur See gesteigert, der das Gewölk zerstreut und die Fluthen sanft beruhigt, mit dem dieser Bedeutung ganz entsprechenden Symbole des DelphinsVgl. Eurip. Hel. 1454 ff., Apollon. 4, 933 ff. Daher Taras und Arion auf dem Delphin., welcher im Mittelmeer bei warmer Jahreszeit und heiterem Wetter in großen Schaaren auf der Meeresfläche zu erscheinen und sich in den Wellen zu tummeln pflegt, ohnehin ein menschenfreundliches und musikliebendes Thier, wie davon die Alten so viel zu erzählen wußten. Wird doch Apollo selbst von einem schönen Vasenbilde auf einem geflügelten Dreifuße und von Delphinen begleitet über die Meeresfläche sanft dahinschwebend dargestellt. Dagegen war Ap. Θαργήλιος vorzugsweise ein Gott der Feldfrüchte und des Ackerbaues, dessen Saaten er mit seinen Strahlen reifte und vor Mehlthau und schädlichem Ungeziefer bewahrteAp. ἐρυϑίβιος auf Rhodos Str. 13, 613 von ἐρυϑίβη d. i. ἐρυσίβη, robigo. Eine am Hermos verehrte Demeter ἐρυσίβη nennt Et. Gud. Vielleicht gehört dahin auch Hesych ἐρεϑύμιος ὁ Ἀπ. παρὰ Λυκίοις καὶ ἑορτὴ Ἐρεϑύμια., daher ihm die Erstlinge der Erndte dargebracht wurden, dem Apollo zu Delphi aus verschiedenen Gegenden als Symbol des Erndtesegens goldene Aehren, welche man χρυσοῦν ϑέρος nannteAus Metapont, dessen Münzen daher das Zeichen der Aehre haben, Str. 6, 264, aus Myrrhina und Apollonia nach Plut. d. Pyth. or. 16.. In beiden Cultusformen trat aber neben diesen nächsten Beziehungen auf das Naturleben auch die Idee der Sühnung in merkwürdigen Gebräuchen hervor, wie sich dieses theils aus den attischen theils aus den verwandten Diensten der Insel Leukas ergiebt. Allbekannt ist nehmlich der Sprung der Sappho von jenem Vorgebirge der Insel und oft bemerkt worden daß der tiefere Grund dieser eigenthümlichen Beruhigung ihrer Leidenschaft in gewissen alterthümlichen Sühnungsgebräuchen zu suchen sei, nach welchen sich dort jährlich beim Opfer des Apoll ein schuldiger Mensch für Alle von der felsigen Höhe ins Meer hinabstürzen mußteStrabo 10, 452, Müller Dor. 1. S. 231, Proleg. 416. Die Uebertragung auf Reinigung des Gemüthes von leidenschaftlicher Liebe war alt und allgemein, s. Stesichoros fr. 43, Anakreon fr. 19, Mythogr. p. 198 Westerm.. Und so erscheinen auch im attischen Apollodienste sowohl mit den Delphinien als mit den Thargelien gewisse Sühnungsideen verbunden, die in älterer Zeit sogar Menschenopfer gefordert hatten. Das Delphinion zu Athen, dessen Ursprung und Gebräuche auf Aegeus und 202 Theseus zurückgeführt und in welchem Apollo Delphinios und Artemis Delphinia verehrt wurden, gehörte zu den ältesten Sühnungsstätten der Stadt und auch das Fest der Delphinien, welches am 7 Munychion (April) gefeiert wurde und wahrscheinlich mit der Eröffnung der Schifffahrt zusammenfiel, wurde mit Sühnungsgebräuchen begangen, welche Theseus vor seiner Fahrt nach Kreta gestiftet hattePlutarch. Thes. 18, vgl. 12. 14, Paus. 1, 19, 1; 28, 10, Bekk. An. p. 255.. Auf die Delphinien folgte mit dem Frühlingsmonate Thargelion (Mai) die vorzugsweise dem Apoll geweihte Jahreszeit, wo man zu Athen und in den meisten ionischen Colonien, namentlich zu Milet, am 7 das Apollinische Hauptfest seiner Geburt feierte, ein Fest der Sonnenwärme und der reifenden Feldfrucht, wonach sowohl der Monat als das Fest seinen Namen, dieses den der Thargelien bekommen hatteΘαργήλια sind eigentlich die Erstlinge der Feldfrucht, welche gekocht in Töpfen und Schaalen herumgetragen wurden, daher ϑάργηλος χύτρος u. s. w. von ϑέρειν und ἥλιος, s. Hesych, Et. M. s. v., Welcker Gr. G. 1, 463. Die Darbringungen und die Procession galten nicht allein dem Apoll und der Artemis, sondern auch dem Helios und den Horen, Schol. Ar. Eq. 729, Porphyr, d. abstin. 2, 7.. Aber auch eine Zeit der Sühnung von aller Schuld, damit Apollo die Stadt vor Pestilenz und anderem Unheil bewahre: zu welchem Zwecke am 6 zwei schuldige Menschen als φαρμακοί d. h. als Heilmittel, der eine für die männliche der andere für die weibliche Bevölkerung der Stadt, mit Feigenschnüren behangen und unter Flötenschall vor die Stadt geführt und dort geopfert wurdenHarp. Suid. v. φαρμακός, Helladios b. Phot. bibl. p. 534 Bekk., Tzetz. Chil. 5, 23. Aehnliche Gebräuche wurden in Massalia beobachtet, Serv. V. A. 3, 57, auch in Eretria und bei den Magneten, Plut. d. Pyth. or. 16. Ueber die musikalischen Uebungen der cyclischen Chöre s. C. I. n. 213, Poll. 8, 89, Antiph. de saltat. 11, Demosth. Mid. 10, Suid. v. Πύϑιον. Der Apoll der Thargelien war der Delische, Athen. 10, 24., während an den folgenden Tagen die Freude überwog und sich dem Character des Apollinischen Gottesdienstes gemäß vorzüglich in musikalischen Wettkämpfen äußerte. Auch Delos, welches bei solchen Gebräuchen der Ionier das allgemeine Vorbild war, feierte seine Delien in denselben Tagen, jenes alte Nationalfest, von dessen früherem Glanze der Homerische Hymnus ein so heiteres Bild entwirft, während in einer späteren Periode des ionischen Stammlebens die Tyrannen Pisistratos und Polykrates, noch später die Republik Athen für die würdige Ausstattung von Delos überhaupt und ganz besonders dieses Festes 203 sorgteS. oben S. 193, [Anmerkung 524]. Auch hier werden vorzüglich die musikalischen und orchestischen Uebungen hervorgehoben, Plut. Nikias 3, Lukian d. saltat. 16, Menander de encom. 3, 1. Ueber die Theilnahme der zur Festgemeinschaft gehörigen Inseln und andrer Staaten, namentlich Athens, und die von Athen Ol. 88, 3 als Pentaeteris wiederhergestellten Spiele s. Schwalbe üb. d. Paean S. 22, Hermann Gottesd. Alterth. § 65, 32–34.. In Athen, dessen Feste uns auch im Apollinischen Culte am besten bekannt sind und in dieser Hinsicht ein Bild des griechischen, insbesondere des ionischen Stammlebens überhaupt geben können, reihete sich auch in den folgenden Monaten ein Apollinisches Fest an das andere, so daß Apollo für diese Jahreszeit recht eigentlich als der den Kalender der Griechen bestimmende Gott erscheint. So hatte der heiße Hekatombaeon (Juli), der früher nach dem Kronos benannt gewesen war, ganz vorzugsweise von den dem Apollo dargebrachten Opfern seinen NamenEt. M. s. v., Bekk. An. 247.. Dann folgten die Metageitnien in dem gleichnamigen Monate (August), ein Fest der städtischen Gastlichkeit und guten Nachbarschaft, welches den Apollo Metageitnios mit heitrer Lust verherrlichtePlut. d. exil. 6, Harpokr. Suid. s. v. Einen Monat Πεταγείτνυος gab es auf Kos und Rhodos.. Neue Feste folgten im Boedromion (September), wo Apoll als hülfreicher Gott der Schlachten verehrtVermutlich am 6 Boedr., dem Schlachttage von Marathon, neben der Art. Agrotera in Agrae, obwohl die Legende von Ion und Theseus erzählte, Plut. Thes. 27, Et. M. Ap. Boedromios in Theben Paus. 9, 17, 1. Ein Mt. Βοηδρομιών Βαδρομιών Βαδρόμιος findet sich zu Priene Olbia Lampsakos Rhodos., und am Pyanepsion (October), wo ihm gekochte Bohnen als Erstlinge des Herbstes dargebracht und die sogenannte Eiresione, ein mit allerlei süßen Gaben des Jahres geschmückter und mit Wolle umwundener Zweig vom heiligen Oelbaum unter Begleitung volkstümlicher Lieder zu seiner Ehre durch die Stadt getragen wurdePlut. Thes. 18, 22, C. I. n. 523, Harp. Phot. Suid. v., Eustath. Il. p. 1283, 7, Poll. 6, 61, Schoemann Gr. A. 2, 400. πύανα oder πύανοι sind i. q. κύαμοι, ὄσπρια, daher Πυανέψια oder Κυανέψια. Eine Abbildung der Eiresione auf der attischen Münze b. Beulé p. 368..

Ueber den Apollinischen Festcyclus in Delphi, welcher den größten Theil des dortigen Jahres beschäftigte, sind wir leider zu ungenau unterrichtet um eine ununterbrochene Folge der Gebräuche herstellen zu könnenK. F. Hermann de anno Delphico, Gott. 1844, Chr. Petersen der Delphische Festcyclus des Apollon und Dionysos, Hbg. 1859., doch scheinen die 204 leitenden Ideen auch hier dieselben gewesen zu sein, nur daß natürlich die örtlichen Ueberlieferungen vorherrschten. Am 7 des Frühlingsmonates Bysios feierte man den Geburtstag Apolls und die Stiftung des OrakelsPlut. Qu. Gr. 9. Apollo Delphis prognatus nach Naevius b. Macrob. S. 6, 5, 8., also ohne Zweifel auch den Tod des Drachen, auf welchen die Stiftung des Orakels folgte und von welchem nach der gewöhnlichen Erklärung sogar der Name Pytho und des Ap. Pythios abgeleitet wurde. Um die Mitte des Sommers folgten die Theophanien oder das Fest der Wiederkehr des Gottes von den Hyperboreern und bald darauf oder zu derselben Zeit das auch an anderen Orten dem Apollo gefeierte Erndtefest der TheoxenienWonach der Monat Θεοξένιος benannt war. Ueber die Feier s. Boeckh expl. Pind. p. 194, Preller Polem. p. 67. Da es b. Schol. Ol. 3, 1 heißt: Θεοξενίων ἑορταὶ παρ' Ἕλλησιν οὕτως ἐπιτελοῦνται κατά τινας ὡρισμένας ἡμέρας ὡς αὐτῶν τῶν ϑεῶν ἐπιδημούντων (v. ἐκδημ.) ταῖς πόλεσιν, so liegt es nahe zu vermuthen daß dieses Fest mit dem der ἐπιδημία Ἀπόλλωνος zusammenfiel, s. oben S. 191, [Anmerkung 521]., wo der Gott als gastlicher Wirth erschien, welcher die übrigen Götter freundlich an seinem reich besetzten Tische aufnahm, aber auch einzelnen um seinen Gottesdienst verdienten Menschen, z. B. Pindar und seinen Nachkommen einen Antheil gönnte. Endlich im Herbstmonate Bukatios d. h. dem Monate der großen OpferΒουκάτιος von καίνειν und βοῦς, also wie Ἑκατομβεύς, Ἑκατομβαιών, Βουφόνια. Vgl. über die in Delphi dargebrachten Opfer, die von allen Seiten herbeigeführt wurden und denen eine ebenso zahlreiche und wohlhabende Priesterschaft und priesterliche Dienerschaft entsprach, Hom. H. Ap. Pyth. 357, Xenoph. Hellen. 6, 4, 29. Ueber den Zusammenhang der Pythienfeier mit dem krisaeischen Kriege s. Ber. d. K. Sächs. G. d. W. 6, 131 ff. wurde durch die Feier der Pythien noch einmal die wichtigste Thatsache des Gottesdienstes, Apollos Triumph über den Drachen verherrlicht, jetzt durch eine Reihe der glänzendsten Opfer, Processionen und musikalischen und gymniscben Spiele, welche letzteren schon früher bestanden, aber erst seit der Zerstörung Krisas d. h. Ol. 48, 3 (586 v. Chr.) in pentaeterischer Wiederkehr und mit solcher Ausstattung begangen wurden, daß sie nächst den Olympien im Alpheiosthale das glänzendste Nationalfest der Griechen waren. Und doch beruhte das außerordentliche Ansehn Delphis nicht sowohl auf diesen Festen als darauf daß an dieser Stätte durch das Zusammenwirken verschiedener religiöser Institute, namentlich des Orakels und der 205 hier am meisten ausgebildeten Apollinischen Sühnungsgebräuche ein Mittelpunkt für das gesammte Griechenland geschaffen wurde, mit Inbegriff der Colonien und der von griechischer Civilisation durchdrungenen Völker und Staaten Kleinasiens und Italiens, von welchem namentlich in den früheren Zeiten, so lange die Macht der Religion noch eine ungeschwächte war, ein eben so tief eingreifender als wohlthätig wirkender Einfluß ausgegangen ist. Wie sich die Anerkennung dieses Mittelpunktes sinnbildlich in dem Glauben daß zu Delphi, im Heiligthume des Pythischen Apollo, der Nabel d. h. die Mitte der den Griechen bekannten Welt seiγῆς ὀμφαλός, der Sage nach durch zwei Adler bestimmt, die Zeus von den entgegengesetzten Enden der Welt hatte fliegen lassen und die dort früher in goldnen Bildern, später in musivischer Ausführung zu sehen waren, Pind. P. 4, 4 Schol., Lob. Agl. 1003, a., und in den vielen Weihgeschenken Opfern und Gesandtschaften (Theorien) ausdrückte, mit denen Delphi von den verschiedensten Seiten bedacht wurde, so lassen sich die Merkmale dieses Einflusses andrerseits auch in den mit Delphi verbundenen Staaten und Städten an verschiedenen religiösen Instituten nachweisen. Namentlich gehören dahin die vielen Pythien, welche in den verschiedensten Richtungen und Gegenden nach dem Muster des Gottesdienstes zu Delphi gestiftet wurden, also den Cultus des Apollo Pythios mit seinen herkömmlichen Symbolen des Dreifußes, des heiligen Lorbeers u. s. w. als eben so viele Filiale verbreiteten. So im Norden, auf dem Wege aus Thessalien nach Makedonien, das Pythion am OlymposSteph. B. v. Πύϑιον, Plut. Aemil. Paus. 15, Liv. 44, 2. 32, Müller Dor. 1, 21. 202., die nördlichste Station der zahlreichen Verbindungen, welche in diesen Gegenden mit den Heiligthümern des Tempethales und mit Delphi unterhalten wurden, mit diesem durch Vermittlung der heiligen, d. h. für die Processionen bestimmten Straße auf welcher Herakles, der rechte Arm des Pythischen Apoll, in den Sagen der dortigen Bevölkerung als dessen Vorkämpfer erscheint. Ferner in dem Peloponnes, seitdem die Dorier den Dienst des Pythischen Apoll dahin gebracht hatten, eine ganze Reihe ähnlicher Stiftungen, unter denen der Apollo Pythaeus auf der Burg von Argos die älteste war und in früherer Zeit auch einen Mittelpunkt dieser peloponnesisch-dorischen Culte des Pythischen Apollo, der selbst in Sparta anerkannt wurde, gebildet hatteThuk. 5, 33, Paus. 2, 24, 1; 35, 2; 36, 5. Epidauros Asine und Hermione waren zu bestimmten Sendungen verpflichtet. Aber auch der Ap. Πυϑαεὺς zu Sparta war früher dem zu Argos verpflichtet gewesen, P. 3, 10, 10; 11, 7, Diod. 12, 78, also vermutlich auch der zu Megara, C. I. n. 1058. Außerdem gab es Tempel und Dienste oder Spiele des Pythischen Apoll zu Sikyon, zu Troezen (Ap. Θεάριος d. i. der Pythische, P. 2, 31, 9, vgl. Pind. N. 3, 70) zu Aegina, zu Tegea, zu Pheneos u. s.. 206 Aber auch in Athen, wo Ion für einen Pflegling des Apollo von Delphi galt, gab es seit den Zeiten Solons und der Pisistratiden ein PythionThuk. 2, 15; 6, 54, Suid. v. Πύϑιον, Hesych ἐν Πυϑίω. Ueber die heilige Straße von Athen nach Delphi s. Aesch. Eum. 9–16, Strabo 9, 422, über die beiden Pythien beim Kloster Dafni und bei Marathon Soph. O. C. 1047 Schol., E. Curtius z. Gesch. des Wegebaus b. d. Gr. 26., während auf attischem Gebiete die beiden Pythien in der Gegend von Marathon und an der attisch-eleusinischen Grenze auf verschiedene Richtungen der heiligen Straße deuten, auf welcher die Sendungen von Athen und den übrigen ionischen Staaten mit Delphi verkehrten. Denn auch die Ionier auf den Inseln des aegaeischen Meeres und in KleinasienIn Samos Paus. 2, 31, 9, Suid. v. Πύϑια. Chios sandte gelegentlich einen Chor von 100 Jünglingen nach Delphi Herod. 6, 27. In Ephesos Athen. 8, 62, bei allen Ioniern Diod. 15, 49. Durch diese kleinasiatischen Griechen verbreitete sich der Ruhm des Apoll von Delphi nach Lydien und Phrygien. hielten eifrig zu Delphi und dem pythischen Gottesdienste, wie die vom Peloponnes ausgegangenen Colonien achaeischen oder dorischen Ursprungs auf Kreta und in Italien und SicilienAuf Kreta namentlich Gortys und Knosos, C. I. n. 2555, Steph. B. v. Πύϑιος und die Inschrift von Dreros, wo er Ap. Πότιος hieß, wie im älteren Rom Ap. Putius.. Eine merkwürdige Uebereinstimmung der sonst durch so viele Eigenthümlichkeiten unterschiedenen Stämme, die sich auch darin offenbart daß sowohl in Sparta als in Athen die Weihe der wichtigsten Einrichtungen von Delphi geholt und in beiden Staaten für die Angelegenheiten der Religion und des dadurch bestimmten Rechts eine regelmäßige Verbindung mit Delphi unterhalten wurdeIn Sparta durch die Ποίϑιοι, in Athen durch die ἐξηγηταὶ Πυϑόχρηστοι.. Während andrerseits in den zahlreichen griechischen Colonialstädten, bei deren Ansiedlung und Einrichtung gewöhnlich der Pythische Apollo befragt wurde, dieser als der allgemeine ἀρχηγέτης und οἰκίστης d. h. als ihr göttlicher Anführer und Ansiedler verehrt wurdeKallim. Ap. 56 Φοῖβος γὰρ ἀεὶ πολίεσσι φιληϑεῖ κτιζομέναις, αὐτὸς δὲ ϑεμείλια Φοῖβος ὑφαίνει..

Auf diese Uebersicht der örtlichen Dienste und ihrer 207 verschiedenen Formen möge jetzt eine gleiche Uebersicht der verschiedenen Beziehungen Apollos zu dem menschlichen Leben und seinen natürlichen und sittlichen Bedingungen folgen, soweit dieselben bisher noch nicht berührt oder hinlänglich besprochen sind.

So ist Apollo uns schon als Gott der Heerden und der Weiden (Karneios) bekannt geworden. Gewöhnlich hieß er als solcher νόμιος, doch wurde er in dem örtlichen Gottesdienste noch unter vielen andern Beinamen, die auf Viehzucht deuten, verehrtMacrob. S. 1, 17, 43 aedes ut ovium pastoris sunt apud Camirenses ἐπιμηλίου, apud Naxios ποιμνίου, itemque deus ἀρνοκόμης colitur et apud Lesbios ναπαῖος (d. i. als Gott der Viehtriften, saltus, Schol. Ar. Nub. 144) et multa sunt cognomina per diversas civitates ad dei pastoris officium tendentia. Quapropter universi pecoris antistes et vere pastor agnoscitur. Dahin gehören Ap. μαλόεις in Mytilene, Thuk. 3, 3, Steph. B. Hesych, Ap. γαλάξιος in Boeotien, Prokl. Chrestom., Plut. d. Pyth. or. 16, τράγιος auf Naxos, Steph. B. v. τραγία, ϑοραῖος Lykophr. 352, ϑοράτης, ϑορναξ d. i. inuus von ϑορή ϑόρνυμι, und ἐρισαϑεύς in Attika Hes., und viele Sagen idyllischen und bukolischen Inhaltes erzählten von seinem Hirtenleben. Besonders die von dem Rinderdiebstahle des Hermes, der die Heerden Apollos entführt und versteckt, bis dieser sie wieder auffindet und dabei die Phorminx gegen den Hermesstab austauscht, worüber sich zugleich die herzinnige Freundschaft und Brüderschaft bildete in welcher die beiden Söhne des Zeus seitdem lebten; ein vorzüglich in Arkadien Elis und Messenien heimischer Mythus, auf dessen allegorische Naturbedeutung wir beim Hermes zurückkommen werden. Eine andere alte Sage der Art ist die, wie Apoll die Rinder des Laomedon hütete in den waldichten Schluchten des Idagebirges (Il. 21, 448) und die von seinem Freunde Admet zu Pherae bei dem er in Dienst gestanden (Il. 2, 766), was später wie jener Dienst bei Laomedon als die Folge einer Verschuldung angesehen wurde. Auf den fruchtbaren Ebenen Thessaliens weidete der Gott die Heerden des befreundeten Mannes, und sie gediehen so wunderbar daß seine Rosse die schnellsten, seine Heerden der Rinder und Schaafe die reichsten wurden. Und wie er die Heerde vor sich hintrieb, musicirte und sang Apollo so wunderschön, daß die wilden Thiere aus den Schlupfwinkeln des Gebirges hervorkamen und zuhörten, die buntgefleckte Hirschkuh aber, das liebe Thier Apollons tanzte dazu zierliche Tänze. So heißt es in einem schönen Chorliede des Euripides Alk. 569 ff., in welchem vielleicht volksthümliche Gesänge, wie sie bei den Sommerfesten 208 Apollons über diese und ähnliche Sagen gesungen wurden nachklingen, denn diese Fabeln und Märchen von dem Hirtenleben Apollons gehörten zu den beliebtestenVgl. die Citate, darunter Hesiod b. Schol. Eur. Alk. 1 und Hesych Ἀδμήτου μέλος, τὸ εἰς Ἄδμητον ᾀδόμενον σκόλιον, welches bald dem Alkaeos bald der Sappho bald der Praxilla zugeschrieben wurde, Eustath. Il. p. 326, 38, Praxillae fr. 3 Bergk. Auch der Beiname νόμιος wird gewöhnlich durch diese Fabel motivirt, Kallim. Ap. 47 ff., welcher hinzusetzt: ῥεῖά κε βουβόσιον τελέϑοι πλέον οὐδέ κεν αἶγες δεύοιντο βρεφέων ἐπιμηλάδες, ἧσιν Ἀπόλλων βοσκομένης ὀφϑαλμὸν ἐπήγαγεν, οὐδ' ἀγάλαγτες ὄιες οὐδ' ἄκυϑοι, πᾶσαι δέ κεν εἶεν ὕπαρνοι, ἡ δέ κε μουνοτόκος διδυματόκος αἶψα γένοιτο.. Immer ist er wunderschön und unwiderstehlich liebenswürdig, bald in der Einsamkeit die Hirtenflöte blasend oder die Zither rührend, bald jagt er sich mit den Nymphen oder spielt mit schönen Knaben. Die örtliche Sage und der Hirtengesang von Thessalien Arkadien und Lakonien war reich an solchen Erzählungen. So die bekannten Dichtungen vom Hyakinth und vom Linos, die weniger bekannte vom Skephros zu TegeaPaus. 8, 53, 1, vgl. Clem. Homil. 5, 15 Ἀπόλλων (ἐρᾷ) Κινύρου Ζακύνϑου Ὑακίνϑου Φόρβαντος Ὕλα Ἀδμήτου Κυπαρίσσου Ἀμύκλα Τρωίλου Βράγχου Τυμνίου (?) Πάρου Ποτνιέως Ὀρφέως, welche Fabeln sehr verschiedenen Ursprungs sind. Ueber Kyparissos und seinen Hirsch, wovon man auf der Insel Keos und auf Kreta erzählte, Ovid M. 10, 106 ff., Serv. V. A. 3, 64. 680, Ge. 1, 20., die meisten traurigen Inhaltes. Ferner die von Apollos Liebe zur schönen Daphne und zu anderen Nymphen der Waldthäler und Waldbäche, welche blühende Kinder von ihm gebärenDas benutzten wie gewöhnlich die Kirchenväter zu ihrer Polemik, Clem. Al. Protr. p. 27 P., Arnob. 4, 26, Iul. Firm. d. error, p. 16, wo genannt werden: Στερόπη Αἴϑουσα (Apollod. 3, 10, 1) Ἀρσινόη (die Mutter des Aklepios) Ζευξίππη Μάρπησσα Ὑψιπύλη Δάφνη., darunter die Lapithentochter Koronis, die Mutter des Asklepios, und die Nymphe Kyrene, die Mutter des Aristaeos, welcher nur eine andere Gestalt des Apollo Nomios ist. In noch anderen Culten und Sagen der Art erscheint Apoll als ἀγρεύς oder ἀγρευτής d. h. als Jäger und Bändiger der wilden Thiere und Beschützer der zarten, in welcher Eigenschaft er nicht selten an der Seite seiner Schwester, der Artemis ἀγροτέρα verehrt wurde, obwohl diese Auffassung mehr in dem Culte der Artemis als in dem seinigen vorherrschteBei Aeschylos im Gelösten Prometheus ruft Herakles zum Ap. ἀγρεύς, ehe er den Adler erschießt, Aesch. Ag. 55 behütet er das Nest der jungen Geier, vgl. Soph. O. C. 1091 τὸν ἀγρευτὰν Ἀπόλλω, Paus. 1, 41, 4 Ap. ἀγραῖος u. Art. ἀγροτέρα, Xenoph. d. venat. z. A. Ἀπόλλωνος καὶ Ἀρτέμιδος ἄγραι καὶ κύνες, ib. 6, 13, Pollux 5, 39. 40..

209 Seine ewige Jugend, verbunden mit rüstiger Kraft und Dauer, machte ihn ferner zum idealen Vorbilde und zur göttlichen Obhut aller männlichen Jugend. So gab es in Delos einen alten Altar des Apollo γενέτωρ d. h. des Erzeugers, an welchem kein blutiges Opfer dargebracht werden durfteMacrob. S. 3, 6, 2, wo Varro übersetzt Ap. Genitivus, während Censorin d. d. n. 2 den römischen genius natalis vergleicht. Ueber Ap. πατρῶος in Athen Harpokr. s. v., Poll. 8, 85, Demosth. adv. Eubul. 54. 67, Plat. Euthyd. 302 C. Als ionischer Stammgott war er i. q. πρόγονος oder ὁ του γένους ἀρχηγός d. h. ἀρχηγέτης, Plut. Demetr. 40, Diod. 19, 57, vgl. Eur. Ion 136 Φοῖβός μοι γενέτωρ πατήρ., ohne Zweifel derselbe Apollo welcher in Athen gewöhnlich πατρῶος genannt und als Stammgott der ionischen Geschlechter, woraus er mit der Zeit zum Symbole einer guten bürgerlichen Abkunft überhaupt geworden war, auf verschiedene Weise in die attische Sagengeschichte eingeschoben wurde. Auch wurde Apollo aus demselben Grunde seit alter Zeit bei Vermählungen und Hochzeiten angerufen und als befruchtender Gott in manchen alterthümlichen Sagen verherrlichtHom. H. in. Ap. P. 30 ἠέ σ' ἐνὶ μνηστῆρσιν ἀείδω καὶ φιλότητι u. s. w., vgl. Welcker Gr. G. 2, 339.. Eben so verbreitet war aber auch seine Verehrung als κουροτρόφος, in welchem Sinne er von der männlichen Jugend neben den Quellnymphen und Flußgöttern durch Weihung der ersten Schur des Haupthaares und andre Gaben verehrt wurdeHesiod th. 346, Kallim. Ap. 12, vgl. Od. 19, 86 ἀλλ' ἤδη παῖς τοῖος Ἀπόλλωνός γε ἕκητι Τηλέμαχος, Virg. A. 4, 143 ff. Ueber die Weihe des Haupthaars, welche von Eifrigen in Delphi vollzogen wurde, Theophr. char. 21, Non. Marc. p. 94 cirros, Martial 1, 31..

In den Gymnasien und Palaestren waren Apollo, Hermes und Herakles eine sehr gewöhnliche Gruppe. Namentlich gab Apollo Ausdauer im Faustkampfe und wurde selbst als Bezwinger des gewaltigen Faustkämpfers Phorbas gefeiertIl. 23, 660 Schol., H. in Ap. P. 31 Ilgen, das Vasenbild b. Gerhard t. 70, vgl. das alte Bild des Apollo, welches ausserordentliche Körperkraft verleiht, b. Paus. 10, 32, 4., dabei aber auch als sehr gewandt und schnellläufig gedacht, wie er gewöhnlich hurtig einherschreitend, laufend, als Schütz und Jäger gebildet und in Kreta und Sparta als δρομαῖος verehrt wurdePlut. Symp. 8, 4, 4, Paus. 5, 7, 4.. Auch im Kriege galt seine Hülfe für sehr wirksam, wie er sich in der Ilias oft in die Schlacht mischt und in Sparta und Amyklae als kriegerischer Gott im Bilde vergegenwärtigt, durch die Gymnopaedien und bei andern Gelegenheiten 210 als solcher gefeiertSowohl das Bild im Amyklaeon als das des Ap. Pythaeus auf dem Thornax war ein kriegerisches, P. 3, 10, 10; 19, 2. Lanzenbewaffneter Apoll in Delphi b. Plut. d. Pyth. or. 16. Ueber die Gymnopaedien s. P. 3, 11, 7, Athen. 15, 22, Hes. Suid. Et. M. v. Auch der Paean ertönte oft als Schlachtgesang., und in Athen wie bei den Ionen überhaupt durch die Gebräuche und Erinnerungen der Boedromien gleichfalls als hülfreich herbeieilender (βοηδρόμιος) Gott der Schlachten verherrlicht wurde.

Diesem kriegerischen Bilde mag sich zunächst anschließen das des Todesgottes, welches in den älteren Sagen ein sehr gewöhnliches war. Und zwar erscheint Apoll in solchen Sagen meistens wie ein ernster Würgengel, der mit den Pfeilen seines Bogens das Alter und die blühende Jugend plötzlich trifft und erlegt, wie die Blume des Feldes unter den heißen Strahlen der Sonne plötzlich das Haupt senkt. Oft ist dieser Tod als der schnellste und leichteste eine Wohlthat, wie Hekabe am Leichnam des Hektor sich mit einem rührend lieblichen Bilde ausdrückt (Il. 24, 757), er liege da so thauig und frisch wie einer den Apoll mit seinen sanften Pfeilen (οἷς ἀγανοῖς βελέεσσιν) getroffen habe, und dieser Ausdruck wiederholt sich oft bei plötzlichen und leichten TodesfällenOd. 3, 279; 7, 64 und die schöne Dichtung von dem Tode der Alten auf der Insel Syros Od. 15, 409; auch Od. 17, 251 u. 494. Ἀπολλωνόβλητοι i. q. ἡλιόβλητοι Macrob. S. 1, 17, 11.. Aber wo Apollo seinen Feinden oder den Feinden seines Volkes, in der Ilias den Griechen entgegentritt, da erscheint er mit einer furchtbaren, unerbittlichen, Alles vor sich niederwerfenden Majestät. Ganze Reihen der Kämpfenden wirft er mit der Aegis nieder und die Mauer der Griechen stürzt er um so leicht wie ein Kind am Strande die Sandhaufen die es sich im Spiele gebauet hat. Und dazu redet er so feierlich ernst von der Eitelkeit des menschlichen Lebens, als ob er eigentlich mit dem ganzen Kampfe und mit den Leidenschaften der Menschen nichts zu thun habeIl. 5, 433 ff.; 15, 355 ff.; 21, 435 ff.. So vernichtet er auch mit entsetzlicher Gewalt den Patroklos (Il. 16, 789), wie Apoll überhaupt ein bitterer Feind der Aeakiden war und später auch Achilles eigentlich durch ihn fiel, weil er ihm seinen lieben Troilos und den Hektor getödtet hatte. Auch Neoptolemos ist durch ihn gefallen und Meleager nach der älteren Sage (Paus. 10, 31, 2), und es ist von Bedeutung daß Odysseus gerade an einem Festtage Apollons die Freier tödtet (Od. 21, 258). So sind auch 211 die gewaltigen Aloiden seinen Pfeilen gefallen und Eurytos nach der älteren Sage, der gewaltige Bogenschütz der sich mit ihm zu messen wagte (Od. 8, 228), und Niobe mit ihren Kindern, die Unselige die sich in ihrem mütterlichen Stolze mehr als Leto zu sein vermaß und deshalb durch die beiden göttlichen Kinder der Leto die ganze blühende Schaar ihrer Knaben und Mädchen zusammenbrechen sah. Endlich Marpessa und ihr Geschlecht, eine von jenen bedeutungsvollen Sagen des höheren Alterthums, deren ganzer Sinn nicht mehr verständlich ist, die aber nichts desto weniger jedes empfängliche Gemüth tief ergreifen. Die Tochter des aetolischen Flusses Euenos wird sie von Apoll geliebt, aber von Idas dem Messenier aus seinem Tempel entführt. Ja der kühne Held spannt seinen Bogen wider den Gott, als dieser ihm in den Weg tritt. Zeus unterbricht den Kampf indem er der Marpessa die Wahl zwischen dem göttlichen und dem sterblichen Freier läßt. Sie wählt den sterblichen und wird die Mutter der schönen Kleopatra, der Gattin des großen Helden Meleager, aber beide, Mutter und Tochter und die Töchter dieser Tochter sterben eines frühen Todes und bringen Unglück über Unglück über ihre Geliebten. Vorzügliche Dichter und Künstler hatten sich mit dieser alten Sage beschäftigtIl. 9, 555 ff. Schol., Apollod. 1, 7, 8, Paus. 4. 2, 5; 5, 18, 1, O. Jahn Archäol. Aufs. S. 46 ff..

Doch war Apollo in noch weit ausgedehnterer Bedeutung Alexikakos d. h. ein Abwender alles Bösen, ein Gott des Heils. Wie er mit seinen lichten Pfeilen den finstern Python und den riesigen Tityos getödtet hat, so wehrt er überhaupt dem Bösen und allem Uebel. Wohin zunächst gehört Apollo Agyieus d. i. der Gott der Wege und Straßen, des Ein- und Ausganges, welchen man ἀγυιεύς ἀγυιάτης ϑυραῖος προστατήριος nannte und dessen schützende Gegenwart man vor den Thüren und in den Vorhöfen sinnbildlich durch eine kegelartig zugespitzte Säule darstellte, indem man ihn auf dem dabei befindlichen Altare mit einfachen Gäben und Opfern verehrteAesch. Ag. 1080, Eur. Phoen. 631 Schol., Aristoph. Vesp. 875, Macrob. S. 1, 9, 6, Harpokr. v. ἀγυιᾶς, Bekk. An. 331, Hellad. b. Phot. bibl. 535, 33. Man sieht solche Pfeiler nicht selten auf Münzen, z. B. auf denen von Ambrakia.. Nicht selten ist derselbe Agyieus aber auch ein Symbol der städtischen Ansiedlung und der durch den Apollinischen Frieden geschützten Straßen, daher er als solcher wohl auch von ganzen Gemeinden verehrt 212 wurde, z. B. in Megara und in Tegea und in dem attischen Demos AcharnaePaus. 1, 31, 3; 44, 1; 8, 53, 1. 3. Von der Ansiedlung der Dorier in Megara spricht Dieuchidas b. Harpokr. und Schol. Ar. Vesp. 5. c. In den Versen der Boeo b. P. 10, 5, 4 sind Παγασὸς und Ἀγυιεὺς Symbole der heiligen Straße über Pagasae nach Delphi.. Auch auf den weit verbreiteten Dienst des Apollo Delphinios wäre hier noch einmal zu verweisen, sofern derselbe als Gott der Häfen und des beruhigten Meeres verehrt wurde, desgleichen auf Apollo Lykeios, das Heil aller Flüchtigen und Verbannten. Endlich und besonders Apollo als eigentlicher Heilgott, da er als Gott der Sonne und der heißen Jahreszeit zwar die meisten Seuchen und die furchtbare Pest sendetIl. 1, 44 ff., Macrob. S. 1, 17, 9, Welcker kl. Schr. 3, 33 ff., aber auch der wirksamste von allen Göttern der Heilung ist, wie sich dieses vorzüglich in den Gottesdiensten seiner beiden Söhne, des Aristaeos und Asklepios ausspricht. Doch ist auch Apollo immer als Heilgott und Heilkünstler viel verehrt worden. Der epische Götterarzt Παιήων ist allerdings genau genommen von ihm zu unterscheidenIl. 5, 401. 899, Od. 4, 231, wo Aristarch las: ἰητρὸς δὲ ἕκαστος, ἐπεί σφισι δῶκεν Ἀπόλλων ἰᾶσϑαι, καὶ γὰρ Παιήονός εἰσι γενέϑλης. Vgl. die Scholien und Eustath. und die von ihnen citirten Verse Hesiods: εἰ μὴ Ἀπόλλων Φοῖβος ὑπὲκ ϑανάτοιο σαώσαι ἢ καὶ Παιήων, ὃς ἀπάντων φάρμακα οἶδεν, Nikander Ther. 686. Apollo Παίων unter lauter Heilgöttern zu Oropos, Paus. 1, 34, 2. Die Locken des Apoll strömen πανάκειαν und von ihm lernen alle Aerzte ἀνάβλησιν ϑανάτοιο, Kallim. Ap. 39. 45, vgl. Virg. A. 12, 391 ff., Ovid M. 1, 521, Röm. Myth. 268. Der Paean wird gewöhnlich erklärt als Gesang ἐπὶ καταπαύσει λοιμῶν καὶ νόσων ᾀδόμενος., doch wurden beide früh für gleichbedeutend gehalten, ohne Zweifel wegen des Apollinischen Paean, welcher nun speciell dem Siege des lichten Gottes über böse Seuchen und Krankheiten galt. In demselben Sinne ward Apollo bei den Milesiern und Deliern als οὔλιος gefeiert, in Elis als ἀκέσιος, in Lindos auf Rhodos als λοίμιος, in andern Gegenden unter andern Beinamen, welche immer vorzüglich seine Hülfe bei pestartigen Epidemien ausdrückenΟὔλιος d. i. ὑγιαστικὸς καὶ παιωνικός, Strab. 14, 635, vgl. Macr. S. 1, 17, 21. Das Wort hängt nach G. Curtius zusammen mit salus, salvus. Ἀκέσιος u. s. w. s. Paus. 6, 24, 5, vgl. 4, 34, 4; 10, 11 , 4, Macr. l. c. 15, dahingegen ib. 24 ein auf dem Vorgebirge Pachynos verehrter Ap. Λιβυστῖνος genannt wird, welcher die Libyer durch Pest vertrieb. Ap. προστάτης zu Olbia, dem die Stadt Frieden Wohlfahrt und Gesundheit verdankt, C. I. n. 2067–75, ἰητὴρ νόσων n. 6797, daher neben heilenden Nymphen verehrt, E. Curtius üb. Griech. Quell- und Brunneninschr. Gött. 1859 S. 14.. Namentlich gab es in Athen ein altes, an schweren Erinnerungen reiches Bild dieses Apollo 213 Alexikakos, welches zu Anfang des peloponnesischen Krieges auf Veranlassung jener schrecklichen Pest geweiht wurde und von der Hand des Kalamis war (Paus. 1, 3, 3). Und fast um dieselbe Zeit wurde ihm als dem Helfer in gleicher Noth (ἐπικούριος) jener Tempel zu Bassae bei Phigalia errichtet, welcher noch jetzt auf einsamer Gebirgshöhe in schönen Trümmern die Berge und Wälder von Arkadien Messenien und Elis überragt.

Endlich von den das Gemüth ergreifenden Wirkungen der Apollinischen Religion d. h. von der Apollinischen Musik Mantik und Kathartik, welche sämmtlich auf dasselbe Ziel einer außerordentlichen Erregung und Begeisterung, in welcher sich das Göttliche dem menschlichen Geiste offenbart, also auf Enthusiasmus und Ekstase hinauslaufen. Kein Cultus ist in dieser Hinsicht so reich wie der Apollinische und nur der des Zeus und des Dionysos lassen sich mit ihm vergleichen. Zum Zeus hat Apollo eben deswegen als sein ProphetΔιὸς προφήτης δ' ἐστὶ Λοξίας, Aesch. Eum. 19., als der begeisterte Verkündiger seines Willens ein eben so inniges Verhältniß als Athena, daher es von beiden heißt daß sie seine liebsten Kinder sind und zur Rechten des Vaters sitzenHom. H. in Merc. 468 ff. πρῶτος γὰρ μετ' ἀϑανάτοισι ϑαάσσεις u. s. w., Kallim. Ap. 29 ἐπεὶ Διὶ δέξιος ἧσται.. Aber auch Dionysos stand dem Apoll sehr nahe, da beiden wie gesagt dieses Element der enthusiastischen Gemüthserregung, welche sich als musische und poetische Begeisterung und als Weissagung und Reinigung offenbart, gemeinsam ist und in dieser Hinsicht nur ein gradueller, kein principieller Unterschied zwischen ihnen stattfindet (Strabo 10, 468). Eben deshalb wurden diese Götter oft neben einander verehrt, wie sich auch die heilige Sage von ihnen oft berührte, sowohl in den nördlichen Gegenden des Musen- und des Dionysosdienstes, am Olymp und an der Rhodope, als am Parnaß und zu Delphi, wo sie gemeinschaftliche Heiligthümer hatten und gemeinschaftlich gefeiert wurden, nur Apollo mehr in der schönen Dionysos in der winterlichen Jahreszeit. Aber auch in Attika, auf Chios, zu Olympia und sonst findet sich diese Verschmelzung der beiden Culte, daher sie auf Vasengemälden und anderen Bildwerken nicht selten neben einander und durch Parallelismus verbunden erscheinen.

Die erste und bekannteste dieser Arten des Apollinischen Enthusiasmus ist seine Musik, die bei seinen Festen in verschiedenen Stimmungen aufzutreten pflegte, aber immer den Gott des 214 beseligenden und triumphirenden Lichtes bedeutet. Alle Apollinischen Feste waren voll von musikalischen und lyrischen Uebungen und insofern eine wahre Schule der empfindungsvollen Tonkunst, wie denn auch die Lyriker in Hymnen, Paeanen und Prosodien ihre besten Gaben an solchen Festen darzubringen pflegten. In Delphi nannte man den ersten pythischen Sänger und Sieger einen Kreter, in Delos den ältesten Hymnoden einen Lykier, also werden die Anfänge solcher Uebungen in jenen Gegenden zu suchen sein. Aber bald waren Delos und Delphi selbst die wichtigsten Apollinischen Kunstschulen. Dort erhielt sich das Andenken der alten Sänger durch jene religiösen Lieder zur Feier der Geburt, die von einer Generation zur andern gesungen wurden, wie das ehrwürdige Gedicht an den Delischen Apoll, das älteste unter den Homerischen Hymnen, an solche Traditionen ausdrücklich erinnert. Und auch die festliche Tracht, in welcher Apollo als Kitharöde und nach seinem Vorbilde alle Lautner und Sänger an seinen Festen zu erscheinen pflegten, namentlich auch bei den pythischen Wettkämpfen zu Delphi, war und blieb die ionische mit den weiten wallenden Gewändern, nicht die dorisch-hellenische. Dahingegen in andern Gegenden, wo der Apollinische Paean und das Lied von der Drachentödtung am meisten gepflegt wurde, die künstlichere Musik und Lyrik am besten gedieh, wie sie früher in den Gesangschulen von Kreta und Lesbos, später bei der Feier der Karneen und Gymnopaedien zu Sparta geübt wurde, ihren heiligen Mittelpunkt für ganz Griechenland aber in Delphi und seinem Gottesdienste gefunden hatte. Ist doch Apollo selbst der Sage nach in Delphi zuerst als Sänger eingezogen, an der Spitze der von ihm aus Kreta berufenen Priester, feierlichen Schrittes (καλὰ καὶ ὕψι βιβάς) und in duftenden Gewändern, die klingende Phorminx im Arme, wie der alte Hymnengesang ihn zu schildern pflegte und wie die bekannten pythischen Siegesdenkmäler und viele Vasenbilder ihn vergegenwärtigenH. in Ap. P. 4 ff.; 335 ff., Welcker A. Denkm. 2, 37; 3, 50 ff.. Und nach seinem Vorbilde und unter seiner Obhut wurde nachmals der pythische Wettkampf in der Musik gestiftet, als dessen erste Sieger der Kreter Chrysothemis und die Thraker Philammon und Thamyris genannt wurden, denen sich in den alten Verzeichnissen eine lange Reihe anderer Künstler anschloß. Das immer sich wiederholende Thema und Grundschema dieser pythischen Wettübungen war der Drachenkampf und der 215 pythische NomosVgl. die Nachrichten b. Paus. 10, 7, 2, in der Chrestom. des Proklos, b. Pollux 4, 84 und b. Strabo 9, 421; Böckh de metr. Pind. p. 182., doch wurde dieser mit der Zeit immer kunstreicher ausgebildet, indem einige den Chor und die Orchestik hinzufügtenAngeblich Philammon, Synkell. Chronogr. p. 307. Apollon ὀρχηστὴς bei Pindar, Athen. 1, 40. Ueber den Unterschied der Kithar Lyra und Phorminx v. Jahn in Gerhards Denkm. u. Forsch. 1858 n. 115., andere die Instrumentalmusik immer mehr vervollkommneten. Das vorherrschende Instrument blieb die Apollinische Kithar oder Phorminx, die man auf so vielen Bildwerken in den Armen Apollons ruhend oder von ihm in der Entzückung emporgehoben sieht, das ernste Instrument mit der Alles ergreifenden und besänftigenden Wirkung, wie dieses Pindar in dem ersten pythischen Siegesgesange so unvergleichlich schön ausführt. Indessen fand doch auch die Flötenmusik sehr früh bei diesen Uebungen Aufnahmeτὸ αὔλημα τὸ Πυϑικόν, von dem Argiver Sakadas eingeführt, Paus. 2, 22, 9; 6, 14, 4. Bei den dorischen Lyrikern z. B. Alkman galt Apollo sogar für den Erfinder der Flötenmusik, hin und wieder auch der Syrinx d. h. der Hirtenflöte, Plut. d. mus. 14, vgl. Hesych δονάκταν τὸν Ἀπόλλωνα Θεόπομπος.. Apollo selbst aber wurde durch alle diese Uebungen und Sagen zum Gotte der Tonkunst und des Gesanges schlechthin, obwohl er diese Ehre genau genommen mit anderen Göttern theilte. Namentlich mit den Musen, deren Dienst ursprünglich dem des Zeus und des Dionysos näher stand als dem des Apollo, die aber bald mit diesem eine unzertrennliche Gruppe bildeten, in welcher Apollo nach der ältesten Auffassung nur die Kithar spielt, während die Musen dazu singenPindar N. 5, 22 πρόφρων δὲ καὶ κείνοις ἄειδ' ἐν Παλίῳ Μοισᾶν ὁ κάλλιστος χορός, ἐν δὲ μέσαις φόρμιγγ' Ἀπόλλων ἑπτάγλωσσον χρυσέῳ πλάκτρω διώκων ἀγεῖτο παντοίων νόμων. Hesiod sc. Herc. 201, Paus. 5, 18, 1. So auch in dem einen Giebelfelde des T. zu Delphi, während das andre den Dionysos und die Thyiaden zeigte, P. 10, 19, 3.. In dieser Verbindung aber galten sie nun für die beste Zierde aller Olympischen Göttermahle und überhaupt aller Feste und Freuden der Götter, die ohne die Saiten Apollons und den Gesang der Musen gar nicht zu denken warenIl. 1. 603, H. in Ap. P. 8 ff., so wie auch für die erste Quelle aller musikalischen und poetischen BegeisterungOd. 8, 488, Hom. H. 25.. So hatte Apollon auch die Kithar nach der gewöhnlichen Sage zwar nicht erfunden, sondern er erhielt sie durch Tausch von Hermes. Aber er allein weiß sie doch erst zu 216 gebrauchen und zwar zu solchen ernsten und erhabenen Gesängen, wie sie auch den Musen gewöhnlich in den Mund gelegt werden, von dem Ursprunge der Dinge und von den unsterblichen Göttern (Hom. H. Merc. 420 ff.). Noch andere Sagen erzählten von göttlichen Sängern, denen Apoll das Dasein oder ihre Kunst gegeben, obwohl auch hier zwischen der älteren und jüngeren Tradition wohl zu unterscheiden ist. Wieder andere von seinen musikalischen Antipathien, wie die von Marsyas, dem Silen der phrygischen Sage, dessen Flöte es mit der Kithar Apollons aufnehmen wollte und der darüber von diesem geschunden wurde.

Die zweite Art der Apollinischen Gemüthserregung ist die prophetische Offenbarung oder Mantik, auch diese in einem sehr weiten Umfange, sowohl als Theopneustie d. h. als unmittelbare Begeisterung des menschlichen Gemüths, als in der Form jener künstlichen Auslegungen von allerlei gegebenen Zeichen und Wundern, an denen das Alterthum so außerordentlich reich war. Doch war das eigentliche Gebiet der Apollinischen Weissagung jene unmittelbare Prophetieτὸ ἐξ Ἀπόλλωνος μαίνεσϑαι Paus. 1, 34, 3., welcher das Zukünftige oder Entlegene vor der geistigen Anschauung und als Gesicht gegenwärtig ist, und zwar so daß diese Offenbarungen mit urplötzlicher, Mark und Bein ergreifender Gewalt und wie eine Last des Herrn über das erwählte Gefäß kommen, in den ältesten Sagen meist über Frauen und Jungfrauen. Das merkwürdigste Beispiel dieser Gemüthsqualen und jener inneren Hoffnungslosigkeit aller Prophetie d. h. ihres beständigen Kampfes mit der Kurzsichtigkeit der Menschen und dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ist Kassandra, dieses tiefergreifende Bild der troischen Sage, von welcher besonders die Kyprien erzählten und deren Leiden für uns Aeschylos in seinem Agamemnon schildert. Weil sie Apollons Liebe nicht erwiederte, fand ihre Weissagung, obgleich immer wahr, doch niemals Gehör. Verwandte Gestalten sind die vielen Sibyllen, deren Heimath auch Kleinasien und die Apollinische Religion istKlausen Aeneas u. die Penaten S. 204 ff. Vgl. die allgemeine Characteristik nach Heraklit b. Plut. de Pyth. or. 6. Σίβυλλα δὲ μαινομένῳ στόματι καϑ' Ἡράκλειτον ἀγέλαστα καὶ ἀκαλλώπιστα καὶ ἀμύριστα φϑεγγομένη χιλίων ἐτῶν ἐξικνεῖται τῇ φωνῇ διὰ τὸν ϑεόν., die Cumanische, die Erythraeische und viele andere, deren Weissagungen sammt den Sagen von ihrer persönlichen Thätigkeit, welche gewöhnlich wie die der Nymphen begeisternde Quellen oder die Höhlen und Grotten des Gebirges zu ihrem 217 Schauplatze hat, sich bald von Asien nach Griechenland und Italien verbreiteten. So erzählt man in Troas, Erythrae, Klaros, Sarnos, Delos und Delphi von einer Sibylle Herophile, einer Priesterin des Sminthischen Apoll, welche alte Hymnen auf Apoll gesungen und sich selbst die Tochter einer Nymphe vom Ida genannt hatte (Paus. 10, 12), und im italischen Cumae von der aus der römischen Geschichte bekannten Sibylle, welche gleichfalls eine Priesterin des Apoll und eine eifrige Beförderin seines Dienstes war. Aber auch die Weissagung von Männern ist eine Gabe des Apoll, sowohl die des unmittelbaren Gesichts als die der Deutung aus gegebenen Zeichen, wie die Weissagung des Amphiaraos und Kalchas und anderer Ahnherrn der sich von ihnen ableitenden prophetischen GeschlechterIl. 1, 68 ff. 86, Od. 15, 245. 252. Vom Iamos Pind. Ol. 6, 41 ff. Auch untergeordnete Gattungen der populären Divination wurden gewöhnlich vom Apollo abgeleitet, z. B. ἀλευρόμαντις ὁ Ἀπόλλων διὰ τὸ καὶ ἐν ἀλεύρως μαντεύεσϑαι Hes.. Die ältesten Stätten des Apollinischen Dienstes aber, wo die Weissagung unter Aufsicht priesterlicher Collegien mit bedeutendem Einfluß auf religiöse bürgerliche und Privatangelegenheiten geübt wurde, sind wohl gleichfalls die in Kleinasien. Namentlich bei Troja der Thymbraeische Dienst, an welchen sich sowohl die Sage von der Kassandra als die von Helenos anlehntKlausen a. a. O. S. 184 ff. Das Wort Θύμβρα hängt zusammen mit ϑύω., ferner die in den von Aeolern und Ioniern colonisirten Gegenden, nehmlich der alle Gryneische Apollonsdienst bei Myrina auf LesbosStrabo 13, 622, Paus. 1, 21 , 9, Serv. Virg. Ecl. 6, 72, O. Jahn in den Leipz. Berichten 1851 S. 139. Man erzählte auch hier vom Drachenkampfe Apollos und die Münzen von Myrina zeigen den Omphalos und die Lorbeerzweige. Sonst war auf Lesbos die Tamariske (μυρίκη) das Symbol der Apollinischen Weissagung, Schol. Nik. Ther. 613., das Klarische Orakel bei Kolophon mit der Sage vom Wettkampfe der beiden Propheten Kalchas und Mopsos, welcher nach Andern im Haine des Gryneischen Apollo vorfielStr. 14, 642, Paus. 7, 3, 1; 5, 5; 8, 29, 3., endlich das dem Zeus und Apollo geweihte zu Didyma oder Didymoi in der Nähe von Milet, das berühmteste von allen. Es war älter als die ionische Colonie von Milet und im erblichen Besitze der Branchiden, welche sich von Branchos, einem Lieblinge Apolls abzustammen rühmten, das ganze Heiligthum eins der angesehensten und prächtigsten der Apollinischen ReligionHerod. 6, 19, Steph. B. v. Δίδυμα, Str. 14, 614, Paus. 7, 2, 4; 5, 2. Daher Ζεὺς und Ἀπ. Διδυμεὺς oder Διδυμαῖος, also nach dem Orte. Apollo führte auch den Namen Φιλήσιος, mit Beziehung auf die Liebe zum Branchos, Plin. 34, 75, Macrob. S. 1, 17, 64, Welcker Gr. G. 2, 382. Ueber das Orakel der Branchiden Soldan Zeitschr. f. A. W. 1841 n. 66–70 und Schönborn üb. d. Wesen Apollons S. 49 ff., welcher semitische Einflüsse nachweist. Ueber die späteren Zeiten dieses und der andern Orakel G. Wolf de noviss. orac. aet. Berol. 1854.). Ferner hatte Lykien mehrere 218 berühmte Orakel des Apoll, besonders das zu Patara, dessen Apollinischer Dienst mit dem Delischen an Heiligthum wetteiferteHerod. 1, 182, Horat. Od. 3, 4, 64, Serv. V. A. 4, 143, Paus. 9, 41, 1. Von andern Propheten und Orakeln in Lykien Herod. 1, 78, Paus. 7, 21, 6. Weiter begegnen wir auf Delos einem alten Apollinischen Propheten, dessen Name in dem Sagenkreise der Kyprien genannt zu werden pflegteMeineke An. Alex. 16 sqq., Welcker ep. Cycl. 2, 107 ff., der dichtesten Reihe von Orakeln aber in Boeotien und Phokis, bis diese ganze Reihe in Delphi ihre letzte Vollendung und ihren Abschluß findet. Boeotien war sehr reich an Höhlen und Quellen, bei denen sich die alte Weissagung und Naturbegeisterung immer gerne ansiedelte. Von den Apollinischen Orakeln war das berühmteste das des Ptoischen ApollHerod. 8, 135, Paus. 9, 23, 3, Ulrichs Reisen 238. Ueber Tegyra Steph. B. v., Plut. def. or. 5. 8., doch war auch das zu Tegyra bei Orchomenos und das des Ismenischen Apoll zu Theben in älterer Zeit sehr angesehen, wie dieser Dienst überhaupt durch seine Sagen, seine festlichen Gebräuche, seine Weihgeschenke einer der ausgezeichnetsten von Theben warHerod. 1, 52; 5, 59 ff.; 8, 134, Paus. 9,10. Unter den Dreifüßen zeigte man auch den der 7 Weisen Plut. Sol. 4. Geweissagt wurde aus Opfern wie zu Olympia.. In Phokis hatte Abae ein gleichfalls in der älteren Zeit berühmtes Orakel des ApollHerod. 8, 27. 33. 134.. Indessen alle diese kleineren Stätten überstrahlte mit der Zeit das große griechische Hauptorakel zu Delphi, dessen Einfluß zu allen Zeilen ein außerordentlicher, in einigen ein allmächtiger war. Schon die Ilias kennt die felsige Pytho mit der wohlgefüllten Schatzkammer (9, 405; 2, 519), in der Odyssee sagt dieses Orakel den Wendepunkt des trojanischen Krieges vorher (8, 79). In dem Homerischen Hymnus stiftet Apollon selbst das Orakel; nach delphischer Sage war es früher im Besitze anderer Götter gewesen, zuerst der Erde, dann der Themis, dann der Phoebe, endlich des ApollAesch. Eum. z. A. Einige Abweichungen b. Paus. 10, 5, 3, welcher ausdrücklich bemerkt: λέγεται δὲ πολλὰ μὲν καὶ διάφορα ἐς αὐτοὺς Δελφούς, πλείω δὲ ἔτι ἐς τοῦ Ἀπόλλωνος τὸ μαντιεῖον.: wodurch man sich auf mythologische Weise zu erklären 219 suchte wie dieses Orakel, eigentlich ein μαντεῖον χϑόνιον (Eurip. Iphig. T. 1249), in den Besitz des Lichtgottes Apoll gekommen sei. Denn die physische Ursache der dortigen Weissagung war ein Schlund mit ausströmenden kalten Dämpfen, welche ekstatische Erregungen verursachten. Dieser Schlund befand sich auf dem obern Felsenplateau der merkwürdigen Schlucht von Delphi, wo man noch jetzt die Reste des großen Tempels sieht, und über ihm seit alter Zeit das Adyton des Apollinischen HeiligthumsUeber den Schlund und seine Ausströmungen Iustin. 24, 6, Cic. de Div. 1, 36, 79, Strabo 9, 419, Diod. 16, 26, Philostr. Nero p. 339 ed. Kayser., welches sich mit der Zeit immer mehr erweiterte und verschönerte, umgeben von einem weitläuftigen Tempelhofe und allen den zahlreichen Denkmälern und Nebengebäuden, die Pausanias beschreibt. Ueber dem Schlunde stand ein Dreifuß von bedeutender Höhe, golden, mit einem Sitze für die Pythia, welche schon zur Zeit des Aeschylos eine ältliche Frau war. Aufgeregt durch jene gasartigen Ausströmungen sprach sie Weissagungen aus, welche natürlich dunkel und räthselhaft waren, daher der Beiname des delphischen Orakelgottes ΛοξίαςHeraklit b. Plut. de Pyth. or. 21. ὁ ἄναξ οὗ τὸ μαντεῖόν ἐστι τὸ ἐν Δελφοῖς οὔτε λέγει οὔτε κρύπτει, ἀλλὰ σημαινει. Λοξίας von λοξὰ ἔπη, λοξοὶ χρησμοί, Lykophr. 14. 1467, Lukian D. D. 16 καταστησάμενος ἐργαστήρια τῆς μαντικῆς τὸ μὲν ἐν Δελφοῖς τὸ δὲ ἐν Κλάρῳ καὶ ἐν Διδύμοις ἐξαπατᾶ τοὺς χρωμένους αὐτῷ λοξὰ καὶ ἐπαμφοτερίζοντα πρὸς ἑκάτερον τῆς ἑρωτήσεως ἀποκρινόμενος. Cornut. 32 λοξῶν δὲ καὶ περισκελῶν ὄντων τῶν χρησμῶν οὓς δίδωσι Λοξίας ὠνόμασται.. Ihre metrische Form bekamen sie durch die Redaction der delphischen Edlen und Mitglieder des heiligen Rathes, von denen oft die Rede istὍσιοι und προφήτης, s. O. Müller Dor. 1 S. 211.. Also eine Vereinigung von künstlicher Theopneustie und reflectirender Auslegung, wie dieses auch bei den Branchiden im Didymaeon bei Milet und in dem Orakel zu Klaros und bei den meisten alten Orakeln der Fall gewesen zu sein scheint. Und in der That ist ein solcher Einfluß wie ihn diese Orakel, besonders das delphische, übten gar nicht denkbar ohne den mitwirkenden Einfluß ausgezeichneter Männer und priesterlicher Collegien, deren persönliches Verdienst wesentlich darin bestanden haben wird, daß sie die Verhältnisse in Griechenland und im Auslande genau kannten und die Aussprüche der Pythia demgemäß mit Einsicht und Wohlwollen zu deuten wußten.

220 Zeigt sich nun in solchen Instituten die Macht des Lichtgottes als Offenbarung, so ist die schönste aller Uebertragungen doch diese, wo Apoll als Versöhner und Erlöser in allen den Körper verzehrenden und den Geist umnebelnden Sünden und Schäden erscheint, sei es daß natürliche Krankheit oder daß Verbrechen und Schuld zu Grunde lag. Er ist in dieser Hinsicht ganz das Gegentheil jener dunkelen Mächte des Schicksals und der Rache, die im Finstern wohnen und aus dem Finstern wirken, während Apoll, wie sein eignes Wesen Glanz und Klarheit ist, so auch alles Düstre und Böse mit seinem milden Lichte überstrahlt und nicht duldet, sondern die Mittel zur Heilung und zur Versöhnung findet. Wir haben die deutlichen Merkmale dieser sehr alten und weit verbreiteten Auffassung bereits in vielen örtlichen Gottesdiensten nachgewiesen, denen des lykischen Apollo, auch in dem der Kameen, der Thargelien, der Delphinien, welche Feste sämmtlich mit Sühngebräuchen verbunden waren. Am weitesten war doch aber auch in dieser Beziehung die Entwicklung des pythischen Gottesdienstes gediehen mit der zu Grunde liegenden Thatsache des Kampfes mit dem Drachen: woraus sich eine bildliche Geschichte mit entsprechenden Gebräuchen gestaltet hatte, in welcher Apollon selbst die handelnde und leidende Person war. Er habe sich, so hieß es in dieser Sage, durch das vergossene Blut des Python verunreinigt gehabt und deshalb fliehen und sich einer langen Buße unterziehen müssen, wie daran gewöhnlich die Sage von seinem Dienste bei Admet anknüpfteAusnahmsweise wird dieser Dienst auch durch die Tödtung der Kyklopen motivirt, Apollod. 3, 10, 4.. Und weil solche Buße ein s. g. großes Jahr oder eine Periode von acht vollen Jahren (eine Ennaeteris) zu dauern pflegte, so wurde auch im Cultus diese Flucht und Buße alle acht Jahre um die Zeit der Pythien, wie es scheint, von neuem sinnbildlich aufgeführt, so daß er also immer von neuem als Φοῖβος ἀληϑῶς, wie Plutarch sich ausdrückt, d. h. als der lichte und reine Gott, der Erlöser von allem Unreinen zurückkehrtePlut. d. def. or. 15. 21, Qu. Gr. 12, de Mus. 14, Aelian V. H. 3, 1, Steph. B. v. Λειπνιάς und über das Apollinische große Jahr und die Flucht Dienstbarkeit und Wiederkehr des Apoll Censorin d. d. n. 18, Müller Orchom. 219, Dor. 1, 202 ff., A. Mommsen lbb. f. Philol. 3 Suppl. 1859 S. 382. Bei Plut. Qu. Gr. 12 verstehe ich die τρεῖς ἐνναετηρίδας κατὰ τὸ ἑξῆς von drei Acten, welche alle acht Jahre in demselben Jahre nach einander d. h. in verschiedenen Jahreszeiten gefeiert wurden, das Septerion (Hesych σεπτήρια καϑαρμός, ἔκϑυσις) zur Zeit der Pythien, also im Herbst, die Herois in der bacchischen Jahreszeit, also im Winter, die Charila zur Zeit der Erndte und der Theophanien. Uebrigens wies eine andre Sage wegen der Reinigung des Apoll nach Kreta, s. Paus. 2, 7, 7; 30, 3; 10, 7, 2; 16, 3; Schol. Pind. p. 298 ed. Boeckh.. Der Tod des 221 Drachen wurde dann förmlich aufgeführt und ein Knabe, der den Apoll vorstellte, mußte gleich darauf fliehen, bis in die Gegend von Tempe, in dessen Lorbeerhainen Apollon selbst Reinigung gefunden und als Reiner sein Haupt zuerst mit dem Lorbeerkranze geschmückt hatte. So mußte auch jener Knabe dienstbar werden bis die vorgeschriebene Zeit abgelaufen war, worauf er wie Apollon gereinigt und in feierlicher Procession mit Daphnephorien d. h. im Schmuck von Lorbeerzweigen und Lorbeerkränzen mit entsprechenden LiedernTertull. d. cor. 7 habes Pindarum et Callimachum, qui et Apollinem memorat interfecto Delphyne dracone lauream induisse qua supplicem, vgl. Lucan 6, 408 unde et Thessalicae veniunt ad Pythia laurus, C. I. n. 1766. Auch in Boeotien wurden ennaeterische Daphnephorien zu Ehren des Apollo gefeiert, vermuthlich gleichzeitig mit der pythischen Procession, namentlich in Theben zu Ehren des Ap. Ismenios, s. Prokl. chrestom. in Phot. bibl. p. 321 Bekk., wo die s. g. Kopo, ein Holz vom Oelbaum, woran unter reichem Schmuck von Zweigen und Blumen Sonne Mond Sterne und Gestirne befestigt waren, den Jahreslauf darstellte, Paus. 9, 10, 4, Boeckh expl. Pind. p. 590. Ap. Λαφναφόρος zu Chaeronea C I. n. 1595, Λαφνηφορεῖον zu Phlya in Attika Athen. 10, 24. durch Thessalien nach Delphi zurückgeführt wurde. Andere symbolische Beziehungen der Art werden wir in der Sage vom Herakles finden, welcher nach der später gewöhnlichen Auffassung ganz als Diener und Werkzeug des Apollon ἀλεξίκακος in diesem höheren Sinne des Wortes erscheint, noch andre in der vom Orestes und in der ihr nachgebildeten vom Alkmaeon. Meistens ist in diesen Sagen Blutschuld und Blutrache die leitende Vorstellung. In älterer Zeit war dafür das auch bei den allen Deutschen gewöhnliche Blutgeld ein zureichendes Abkommen gewesen. Aber mit dem Apollinischen Dienste hatte sich bei den Griechen eine tiefere Auffassung des sittlichen und des Gemüthslebens verbreitet, so daß das Verbrechen fortan als eine Folge und Ursache innerer Verstörung und schwerer Zerrüttung des Geistes angesehen wurde, für welche eine Heilung nur durch Buße und durch göttliche Gnade gefunden werden könne. Der flüchtige Mörder wurde deshalb aus dem bürgerlichen Leben und aus der religiösen Gemeinschaft förmlich ausgestoßen und man dachte sich ihn von den Furien verfolgt und bösem Wahnsinn verfallen, wie die Dichter und Sagen dieses an dem Bilde des Orestes weiter auszuführen pflegen. 222 Aber wenn er sich als Büßender und Schutzflehender (ἱκέτης, προστρόπαιος) an Apollon wendet, so hat dieser Reinigung und Sühnung für ihn, indem er ihn mit dem Blute des Sühnopfers besprengt und mit dem heiligen Lorbeerzweige alle Unsauberkeit von ihm abkehrt. Zugleich legt er ihm heilsame Werke der Buße auf, die der Sünder dann im Dienste Apollons und als sein Eigner (daher Δουλορέστης) verrichtet, bis die Zeit abgelaufen ist und er wieder in das Leben zurückkehren kann. Das sind die leitenden Vorstellungen vieler Sagen, welche gewöhnlich bei dem pythischen Apollonsdienste zu Delphi anknüpfen, woher auch die alten Lustrationssatzungen in Athen und in vielen andern Städten stammtenZ. B. in Ambrakia Antonin Lib. 4, wo Apollo sagt: τὸ δὲ ὅλον αὐτὸς ἐν τῇ πόλει παῦσαι πλειστάκις ἐμφύλιον πόλεμον καὶ ἔριδας καὶ στάσιν, ἐμποιῆσαι ἀντὶ τούτων δ' εὐνομίαν καὶ ϑέμιν καὶ δίκην, ὅϑεν αὐτὸν ἔτι νῦν παρὰ τοῖς Ἀμβρακιώταις Σωτῆρα Πύϑιον ἐν ἑορταῖς καὶ εἰλαπίναις ᾄδεσϑαι.. Apollon selbst ist in dieser Hinsicht der wahre Heiland und Reiniger, σωτήρ und καϑάρσιος, als welchen ihn Aeschylos in seinen Eumeniden feiert. In den Schutzflehenden v. 262 schildert derselbe Dichter nach alter argivischer Sage die gleichbedeutende Gestalt des Apis, der ein Sohn des Apoll gewesen und aus Akarnanien, einer alten Heimath der Apollinischen Kathartik, übers Meer gekommen sei um das argivische Land von vielen Ungeheuern, wilden Thieren und von alter Schuld zu reinigen und dadurch erst bewohnbar zu machen: denn natürliches und sittliches Scheusal erscheinen in diesen Sagen immer als sinnverwandt. Noch andere Traditionen erzählen von alten Propheten, die von Apollo begeistert zugleich die Künste der Weissagung, der Heilung und der Reinigung geübt hätten, wie diese drei Thätigkeiten in der That nur die verschiedenen Wirkungen der einen Apollinischen Lichtreligion sindAeschylos nennt deshalb sowohl den Apoll als jenen Apis, seinen Sohn und Boten, einen ἰατρόμαντις.. Daher auch Pythagoras und Empedokles sich bei ihren religiösen und kathartischen Stiftungen vorzüglich diesem Gottesdienste angeschlossen haben sollen.

Einer solchen Vielseitigkeit der Bedeutung entspricht eine nicht geringere Mannichfaltigkeit der Symbole dieses Gottes und seiner bildlichen Ausstattung.

Die gewöhnlichsten Symbole sind Pfeil und Bogen oder die Phorminx, je nachdem er entweder als strafender und rächender 223 Gott oder als Gott der Freude und des Gesanges erscheinen soll. Die Strahlen der Sonne, des Mondes, der Gestirne als Geschütz und Waffen, insbesondere als Pfeile zu denken ist ein altes und in der Mythologie weit verbreitetes Bild, das uns noch oft begegnen wirdTimotheos b. Macrob. S. 1, 17, 20 σύ τ' ὦ τὸν ἀεὶ πόλον οὐράνιον ἀκτῖσι λαμπραῖς Ἅλιε βάλλων πέμψον ἑκαβόλον ἐχϑροῖς βέλος σᾶς ἀπὸ νευρᾶς ὧ ἵε Παιάν. Eurip. Herakl. 1090 τόξα ἡλίου, Anon. b. Stob. Floril. 97, 17 ϑερμά ϑ' ἡλίου τοξεύματα, Lucret. 1, 147 lucida tela diei, vgl. Welcker Gr. G. 1, 537.. Apollon aber ist immer vorzugsweise der Schütze, der Ferntreffer d. h. der aus der Ferne sicher Treffende geblieben, daher die alten Cultusnamen Ἕκατος Ἑκάεργος Ἑκατηβόλος Ἑκηβόλος Ἀφήτωρ und die episch verzierten κλυτότοξος αργυρότοξος u. s. w. Dabei pflegt der Gegensatz des gespannten und des zurückgespannten und bei Seite gelegten Bogens, des offenen und des geschlossenen Köchers hervorgehoben zu werden. Selbst die Götter des Olymp erbeben wenn Apoll unter ihnen erscheint und den schimmernden Bogen spannt (ὅτε φαίδιμα τόξα τιταίνει), aber Zeus und Leto freuen sich des kräftigen Sohnes und die Mutter spannt milde den Bogen zurück, schließt den Köcher und hängt das furchtbare Geschoß an die Wand des Göttersaales, und dann erst beginnen die Freuden des MahlesHom. H. in Ap. Del. 1–13, Horat. Od. 2, 10, 17 quondam cithara tacentem suscitat Musam neque semper arcum tendit Apollo. Carm. Saec. 33 condito mitis placidusque telo supplices audi pueros Apollo. Der Pfeil des Apollo ist überhaupt das Organ seiner strafenden Gewalt, mittelst dessen er die Ungethüme Python und Tityos, die gewaltigen Aloiden, die zarten Niobiden tödtet, die Pest sendet (κῆλα ϑεοῖο Il. 1, 53) u. s. w. Daher die Entrückung des Pfeils und seine Wiederkehr von den Hyperboreern ein Sinnbild seiner Verschuldung durch Mord und seiner Reinigung ist, Eratosth catast. 29, Hygin P. A. 2, 15.. So giebt Apollon auch seinen Lieblingen den Bogen, leitet das Auge des Schützen oder stört ihm den Blick, je nachdem er ihm wohlwill oder nichtIl. 2, 827; 7, 81; 8, 311; 15, 440; 23, 865. Od. 8, 226 ff.; 21, 338. 364.. Besonders herrschte diese Auffassung in Kleinasien, auf Kreta und überhaupt dort und in den Zeiten vor wo die später verschmähte Kunst des Bogens mit Eifer geübt wurdeAm längsten auf Kreta, zumal in Lyktos, daher Kallim. Ap. 33 den Bogen des Apoll einen lyktischen nennt.. Dahingegen das alte Epithet Χρυσάωρς oder Χρυσάορος bald durch die Leier des Apollo bald durch sein Schwert erklärt wird, mit welchem bewaffnet ihn die Vasenbilder 224 in dem Kampfe mit dem Riesen Tityos und in der Gigantomachie zu zeigen pflegenIl. 5, 509; 15, 256, H. in Ap. Del. 123, H. 27, 3, Hesiod W. T. 771, Pind. P. 5, 105. Auch Artemis hieß χρυσάορος Herod. 8, 77 und Demeter H. in Cer. 4, nach den Schol. II. 15, 256 bei Pindar auch Orpheus..

Ein andres sehr altes Symbol ist der Dreifuß, der zu Theben im Heiligthume des Ismenischen Apoll und zu Delphi seit alter Zeit als Weihgeschenk dargebracht wurde und an diesem Orte als Symbol der Apollinischen Weissagung und des pythischen Apollonsdienstes überhaupt eine hieratische Bedeutung bekommen hatte, die bei vielen und verschiedenen Gelegenheiten hervortrat. Ein Geräth welches ursprünglich die Bedeutung des über das Feuer gestellten Kessels hatte, aber wegen seiner zierlichen Gestalt bei kunstreicherer Behandlung und kostbarer Ausstattung auch als Schmuck der Häuser und Säle viel benutzt wurde. In seiner symbolischen Anwendung sollte es vermuthlich auf die feurige Natur des Licht- und Sonnengottes hinweisen, obgleich eine solche Bedeutung später vor der wichtigeren des pythischen Dreifußes vergessen wurde. Auch im Culte des Dionysos war der Dreifuß ein sehr gewöhnliches Symbol, endlich in allgemeinerer hieratischer Bedeutung auch in anderen Götterdiensten, namentlich in dem des Zeus von Dodona und Ithome.

Der Lorbeer war seit alter Zeit dem Apoll heilig, vorzüglich in Thessalien wegen des Thales Tempe, aber auch in Boeotien und in Delphi, wo ein Lorbeerhain den Tempel umgab und ein heiliger Lorbeer neben dem Dreifuß grünte, desgleichen in Delos. Seine religiöse Bedeutung ist das Apollinische Heil, welches durch Weihe und Sühnung erlangt wird, wie dieses namentlich jene Daphnephorien und die pythischen Sühngebräuche (S. 221) lehren. Doch wurde auch der Siegerkranz an den Pythien zu Delphi aus Lorbeer geflochten, daher Lorbeer auch Sieg bedeutetPind. P. 8, 19. Nach den Scholien p. 298 wurde der dazu verwendete Lorbeer lange Zeit vermittelst jener Daphnephorien aus Tempe geholt, während man später eine eigne Gattung Delphica laurus kannte, womit die Siegerin Delphi und die Triumphirenden in Rom bekränzt wurden, Plin. 15, 127. Auf der Ehrentafel des Kassander Denkm. u. Forsch. 1855 n. 75 heißt es u. a. ἡ πόλις ἡ Δελφῶν ἡ τοῦ ϑεοῦ δάφνης στεφάνῳ und ἡ πόλις ἡ Μεγαρέων δάφνης στεφάνῳ παρὰ τοῦ Ἀπόλλωνος τοῦ τῆς πόλεως ἀρχηγέτου, vgl. den heiligen Kranz der delischen Inschrift C. I. n. 2270. Ap. δαφναῖος, in Syrakus δαφνίτης, bei Aristophanes δαφνοπώλης; Hesych, das Kloster Dafni auf dem Wege von Athen nach Eleusis, das Apollinische Heiligthum der Seleukiden zu Daphne bei Antiochia. Ueber die Symbolik des Lorbeers Bötticher Baumcultus der Hellenen 338 ff.. Ueberall 225 wurde dieses Laub zu einem gewöhnlichen Attribute des Apoll, besonders als Bekränzung seines Hauptes und als beschattende Umgebung seiner Tempel und Heiligthümer. Zugleich entstand die bekannte Fabel von Apollons Liebe zur Daphne und deren Verwandlung, weil sie rein und jungfräulich bleiben wollte, wie sie im Tempethale am Peneios und nachmals auch in Arkadien am Ladon und im lakonischen Eurotasthale erzählt wurde und auch die bildende Kunst und die Maler oft beschäftigt hatOvid M. 1, 452–567, Paus. 8, 20; 10, 7, 3, Parthen. Erot. 15, vgl. Virg. Ecl. 6, 82, Hesych v. Λαδωγενής. Ueber die Palme P. 8, 48, 2.. Eine nicht weniger allgemeine Bedeutung bekam die delische Palme, wenigstens bei den heiligen Wettkämpfen, wo sie zuletzt ziemlich allgemein im Gebrauch war.

Unter den Thieren war der Wolf das Symbol des Apollon Lykeios und der Mordsühne. Außerdem finden wir oft in seiner Begleitung das Reh oder die Hirschkuh, ein Thier welches in vielen auf Apollon und Artemis bezüglichen Bildwerken und Dichtungen als bedeutsames Symbol hervortritt. Es war ein Sinnbild der leichten Bewegung und der schnellen Flucht, galt aber auch für musikliebend und scheint wegen seines gefleckten Felles zugleich ein Sinnbild des Himmels und seiner Erscheinungen gewesen zu seinEurip. Alk. 584 ποικιλόϑριξ νεβρός, vgl. den Hirsch des Ap. Philesios im Didymaeon bei Milet b. Plin. 34, 75 und b. O. Müller D. A. K. 1, 4, die heiligen Hirsche des Apoll auf Kypros und in Kilikien b. Strabo 14, 683, Aelian N. A. 8, 7, als Weihgeschenke zu Delphi ib. 11, 40, Paus. 10, 13, 3, die Vasenbilder b. Gerhard A. V. t. 26–35, El. céram. 2 t. 3–40.. Von den Schwänen und Greifen, auch vom Delphin ist die Rede gewesen. Andre Thiere, wie die Feldmaus, die Heuschrecke, die Cicade, die Eidechse, unter den Vögeln der Geier, der Habicht, der Rabe, die Krähe halten im Apollinischen Cultus gleichfalls ihre eigenthümliche sinnbildliche Bedeutung, je nachdem sich in ihrer Natur entweder eine Hinneigung und Vertrautheit mit Licht und Sonne oder etwas die Zukunft Ahnendes oder sonst eine Eigenschaft aussprach die dem Wesen des Apollon verwandt schien. Die Alten waren in solchen Naturbeobachtungen und symbolischen Uebertragungen außerordentlich feinfühlend und scharfsinnig.

Die dichterische Anschauung pflegt den Apoll als eine lichte Jünglingsgestalt mit langen goldenen Locken zu schildern (ἀκερσεκόμης, χρυσοκόμης), immer jugendlich und schön und 226 leichten Ganges dahinschwebend, obgleich sonst stark und kräftigH. in Ap. P. 271 ἀνέρι εἰδόμενος αἰζηῷ τε κρατερῷ τε πρωϑήβῃ, χαίτης εἰλυμένος εὐρέας ὤμους. Vgl. Kallim. Ap. 36 καί κεν ἀεὶ καλὸς καὶ ἀεὶ νέος, Apollon. Rh. 2, 674 ff. Ein andres Merkmal ist seine Schnelligkeit, daher der Stößer, die Weihe, κίρκος »der schnellste der Vögel« sein Bote ist, dessen Gestalt Apollo auch gelegentlich selbst annimmt, Il. 15, 237, Od. 13, 87; 15, 526. Vgl. Maxim. Tyr. 14 p. 261 μειράκιον γυμνὸν ἐκ χλαμυδίου, τοξότης, διαβεβηκὼς τοῖς ποσὶν ὥσπερ ϑέων., in seiner körperlichen Bildung wie in seinem ganzen Wesen am meisten dem Hermes verwandt, aber ernster und majestätischer.

Alle bedeutenderen Cultusstätten waren früh mit Bildern versehen, neben welchen Cultusbildern auch viele Colosse des Apoll erwähnt werden, da man ihn oft im Freien und auf Anhöhen verehrte. So hat sich die Kunst lange geübt bis das schönere Ideal des Gottes die herkömmlichen und hieratischen Formen der älteren Zeit überwunden hatte. In Athen sieht man mehrere alte Steinbilder der Art, die nach archaistischer Weise besonders das Derbe und Kräftige der körperlichen Formen hervorheben. In den einzelnen Cultusstätten wurden je nach der Symbolik des Ortes besondere Attribute hinzugefügt, beim Delischen Apoll die Chariten und Bogen und Pfeile, wodurch zugleich die sanfte Anmuth seiner Musik und der schreckliche Ernst seiner Geschosse angedeutet wurdePaus. 9, 35, 1, Plut. de mus. 14, Macrob. 1, 17, 13, vgl. die Gemme b. Millin G. M. 33, 474 u. die attische Münze b. Beulé Monn. d'Ath. p. 364, wo dieses Bild nach dem Vorgange de Witte's auf Aphrodite Kolias und die Genetyllides bezogen wird. Die angeblichen Eroten könnten aber auch Niken sein, s. Rathgeber Münzen d. Athen. S. 136–139., im Didymaeon ein auf der Hand ruhendes Hirschkalb, in der andern der Bogen, beim Sminthischen Apoll eine Feldmaus auf der Hand oder unter dem Fuße, beim Lykeios der Wolf u. s. w. In dem Tempel des Apoll zu Amyklae befand sich außer dem von Pausanias beschriebenen Bilde ein Apoll mit vier Ohren und vier Armen, was man durch seine Wahrhaftigkeit und seine wirksame Hülfe in der Schlacht erklärteZenob. 1, 54, Apostol. 1, 93, Hesych v. κουρίδιον u. κυνακίας. Welcker Gr. G. 1, 473 erklärt dieses Bild durch den römischen Doppelianus..

Weiter gab es nicht leicht einen namhaften Meister der nicht ein Bild des Apoll gearbeitet hätte, von Marmor oder von Erz oder in größeren Gruppen, wo Apoll bald mit seiner Mutter und Schwester oder in der Umgebung der Musen oder neben 227 Zeus und Athena oder neben Herakles und Hermes oder sonst in mythologischen und hieratischen Vereinen erschien. Namentlich gab Delphi mit seinen Heiligthümern, seinen Kampfspielen, den Erfolgen seines Orakels und seiner Reinigungsstätte immer von neuem Veranlassung zu Weihgeschenken, die bald aus Statuen bald aus den herkömmlichen Votivreliefs, bald aus freieren Gruppen und Bildwerken bestanden (Paus. 10, 9 ff.). Von namhaften Meistern scheinen vorzüglich Skopas und Praxiteles zur Entwickelung des Apollinischen Ideals, so weit wir es jetzt aus den besten noch vorhandenen Statuen kennen, beigetragen zu haben.

Unter denselbenVgl. O. Müller Handb. d. Arch. § 359–362, D. A. K. 2 t. 11–14, Braun Vorschule z. K. M. t. 37–47. sind diejenigen von besonderem Interesse welche die beiden Hauptthatsachen des Apollinischen Cultus, den Drachenkampf und sein Saitenspiel, vergegenwärtigen. Zu der ersteren Reihe gehört der bekannte Apoll von Belvedere, berühmt sowohl durch seine eigne Schönheit als durch die entzückte Beschreibung Winckelmanns, dem diese Statue das Ideal der göttlichen Schönheit und Würde war. Auch ist seine Erklärung daß bei diesem Bilde der Kampf mit dem Drachen vorauszusetzen sei noch immer die wahrscheinlichste. Und so giebt es auch verschiedene vorzügliche Statuen Apollons in der Tracht und Geberde des pythischen Kitharoeden, einige in ruhigerer Auffassung, die auf ein älteres Vorbild deuten, andere in der bewegteren welche wir bei dem Meisterbilde des Skopas, das seit August den Palatin schmückte, voraussetzen dürfen. Noch andere ausgezeichnete und in häufigen Wiederholungen vorkommende Darstellungen sind die des von Mühe und Arbeit ausruhenden Apoll, der sich an eine Säule oder einen Stamm zu lehnen, den Bogen lässig in der Hand zu halten, den rechten Arm über das Haupt zu legen pflegtLukian Anach. 7 beschreibt ein solches Bild im Gymnasium des lykischen Apoll (Lykeion) zu Athen. Auch sieht man es auf attischen Münzen b. Beulé p. 285. Den Apollo Patroos d. h. den Vater des Ion beschreibt Himer or. 10, 5 κόμη μὲν αὐτῷ χρυσῆ περὶ μετώπῳ σχίζεται, πλόκαμοι δὲ ἑκατέρωϑεν κατὰ τοῦ αὐχένος καϑέρποντες τοῖς ϑείοις στέρνοις ἐπικυμαίνουσι, ποδήρης χιτών, λύρα, τόξον οὐδαμοῦ, μειδιῶν ὁ ϑεὸς καϑάπερ τις μαντεύων τὴν ἀποικίαν τοῦς Ἴωσι, also im Wesentlichem wie den pythischen Kitharoeden., oder er greift schon zur Kithar während der geschlossene Köcher in seiner Nähe aufgehängt ist. Und so kommt überhaupt dieser den sanfteren Stimmungen 228 hingegebene und musicirende Apollon unter den vorhandenen Statuen sehr häufig und in sehr verschiedenen Stellungen vor, sitzend stehend anlehnend, oft in sehr zarter und anmuthiger Bildung und mit seelenvollen Zügen. Andre Bilder zeigen andre Scenen und Acte seines vielbewegten und vielgestaltigen Lebens und Wirkens. Ein besonders liebliches und berühmtes ist das des Apollon Sauroktonos d. h. des Eidechsentödters, nach einem Vorbilde des PraxitelesPlin. 34, 70. Die Eidechse (σαῦρος, σαῦρα) hatte eine nähere Beziehung zum Apoll, da sie das Sonnenlicht liebt. Auch beschäftigte sich eine eigne Art von Weissagung mit diesem Thiere, s. Paus. 6, 2, 2, Cic. de Divinat. 1, 20, 39, Steph. B. γαλεῶται, Welcker A. Denkm. 1, 406 ff., wo er in zarter Jünglingsgestalt eine am Baumstamme hinaufschlüpfende Eidechse mit einem Pfeile oder einer Nadel zu spießen im Begriff ist, mit Beziehung auf eine eigenthümliche Art von Weissagung.


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