Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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b. Die Geschlechter.

Der Grundgedanke einer ursprünglichen Gemeinschaft zwischen Göttern und Menschen liegt auch dem Hesiodischen Mythus von den GeschlechternHesiod W. T. 109–201, vgl. Arat Phaen. 100–135, Ovid M. 1, 89–150 und von Neueren Buttmann Mythol. 2, 1–27, Bamberger Rh. M. N. F. 1, 524–34, Schoemann op. 2, 305–319, K. F. Hermann Ges. Abh. 306–328, R. Roth Tüb. 1860. zu Grunde, nur daß der allmälige Verfall der Menschheit hier mehr als natürliche Folge und als eine begleitende Parallelerscheinung der theogonischen Weltentwicklung angesehen wird; wenigstens ist der Uebergang vom goldnen zum silbernen Geschlechte nicht weiter motivirt als daß damals Kronos geherrscht habe. Uebrigens ist festzuhalten daß die Metalle in dieser nicht allein nach ihrem Werthe, sondern auch mit einer gewissen allegorischen Nebenbedeutung genannt werden, so daß dadurch zugleich der Character der einzelnen Geschlechter näher bestimmt wird: Gold und Silber als die beiden edlen Metalle schlechthin, von denen aber das Silber entweder wegen seines matten Glanzes oder seiner größeren Weichheit oder aus sonst einem Grunde bereits einen geringeren Grad der Ehre und Verfall andeutet; Erz und Eisen als die beiden Metalle der practischen Brauchbarkeit, indem jenes nach heroischer Sitte vorzugsweise auf Waffen, Krieg und kriegerische Rüstung gedeutetDaher schon Paus. 3, 3, 6 bei einer andern Gelegenheit bemerkt: πῆμα δὲ εἰκότως ἀνϑρώπῳ τὸν σίδηρον, ὅτι ἐχρῶντο ἐς τὰς μάχας ἤδη τῷ σιδήρῳ, τὰ δὲ ἐπὶ τῶν ἡρώων καλουμένων ἂν εἶπεν ὁ ϑεὸς ἀνϑρώπῳ πῆμα εἶναι τὸν χαλκόν. Daß das Erz früher im Gebrauche war als das Eisen und dieses namentlich bei Waffen lange vertreten mußte ist ein allgemeiner Erfahrungssatz der Culturgeschichte, der auch den Griechen bekannt war, Schol. Apollon. 1, 430., also das eherne Geschlecht in demselben Sinne geschildert wird, das Eisen aber als das härteste und am mühsamsten zu verarbeitende Metall, welches zugleich am spätesten bekannt geworden, am besten zur Characteristik des gegenwärtigen Geschlechts der harten Arbeit paßteσίδηρος πολύκμητος Il. 6, 48; 10, 379, ἐγκρατέστατος Soph. Ant. 475, vgl. Ai. 650 ὃς τὰ δείν' ἐκαρτέρουν τότε βαφῇ σίδηρος ὥς, Il. 4, 510 οὔ σφι λίϑος χρὼς οὐδὲ σίδηρος, Od. 19, 494 ἔξω δ' ὡς ὅτε τις στερεὴ λίϑος ἠὲ σίδηρος. Dagegen später oft, aber auch schon Od. 16, 294; 19, 13 das Eisen Kampf und Schwerdt bedeutet, auch in dem Namen der bösen Stiefmutter Σιδηρώ, wenigstens nach der Erklärung des Sophokles fr. 592.. Auch 68 möchte man vermuthen daß der ganze Mythus erst aus dem vom goldnen Geschlechte des Kronos entstanden ist, welcher jedenfalls in dem Volksglauben schon gegeben war. Endlich scheint das Geschlecht der Heroen, bei Hesiod das vierte, erst später eingefügt zu sein, da es nicht allein die Folge der vier Metalle, sondern auch die Geschichte des Verfalls von einem Geschlechte zum andern stört.

Gold bedeutet strahlenden Glanz des Lichtes, Glück, Seligkeit, alles Schönste und BestePind. Ol. 1, 1 ὁ δὲ χρυσὸς αἰϑόμενον πῦρ ἅτε διαπρέπει νυκτὶ μεγάνορος ἔξοχα πλούτου. Daher alles Glänzende, Strahlende, Schöne und Herrliche golden ist, namentlich Aphrodite und alle Götter des Reizes und der Schönheit, ja überhaupt alles Göttliche, s. Stephani Nimbus S. 129.; daher der alte Glaube an das goldne Geschlecht, welches unter Kronos in der Fülle der Güter gelebt habe und auch in den folgenden Zeiten sowohl den Witz der Bühne als die Speculation der Philosophen immer viel beschäftigtePlato Polit. 272 A, Dikaearch b. Porph. d. abst. 4, 2. Die komische Bühne schilderte das goldne Geschlecht wie unsre Dichter das Schlaraffenland, s. Kratin b. Athen. 6, 94.. In demselben Sinne schildert sie unser Mythus. Wie Götter lebten diese Menschen, ohne Sorgen Kummer und Mühe, in ewiger Jugend und Heiterkeit, und kam ihnen der Tod, so kam er wie ein sanfter Schlummer. Dabei lebten sie in der Fülle aller guten Gaben, welche ihnen die Erde von selbst darbot. Sie aber genossen dieser Spenden in Friede und Freude, reich an Heerden, geliebt von den Göttern. Und als die Erde dieses Geschlecht bedeckte, sind sie durch Zeus zu guten Geistern geworden, welche die Menschen unsichtbar umschweben, als Wächter über Recht und Unrecht und Reichthumsspender, ein königliches Ehrenamt ihrer Verklärung, wie der Dichter sagt. Nun erschufen die Olympier ein zweites, viel geringeres Geschlecht, das silberne. Dem goldnen war es weder an physischer Kraft gleich noch an geistiger, sondern hundert Jahre hockte so ein Kind auf dem Schooße der Mutter, im Schatten der Kammer, einfältig und schwächlichAlso verweichlichte Muttersöhnchen, wofür die Griechen das Wort τηϑαλλοδοῦς und μαμμόϑρεπτος hatten.; und waren sie endlich zu den Jahren der Reife gekommen, so lebten sie vor Unvernunft und Uebermuth nur kurze Zeit. Gleich wurden sie unter einander handgemein und auch den Göttern wollten sie nicht die Ehre geben; daher Zeus ihnen zürnte und sie der Sichtbarkeit entrückte. So 69 fuhren auch sie fort zu existiren, aber als unterirdische Geister und nicht unsterblich, doch sind auch sie geehrtτοὶ μὲν ὑποχϑόνιοι μάκαρες ϑνητοὶ καλέονται, δεύτεροι (zweiten Ranges), ἀλλ' ἔμπης τιμὴ καὶ τοῖσιν ὀπηδεῖ.. Darauf schafft Zeus ein drittes Menschengeschlecht, ein ehernes aus Eschenἐκ μελιᾶν, welches mit ποίησε zu verbinden ist. Die Metalle sind überhaupt nicht der Stoff, woraus die Geschlechter gebildet worden, sondern sie drücken nur den Werth und die Qualität aus. Anderswo sind gleich wilde Recken der Vorzeit eine Ausgeburt der Erde oder eine Frucht von Drachenzähnen., welches wieder dem silbernen gar nicht ähnlich war, sondern im höchsten Grade furchtbar und gewaltig. Nur der Krieg und sein blutiges Werk lag ihnen am Herzen. Auch lebten sie nicht vom Brode, sondern sie hatten einen sehr harten und unbändigen Sinn: ein ungeheures Geschlecht, mit riesigen Gliedern und unwiderstehlicher Körperkraft. Alles war bei ihnen von Erz, ihre Rüstung, ihre Häuser, ihr Arbeitsgeräth; das Eisen war ihnen noch nicht bekannt. Zuletzt haben sie sich unter einander durch ihre eigne Gewaltthätigkeit aufgerieben und sind in das finstre Haus des kalten Aïdes eingegangen ohne Ehre und Fortdauer; der schwarze Tod packte sie, so furchtbar sie waren, und auch sie mußten das Licht der Sonne verlassen. Nun folgt bei Hesiod das vierte Geschlecht der Heroen, ein gerechteres und besseres, aber schon ein halbgöttliches d. h. durch Sage und Cultus verklärtes, in welchem Sinne es dem älteren Epos noch nicht bekannt istἀνδρῶν ἡρώων ϑεῖον γένος, οἳ καλέονται ἡμίϑεοι προτερῆ γενεῆ. Für die im Kriege Gefallenen ist Heroencultus an den Gräbern vorauszusetzen. Auch die Vorstellung vom Elysion hat sich in dieser Schilderung schon erweitert.. Der böse Krieg habe die Meisten aufgerieben, der vor Theben und vor Troja, Andern aber habe Zeus fern von den Menschen und Göttern ein neues Dasein bereitet, auf den Inseln der Seligen, wo Kronos über sie regiert: eine Dichtung welche, wie gesagt, in diesem Zusammenhange nur stört, zumal da sie auf einer wesentlich andern Anschauung und Ueberlieferung beruht. Dahingegen sich das eiserne Geschlecht dem ehernen natürlich und so anschließt, wie in andern Sagen das Geschlecht der mühsamen und arbeitsamen Menschen an das der Riesen und Giganten. Denn auch dieses eiserne Geschlecht ist ein Geschlecht der Arbeit und des mühsamen Ackerbaus, nur daß der Dichter im Sinne seines Mythus auch diesen Zustand als Merkmal des Verfalls ansieht, wie der vom verlornen Paradiese und dem Gesetze der Arbeit im Schweiße deines Angesichtes. Möchte ich, 70 sagt er, doch nicht diesem Geschlechte angehören, sondern entweder früher gestorben oder später geboren sein. Da ist nichts als Sorge und Mühe, bei Tag und bei Nacht. Und immer weiter verfällt dieses Geschlecht, so daß auch sein Untergang bald zu erwarten ist. Schon ist die Treue und die Scham entflohenDie späteren Dichter nennen statt der Hesiodischen Αἰδὼς und Νέμεσις die Dike oder Astraea, welche b. Arat schon unter dem ehernen Geschlechte an den Himmel flüchtet, wo sie seitdem als Jungfrau glänzt, vgl. Ovid M. 1, 150, Juvenal 6, 19, wo mit ihr Pudicitia entflieht, wie bei andern römischen Dichtern Fides. und nur Unheil zurückgeblieben. Es wäre eine trostlose Ansicht, wenn nicht dasselbe Gedicht später die bessere und kräftigere von dem steilen Wege der Tugend und seine Regeln des Ackerbaus daran anknüpfte, zu welchen der ganze Mythus ja auch nur die Einleitung bildetVirg. G. 1, 121 pater ipse colendi haud facilem esse viam voluit primusque per artem movit agros, curis acuens mortalia corda nec torpere gravi passus sua regna veterno..

Also eine Abstufung sowohl nach dem Werthe als nach der Beschaffenheit der vier MetalleDie auch Aesch. Pr. 502 zusammen nennt., welche sich der Dichter wie die Geschlechter nach einander erschaffen denkt. Gold bedeutet Seligkeit und Fülle, Silber noch immer große Auszeichnung, aber schon Verfall und Verweichlichung, Erz Streitbarkeit und blutigen Untergang, Eisen harte Arbeit des jetzigen Lebens. Die beiden ersten Geschlechter haben vor den übrigen auch den Vorzug daß sie nach ihrem Abscheiden zu Dämonen erhöht werden, und zwar mit einem merkwürdigen Unterschiede, welcher leider nicht klar ist. Es scheint aber daß der Dichter sich die Geister des goldnen Geschlechts als solche dachte welche als Diener des Zeus im Lichte der Oberwelt zu leben fortführen, indem sie in der gewöhnlichen Nebelhülle der Geister und Götter, wenn sie nicht gesehen sein wollen, die Menschen und alles Menschenwerk umschwebenNach W. T. 252 ff. sind ihrer τρὶς μύροιο. Auch nach dieser Stelle üben sie Aufsicht über Recht und Unrecht.. Die Geister des silbernen Geschlechts dagegen scheint er sich als Erdgeister gedacht zu haben, welche unter der Erde, also im Dunkel leben; auch sind sie nicht unsterblich, sondern nur von sehr langer Dauer, wie die Raumnymphen und andre dämonische Geschöpfe. Ohne Zweifel liegt dabei ein bestimmter Volksglaube zu Grunde, doch sind wir darüber leider im UnklarenAm ersten ließen sich die cumanischen Kimmerier vergleichen, die auch für καταχϑόνιοι δαίμονες galten, Str. 5, 244. Vgl. Posidonios ib. 3, 147, von den Bergwerken in Spanien: ob οὐ γὰρ πλουσία μόνον, ἀλλὰ καὶ ὑπόπλουτος ἦν ἡ χώρα καὶ παρ' ἐκείνοις ὡς ἀληϑῶς τὸν ὑποχϑόνιον τόπον οὐχ ὁ Ἅιδης ἀλλ' ὁ Πλούτων κατοικεῖ und Aesch. Eum. 946 von den laurischen Silberbergwerken: γόνος πλουτόχϑων ἑρμαίαν δαιμόνων δόσιν τίοι, vgl. Pers. 238 und die schatzhütenden incubones b. Petron. Sat. 38.. 71


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