Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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4. Athena.

Sie ist wieder ganz eine Gottheit des Himmels und zwar in merkwürdiger Weite und Tiefe der Anschauung, so daß sie gewissermaßen die Einheit von Zeus und Hera darstellt, nur daß als tieferer Grund des Bildes immer die Anbetung des reinen klaren Himmels, des Aethers als der höchsten Naturmacht durchblickt, wie sich dieses so schön in dem Character der Jungfräulichkeit ausdrückt. Ueberall ist der Himmel in Griechenland von bewunderungswürdiger Schönheit und Klarheit, nirgends in solchem Grade als in Attika; daher Athena in diesem Lande am meisten verehrt wurde und mit allen Segnungen und Erinnerungen der Stadt, der Landschaft, des Staates so verwachsen ist, daß die Göttin Athena nicht ohne ihre Lieblingsstadt gedacht werden kann und diese nicht ohne jene. Aber auch sonst in Griechenland finden wir diesen Glauben in vielen eigenthümlichen Formen verbreitet und 146 überall mit den ältesten Erinnerungen, besonders der Heldensage verschmolzen. So waren auch Argos und Korinth zwei alte Mittelpunkte dieser Religion und durch die eigenthümlichen Symbole und Mythen, die sich in diesem Kreise gebildet, in Argos die von Perseus und Diomedes, in Korinth die von Bellerophon, höchst bedeutsam. Desgleichen gehörte in Arkadien der Cult der Athena Alea zu den ältesten und heiligsten der ganzen Halbinsel, während sich in Elis Achaja und Lakonien viele andere alte und eigenthümliche Dienste dieser Göttin fanden, in denen je nach der besonderen Natur des Landes und dem Character seiner Bewohner bald die natürlichen bald die ethischen Eigenschaften der Göttin mehr hervorgehoben wurden. Wieder einer anderen Gruppe alter Athenaculte begegnen wir im nördlichen Griechenland von Thessalien bis Boeotien, in welchem letzteren schon das kadmeische Theben dieser Gottheit huldigte und Alalkomenae am kopaischen See sich einer der ältesten Sitze derselben Religion zu sein rühmte, während der aeolische Stamm der Boeoten, von Thessalien in diese Gegenden eingewandert, sowohl in seinen älteren als in diesen späteren Wohnungen sich zur Itonischen Pallas als zu seiner Stammesgottheit bekannte. Ferner zeigen Kreta und Rhodos, auf dem kleinasiatischen Festlande die Gegend von Troja und Lydien eigenthümliche Formen des Athenadienstes, von denen sich der lydische in wesentlichen Zügen von dem griechischen unterschieden zu haben scheint, obwohl die troische Pallas, die burghütende Göttin mit ihrem alten Cultusbilde, dem berühmten Palladion, in der griechischen Sage wenigstens ganz der hellenischen entspricht. Endlich hatte die große Auswanderung der aeolischen dorischen achaeischen, besonders der attisch-ionischen Colonieen denselben Cult der jungfräulichen Göttin über alle Küsten von Asien Libyen Italien und Sicilien getragen, so daß wir Pallas Athena und ihre alten Bilder, ihre Helden, ihre Stiftungen, ihre Kunstübungen auch in Ionien, in Libyen, auf Sicilien und in Großgriechenland bis nach Massilien wiederfinden, mit einer überschwenglichen Fülle von bildlichen Gebräuchen und Ueberlieferungen, überall als die gleich ernste und kriegerische, gleich reine und sinnige, gleich muthige und wohlthätige Göttin.

Ihre Namen geben leider keinen sicheren Aufschluß. Zu unterscheiden ist Ἀϑήνη, welcher Name schon allein die Göttin bezeichnet, und Παλλὰς Ἀϑήνη, welche bei Homer und Hesiod nur verbunden vorkommen. Pallas muß also ursprünglich eine prädicative Bedeutung gehabt haben, am ersten dieselbe welche 147 bei dem Namen des Titanen Pallas zu Grunde liegt, in dem Sinne einer schwingenden Kraft, wie sich dieses bei den Palladien durch das alte Symbol der geschwungenen Lanze von selbst näher bestimmtIl. 16, 141 von der Lanze des Achill, τὸ μὲν οὐ δύνατ' ἄλλος Ἀχαιῶν πάλλειν, ἀλλά μιν οἶος ἐπίστατο πῆλαι Ἀχιλλεύς. Nach Andern hätte das Wort παλλάς, άδος in der älteren Sprache i. q. παρϑένος, κόρη bedeutet, wie πάλλας, αντος, πάλλαξ, ακος i. q. νέος, παῖς, vgl. Strabo 17, 816, Eustath. 84, 39; 1742, 35.. Bei dem Namen Ἀϑήνη liegt eine Wurzel zu Grunde, deren Bedeutung noch nicht klar istEinige gehen auf die Wurzel αἰϑ zurück, wovon das auch weiblich gebrauchte αἰϑήρ, Andere auf ἀϑ, wovon ἄνϑος, was auf die Vorstellung der jungfräulich Blühenden führen würde, s. Welcker Gr. Götterl. 1, 300, G. Curtius Z. f. vgl. Spr. 3, 153, Grundz. 1, 216. Städte des Namens Ἀϑῆναι zählte man neun, darunter Ἀϑῆναι Διάδες auf Euboea bemerkenswerth, Steph. Byz.. Von ihm ist der Städtename Ἀϑῆναι gebildet, deren es mehrere gab, vor allen anderen berühmt das attische. Aus dem Namen dieser Stadt ist dann wieder Ἀϑηναία und daraus Ἀϑηνᾶ entstandenDie attischen Urkunden vor Euklid haben immer Ἀϑηναία, die nach Euklid gewöhnlich Ἀϑηνᾶ. Bei Homer findet sich sowohl Ἀϑήνη als Ἀϑηναίη., wodurch also eigentlich die Göttin von Athen bezeichnet wird.

Die auf den Ursprung der Athena bezüglichen Mythen und überhaupt die ältesten Bilder und Symbole ihres Dienstes sind reich an eigenthümlichen kosmogonischen Ideen, welche ein hohes Alterthum verrathen und sich am nächsten an die Vorstellungen anschließen, welche die Welt aus dem Okeanos und aus Nacht und Dunkel entspringen lassen (S. 31). Athena selbst erscheint in ihnen deutlich als eine starke Macht des Himmels, welche sowohl über Blitz und Wolken als über Sonne und Mond gebietet und in schrecklicher Majestät einherfährt, aber auch wieder lieblich und milde glänzt und segnet, Aecker befruchtend, menschliche Geschlechter erzeugend und erziehend, Alles ohne ihre ätherische Reinheit und Klarheit aufzugeben, durch welche sie zugleich zur Göttin aller geistigen Thätigkeit d. h. alles besonnenen Nachdenkens und alles künstlerischen Erfindens geworden ist.

So deutet zunächst das alte Epithet Τριτογένεια (Il. 4, 515; 8, 39; 22, 183) ohne Zweifel auf einen Ursprung aus dem Wasser d. h. aus dem Okeanos, aus welchem ja nach Homer alle Dinge und alle Götter entsprungen sind. Auch die Griechen 148 haben bei dem Worte Τρίτων immer an Wasser gedacht, nur daß sie nach ihrer Weise nicht die früher vorhandene mythische Vorstellung, sondern immer bestimmte Oertlichkeiten, Flüsse oder Seen im Sinne gehabt haben, bald in Boeotien bald in Thessalien bald in Libyen, für welches sich zuletzt die meisten Stimmen entschiedenSchol. Apollon. 1, 109 Τρίτωνες τρεῖς, Βοιωτίας, Θεσσαλίας Λιβύης, ἐν δὲ τῷ κατὰ Λιβύην ἐτέχϑη η Ἀϑηνᾶ, vgl. Aesch. Eum. 292, Herod. 4, 180, wobei ein einheimischer Gottesdienst, vermuthlich der phoenikischen Astarte zu Grunde liegt, in welchem die griechischen Ansiedler den ihrer Athena wiedererkannten, wie die in Aegypten Bekannten in dem der aegyptischen Neïth zu Sais, Herod. 2, 62, Plat. Tim. 21 E. Der libysche See Triton wird bald in die Gegend von Kyrene bald in die westlichere der kleinen Syrte verlegt, Müller Orchom. 355 ff., Völckermyth. Geogr. 23.. Die wahre Bedeutung des Wortes aber ist die der rauschenden Fluth, wie in den beiden Namen Ἀμφιτρίτη und Τρίτων, im theogonischen Sinne der aufrauschenden Urfluth, aus welcher Geist und Luft und der Himmel mit allen seinen leuchtenden Erscheinungen hervorgegangen ist. Eine Folge davon war für den Gottesdienst der Athena daß diese oft an Seen und Flüssen verehrt wurde, besonders in Boeotien, wo der alte Cultusort Alalkomenae, der sich auch der Geburt der Göttin sowie eines Tritonflusses und eines ersten aus dem kopaischen See geborenen Menschen rühmte, dicht über diesem See an einem quellenreichen Abhange des Gebirges lagPind. b. Hippol. 5, 7 εἴτε Βοιωτοῖσιν Ἀλαλκομενεὺς λίμνας ὑπὲρ Καφισίδος πρῶτος ἀνϑρώπων ἀνέσχεν, vgl. Paus. 9, 33, 4. 5, Steph. B. v. Ἀλαλκομένιον., und der Koralios d. i. der Bach der Jungfrau wesentlich zur Itonischen Pallas gehörte, sowohl in dem älteren Stammsitze der thessalischen Phthiotis als in dem späteren bei Koronea in BoeotienStrabo 9, 411. 435, Kallim. lav. Pall. 63, Paus. 1, 13, 2, Schol. Ap. 1, 551. So gab es eine A. Κορία in der Nähe von Kleitor, P. 8, 21, 3, eine A. Κορησία und eine λίμνη Κορησία in Kreta, Steph. B. v. Κόριον. Auch nannte man die attischen Münzen mit dem K. der Pallas gewöhnlich κόραι, Poll. 9, 75, vgl. Plato Leg. 796 B ἡ παρ' ἡμῖν κόρη καὶ δέσποινα.. Desgleichen hatte man zu Aliphera in Arkadien, welcher Ort am Alpheios lag, einen alten Athenadienst mit einem Tritonflüßchen und der gewöhnlichen Sage von der Geburt, in Lakonien eine Athena Nedusia am Fl. NedonStrab. 8, 360, Paus. 8, 26, 4., auf Kreta in der Nähe von Knosos wieder einen Tritonfluß und die Geburtsstätte der GöttinDiod. 5, 70. 72, vgl. Sch. Pind. Ol. 7, 66, Kallim. Iov. 43. Der Dienst der Athena in Knosos war alt und angesehn, daher ihr Kopf auf den Münzen, vgl. Solin 11, Paus. 9, 40, 2.. Auch die alterthümliche Athena Ὄγγα oder Ὄγκα und 149 Ὀγκαία an dem Onkaeischen oder Ogygischen Thore von ThebenAesch. S. c. Th. 164. 486. 501, Paus. 9, 12, 2, Hesych Steph. B. s. v. Vgl. das Poseidonische Ὄγχηστός in Boeotien und das gleichfalls Poseidonische Ὄγκειον in Arkadien, P. 8, 25, 3. 4, Lauer Syst. d. gr. Myth. 327 ff. ist nach der wahrscheinlichsten Erklärung die am Wasser geborene, so daß jener Beiname von einem den Namen Okeanos Ogyges verwandten Worte abzuleiten sein wird. Endlich in Lydien war Athena eine der wichtigsten Mächte in den Sagenbildungen, welche sich mit dem Ursprunge der Dinge und der Volkscultur aus den Gewässern des Landes beschäftigten.

Weit verbreiteter war die Dichtung von der Geburt der Athena aus dem Haupte des Zeus, welche indessen mit jener anderen, ihrer Geburt aus dem Feuchten eng zusammenhängt. Schon die Ilias kennt Athena als die Lieblingstochter des Zeus, welche er selbst geboren habeIl. 4, 515 Διὸς ϑυγάτηρ, 5, 875 σὺ γὰρ τέκες ἄφρονα κούρην οὐλομένην, 880 ἐπεὶ αὐτὸς ἐγείναο παῖδ' ἀΐδηλον, vgl. Hymn. 28, 4 τὴν αὐτὸς ἐγείνατο μητίετα Ζεὺς σεμνῆς ἐκ κεφαλῆς, Hes. th. 924 αὐτὸς δ' ἐκ κεφαλῆς γλαυκώπιδα Τριτογένειαν., die Ὀβριμοπάτρη d. i. die starke Tochter des starken Vaters, welche zu diesem in einem so eigenthümlich innigen, specifischen Verhältniß der Vertrautheit steht, daß sie so zu sagen sein andres Ich bildet. Zeus redet zu ihr wie zu seinem eignen Gemüthe, ertheilt ihr die schwierigsten Aufträge; Athena und Zeus werden sogar gelegentlich für die höchste und mächtigste Gottheit schlechthin erklärt: eine Vorstellung welche die folgenden Dichter in vielen Wendungen zu wiederholen pflegenIl. 5, 875 ff., 8, 5–40, Od. 16, 260, Hes. th. 896 ἶσον ἔχουσαν πατρὶ μένος καὶ ἐπίφρονα βουλήν. Kallim. lav. 132 ἐπεὶ μώνᾳ Ζεὺς τόγε ϑυγατέρων δῶκεν Ἀϑαναίᾳ, πατρώϊα πάντα φέρεσϑαι. Vgl. die Ausleger z. Hor. Od. 1, 12, 20 u. Nägelsbach Hom. Theol. 100 ff.. Die vollständige Sage aber von Athenens Geburt aus dem Haupte des Zeus ist erst bei Hesiod th. 886 ff., im Homerischen Hymnus 28 und bei Pindar Ol. 7, 34–38 zu lesen und auf vielen attischen Vasengemälden abgebildetGerhard A. V. 1–3, El. céram. 1 pl. 54–65.; denn auch in Athen war dieser Ursprung der allgemeine Glaube und die Mythe mag hier wohl besonders ausgebildet sein. Zeus vermählt sich mit der Μῆτις, einer Tochter des Okeanos, welche als solche die Gabe der Verwandlung besitzt. Er verschlingt sie weil er die Geburt eines Sohnes fürchtet welcher mächtiger als er selbst werden könne, so daß Metis schon mit der Tochter schwanger in seinen Bauch versetzt wird. So wird 150 Athena aus dem Haupte des Zeus geborenΔιὸς ἐκ κεφαλῆς, ἐκ κορυφῆς, πὰρ κορυφῆς, daher Κορυφὴ auch als Mutter der Athena genannt wird. Ἱερὰ κορυφὴ oder Olympos hieß der Gipfel des Lykaeischen Berges., wobei ihm Hephaestos oder Prometheus oder Hermes mit einem Beile das Haupt spaltetNach Sch. Pind. Ol. 7, 66 nannte Musaeos den Παλαμάων, was ein altes Epithet des Hephaestos ist. Hermes war auf einer Darstellung unter den alterthümlichen Reliefs der Chalkioekos zu Sparta, Paus. 3, 17, 3, der Geburtshelfer und wird auch sonst als solcher genannt. Noch Andere, auch Apollodor, nennen Prometheus. Auf den Vasenbildern sieht man diese und andere Figuren, die Eileithyia, Apoll der das Wunder mit seiner Musik begleitet, Herakles den Lieblingssohn des Zeus und den Held schlechthin, der die kriegerische Göttin, seine Schutzpatronin begrüßt. Nach d. Schol. Pindar a. a. O. erzählte man auf Kreta, νεφέλη κεκρύφϑαι τὴν ϑεόν, τὸν δὲ Δία πλήξαντα τὸ νέφος προφῆναι αὐτήν., unter furchtbarem Aufruhr der ganzen Natur, wie dieses besonders jener Hymnus weiter ausführt. Andere Dichter und Theologen, die sich in solchen Allegorieen gefielen, haben von einem Streite zwischen Zeus und Hera gedichtet, in Folge dessen Zeus allein die Athena, Hera ohne Zeus den Hephaestos geboren habeHesiod th. 924–929 und die Verse einer andern Theogonie aus Chrysippos b. Galen de Hipponr. et Plat. dogm. t. 5 p. 349 K., vgl. Schoemann op. 2 p. 417., und vollends die Orphische Theogonie hat das Bild von der Verschluckung und von der Metis sehr gemißbraucht und dadurch seine Bedeutung entstellt. Was Metis betrifft so liegt es allerdings nahe diese Göttin für eine spätere Abstraction der Intelligenz des Zeus, des μήστωρ ὕπατος zu halten, und in der That wird sie auch bei Hesiod und in den übrigen Erzählungen von der Geburt der Athena vorzüglich in diesem Sinne d. h. als die personificirte Vernunft und Intelligenz characterisirtVgl. noch Apollod. 1,2,1 (wo sie sich auf φάρμακα versteht). 2; 3, 6. Schol. Il. 16, 222 kennen eine Δαιδάλη Μήτιδος, bei welcher Athena aufwächst.. Indessen fragt es sich ob das Wort und die Göttin nicht ursprünglich auch einen physicalischen Sinn gehabt haben, schon deshalb weil die ältere Sprache reine Abstractionen überhaupt nicht kennt, nicht einmal die der Philosophen. Auch liegt die Andeutung eines andern Zusammenhangs darin daß Metis eine Tochter des Okeanos und der Tethys und absolut wandelbar genannt wird, ferner darin daß ähnliche Namen und mythologische Personificationen, z. B. die zauberische Medea und die weissagenden und wandelbaren Meeresdämonen, Proteus und seine Tochter Eidothea und Theonoe und die Okeanine Eiduia 151 d. i. die Wissende, die Mutter der Medea, auf einen verwandten Zusammenhang der Vorstellung zurückweisen. So wird auch wohl Metis, die Mutter der Athena, nicht ohne einen natürlichen Grund zum Geschlechte des Okeanos gezählt worden sein, zumal da die weitere Beschreibung des Wunders der Geburt auf Gewölk deutet, welches vom Himmel emporgehoben dessen Bauch füllt und unter Stürmen und Blitzen die jungfräuliche Göttin des lichten Himmels gebiert, die Göttin des strahlenden Aethers und seiner leuchtenden und blitzenden Allgewalt; daher Athena zugleich eine höchst intelligente und höchst kriegerische Gottheit ist. So werden in der Theogonie Aether und Hemera, der himmlische Glanz und die Tageshelle, von Erebos und Nyx geboren, in der Perseusmythe Chrysaor und Pegasos von der dunkeln Medusa, in der Titanomachie Nike vom Titanen Pallas und der Okeanine Styx, welche der Medusa und der Nacht nahe verwandt ist, wie Nike der Pallas Athena. Athena aber springt als kriegerische Blitz- und Siegesgöttin gleich in voller Rüstung aus dem Haupte des Zeus hervor, wie dieses besonders Stesichoros ausgeführt hatteSch. Apollon. 4, 1310 πρῶτος Στησίχορος ἔφη σὺν ὅπλοις ἐκ τῆς τοῦ Διὸς κεφαλῆς ἀναπηδῆσαι τὴν Ἀϑηνᾶν., mit strahlenden Waffen und mit der gezückten Lanze, wie die Palladien sie seit unvordenklicher Zeit darstellten, weil der Blitz, wie er aus der dunkelen Wetterwolke hervorzuckt, die erste Epiphanie des Lichtes und des Aethers und das von der Natur selbst an die Hand gegebene Bild von der Geburt des Lichtes ist. Athena ist deshalb die Göttin des Kriegessturmes, des unaufhaltsamen Andranges, wie alle ältere epische Dichtung immer vorzugsweise diese Seite an ihr hervorhebt. Doch ist sie nicht blos dieses wie Ares, sondern ihr höheres Wesen ist die tiefe unergründliche Klarheit und Reinheit des lichten Himmels, der über Wolken und Wetter gebietet, aber selbst dadurch nicht afficirt wird. Der Homerische Hymnus deutet dieses dadurch an daß jener gewaltige Aufruhr in der ganzen Natur bei ihm nur so lange dauert bis Athena ihre Waffen ablegt, worauf Zeus sich der Tochter erfreut d. h. der Himmel sich wieder aufheitertZeus gebiert sie σεμνῆς ἐκ κεφαλῆς πολεμήϊα τεύχε' ἔχουσαν, χρύσεα παμφανόωντα. Alle Götter staunen, ἡ δὲ πρόσϑεν Διὸς αἰγιόχοιο (vorwärts, auf einigen Vasenbildern steht sie auf seinen Knieen) ἐσσυμένως ὤρουσεν ἀπ' ἀϑανάτοιο καρήνου, σείσας ὀξὺν ἄκοντα. Der Olymp und die Erde erbeben, das Meer wallt hoch empor, Helios unterbricht seinen Lauf, εἰσόκε κούρη εἴλετ' ἀπ' ἀϑανάτων ὤμων ϑεοείκλεα τεύχη, Παλλὰς Ἀϑηναίη· γήϑησε δὲ μητίετα Ζεύς. Vgl. Pind. l. c. ἁνιχ' Ἁφαίστου τέχναισιν χαλκελάτῳ πελέκει πατέρος Ἀϑαναία κορυφὰν κατ' ἄκραν ἀνορουσαισ' ἀλάλαξεν ὑπερμάκει βοᾶ· Οὐρανὸς δ' ἔφριξέ νιν καὶ Γαῖα μάτηρ. Anakr. b. Bergk Poet. lyr. p. 831.: die Legende auf Rhodos, wo der 152 Athenadienst der Stadt Lindos an Alterthum mit dem attischen wetteiferte, noch schöner dadurch daß Zeus bei der Geburt seiner Tochter einen goldenen Regen auf die Insel habe fallen lassenPindar Ol. 7, 34, Philostr. Im. 2, 27 Ῥοδίοις δὲ λέγεται χρυσὸς ἐξ οὐρανοῦ ῥεῦσαι καὶ διαπλῆσαι σφῶν τὰς οἰκίας καὶ τοὺς στενωποὺς νεφέλην ἐς αὐτοὺς ῥήξαντος τοῦ Διὸς· Vgl. Himer. ecl. 13, 34 und von der Stadt Lindos und ihrem altertümlichen Athenadienste, den angeblich Danaos und die Danaiden gestiftet, Herod. 2, 182; 3, 47, Strabo 14, 655, Diod. 5, 58., was wie bei der Geburt des Perseus nicht einen gewöhnlichen Regen, sondern die niederströmenden Ergießungen des ätherischen Lichtes bedeutet.

Aehnliche Vorstellungen liegen auch den übrigen Attributen und Symbolen der Pallas zu Grunde, besonders bei der Aegis und dem Gorgoneion. Denn die Aegis ist sowohl der Athena als dem Zeus eigen, das funkelnde Sturmschild der von Blitzen umleuchteten Donnerwolke s. oben S. 94. In der Ilias heißt es daß Athena die Aegis vom Zeus empfangen habe (5, 736 ff.) was dem Gedanken nach dasselbe ist als wenn Aeschylos Eum. 825 sagt, Athena allein wisse um die Schlüssel des Gemaches, in welchem der Blitz versiegelt liegePindar bei Sch. Il. 24, 100 πῦρ πνέοντος ἅ τε κεραυνοῦ ἄγχιστα δεξιὰν κατὰ χεῖρα πατρὸς ἵζεαι.. Indessen ist die Aegis bei allen bildlichen Darstellungen ein noch wesentlicheres Attribut der Athena als des Zeus, und wie die geschwungene Lanze der Palladien den Blitz bedeutet, so wurde die Göttin auch in manchen Cultusbildern blitzschleudernd dargestellt, wie man sie auf makedonischen syrakusanischen und attischen Münzen und verschiedenen Gemmen sieht, und auch die Heldensage sie von dieser Seite kannteVirg. A. 1, 39 vom Untergange des lokrischen Aias: ipsa Jovis rapidum iaculata e nubibus ignem. Vgl. Wieseler in d. Schr. d. Rheinl. Alterth. 1844 S. 352.. Was das Gorgoneion betrifft so gehörte auch dieses zur Aegis des Zeus, aber wesentlicher doch gleichfalls zu der der Athena, die es nach der gewöhnlichen d. h. der argivischen Sage vom Perseus empfangen, nach einer attischen (Eurip. Ion 987) selbst erworben hat, nachdem sie die Gorgo in der Gigantomachie getödtet hatteAndre leiteten die Aegis der Palladien aus Libyen ab und hielten sie für das Fell eines vulkanischen Ungeheuers, Herod. 4, 189, Diod. 3, 69. Noch Andre wußten von einer Minerva, die ihrem eignen Vater Pallas, einem Giganten oder Titanen, der ihre Jungfräulichkeit angetastet, das Fell abgezogen und dieses als Aegis, die ihm entrissenen Fittige als Fußflügel getragen habe, Cic. N. D. 3, 23, 59, Clem. Protr. p. 24 P., Tz. Lykophr. 355 u. A.. Ein Ungeheuer welches in der 153 kosmogonisch gestimmten Perseussage an den nächtlichen Enden der Okeanischen Urfluth zu Hause ist, nach der attischen Sage dagegen von der Erde zum Beistande ihrer bedrängten Söhne, der Giganten erzeugt wurde. Seine ursprüngliche Bedeutung ist vermutlich die des Mondes als des Gesichtes der Nacht, nicht in der freundlichen und anmuthigen Gestalt einer Artemis oder Selene, sondern in der gleichfalls weit verbreiteten Auffassung einer unheimlichen, finstern und grausigen Macht gleich der Hekate oder der auch dem Namen nach verwandten Brimo d. h. der Schrecklichenἡ Γοργώ, auch Γοργών und Γοργόνη, d. h. eigentlich die Aufgeregte, Wilde, Schreckliche. Das Mondgesicht machte auf die Alten einen schrecklichen und unheimlichen Eindruck, daher die Orphiker es γοργόνιον nannten, s. Plut. d. facie in o. l. 29, Clem. Al. Str. 5 p. 676 P. Vgl. Levezow üb. d. Entw. des Gorgonenideals Brl. 1833, Streber üb. d. Gorgonenfabel München 1834, O. Müller kl. deutsche Schr. 2, 465 ff., Handb. d. Arch. § 65, 3; 397, 5.. Auch scheint Gorgo Medusa als Gesicht der Nacht zugleich deren Symbol gewesen zu sein und wie diese die Bedeutung einer kosmischen und kosmogonischen Potenz von dualistischem Character gehabt zu haben, so daß zugleich das Schreckliche und das Liebliche von ihr ausgehen konnte; wie dieser doppelte Character wiederum vorzüglich in der Perseusfabel hervortritt, wo sie in Verbindung mit den Graeen das urweltliche Dunkel zu bedeuten scheint, welches auf der Fluth lagerte, bis mit Hülfe guter Himmelsmächte die erste Epiphanie des Lichtes daraus hervorstrahlte. Daher das Medusenhaupt in der älteren Kunst zwar immer mit den grellsten Zügen ausgestattet und seine Wirkung von den Dichtern wetteifernd als eine Alles versteinernde d. h. alles Leben tödtende geschildert wird: daneben aber doch Medusa selbst schon bei Hesiod th. 278 ff. eine liebe Buhle des Meeresgottes Poseidon genannt wird, der sich auf blühender Frühlingswiese bei ihr lagert, worauf aus ihrem Rumpfe, nachdem Perseus den Kopf abgeschlagen, Chrysaor und Pegasos entspringen d. h. der zuckende Lichtstrahl des Blitzes und die geflügelte Donnerwolke. So ist auch das Blut der Gorgo nach Euripides Ion 1005 sowohl von belebender als von tödtlicher Wirkung, und selbst das Gesicht der Medusa wird in der späteren Poesie und Kunst immer milder und reizender geschildert und abgebildet, bis es zuletzt heißt, Medusa habe durch Poseidons Liebe und die Schönheit ihrer Haare die 154 Eifersucht der Athena erregt, welche deshalb diese Haare in Schlangen verwandelt und den Perseus gegen sie ausgesendet habeOvid M. 4, 794–803, Serv. V. A. 6, 289, Mythogr. lat. 1, 130. 131; 2, 112. Vgl. Cic. Verr. 4, 56 Gorgonis os pulcherrimum, crinitum anguibus.. Immer gehören Athena und der Tod der Gorgo oder das Attribut der Gorgo so eng zusammen daß die Epithete Athena γοργῶπις, γοργοφόνος herkömmlich waren und das Gorgoneion besonders auf der attischen Burg, die zuletzt ganz dem Pallasdienste geweiht war, für ein eben so wesentliches Attribut desselben galt als der heilige OelbaumDie oft besprochenen Worte des Euripides aus dem Erechtheus οὐδ' ἀντ' ἐλάας χρυσέας τε γοργόνος τρίαιναν ὀρϑὴν στᾶσαν ἐν πόλεως βάϑροις Εὔμολπος οὐδὲ Θρᾶξ ἀναστέψει λεὼς στεφάνοισι, Παλλὰς δ' οὐδαμοῦ τιμήσεται bedeuten einfach daß Poseidon (der Dreizack) und Eumolpos nicht über Athena (Oelbaum und Gorgo) und Erechtheus obsiegen werde. Die Worte b. Eur. Hel. 1315 ἁ μὲν τόξοις Ἄρτεμις, ἁ δ' ἔγχει Γοργὼ πάνοπλος, woraus man eine Athena Gorgo gefolgert hat, sind verdorben. Vgl. G. Hermann Opusc. 7, 277, Schoemann Op. 2, 208.. So sah man an der südlichen Mauer der Burg, über dem Theater ein großes vergoldetes Medusenhaupt auf einer AegisPaus. 1, 21, 4. Goldene oder vergoldete Gorgomasken waren unter den Weihgeschenken der Burg etwas sehr Gewöhnliches, besonders berühmt aber das Gorgoneion der großen Bildsäule der Athena Parthenos, s. Böckh Staatsh. 2, 275. Alterthümliche Gorgonenmaske von der Burg b. Roß Archäol. Aufs. S. 108 t. 8. Ueber die Anwendung des Gorgoneion zum Schutze von Mauern, Thoren, Gebäuden aller Art, Gerätschaften, Waffenstücken u. s. w. s. O. Jahn in d. Ber. d. K. Sächs. Ges. d. W. 1855 S. 59., was den gewaltigen, alle Feinde zurückschreckenden Schutz, mit welchem Athena als Promachos von ihrer Burg über Stadt und Land waltete, vergegenwärtigen sollte. An der Brust der Himmelsgöttin Pallas Athena aber, wo das Gorgoneion nie fehlte, und als Kern der Aegis kann dieses Symbol doch auch nur die himmlischen Schrecknisse, über welche die Göttin gebietet, bedeuten.

Andere Symbole führen diese alterthümlichen Beziehungen der Athena zu den himmlischen Mächten und Erscheinungen in anderer Weise aus. So das alte bildliche Epithet γλαυκῶπις, welches einen eigenthümlich leuchtenden Glanz der Augen ausdrückt, einen ähnlichen Glanz wie den des Mondes, der schimmernden Meeresfläche, der Blätter des Oelbaums. Unter den örtlichen Diensten haftete es besonders an dem der Akropolis von Athen und dem von SigeonDaher sowohl der T. der Athena auf der Burg als diese selbst u. der T. zu Sigeon Γλαυκώπιον genannt wurde, Strabo 7. 299; 13, 600, vgl. Herod. 5, 95 und Et. M. s. v. Γλαυκὸς ist licht, schimmernd, von γλαύσσω ich leuchte, γλαυκῶπις μήνη sagten Empedokles Euripides u. A. vom Monde, s. Plut. de facie in o. l. 21, Sch. Apollon. 1, 1280. Andre sagten dafür Γλαυκώ, Sch. Pind. Ol. 6, 76. Sowohl auf den M. von Athen als auf denen von Sigeon erscheint die Mondsichel neben der Eule., bei beiden wahrscheinlich 155 mit Beziehung auf die Lichterscheinung des Mondes. In Athen entspricht bekanntlich demselben Bilde das Symbol der Eule (γλαῦξ), dieses von der attischen Athena auf den Münzen, Vasen und bei allen andern Veranlassungen untrennbaren VogelsAristoph. Eq. 1093 καὶ μουδόκει ἡ ϑεὸς αὐτὴ ἐκ πόλεως ἐλϑεῖν καὶ γλαὺξ αὐτῆ' πικαϑῆσϑαι. Vgl. Plut. Them. 12, Hesych. γλαῦξ ἔπτατο.. Man muß denselben in Athen gesehen haben, mit seinen großen rothgelben Augen, in denen der pechschwarze Kern unheimlich glüht, um die ganze Prägnanz dieses Bildes empfinden zu können, bei dem es wieder vornehmlich auf das Gesicht der Nacht hinauskommt. Auch deutete schon Aristoteles die Athena auf das Mondlicht, welche Deutung in der That von manchen Umständen unterstützt wirdAristot. b. Arnob. 3, 31, vgl. Hesych. Et. M. s. v. Τριτογένεια, O. Müller kl. deutsche Schr. 2, 231., z. B. durch die Sage von der Auge d. h. der Glänzenden, der Athenapriesterin von Tegea, der Mutter des Telephos, durch die Fackelfeste der Athena Ἑλλωτίς zu KorinthSchol. Pind. Ol. 13, 56, Böckl. expl. Pind. 216. Ἑλλωτίς oder Ἑλλωτία hieß auch die Mondgöttin Europa. Auch die im Cultus der Athena nicht seltenen Fackelfeste werden am besten auf den Mond bezogen., auch durch den Cult der Chryse d. h. der Goldnen, der Lichten, auf einer Insel bei Lemnos, welche Göttin gewöhnlich für eine Athena gehalten wurde: ein Gottesdienst welcher durch die Sage von der Trojafahrt des Herakles und der des Philoktet berühmt geworden war und für die Schifffahrt in diesen Gewässern immer angesehen bliebSoph. Philokt. 194 τῆς ὠμόφρονος Χρύσης. Die alten Ausleger nennen diese Göttin bald Athena bald eine Nymphe. Das Idol zeigt zwei Sterne auf der Brust, die man auf Sonne und Mond deutet. Vgl. G. Hermann Soph. Philoct. ed. 2 praef., Gerhard Archäol. Ztg. 1845 n. 35, Welcker Gr. Götterl. 1, 307.. Endlich durch den Antheil den Athena in der Sage von Delos und von Delphi und in der attischen Sage an der glücklichen Entbindung der Leto genommenAristid. Panath. 1 p. 157 Ddf. u. dazu die Scholien, Macrob. S. 1, 17, 55 u. bes. Aristid. Athen. 1 p. 21 Ddf. Athena führt die Leto von Prasiae nach Delos u. hilft ihr bei der Geburt, ὥστε ἡ μὲν Ἄρτεμις λοχία ταῖς ἄλλαις ἐστίν, αὔτη δὲ τῆ Ἀρτέμιδι λοχία πρὸς τὰς γονὰς ἡ ϑεὸς γεγένηται. Ueber Athena Πρόνοια u. Προναία O. Müller a. a. O. 195 ff., G. Hermann Op. 6, 2, 17 ff., Ulrichs Reisen u. Forsch. 45. 53. Auch die Athena Ζωστηρία auf dem attischen Vorgeb. Zoster wurde gewöhnlich auf die Entbindung der Leto bezogen, Paus. 1, 31, 1. Von Prasiae Bekk. Anecd. 299., wie alle Mondgöttinnen zugleich Entbindungsgöttinnen zu sein pflegen. Sie wurde deshalb in Delos, im attischen Demos Prasiae und in Delphi als 156 Πρόνοια oder Προναία verehrt, eine Doppelform des Namens welche vorzüglich durch Delphi veranlaßt zu sein scheint, wo jene attisch-delische Sage von der Entbindung der Leto nicht so viel Gewicht hatte und wo der T. der Athena denen, die von der phokischen Schiste kamen und zu der heiligen Schlucht emporstiegen, gewissermaßen vor dem großen Haupttempel lag, obgleich keineswegs in dem Sinne wie sonst ähnliche Namen (πρόναοι, προπύλαιοι) angewendet werden. Dagegen deuten andere Sagen, besonders die von den Lieblingshelden der Athena Bellerophon Perseus Herakles, eben so bestimmt auf die Sonne oder auf Licht und ätherische Klarheit überhaupt. So galt auch Aethra, die personificirte Tageshelle, die Mutter des Theseus, in Troezen für eine Priesterin der Athena, während diese Göttin in Argos als ἀκρία und ὀξυδεκρής, in Sparta angeblich nach einer Stiftung des Lykurg als ὀπτιλέτις d. h. als Licht- und AugengöttinHesych v. ἀκρία, Paus. 2, 24, 4; 3, 18, 1, Plut. Lykurg 11., und überhaupt vorzugsweise auf Bergen und Burgen wie Zeus und die anderen himmlischen Götter verehrt wurde. Auch der alte tegeatische und durch ganz Arkadien wie in Lakonien verbreitete Beiname Athena Ἀλέα wird nach der natürlichsten Auslegung auf die milde gedeihliche Wärme des ätherischen Himmels gedeutetUeber den T. zu Tegea, welcher in dem Neubau des Skopas der prächtigste im Peloponnes war, Herod. 1, 66; 9, 70, Paus. 8, 45, 3. 4. Es wurden zwei Wettkämpfe gefeiert Ἀλέαια und Ἁλώτια ib. 47, 3. ἀλέα ist die milde gedeihliche Sonnenwärme. Mehr b. O. Müller a. a. O. 175 u. Welcker G. G. 1, 309..

Besonders reich an sinnbildlichen Andeutungen und Erinnerungen ist der attische Athenadienst, über den wir auch am besten unterrichtet sind. Auch hier überwogen in älterer Zeit die physicalischen Beziehungen, während in der späteren mehr die ethischen d. h. die Eigenschaften des kriegerischen Muthes und der künstlerischen Erfindung an der Göttin hervorgehoben wurden: ein Gegensatz welcher sich auch in den Gebäuden und Denkmälern der Burg von Athen, dem Stammsitze dieses Gottesdienstes für das ganze LandPaus. 1, 25, 7 ἱερὰ μὲν τῆς Ἀϑηνᾶς ἐστὶν ἥ τε ἄλλη πόλις καὶ ἡ πᾶσα ὁμοίως γῆ. καὶ γὰρ ὅσοις ϑεοὺς καϑέστηκεν ἄλλους ἐν τοῖς δήμοις σέβειν, οὐδέν τι ἧσσον τὴν Ἀϑηνᾶν ἄγουσιν ἐν τιμῇ· τὸ δὲ ἁγιώτατον ἐν κοινῷ πολλοῖς πρότερον νομισϑὲν ἔτεσιν ἢ συνῆλϑον ἀπὸ τῶν δήμων ἐστὶν Ἀϑηνᾶς ἄγαλμα ἐν τῇ νῦν ἀκροπόλει, τότε δὲ ὀνομαζομένη πόλει. deutlich ausdrückte. Athena wurde nehmlich auf der Burg vornehmlich in zwei Heiligthümern verehrt: in dem sehr alten, in der Zeit des peloponnesischen 157 Kriegs nach dem alten Grundplane wiederhergestellten Erechtheum, wo man das älteste, vom Himmel gefallene Bild der Göttin, den heiligen Oelbaum und die Merkmale des Streites mit Poseidon, die Gräber der ältesten Landesheroen und viele alte Erinnerungen der priesterlichen Geschlechter zeigte und Athena selbst als PoliasΖεὺς Πολιεὺς und Ἀϑηνᾶ Πολιὰς oder Πολιοῦχος wurden hier wie oft neben einander verehrt. Vgl. das Psephisma des Themistokles b. Plut. 10 τὴν πόλιν παρακαταϑέσϑαι τῇ Ἀϑηνᾷ τῇ Ἀϑηνάων μεδεούσῃ. Aristoph. Eq. 581 ὦ πολιοῦχε Παλλάς, ὦ τῆς ἱερωτάτης, ἀπασῶν πολέμῳ τε καὶ ποιηταῖς δυνάμει ϑ' ὑπερφερούσης μεδέουσα χώρας. Thesmoph. 1140 ἣ πόλιν ἡμετέραν ἔχει καὶ κράτος φανερὸν μόνη κληδοῦχός τε καλεῖται. d. h. als Schutzgöttin der Burg und Altstadt (πόλις) in der Umgebung der ihr durch Cultus und Sage am nächsten verbundenen Gottheiten verehrt wurde, immer mit specieller Beziehung auf die älteste Landescultur und die ältesten Landeserinnerungen. Das andere Heiligthum war der Parthenon, ein Gebäude welches auf der Stelle eines älteren, durch die Perserkriege zerstörten in der Zeit des Perikles vollendet wurde und noch in seinen Trümmern von vollendeter Schönheit ist, wie es ehedem sowohl durch seine Entstehung als durch seinen äußeren und inneren Schmuck an die schönste und blühendste Periode des attischen Geistes und Ruhmes erinnerte. Zwischen diesen beiden Gebäuden stand die riesige weithin sichtbare Bildsäule der Pallas Promachos, das merkwürdige Denkmal der kriegerischen Erfolge über die Perser, welche Athen seiner Schutzgöttin nicht minder dankbar zuschrieb als jene friedlichen der grauen Vorzeit und des Perikleischen Zeitalters; abgesehen von kleineren Tempeln und Capellen und vielen anderen Denkmälern, welche sich den größeren Heiligthümern anschlossen und unter besonderen Veranlassungen entstanden die Fürsorge der Göttin unter allerlei besonderen Beziehungen ausdrückten.

Und doch verrathen selbst die Denkmäler und Erinnerungen des Erechtheums, welches bis zur Zeit des Pisistratos das einzige Heiligthum gewesen war, den Verlauf eines längeren Zeitabschnittes der attischen Cultur, in welchem auf das friedliche Leben der pelasgischen Vorzeit d. h. einer vorzugsweise dem Ackerbau ergebenen Bevölkerung, das ritterliche und 158 seemännische Treiben des ionischen Stammes gefolgt war. Es führt seinen Namen nach dem Erechtheus, welcher in diesem Heiligthum neben der Athena Polias verehrt wurde, nach der älteren Sage eine Geburt des fruchtbaren Thalgrundes von Athen, der in der mütterlichen Pflege der Göttin und in ihrem eignen Tempel herangewachsen ihr priesterlicher Diener und der König des Landes wurdeIl. 2, 547 δῆμον Ἐρεχϑῆος μεγαλήτορος, ὅν ποτ' Ἀϑήνη ϑρέψε Διὸς ϑυγάτηρ, τέκε δὲ ζείδωρος ἄρουρα, κὰδ δ' εν Ἀϑήνης εἷσε ἑῷ ἐνὶ πίονι νηῷ· ἔνϑα δέ μιν ταύροισι καὶ ἀρνειοῖς ἱλάονται κοῦροι Ἀϑηναίων περιτελλομένων ἐνιαυτῶν. Od. 7, 80 ἵκετο δ' ἐς Μαραϑῶνα καὶ εὐρυάγυιαν Ἀϑήνην, δῦνε δ' Ἐρεχϑῆος πυκινὸν δόμον. Herod. 8, 55 ἔστι ἐν τῇ ἀκροπόλι ταύτῃ Ἐρεχϑέος τοῦ γηγενέος λεγομένου εἶναι νηός, ἐν τῷ ἐλαίη τε καὶ ϑάλασσα ἔνι. 5, 82, wo die Aegineten für die von Athen erhaltenen Olivenstämme jährliche Opfer bringen τῇ Ἀϑηναίῃ τε τῇ Πολιάδι καὶ τῷ' Ἐρεχϑέϊ. Ἐρέχϑειον heißt das Gebäude b. Paus. 1, 26, 6.; dahingegen ihn eine andre, gleichfalls ziemlich alte Tradition Erichthonios und einen Sohn des attischen Feuergottes Hephaestos nennt, entweder unmittelbar von der Erde, oder in der auf einen älteren Verein zwischen Hephaestos und Athena hindeutenden Form, daß Hephaestos die Göttin in brünstiger Liebe verfolgt, der Erdboden aber seinen Samen empfangen habe, worauf Erichthonios von diesem geboren worden, aber in der mütterlichen Pflege und unter dem Schutze der Athena herangewachsen seiSchon Pindar und die Danais dichteten nach Harpokr. v. αὐτόχϑονες, Ἐριχϑόνιον τὸν Ἡφαίστου ἐκ γῆς φανῆναι, vgl. Hellanikos ib. v. Παναϑήναια und Eurip. Ion 267 ff., wo es von der Athena mit bestimmter Beziehung auf eine die Jungfräulichkeit der Burggöttin verdächtigende Tradition heißt, sie habe den Erichthonios aus den Händen der Ge empfangen (so stellen es auch die Vasenbilder dar) ἐς παρϑένους γε χεῖρας οὐ τεκοῦσά νιν. Auch b. Paus. 1, 2, 5 heißt Erichthonios ein Abkömmling des Hephaestos und der Ge, während Plut. orat. p. 145 E statt seiner den Erechtheus, Apollod. 3, 14, 6 statt der Ge die Atthis, T. des Kranaos nennt, eine Personifikation des Thales bei Athen. Derselbe erzählt die gewöhnliche Sage, die aus der etymologischen Deutung des Namens Erichthonios von ἔριον und χϑὼν entstanden ist, vgl. Et. M. Ἐρεχϑεύς, Schol. Il. 2, 547, Mythogr. 359, 3 ed. Westerm. u. A. Andre leiteten den Namen ab von ἔρις und χϑών, Hygin f. 166, Serv. V. Ge. 3, 113, Mythogr. lat. 2, 37.. Und zwar habe sie das schlangenartig gebildete Kind anfangs den drei Töchtern des Kekrops, der Aglauros Herse und Pandrosos anvertraut, in einer Lade versteckt und mit dem Verbote danach zu sehen; doch hätten die Mädchen bis auf Pandrosos, die erste Priesterin und Mitbewohnerin des Tempels der Athena, dieses Verbot mit weiblicher Neugierde bald gebrochen und sich darauf, von Wahnsinn ergriffen, von der steilen Wand des Burgfelsens hinabgestürzt, worauf die Göttin das 159 Wunderkind selbst in ihre Pflege nimmt und bei sich in dem Tempel wohnen läßt, welcher deshalb gewöhnlich das Erechtheum oder die Wohnung des Erechtheus genannt wurdeδόμος Ἐρεχϑῆος Od. 7, 80. Daher der Altar des Ζ. ἑρκεῖος b. Dionys. H. Dinarch 3. So galt das H. der Dem. Thesmophoros auf der Burg von Theben für die Wohnung des Kadmos und seines Geschlechts, Paus. 9, 16, 3.. Immer dieselbe Umschreibung eines autochthonen und dämonischen Wesens, welches sich mit dem eleusinischen Triptolemos und seinem Verhältniß zur dortigen Demeter und mit andern verwandten Gestalten der örtlichen Landessage vergleichen läßt: ein Sinnbild sowohl der menschlichen Landesjugend als des gedeihlichen Acker- und Gartenbaues, wie er sich in dem fruchtbaren Kephissosthale unter Olivenbäumen und Weingärten in schönen und reichen Pflanzungen noch jetzt weit und breit ausdehnt. Daher der Name Ἐριχϑόνιος, welcher recht eigentlich einen Genius des fruchtbaren Erdbodens bedeutetἘριχϑόνιος ist i. q. ἐριούνης oder ἐριούνιος, welches vorzüglich von Hermes und von andern segenspendenden Göttern gebraucht und durch χϑόνιος erklärt wird. Auch hieß Hermes ἐριχϑόνιος, Et. M. 371, 51, Gud. 208, 31 ἐριούνιος Ἑρμῆς καὶ χϑόνιος καὶ ἐριχϑόνιος. Ein altes Bild des Hermes im Erechtheum, Paus. 1, 27, 1. Vgl. ἐριβῶλαξ ἐρίβωλος ἐριϑαλής Ἐρίβοια u. s. w.; daher die Schlangenbildung, welche wie bei Kekrops und den attischen Autochthonen überhaupt ursprünglich gewiß nur die Entstehung aus dem heimischen Erdboden und den von Jahr zu Jahr sich erneuernden Segen der Erde ausdrücken sollteDie Mythographen beschreiben den Erichthonios als δρακοντόπους, aber im Cultus war er ganz δράκων oder ὄφις und wurde als solcher im Bilde oder durch eine lebendige Schlange, den s. g. οἰκουρὸς ὄφις der A. Polias vergegenwärtigt, s. Herod. 8, 41, Arist. Lys. 759, Hesych οἰκουρόν, Paus, 1, 24. 7, Et. M. 287, 14, Suid. δράκαυλος, Philostr. Imag. 2, 17 ὁ δράκων ὁ τῆς Ἀϑηνᾶς ὁ ἔτι καὶ νῦν ἐν ἀκροπόλει οἰκῶν. Vgl. die kychreische Schlange von Salamis d. h. den Autochthonen der Insel, welcher als ἀμφίπολος der eleusinischen Demeter gedacht wurde, b. Strabo 9, 393, Meineke Anal. Alex. 52.; daher die Abstammung von dem die Erde durchwärmenden Feuergotte und die Pflege der Landesgöttin mit dem Wechsel von netzendem Thau und heitrer Luft, denn dieses bedeuten die Namen jener drei Töchter des Kekrops, welche wesentlich zur Umgebung der Athena gehörten und eigentlich nur gewisse durch mythologische Abstraction von ihr getrennte Eigenschaften ausdrücktenἌγλαυρος ist die bessere Form, nicht Ἄγραυλος. Er bedeutet die heitre Luft, Πάνδροσος und Ἕρση die Benetzung durch Thau und Regen. Alle drei hießen auch Ἀγλαυρίδες oder Ἀγραυλίδες παρϑένοι, Eurip. Ion 23, Hesych s. v. Sie wurden als die ersten Dienerinnen der A. Polias gedacht, Pandrosos als die erste Priesterin, Aglauros als die erste Plyntris, Herse als die erste Arrhephore, Ovid M. 2, 711 ff. Ἄγλαυρος und Πάνδροσος waren auch Beinamen der Athena, s. Schol. Ar. Lysistr. 439, Harpokr. Suid. v. Ἄγλαυρος. Pandrosos wurde als erste Priesterin nicht allein von dem Frevel ausgenommen, sondern auch neben der A. Polias göttlich verehrt, Apollod. 3, 14, 6, Paus. 1, 27, 3, Harpokr. ἐπίβοιον. Das τέμενος Ἀγλαύρου dagegen befand sich an der nördlichen Burgwand, wo die Schwestern sich hinabgestürzt hatten, Herod. 8, 53, Paus. 1, 18, 2 und über die Höhle Bröndsted Reisen, 2, 133. Andre Umstände der örtlichen Sage nach dem alten Atthidenschreiber Melesagoras b. Antigon. Mirab. 12.. 160 Daher ferner die s. g. Erechtheischen Jungfrauen oder Töchter des Erechtheus, eine Gruppe von sechs weiblichen Personificationen, welche theils die befruchtenden Kräfte des Erdbodens theils die des Himmels und der Atmosphäre andeutenSuid. v. Παρϑένοι, wo die Namen sind: Πρωτογένεια Πανδώρα Πρόκρις Κρέουσα Ὠρείϑυια Χϑονία, die meisten davon auch sonst aus der attischen Sagengeschichte bekannt. Drei davon, Protogeneia Pandora Chthonia, opferten sich im Kampfe gegen Erechtheus und Eumolpos, und wurden deshalb unter dem Namen der Hyakinthiden oder Hyaden verehrt, s. Eurip. fr. Erechth. 359, Demosth. Epitaph. 27, Suid. l. c. Nach Philoch. b. Schol. Soph. O. C. 100 wurde den Töchtern des Erechtheus und dem Dionysos zusammen geopfert., ferner die kindernährende Erde, welche neben der grünenden Demeter verehrt wurde und der Sage nach zuerst vom Erichthonios angebetet worden warSuid. v. κουροτρόφος, Paus. 1, 22, 3., endlich die attischen Horen Thallo und Karpo, deren Namen von Blüthe und Frucht reden und von denen Thallo neben der Pandrosos verehrt wurdePaus. 9, 35, 1. Vgl. den Eid der Epheben im H. der Agraulos: ἵστορες ϑεοί· Ἄγραυλος, Ἐνυάλιος Ἄρης, Ζεύς, Θαλλώ Αυξώ Ἡγεμόνη, Poll. 8, 106.. Kurz diese ganze Gruppe von bildlichen Gestalten und Gebräuchen, deren Stiftung gewöhnlich auf Erichthonios oder auf seinen mythischen Doppelgänger Kekrops zurückgeführt wird, deutet sehr bestimmt auf eine Zeit wo die Bevölkerung der attischen Ebene noch vorzugsweise dem Ackerbau und seinen friedlichen Gewöhnungen ergeben war. Dahingegen später mit den ritterlichen und der Seefahrt ergebenen Joniern andre Götter und andre Sagen in den Vordergrund traten, welche mit denen der pelasgischen Vorzeit so gut es gehen wollte verschmolzen wurden. Namentlich gehören dahin Apollo Patroos der ionische Stammgott, welcher nach der gewöhnlichen Sage den Ion mit einer Tochter des Erechtheus erzeugt hatte, von einigen Genealogen aber sogar selbst für einen Sohn des Hephaestos und der Athena ausgegebenCic. N. D. 3, 22, 55; 23, 57, Schoemann Op. 1 p. 324., also dem 161 Erichthonios gleichgestellt wurde, und Poseidon, der zweite Stammgott der Jonier, welcher seitdem in Athen und Attika häufig neben der Athena verehrt aber gewöhnlich als deren Nebenbuhler und als Feind des Erechthidenstammes gedacht wurde. Namentlich war dieses der Fall auf der Burg von Athen, wo er der Sage nach im Streit mit der Burggöttin zuerst seinen Dreizack in den nackten Felsen gestoßen und eine salzige Quelle auf der kahlen Höhe hatte hervorsprudeln lassen; dann aber hatte Athena auf demselben Felsen den ersten Oelbaum wachsen lassen und war dafür sowohl vom Kekrops als von den Göttern für die ächte und wahre Herrin der zukunftsreichen Stätte anerkannt wordenApollod. 3, 14, 1, Hygin f. 164 u. A.. Poseidon soll sich darauf zürnend ins Meer zurückgezogen und von dort mit seinen Fluthen gegen die Küste der Ebene von Athen und gegen die der Ebene von Eleusis getobt haben, bis es den Göttern gelang die um das Land streitenden Mächte zu versöhnen, seit welcher Zeit der ionische Meeresgott in verschiedenen Gestalten neben der Athena verehrt wurde, als Poseidon Erechtheus, denn dieser Name war in veränderter Bedeutung auf ihn übergegangenΠοσειδῶν Ἐρεχϑεύς Hesych v. Ἐρ. und in attischen Inschriften, z. B. b. Rol's Archäol. Aufs. 123 ὁ ἱερεὺς Ποσειδῶνος Ἐρεχϑέος Γαιηόχου. Er ist zu erklären durch ἐρέχϑω d. i. stoßen, schlagen, also i. q. σεισίχϑων. Daher δάλασσα Ἐρεχϑηίς Apollod. l. c., neben der Burggöttin des Erechtheums, als Hippios auf dem durch Sophokles so berühmt gewordenen Hügel bei dem Demos Kolonos, endlich als Meeresherrscher auf dem Vorgebirge Sunion, wo auch Athena auf der Höhe des Vorgebirges thronte. Doch blieben die Merkmale des Streites auf der BurgHerod. 8, 55, Hegesias b. Strabo 9, 396 (Meineke Vindic. Strab. p. 131), Paus. 1, 26, 6; 27, 2, Hesych. ἀστὴ ἐλαία, ἡ ἐν ἀκροπόλει ἡ καλουμένη πάγκυφος διὰ χϑαμαλότητα und πάγκυφος ἐλαίας εἰδός τι κατακεκυφὸς καὶ ταπεινὸν ἐν τῇ ἀκροπόλει. Also von kümmerlichem Wuchs, obgleich man ihm eine ewig grünende Kraft zuschrieb, Eur. Ion 1433.: jener ehrwürdige Mutterstamm des ersten Oelbaums, welcher für den Ursprung des gesammten Olivenbaus in der Kephissosebene galt und nach dem Feuer der Perser von selbst wieder ausgeschlagen war, das noch jetzt sichtbare Merkmal des Dreizacks und die salzige Quelle, welche man ϑάλασσα Ἐρεχϑηίς nannte, endlich die dem Andrange der Meereswogen nach wie vor ausgesetzte Küste bei Athen oder Eleusis, von denen jenes sogar hin und wieder den Namen des Poseidonischen führteAthen soll Ποσειδωνία und Ἀσίς d. h. die sumpfige geheißen haben, Strabo 9, 397, Euphorion b. Meineke An. Alex. 62, offenbar mit Beziehung auf die sumpfigen Strecken bei Halae Aexonides, Echelidae und Halipedon..

162 Athena war mit der Zeit so sehr die Schutzgöttin des ganzen Landes Attika geworden, daß sie auch in den Demen durchweg neben den Göttern der örtlichen Tradition verehrt wurde. Doch weisen noch andere Spuren darauf hin daß der Ausgangspunkt ihrer Verehrung das Thal bei Athen gewesen, in welchem außer den Heiligthümern auf der Burg das der Athena Pallenis, welches auf dem Wege nach Marathon am Gebirge lagHerod. 1, 62, Eur. Herakl. 849. 1031, Hesych v. Παρϑένος, O. Müller kl. Schr. 2, 151, vgl. die von Böckh erkl. Inschr. Ber. d. Berl. Ak. 1853 S. 573. Bei Antigon. Mirab. 12 holt sich Athena aus Pallene einen Berg, um ihn zur Befestigung der Akropolis zu verwenden. Sie läßt ihn unterwegs fallen und so ist daraus der Lykabettos geworden., und die der Athena Skiras von hohem Alterthum waren. Von diesen gab es zwei, eins bei einem Orte Skiron in der Nähe der Stadt an der Straße nach Eleusis gelegenPaus. 1, 36, 3, Steph. B. v. Σκίρον, Strabo 9, 393, Alkiphr. 3, 25 u. A., vgl. Welcker A. D. 3, 15. Daß es auch hier einen T. der A. Skiras gab, welcher von dem in Phaleron zu unterscheiden ist, beweist Poll. 6, 96 σκιραφεῖα δὲ τὰ κυβευτήρια ὠνομάσϑφ, διότι μάλιστα Ἀϑήνῃσιν ἐκύβευον ἐπὶ Σκίρῳ ἐν τῷ τῆς Σκιράδος Ἀϑηνᾶς ἱερῷ, vgl. Eust. Od. 1397, 26 ἐν τῷ τῆς Σκιράδος Ἀϑηνᾶς τῷ ἐπὶ Σκίρῳ. Vermuthlich ist das Palladion der Gephyraeer hier zu denken, s. unten., wo sich bei lebhaftem Verkehre die Würfler und anderes Gesindel zusammenfanden, das andere in Phaleron, der alten Hafenstadt von AthenPaus. 1, 1, 4; 36, 3, Plut. Thes. 17 u. A. Für den Gründer dieses H. galt gewöhnlich Skiros von Salamis, erster König der Insel, Sohn des Poseidon und Gemahl der Salamis, einer T. des Asopos, Strabo 9, 393, Hesych v. Σκιράς, eigentlich nur eine Personifikation von Salamis, σκιράς d. h. ξηρά, vgl. Danaos, Kranaos u. dgl., beide angeblich von einem Heroen der Vorzeit gegründet, obwohl der wahre Grund der Benennung in der Beschaffenheit des Bodens zu suchen sein wird. Der trockene kalkhaltige Boden, τὰ σκῖρα, wie er sich in der Umgebung von Athen häufig findet, eignete sich nehmlich vorzugsweise zur Cultur des Oelbaums und andrer Baumpflanzungσκίρος oder σκίρρος ist ein älteres Wort für ξηρός, vgl. ξένος aeol. σκένος, ξίφος dor. σκίφος. Hesych erklärt σκῖρα χωρία ὕλην ἔχοντα εὐϑετοῦσαν εἰς φρύγανα, vgl. O. Müller kl. Schr. 2, 150. 233, C. I. n. 5774. 5775, vol. 3 p. 705. Daher auch der Name der A. Skiras bisweilen in diesem Sinne erklärt wird, Schol. Ar. Vesp. 926 λέγεται καὶ γῆ σκιρρὰς λευκή τις ὡς γύψος καὶ Ἀϑ. Σκιρρὰς ὅτι τῇ λευκῇ χρίεται. Vgl. Suid. Phot. v. σκίρος, Schol. Paus. 1, 1,4, nach welchen Theseus nach der Rückkehr von Kreta im T. zu Phaleron ein Bild der A. Skiras von Gyps geweiht hätte., daher sich vermuthlich auch der Cultus der 163 Athena Skiras, welcher sich mit dem der A. Polias, aber auch mit dem der Demeter und des Dionysos von verschiedenen Seiten berührt, ursprünglich besonders auf diesen Betrieb bezogen hat. Endlich darf auch das Heiligthum der Athena in der Akademie für alt gelten, wo die Göttin neben den beiden Feuergöttern, Hephaestos und Prometheus, und durch Fackelläufe verehrt wurdeApollodor b. Schol. Soph. O. C. 56, Paus. 1, 30, 2. Ueber die Fackelläufe Böckh Staatshaush. 1, 612 ff.. Auch galt die Akademie für die Gegend wo der erste Ableger von dem Olivenbaum auf der Burg entstanden sei, nach einer anderen Ueberlieferung sogar zwölf Stämme, welche man μορίαι nannte und unter den Schutz des Zeus μόριος und der Athena gestellt hatte. Namentlich wurde das an den Panathenaeen als Preis an die Sieger vertheilte Oel von diesen Bäumen genommenSoph. O. C. 694–706 mit d. Schol., Arist. Nub. 1005 Schol., Suid. v. μορίαι. Paus. l. c. kennt bei der Akademie nur ein φυτὸν ἐλαίας, δεύτερον τοῦτο λεγόμενον φανῆναι..

Weiter führen die Feste und sinnbildlichen Gebräuche der Athena Skiras und der A. Polias auf der Burg, in denen sich die doppelte Beziehung des attischen Athenacultus, sowohl die ältere auf Ackerbau und Baumzucht als die jüngere nationale und politische, von neuem in vielen interessanten Merkmalen darstellt. So wurde unter den s. g. heiligen Pflügen, welche unter religiösen Gebräuchen das Signal zur Aussaat gaben, der erste bei jenem Heiligthum der A. Skiras an der Straße nach Eleusis gehalten, und zwar dieser zum Gedächtniß der ersten und ältesten Aussaat, der zweite auf dem rarischen Felde bei Eleusis, der ältesten Stätte des Ackerbaus nach eleusinischer Sage, der dritte im Dienste der Athena Polias unter der Burg von den BuzygenPlut. Graec. coni. 42 Ἀϑηναῖοι τρεῖς ἀρότους ἱεροὺς ἄγουσι, πρῶτον ἐπὶ Σκίρῳ, τοῦ παλαιοτάτου τῶν σπόρων ὑπόμνημα, δεύτερον ἐν τῇ Ῥαρίᾳ, τρίτον ὑπὸ πέλιν τὸν καλούμενον Βουζύγιον. Für ὑπὸ πέλιν ist zu lesen ὑπὸ πόλιν und dabei vermutlich an das s. g. βουκόλιον beim Prytaneion zu denken, s. Poll. 8, 111 u. A. b. O. Müller a. a. O. S. 156. Daß die Buzygen zur Umgebung der A. Polias gehörten folgt aus Aristid. Ath. p. 20 Ddf. Βουζύγης τις τῶν ἐξ ἀκροπόλεως. Das Geschlecht leitete sich ab von einem Heros Βουζύγης d. i. ὁ πρῶτος βοῦς ὑπὸ ἄροτρον ζεύξας, s. Et. M., Hesych, Serv. V. Ge. 1, 19. Ueber die ἀραὶ Βουζύγειοι App. Proverb. 1, 61, Valcken. z. Herod. 7, 231., einem alten attischen Geschlechte, welches die Aufsicht über diese Gebräuche hatte und bei Vollziehung derselben im Sinne der 164 alten Frömmigkeit so heftige Flüche aussprach, daß dieselben sprichwörtlich geworden waren. Eine ähnliche Figur desselben Athenadienstes der Burg ist aber auch Ἐρησίχϑων d. h. der Erdaufreißer, der in der Sage für einen Bruder der drei kekropischen Thauschwestern galt, und Βούτης d. h. der Ochsentreiber, der mythische Ahnherr der Butaden und Eteobutaden, welche seit unvordenklicher Zeit im erblichen Besitze des Priesterthums der A. Polias und des Poseidon Erechtheus warenSie leiteten sich ab von Erechtheus, dem Sohne der Ge und des Hephaestos, waren aber Priester des Pos. Erechtheus und führten als solche das Sinnbild des Dreizacks, s. Plut. orat. p. 145 E. Ein Altar des ἥρως Βούτης und der Stammbaum des Geschlechts in der Eingangshalle des Erechtheum, Paus. 1, 26, 6. Vgl. Apollod. 3, 14, 8; 15, 1, Et. M. Ἐτεοβ.. Auch gehören in diesen, den Kreis der Demeter und des Dionysos berührenden Zusammenhang die s. g. Procharisterien, wo alle Magistratspersonen der Athena opferten, wann die Winterszeit zu Ende ging, die Feldfrüchte keimten, Persephone zu ihrer Mutter zurückkehrteSuid. Bekk. An. 295, 3. Andre wissen von einem Feste Προσχαιρητήρια um die Zeit des Abschiedes der Persephone, Harpokr. Phot.. Ferner die Skiren oder Skirophorien im Sommermonate Skirophorion, auch dieses ein Fest zugleich der eleusinischen Gottheiten d. h. der Demeter und Persephone, da an ihnen von den Frauen der Raub der Persephone mit sinnbildlichen Gebräuchen nach Art der Thesmophorien gefeiert wurdeAls Weiberfest werden die Skiren erwähnt b. Aristoph. Thesm. 834, Ekkles. 18, vgl. die Scholien zu beiden Stellen und Harp. Phot. Suid. Steph. B. v. Σκίρον, aus welchen Stellen hervorgeht daß die Σκίρα und die Σκιροφόρια zwei verschiedene Acte desselben Festes waren, und Clem. Protr. p. 14 P., Polyaen. 3, 10, 4, Phot. τροπηλίς, durch welche die Beziehung auf die eleusinischen Göttinnen und den Raub der Persephone bestätigt wird., und der Athena Skiras, da namentlich die Skirophorien am 12ten des Monats als eine Procession von der Burg bis nach jenem Orte Skiron beschrieben werden, bei welcher die Priesterin der A. Polias, der Priester des P. Erechtheus und der des Sonnengottes unter einem von den Eteobutaden getragenen weißen Schirmdache gingen, um dort der Athena ein Opfer darzubringen: eine symbolische Andeutung des Schirmes und Schutzes, dessen die Feldfrüchte in dieser Zeit der größten Hitze von Seiten der ätherischen Mächte am meisten bedürftig schienenΣκίρον hieß auch der Schirm, daher Σκιροφόρια, und zwar glaubte man daß Athena zuerst einen solchen Schirm gegen die heißen Strahlen der Sonne erdacht habe, Harp. Phot. Suid. v. Σκίρον und σκίρος, Bekk. An. 304. Auch das Dioskodion d. h. das Vließ des sühnenden Zeuswidders kam bei dieser Procession zur Anwendung, Suid. v. Διὸς κώδιον, vgl. oben S. 112. Bald darauf, am 14, wurden die Dipolien und Buphonien auf der Burg gefeiert.. 165 Endlich die Oschophorien um die Zeit der Weinlese, ein angeblich von Theseus nach seiner Rückkehr von Kreta gestiftetes Fest, welches gleichfalls die A. Skiras anging, aber diesesmal die im Hafen Phaleron verehrte. Besonders hervorstechende Acte desselben waren ein Wettlauf von Jünglingen, bei welchem dieselben traubentragende Weinreben (ὤσχους) im Heiligthum des Dionysos empfingen und mit diesen bis zu jenem Tempel der A. Skiras liefen, und ein zugleich an die Weinlese und an den Zug des Theseus nach Kreta erinnernder Festzug von demselben Heiligthume zu demselben Tempel, in welchem s. g. oschophorische Lieder zu Ehren des Dionysos und der Ariadne gesungen wurden und verkleidete Knaben und Mädchen an die Noth der letzten Sendung erinnertenPlut. Thes. 23, Prokl. chrestom. b. Phot. bibl.p. 322, Athen. 11, 92, welcher auch dieses Fest Skira nennt, Hesych v. ὠσχοφόρια und ὠσχοφόριον, Schol. Nik. Alexiph. 109, Bekk. An. 239, Harp. Hes. v. δειπνοφόροι.. In solchem Grade hatte sich bei diesem Gebrauche die natürliche Beziehung auf die Zeit der Weinlese, in welcher Athena neben Dionysos gefeiert wurdeWobei zu beachten daß der Weinstock nicht selten auf den Oelbaum gepflanzt wurde, s. Anthol. P. 9, 130, Meineke im Philol. 13, 513., mit der mythologischen auf jene Seefahrt des Theseus und mit andern Erinnerungen des ältesten attischen Seewesens verschmolzen, welche jener Tempel in dem alten Hafenorte am treuesten bewahrt hattePlut. Thes. 17 extr.. Dahingegen bei den Festen der Athena Polias auf der Burg von Athen die Anfertigung und Darbringung eines Peplos, mit welchem das alte Holzbild im Erechtheum jährlich neubekleidet wurde, den leitenden Faden der meisten Gebräuche bildete. An den Chalkeen (S. 142) begann die Arbeit der dabei unter Aufsicht der Athenapriesterinnen und von zwei Arrhephoren beschäftigten Mädchen und Frauen, welche ἐργαστῖναι hießenHesych v. ἐργαστῖναι, vgl. Harp. Et. M. v. ἀρρηφορεῖν, Et. M. Χαλκεῖα, Schol. Eur. Hek. 463. Es scheint daß Pandrosos und ihre Schwestern für die ersten Weberinnen und Dienerinnen der A. Ergane galten, s. Phot. Suid. προτόνιον – ὅτι πρώτη Πάνδροσος μετὰ τῶν ἀδελφῶν κατεσκεύασε τοῖς ἀνϑρώποις τὴν ἐκ τῶν ἐρίων ἐσϑῆτα, vgl. Poll. 10, 191 ποδώνυχον ἡ εσϑὴς τῆς ἱερείας τῆς Πανδρόσου., wie Athena als Ἐργάνη vorzugsweise Spinnerin und Weberin war: ursprünglich wohl nicht blos in dem Sinne der 166 weiblichen Kunstarbeit, sondern in einem ähnlichen wie die Spinnerin Berta der deutschen Mythologie; wenigstens erklärt sich so der bedeutungsvolle Umstand daß man grade an diesem, dem Hephaestos und der Athena geweiheten Feste, welches in die letzten Tage des Saatmonates Pyanepsion fiel, das Gewebe am Peplos begann, und daß dieser Peplos an den Panathenaeen d. h. im Monate der Erndte dargebracht wurde. Weiter folgten im Monate Thargelion bei zunehmender Hitze und während der Reife der Feldfrüchte die Plynterien und Kallynterien, wo das Geschlecht der Praxiergiden gewisse Sühngebräuche verrichtete, indem sie den Peplos des Athenabildes abnahmen und wuschen, das Bild selbst verhüllten und den Tempel absperrten: angeblich zum Gedächtniß der Aglauros, welche zuerst die Aufsicht über den Schmuck der Göttin gehabt habe, der nach ihrem Tode ein ganzes Jahr lang ungereinigt geblieben seiDas Fest dauerte vom 19 Thargelion an längere Zeit, s. Xenoph. Hell. 1, 4, 12, Plut. Alkib. 34, Hes. Πραξιεργίδαι, Poll. 8, 141, Phot. v. Καλλυντήρια, Bekk. An. 270, Schoemann Gr. Alterth. 2, 417. Dabei die λουτρίδες (Phot.) oder πλυντρίδες, zwei mit der Reinigung beschäftigte Mädchen, und der κατανίπτης (Et. M.), welcher speciell τὰ κάτω τοῦ πέπλου zu reinigen hatte. Auch auf Paros gab es Plynterien, C. I. n. 2265, desgleichen im Dienste der Athena Ilias. Auch gehört dahin das von Kallimachos verherrlichte Bad der argivischen Athena im Inachos. Daß alle derartigen Gebräuche eine sühnende Bedeutung hatten bestätigt Artemid. Oneirokr. 2, 33 ἐκμάσσειν δὲ ϑεῶν ἀγάλματα ἢ καϑαίρειν ἢ ἀλείφειν ἢ σαροῦν τὰ πρὸ τῶν νεῶν καὶ τὰ πρὸ τῶν ἀγαλμάτων ἡμαρτηκέναι τι εἰς αὐτοὺς ἐκείνους τοὺς ϑεοὺς σημαίνει., in der That aber wohl auch hier mit Beziehung auf die Zeit des Jahres und die reifenden Feldfrüchte, um sich der Gunst der himmlischen Segensgöttin für diese um so mehr zu versichern. Namentlich pflegte man in der Procession der Plynterien eine Masse von Feigen umzutragen und diese παλάϑη ἡγητορία zu nennen, weil diese Frucht zuerst reifte und deshalb für die früheste milde Nahrung des Menschen und eine besonders edle Culturfrucht galt, daher man bei ihrer Pflege neben den eigentlichen Culturgöttern Demeter und Dionysos auch der Athena und des Zeus gedachtePaus. 1, 37, 2, Et. M. v. ἡγητορία, Athen. 3, 6. Man sagte auch ἡγήτρια u. ἡγητηρία Eust. 1399, 30, Hes.. Ferner die Errhephorien oder Arrhephorien, ein Gebrauch welcher um die Zeit der Skirophorien vollzogen wurde und mit diesem Feste sogar in einem näheren Zusammenhange gestanden zu haben scheintEt. M. ἀρρηφόροι καὶ ἀρρηφόρια, ἑορτὴ ἐπιτελουμένη τῇ Ἀϑηνᾷ ἐν Σκιροφοριῶνι μηνί. Clem. Protr. p. 14 P. ταύτην τὴν μυϑολογίαν αἱ γυναῖκες ποικίλως κατὰ πόλιν ἑορτάζουσιν Θεσμοφόρια Σκιροφόρια Ἀρρηφόρια (v. ἀρρητοφόρια), πολυτρόπως τὴν Φερεφάττης ἐκτραγωδοῦσαι ἀρπαγήν.. Arrhephoren hießen nehmlich 167 vier aus edlen Familien ausgehobene Mädchen zwischen 7 und 11 Jahren, welche jährlich längere Zeit im Dienste der Athena Polias auf der Burg beschäftigt warenPaus. 1, 27, 4. Sie wohnten in der Nähe des T. der Polias; daher die σφαιρίστρια τῶν ἀρρηφόρων auf der Burg mit Statuen, Plut. X orat. p. 839. Statuen der Arrhephoren s. Roß Archaol. Aufs. 87., ihren Namen aber speciell dieser Feierlichkeit verdankten. Die Priesterin der Athena übergab ihnen dann gewisse verborgene Heiligthümer, welche zwei von ihnen bei der Nacht in einen unterirdischen Raum in der Nähe des Heiligthums der Aphrodite in den Gärten trugen, worauf sie dort ähnliche Heiligthümer (ἀπόρρητα) empfingen und diese auf die Burg brachten, wo nach Vollziehung dieses Gebrauchs jedesmal zwei andere Mädchen anstatt ihrer eintraten. Ohne Zweifel mit Hindeutung auf den nächtlichen Thau und die Erfrischung der schmachtenden Feldfrüchte, denn ἀρρηφόροι oder ἐρρηφόροι sind wörtlich ThauträgerinnenEt. M. Hesych v. ἀρρηφόροι, ἀρρηφορία, ἐρρηφόροι, Schol. Arist. Lysist. 642. Dio Schreibart ἀρρηφόροι ist die gewöhnliche, doch findet sich auch ἐρρηφόροι inschriftlich, woneben Istros auch die Form Ἐρσηφόρια kannte, τῇ γὰρ Ἕρσῃ πομπεύουσι τῇ Κέκροπος ϑυγατρί, vgl. Moeris ἐρρηφόροι αἱ τὴν δρόσον φέρουσαι τῇ Ἕρσῃ. In Wahrheit ist ἄρρη ἔρρη ἔρση dasselbe Wort, homerisch ἐέρση, kretisch ἄερσα, skr. varshas Regen, G. Curtius Grundz. 1, 311.; auch wird diese Ceremonie ausdrücklich auf Herse, die Schwester der Pandrosos und Aglauros bezogen, obwohl auch diese beiden andern Kekropiden, welche überhaupt immer als zusammengehörige Gruppe und als Umgebung der Athena gedacht werden müssen, um dieselbe Zeit wie es scheint vom Volke durch Speiseopfer verehrt wurdenBekk. Anecd. 239 δειπνοφόρια γάρ ἐστι τὸ φέρειν δεῖπνα ταῖς Κέκροπος ϑυγατράσιν Ἕρσῃ καὶ Πανδρόσῳ καὶ Ἀγραύλῳ. ἐφέρετο δὲ πολυτελῶς κατά τινα μυστικὸν λόγον, καὶ τοῦτο ἐποίουν οἱ πολλοί, φιλοτιμίας γὰρ εἶχετο. Vgl. das Relief des Mus. Worsl. L. 1824 T. 1 p. 19 und Welcker A. D. 3, 78.. Endlich die Panathenaeen, welche zugleich ein Gedächtnißfest der Vereinigung sämmtlicher Bewohner Attikas zu einem von der gemeinschaftlichen Schutzgöttin beseelten Gesammtstaate waren und den Cyclus ihrer Feste mit der Darbringung des Peplos abschlossen. Es gab gewöhnliche Panathenaeen, welche jährlich, und große, welche in jedem fünften Jahre mit besonderem Glanze gefeiert wurden. Erichthonios galt für den Stifter des ritterlichen Spieles, Theseus für den 168 Begründer seiner über ganz Attika ausgedehnten BedeutungPanathenaeen wie Panionien Panachaeen Pamboeotien u. s. w. Ohne Zweifel waren die am 16 Hekatomb. gefeierten Συνοίκια oder Συνοικέσια eine Vorfeier der Panathenaeen. Mehr bei Meier v. Panathenaea in der Hall. Encyclop., b. K. F. Hermann Gottesd. Alterth. § 54, Schoemann Gr. Alterth. 2, 413 ff.. Die Zeit der Pisistratiden hatte den gymnischen Wettkampf und den der Rhapsoden, die des Perikles musikalische Wettkämpfe, andere Zeiten andere Arten von Lustbarkeit und Wetteifer hinzugefügt, so daß dieses Fest, wenn es in seiner ganzen Herrlichkeit und in vollem Staate d. h. als große Panathenaeen gefeiert wurde, neben den Eleusinien und den großen Dionysien das glänzendste heiligste bedeutungsvollste war. Die ritterlichen gymnischen und musischen Uebungen beschäftigten die ersten Tage, bis mit dem 28 Hekatombaeon, an welchem man die Göttin geboren glaubte, der eigentliche Haupttag des Festes anbrachUeberhaupt waren der Athena die dritten Tage in den Dekaden der griechischen Monate geweiht, besonders aber der dritte des beginnenden u. ablaufenden Monates, was sich auf die Phasen des Mondes bezieht. Der 28 Hekatomb., der Geburtstag der Göttin, war auch so eine φϑινὰς ἡμέρα, s. Müller a. a. O. S. 157.. Namentlich wurde an diesem Tage die große Procession gehalten, von welcher uns der bekannte Cellafries vom Parthenon eine lebendige Anschauung gewährt. Auch wurden vor und nach dieser Procession überreichliche Opfer dargebracht, auf welche eben so reichliche Festschmäuse und eine allgemeine Volksspeisung folgtenAlle Colonieen sendeten zu diesen Opfern ihre Beiträge und der Panathenaeenzug vom Parthenon vergegenwärtigt die Menge der Opferthiere, von denen schon die Ilias 2, 550 spricht, s. S. 158, [Anmerkung 409].. Der feierlichste Act blieb indessen immer die Darbringung des Peplos, jenes reichen, mit den kunstvollsten Bildern geschmückten Obergewandes, welches schon in der Ilias die troischen Frauen ihrer Burgpallas darbringen und an welchem in Athen die Mädchen und Frauen ihre besten Künste der Weberei und Stickerei zu üben pflegten. Die eingewebten Bilder waren gewöhnlich Gruppen aus der Gigantomachie, in welcher Athena neben dem Zeus immer als die eigentliche Siegerin genannt wurdeEurip. Hek. 466 mit d. Schol., Virg. Ciris 20–33.. Doch pflegten auch die Thaten der von Athena geführten und beseelten Heroen, mit der Zeit auch Vorfälle aus der attischen Geschichte und die Bilder berühmter Männer eingewebt zu werdenἄξιοι τοῦ πέπλου, Aristoph. Eq. 566 Schol., Plut. Demetr. 10. 12.. Durch die Stadt wurde das Prachtstück an einer 169 mastbaumartigen Stange segelartig ausgespannt auf einem Wagen oder einem Schiffe herumgeführt. Das ganze Fest diente zur lebendigsten Vergegenwärtigung aller der Segnungen und des ganzen wunderbaren Gedeihens, dessen sich Athen unter der Obhut seiner erhabenen Göttin zu erfreuen hatte. Treten ihre natürlichen Gaben bei solcher Fülle der großartigsten Anstrengungen und Erinnerungen hinter den ethischen und geistigen Stiftungen zurück, so beweist doch mancher Gebrauch daß man auch jener an diesem Feste gedachte, namentlich der für das Land außerordentlich wichtigen Olivenpflanzung. Die schönsten Greise wurden nach einer Anordnung, die man auf den Erichthonios zurückführte, ausgesucht um als ϑαλλοφόροι d. h. mit immer grünen Zweigen des Oelbaums in den Händen der Procession zur besondern Zierde zu gereichenXenoph. Conviv. 4, 17, Schol. Ar. Vesp. 544. Darauf bezieht sich der ἀγὼν εὐανδρίας der Panathenaeen, s. Sauppe de inscr. Panath. Gott. 1858 p. 8 sqq., und die Sieger in den Kampfspielen erhielten als Preis die bekannten panathenaeischen Amphoren mit dem Oele der heiligen BäumeSimonides Anthol. P. 13, 19 καὶ Παναϑηναίοις στεφάνους λάβε πέντ' ἐπ' ἀέϑλοις ἑξῆς, ἀμφιφορεῖς ἐλαίου. Vgl. Pind. N. 10, 33 Schol., Aristot. b. Schol. Soph. O. C. 701 u. über die panathenaeischen Preisamphoren O. Jahn Einl. in die Vasenk. p. CI. Auf dem Rev. der attischen Münzen sitzt die Eule auf einem solchen Gefäße, dem Symbole der Panathenaeenfeier..

Sind in dieser Uebersicht alle Beziehungen der Göttin zu dem Naturleben sammt den Anknüpfungspunkten für ethische Ideenreihen hervorgetreten, so wird nun ihre Thätigkeit für so viele und so wichtige Zwecke des menschlichen Lebens um so besser verständlich werden.

Zunächst gehört dahin die kriegerische Seite der Athena wie sie namentlich in den älteren Hymnen und Sagen, vorzüglich in der Ilias so ganz besonders hervortrittHesiod th. 924 αὐτὸς δ' ἐκ κεφαλῆς γλαυκώπιδα Τριτογένειαν, δεινήν, ἐγρεκύδοιμον, ἀγέστρατον, ἀτρυτωνην, πότνιαν ᾗ κέλαδοί τε ἅδον πόλεμοί τε μάχαι τε. Hom. H. 28 ἀμείλιχον ἦτορ ἔχουσα, ἐρυσίπτολις, ἀλκήεσσα. Der alte attische Hymnus b. Schol. Arist. Nub. 967 Παλλάδα περσέπολιν δεινὰν ϑεὸν ἐγρεκύδοιμον ποτικλήζω πολημαδόκον, ἁγνὰν παῖδα Διὸς μεγάλου, δαμάσιππον, ἀρίσταν παρϑένον. Vgl. die epischen Epithete ἐγρεμάχη φοβεσιστράτη ἀγελείη ληῖτις u. a. Προμαχόρμα b. Paus. 2, 34, 8.. Sie entspricht der stürmischen Seite ihrer Naturbedeutung und daß sie auch im Cultus der älteren Zeit mehr als die friedliche hervorgehoben wurde beweist die herkömmliche Ausstattung der Palladien, bei 170 denen die gezückte Lanze nie fehlte, während der Spinnrocken nur bei einigen als Attribut hinzugefügt wurde. Unter den örtlichen Culten und Epitheten drückt der Beiname Ἀλαλκομένη Ἀλαλκομενηίς dieselbe Bedeutung aus und zwar in dem Sinne der schützenden, der abwehrenden Göttin, der Πρόμαχος, unter welchem Namen sie auf der Burg von Athen und sonst verehrt wurde. Der von allen Boeotern sehr heilig gehaltene Dienst zu Alalkomenae, dem angeblichen Geburtsorte der Athena, ist aus jenem schon der Ilias bekannten Beiworte zu erklärenIl. 4, 8 Ἥρη τ' Ἀργείη καὶ Ἀλαλκομενηὶς Ἀϑήνη, d. i. ἡ ἀλάλκουσα τῷ μένει, wie schon Aristarch erklärte, während Andre den Namen von dem des Orts oder seines Autochthonen ableiteten, vgl. Strabo 9, 413 φασί γε τὴν ϑεὸν γεγενῆσϑαι ἐνϑάδε, καϑάπερ καὶ τὴν Ἥραν ἐν Ἄργει, Steph. B. v. Ἀλαλκ. Et. M. v. Κύπρις. Der boeotische Mt. Alalkomenios entsprach dem attischen Maemakterion. Nach Et. M. Ἀλαλκ. gab es auch eine Hera Alalkomene und einen Zeus Alalkomeneus., und auch die in Thessalien und Boeotien mit so großer Auszeichnung verehrte itonische Pallas war den thessalischen Münzen zufolge eine Promachos, obwohl im örtlichen Gottesdienste, namentlich dem zu Koronea in Boeotien die Spuren einer dem attischen Athenadienste verwandten Naturbeziehung nicht fehltenHades wurde zu Koronea neben der Athena verehrt, Str. 9, 411, wahrscheinlich mit Bez. auf Erndtesegen. Auch erklärte man Ἰτὼν durch Σιτών, Steph. B. Vgl. Schoemann Gr. Alterth. 2, 421.. In Makedonien verehrte man sie in der alten königlichen Burg zu Pella als Ἀλκίς d. h. als starke Wehr und Waffe in einem kriegerischen Bilde, wie man es auf makedonischen Münzen sieht, in der Linken den Schild hebend, in der Rechten den Blitz schwingendLiv. 42, 51, vgl. Soph. Ai. 401 ἁ Διὸς ἀλκίμα ϑεός. 450 ἡ Διὸς γοργῶπις ἀδάματος ϑεά.; in der Gegend des alten Troja als Athena Ilias, welcher im Hinblick auf den kriegerischen Ruhm der Vorzeit von Xerxes und Alexander d. Gr. und andern griechischen und römischen Feldherrn, Königen und Kaisern mit kostbaren Opfern, von der Bevölkerung der Umgegend mit Spielen und Processionen gehuldigt wurdeHerod. 7, 43, Xen. Hellen. 1, 1, 4, Strabo 13, 593 u. A., vgl. Böckh C. I. Vol. 2 p. 878 sqq. Es wurden dort Ἰλίεια oder Ἰλιακὰ gefeiert und Παναϑήναια. Auf den Münzen sieht man das Tempelbild in alterthümlichem Stile, mit dem Speere über der Schulter und einer kleinen Fackel in der Hand, was auf Fackelspiele deutet.. In Troezen nannte man sie Polias und Σϑενιάς d. h. die kräftige, indem man auch hier von einem Kampfe mit Poseidon erzähltePaus. 2, 30, 6; 32, 5.; auf dem 171 Areopag zu Athen und in Plataeae ἈρείαPaus. 1, 28, 5; 9, 4, 1, vgl. Il. 18, 516; 20, 358, Od. 14, 216. Athena und Enyo Il. 5, 333., wie sie denn als Göttin der Schlacht und des Krieges oft neben Ares genannt wird. Die Sage von den argivischen Helden Perseus und Bellerophon, von dem aetolischen Tydeus, von dem minyeischen Iason, die Heraklessage, ferner die troische von Achill, die von Diomedes und Odysseus sammt allen dazu gehörigen Bildwerken zeigen sie in so unendlich verschiedenen Gelegenheiten des Abenteuers und der Schlacht, wie sie mit ihren Helden den Kriegeswagen besteigt und mit ihrer Lanze Alles vor sich niederwirft, auch die weniger starken Götter, daß es unnöthig ist auf Einzelnes einzugehn. Nie verläßt sie der Muth und die Besonnenheit, selbst in der äußersten Gefahr ist sie hülfreich, und wenn die Gefahr überwunden und ein Augenblick der Ruhe eingetreten ist, dann erquickt sie ihre Helden mit milden Gaben und herrlichem Lohne, wie an solchen Zügen besonders die Heraklessage reich war. Sie ist die personificirte Ἀρετή, nicht blos im kriegerischen, sondern auch im ethischen Sinne des Wortes, nicht die sinnlos stürmende, sondern immer die besonnene Tapferkeit, die sich höherer Zwecke bewußt ist; daher die Sage sie gern mit der Aphrodite, der weiblichen und ganz weibischen Gottheit (ἄναλκις Il. 5, 331) contrastirte, aber auch mit Ares, dem berserkerartig wüthenden, von der Athena immer besiegten. Und sie ist zugleich die personificirte Νίκη, da sie ohne Sieg und Preis gar nicht zu denken warHesiod sc. Herc. 339 νίκην ἀϑανάτης χερσὶν καὶ κῦδος ἔχουσα. und in Athen als Ἀϑηνᾶ Νίκη in einem besondern Tempel verehrt wurde, gleich rechts von den Propylaeen und weithin sichtbar, wo dieses Gebäude noch jetzt zu den schönsten Zierden des durch so viele Erinnerungen und durch eine großartige Natur geweiheten Ortes gehörtPaus. 1, 22, 4, vgl. Soph. Pbilokt. 134 Νίκη τ' Ἀϑάνα Πολιάς u. das Gebet der Ritter b. Aristoph. Eq. 581. Das Bild war ungeflügelt, weil man glaubte τὴν Νίκην αυτόϑι ἀεὶ μενεῖν οὐκ ὄντων πτερῶν, P. 3, 15, 5. Nach Harp. Phot. Suid. v. Νίκη hatte es in der R. einen Granatapfel, in der L. den Helm, was auf friedliche Streitbarkeit und auf Fruchtbarkeit d. h. die Segnungen des Friedens deutet. Attische Urkunden nennen sie Ἀϑηναία Νίκη. Auch in Megara auf der Burg gab es eine Athena Nike, Paus. 1, 42, 4.. Auch pflegte Athena in größeren Tempelstatuen als νικηφόρος d. h. wie Zeus mit der Nike auf der ausgestreckten Hand abgebildet zu werden.

Eine nahe Beziehung hatte Athena ferner zu den Stiftungen 172 der ritterlichen Uebung und der Seefahrt, weshalb sie oft neben dem Poseidon verehrt wurde, z. B. in Attika auf einem Hügel bei Kolonos als ἱππία und als eine Göttin der Stürme und Wogen auf dem Vorgebirge Sunion und andern VorgebirgenAthena Σουνιὰς u. Poseidon auf dem Vorgebirge welches schon die Odyssee 3, 278 als ἱερὸν kennt, vgl. Soph. Ai. 1220, Eurip. Kykl. 293 ff. A. αἴϑυια auf einem Felsen an der Küste von Megara, Paus. 1, 5, 3; 41, 6, ἀνεμῶτις in Methone von Diomedes 4, 35, 5. Vgl. das H. bei dem Vorgeb. Kalabriens Strabo 6, 281.. In Athen hatte sie den Erichthonios zu der Anschirrung der Rosse vor dem Wagen angeleitetVirg. Ge. 3, 113 ff., Aristid. Panath. p. 170 Schol. p. 62 Ddf. ἐν τῇ ἀκροπόλει ὀπίσω τῆς ϑεοῦ ὁ Ἐρεχϑεὺς γέγραπται ἅρμα ἐλαύνων., in Korinth den Bellerophon zur Zähmung des Pegasos, daher sie hier als χαλινῖτις verehrt wurde. Außerdem rühmten sich besonders die Kyrenaeer und Barkaeer die Zucht und die Bändigung der Rosse unmittelbar von Poseidon und Athena gelernt zu habenSoph. El. 727 Βαρκαίοις ὄχοις, vgl. Hesych s. v. und M. Schmidt Didym. Chalkent. p. 104.. Daß sie aber auch als anleitende und schützende Gottheit der Seefahrt gedacht wurde lehren die Sagen von Danaos und der lindische Athenadienst auf Rhodos, so wie die von der Argonautenfahrt. Dort wurde sie als die Göttin verehrt welche den Danaos zur Erbauung des ersten Fünfzigruderers, auf welchem er mit seinen Töchtern aus Aegypten floh, angeleitet habeApollod. 2, 1,4, Marm. Par. ep. 9., in dieser galt sie für die Erfinderin der allbesungenen ArgoApollod. 1, 9, 16., und auch auf Bildwerken ist der Schiffbau der Athena nichts Ungewöhnliches. Wer denkt dabei nicht an das hölzerne Pferd durch welches Troja erobert wurde, auch dieses eine Erfindung der Athena? Der ideelle Zusammenhang dieser Uebertragungen wird durch die korinthische Sage vom Pegasos angedeutet. Von dem geflügelten Wolkenpferde und den Stürmen der Himmelsgöttin eilte die Vorstellung weiter zu Wogen und zu Rossen und segelnden Schilfen, wie im Dienste des Poseidon und bei anderen Gelegenheiten die Anschauung der Wellen und Wogen zu derselben Vorstellung hinübergeleitet hat.

Nicht weniger anbetungswürdig war Athena wegen vieler und großer Werke und Stiftungen des Friedens, womit sie ihr Land und alle ihre Verehrer beglückte. Zunächst zeigt sich dieses durch die leibliche Pflege die sie den Einwohnern ihres Landes angedeihen läßt; wie namentlich Erichthonios, der Pflegling 173 der A. Polias von Athen, ein Bild ist zugleich von dem Segen der Vegetation und dem der Landesjugend, welche die Griechen überhaupt in vielen zarten und sinnigen Bildern und Ausdrücken als eine und dieselbe göttliche Wirkung zusammenzufassen pflegten. Athena ist deshalb κουροτρόφος so gut wie irgend eine andere Gottheit des natürlichen Segens. Ein Besuch ihrer Priesterin mit der Aegis der A. Polias galt für eine Förderung der EheSuid. v. αἰγίς – ἡ δὲ ἱέρεια Ἀϑήνῃσι τὴν ἱερὰν αἰγίδα φέρουσα πρὸς τὰς νεογάμους εἰσήρχετο. Vgl. das Sprichwort αἰγὶς περὶ πόλιν Paroemiogr. 1 p. 339.; den neugebornen Kindern wurden aus Gold getriebene Schlangen angelegt und ihren Wiegen die Gestalt von Schlangen gegeben, in Erinnerung der wunderbaren Geschichte des Erichthonios (Eurip. Ion 25. 1427); Athena selbst pflegt der Kinder, wie sie auf mehreren schönen Vasengemälden den kleinen Erichthonios mit untergebreiteter Aegis und mütterlicher Sorgfalt von der Gaea entgegennimmt um seiner zu warten und zu pflegenEl. céramogr. 1, 84–85a. Vgl. O. Jahn Archäol. Aufs. 60 ff. Nach späterer Dichtung glaubte man auch den eleusinischen Iacchos von Minerva erzogen, Nonnos 48, 953 ff.. Die elischen Frauen verehrten sie deshalb unter dem Beinamen der Mutter (Paus. 5, 3, 3) und in der delischen Sage erschien sie wie bemerkt als Hülfe bei der Entbindung der Leto. Als Göttin des reinen Himmels und der gesunden Luft ist sie aber auch eine Göttin der Gesundheit, daher sie in Athen auf der Burg und sonst hie und da im attischen Lande und in Griechenland als Athena Ὑγίεια oder in verwandter Bedeutung verehrt wurdePerikles errichtete ihr ein Bild auf der Burg, wovon die Basis mit der Inschrift noch auf ihrer Stelle steht, Paus. 1, 23, 5, Plut. Per. 13, Roß. Arch. Aufs. 185. Im Demos Acharnae ein Altar der A. Ὑγίεια, P. 1, 31, 3. Παιωνία in Athen und Oropos, hier neben Apollo Παιώνιος und andern Heilgöttern, P. 1, 2, 4; 34, 2. Auf Gemmen wie Hygieia, nur der Kopf mit dem Helme bedeckt, Cavedoni Bull. d. I. 1856 p. 97–104.. In anderen Beziehungen der Art nannte man sie ἀλεξίκακος, böse Krankheiten abwehrend, oder man verehrte sie neben ihrem Vater Zeus als φρατρία oder ἀπατρουρίαPlato Euthyd. 302 D, Paus. 2, 33, 1. A. γενετιὰς b. Creuzer Melet. 1 p. 22., denn auch die Fürsorge für den Zuwachs der Geschlechter und die sich bei der Apaturienfeier stets von neuem verjüngenden Phratrien gehört in diese Gedankenreihe. Und wie alles Staatsleben der Griechen von der Familie auszugehen und sich daraus zu immer weiteren und höheren Ordnungen zusammenzusetzen und aufzubauen pflegt, so mag uns auch hier die Göttin von dem Segen des Hauses zu dem 174 des Staates hinüberführen, dessen Obhut sie gleichfalls neben dem Zeus in allen wichtigen und wesentlichen Beziehungen führte. So war sie Πολιάς oder Πολιοῦχος d. h. die Schutzgöttin der Stadt und des Staates nicht allein in Athen, sondern auch in Troezen, in Sparta (als χαλκίοικος, weil sie in einem altertümlichen, mit ehernen Platten ausgeschlagenen Tempel auf der Burg verehrt wurde Paus. 3, 17, 3), in Chios, auf Kreta, zu Lindos auf Rhodos, zu Priene, zu Massalia und an andern OrtenRoß Rh. Mus. f. Philol. N. F. 4, 163, Hellenica 1, 1, 64. Einer Procession im Waffenschmuck zum T. der Chalkioekos in Sparta gedenkt Polyb. 4, 35, 2–4.. Eben dahin gehören die Epithete βουλαία, bei welcher und dem Zeus βουλαῖος die attischen Buleuten schwuren (in Sparta ἀμβουλία), und ἀγοραία, weil sie als guter Geist und mit eindringlicher Beredsamkeit, wie Aeschylos sie in den Eumeniden schildert, auch in der Volksversammlung waltet. Ferner die Stiftung des Areopags durch welche sie nach der attischen Landessage den unversöhnlichen Streit rächender Dämonen und schützender Gottheiten zum ewigen Segen ihrer Lieblingsstadt schlichteteAuch der humane Grundsatz der attischen Gerichte, daß Gleichheit der Stimmen für den Beklagten entscheide, wurde von dieser Stiftung abgeleitet. Daher ψῆρος Ἀϑηνᾶς d. h. der von ihr selbst hinzugefügte Stein, wodurch Stimmengleichheit erlangt und jener Grundsatz festgestellt wurde, s. Aesch. Eum. 745 ff., Eur. El. 1265, Iphig. T. 965. 1470, G. Hermann Opusc. 6, 2, 189 ff. Eine Ath. σταϑμία d. h. die billig abwägende nennt Hesych.: endlich die Beinamen ἀρχηγέτις, βασίλεια, σώτειρα, unter welchen sie neben Zeus als oberste Schutzgöttin des Staates und Landes verehrt wurde, über Götter und Menschen hoch in den Wolken herrschendOd. 16, 263 ff. Daher ihr Sitz zur Rechten des Vaters, Pindar b. Aristid. 1 p. 15 Ddf., Plut. Symp. 1, 2, 7, vgl. oben S. 149. Ζ. ὑπερδέξιος und Ἀ. ὑπερδεξία auf Lesbos, Steph. B. v. ὑπερδ., vgl. oben S. 125, [Anmerkung 301]. Ζ. ξένιος und Ἀ. ξενία in Sparta, Paus. 5, 11, 8. ὦ δέσποιν' Ἀϑηνᾶ καὶ Ζεῦ σῶτερ Dinarch c. Demosth. 36. Daher sie im örtlichen Cultus unter den verschiedensten Beziehungen sehr häufig vereint waren.. Und so ist sie auch die oberste Obhut und Vorsteherin größerer Stammesverbindungen z. B. als Ἰτωνία die Vorsteherin der zu Koronea gefeierten Pamboeotien, als Παναχαίς zu Patrae die achaeische Bundesgöttin: überall schützend, rathend und in Geist und That fördernd.

Endlich solche Stiftungen die sich auf bestimmte Arten der Landescultur und der Kunstübung beziehen. So die Pflege des Oelbaums, den Attika sich vor allen andern Ländern von ihr 175 empfangen zu haben rühmte, dann Rhodos, wo auf der Burg von Lindos gleichfalls heilige Olivenstämme gezeigt wurdenS. das Epigramm der Anthol. 15, 11. Wirklich scheint sich die Cultur des Oelbaums in Griechenland langsam verbreitet zu haben, s. Herod. 5, 82, Plin. 15, 1.. Die Kunstübungen der Athena bezeichnet im Allgemeinen ihr Beiname Ἐργάνη, obgleich man dabei speciell an die weibliche Kunstarbeit des Spinnens und Webens zu denken pflegte, welche in Griechenland viel und seit alter Zeit geübt wurde und worauf sich die alten Symbole des Spinnrockens und des Peplos bezogen. Athena wurde als die weibliche Künstlerin in diesem Sinne mit und ohne den Beinamen weit und breit verehrt, in Athen Sparta Olympia Thespiae, auf der Insel Samos und an andern Orten. Auch die Ilias und Odyssee sind voll von Beziehungen auf diese ἔργα Ἀϑηναίης, die in ihrer Art immer das Höchste von weiblicher Kunstfertigkeit ausdrückenIl. 5, 735; 9, 390, Od. 7, 110; 20, 66 ff. Vgl. Aelian N. A. 1, 21, V. H. 1, 2, Suid. v. Ἐργάνη, Paus. 3, 17, 4; 5, 14, 5; 9, 26, 6. Auch das Sprichwort σὺν Ἀϑηνᾶ καὶ χεῖρα κίνει galt vorzüglich den Frauen, Zenob. 5 93., und die Sage wußte von manchen Prachtgewändern zu erzählen, welche Athena entweder für sich selbst oder für andere Götter und Helden, namentlich für Herakles gewebt oder gestickt oder sonst künstlich verziert hatte. In dem kunstreichen Lydien hatte sich daraus das Märchen von der Arachne gebildet, welche mit der Athena in der Kunst des bilderreichen Gewebes zu wetteifern gewagt hatte und darüber in eine Spinne verwandelt wurdeVirg. Ge. 4, 246 Serv., Ovid M. 6, 5–145. Eine bildliche Darstellung davon am Friese des T. der Minerva des forum Nervae in Rom.. Aber auch sonst wurde alle künstliche Schmuckarbeit, besonders der weibliche Schmuck von dieser Minerva abgeleitet (Il. 14, 178, Hesiod th. 573 ff., W. T. 72), in weiterer Ausdehnung auch die Kunstarbeit des Zimmermanns, des Goldarbeiters, des Schmiedes und Wagners, des Töpfers und des Schiffszimmermanns; ja Ovid gefällt sich darin weitläuftig auszuführen wie auch der Walker, der Färber, der Schuhmacher, also alle Handwerker und alle Künste ohne Minerva nicht zu rathen wüßtenOvid F. 3, 815 sqq., vgl. Od. 6, 232; 23, 159, Hymn. Ven. 12, Hesiod W. T. 430. Die Erfindung des Wagens hatte ihren Grund in der Sage vom Erichthonios, von der Erfindung des Pfluges in den Ueberlieferungen der Buzygen, s. oben S. 163, [Anmerkung 429], Aristid. 1 p. 20 Ddf., Liban. Progymn. V. 4, p. 952, Serv. V. A. 4, 402. Eine Ἀϑ. βούδεια (δέω) in Thessalien b. Steph. B. v., eine βοαρμία (ἁρμός ἁρμόζω) in Boeotien b. Tz. Lyk. 520. Der Pflüger Ἀϑηναίης δμῶος b. Hesiod W. T. 430. Von der Töpferarbeit s. das kleine Gedicht Κάμινος ἢ Κεραμεῖς. Vgl. Diod. 5, 73, Plut. Symp. 3,6,4, Praec. ger. reip. 5, Paus. 5, 14, 5, Et. M. Phot. v. Ἐργάνη.. In Griechenland 176 wetteiferten auch in dieser Hinsicht Athen und Rhodos. Dort wurde Athena als Künstlerin und Erfinderin neben Hephaestos und Prometheus verehrt und besonders an den Chalkeen gefeiert, A. Ergane aber auf der Burg in einem eigenen Tempel angebetet, in welchem neben ihr ein δαίμων σπουδαίων d. h. der ernsten Beschäftigungen die allgemeine Beziehung auf alle Kunst und Wissenschaft ausdrücktePaus. 1, 24, 3, vgl. Ulrichs Abh. d. K. Bayersch. Ak. 3, 679–87, Beulé l'Acrop. d'Ath. 1, 309 sqq. So wird b. Plut. d. fort. 4 und Aelian V. H. 1, 2 ein weiblicher Daemon Ergane neben der Athena genannt. In Thespiae stand Plutos neben der Ath. Ergane, P. 9, 26, 6.. Von Rhodos sagt es Pindar (Ol. 7, 50) mit lieblichen Worten, wie Athena diese Insel mit wunderbarer Kunstfertigkeit gesegnet habeBöckh explic. Pind. p. 172. In Asien rühmte sich Kyzikos, Athens Enkelin, von der Athena die Befähigung zur Kunst erlangt zu haben, weil es ihr zuerst in Asien einen Tempel erbaut habe, Anthol. P. 6, 342..

Andere Erfindungen sind musikalischer und orchestischer Art. So galt bekanntlich Athena für die Erfinderin der Flöte, nach der gewöhnlichen Sage hatte sie das Zischen und Wehklagen der Gorgonen daraufgebracht, als Perseus unter ihrer Anleitung die Medusa in Lybien enthauptetePind. P. 12, 6–12 Schol., Nonn. 24, 36, wo diese Erfindung nach Libyen versetzt wird, vgl. Paus. 2, 21, 6. Namentlich erklärte man sich auf diese Weise den νόμος πολυκέφαλος.; während andere Sagen nach Lydien als dem Vaterlande der Flötenmusik wiesen. Diese wurde aber auch in Griechenland früh und allgemein gepflegt, am meisten in Boeotien, wo man deshalb diese Athena und zwar unter dem Namen Βομβυλία eifrig verehrteMüller Orchom. 79. 356. Nach der boeotischen Dichterin Korinna unterrichtete sogar Athena den Apoll im Flötenspiel, Plut. de Mus. 14. Athena ἀηδών bei den Pamphylen d. i. Erfinderin der Flöte, Hes. v. ἀηδών, Bekker An. 349., aber auch sonst zu heiligen und zu kriegerischen Zwecken, zu diesen z. B. in Sparta. Mit der Zeit artete diese Kunstfertigkeit indessen aus und dieses und die Eifersucht auf Boeotien mag in Athen die Veranlassung zu der bekannten, oft in bildlichen Kunstwerken und auf der komischen Bühne behandelten Fabel gegeben haben daß Minerva zwar die Flöte erfunden, aber weil ihr Gesicht dadurch entstellt wurde sie weggeworfen und den Silen Marsyas, der sie wieder aufhob und ihrer Töne pflegte, dafür gezüchtigt habeAuf der Burg Ἀϑηνᾶ τὸν Σιληνὸν Μαρσύαν παίουσα (Brunn ἐπιοῦσα), ὅτι δὴ τοὺς αὐλοῦς ἀνέλοιτο ἐρρῖφϑαι σφᾶς τῆς ϑεοῦ βουλομένης, Paus. 1, 24, 1. Myron fecit Satyrum admirantem tibias et Minervam, Plin. Vgl. die Münze von Athen b. Beulé Monn. d' Ath. p. 393 u. Brunn Ann. d. Inst. 30, 374, Mon. d. Inst. 6 t. 23. Den Beinamen Musica führte eine Minerva des Bildhauers Demetrios, quoniam dracones in gorgone eius ad ictus citharae tinnitu resonant, Plin. Indessen kommt eine Ἀϑ. μουσικὴ auch auf attischen Inschriften vor, Böckh Staatsh. 2, 306.. Ferner galt sie für die Erfinderin der kriegerischen 177 Trompete, deren Heimath Lydien und Tyrrhenien warGewöhnlich heißt sie die tyrrhenische, Aesch. Eum. 567, Soph. Ai. 17 u. A. In Argos eine Athena Salpinx die man von Tyrrhenos, dem Sohne des Herakles und der lydischen Omphale ableitete, Paus. 2, 21, 3., endlich für die der Pyrrhiche, des kriegerischen Waffentanzes, den sie selbst zur Feier des Sieges über die Giganten zuerst getanzt hatte (S. 62, [Anmerkung 106]) und welcher deshalb ihr zu Ehren an den Panathenaeen mit bedeutender mimisch-orchestischer Ausstattung aufgeführt wurde. Ja sie galt als die schlechthin erfinderische auch für die Urheberin einer besonderen Art von künstlicher Divination, nehmlich der nicht selten erwähnten durch Würfel, wie es scheint besonders in dem Culte der Athena Skiras bei Athen, auf deren Bedeutung für diese Art von Divination die Wörter σκιρομάντεις und σκιράφιον, dieses für den Ort wo man zum Würfeln zusammenkam, und verschiedene Vasenbilder hinweisenPhot. Σκίρον τόπος Ἀϑήνησιν ἐφ' οἱ μάντεις ἐκαϑέζοντο, vgl. Zenob. 5, 75 ἄλλοι δὲ λεγουσι τὴν Ἀϑηνᾶν εὐρεῖν τὴν διὰ τῶν ψήφων μαντικήν und Steph. B. v. Θρῖα, Welcker A. D. 3 t. 1. 2. S. 3–24, Roulez Choix de Vases du Mus. de Leide t. 2 p. 5–10..

Endlich ist Athena als Göttin der himmlischen Klarheit und als jungfräulich reines Wesen zugleich die Macht der geistigen Klarheit und Besonnenheit, die sich in gleichgearteten Menschen und Erfindungen offenbart, und zwar nach einem alten und ursprünglichen Gedankenzusammenhange. In der Odyssee ist sie deshalb die Schutzgöttin des ihr geistig verwandten, weil stets besonnenen und erfinderischen OdysseusOd. 13, 297 ff. sagt sie zum Odysseus ἐπεὶ σὺ μέν ἐσσι βροτῶν ὄχ' ἄριστος ἀπάντων βουλῇ καὶ μυϑοισιν, ἐγὼ δ' ἐν πᾶσι ϑεοῖσιν μήτι τε κλέομαι καὶ κέρδεσιν. 332 Sie könne ihn nicht verlassen, οὕνεκ' ἐπητής ἐσσι καὶ ἀγχίνοος καὶ ἐχέφρων., in der Ilias erscheint sie beim Streite des Achill und Agamemnon dem ersteren wie die personificirte BesonnenheitIl. 1, 207 ἦλϑον ἐγὼ παύσουσα τὸ σὸν μένος, εἴ κε πίϑηαι, οὐρανόϑεν., in Arkadien wurde sie eben deshalb als μηχανῖτις verehrtὅτι βουλευμάτων ἐστὶν ἡ ϑεὸς παντοίων καὶ ἐπιτεχνημάτων εὐρέτις, Paus. 8, 36, 3., und in dem etrurischen und 178 römischen Culte deutet der Name Menerva Minerva auf dasselbe geistige und sinnende Wesen der Göttin, an welchem sich die Philosophen und alle Jünger der Kunst und Wissenschaft von jeher erbaut haben. Daß in Athen diese Seite der Göttin vorzüglich hervorgehoben wurde ist um so begreiflicher, weil gerade die reinere attische Luft, wie Euripides und die Lobredner Athens dieses gerne rühmen, auch der Nahrung und Pflege des Geistes mehr als irgendwo zuträglich war. Und wo hätte sich eine Gottheit als das innerste Wesen, als die Seele eines Landes großartiger bewährt, erhebender von sich gezeugt, als in dieser unvergleichlichen Stadt, wo der Reisende noch jetzt den Spuren der alten Schutzgöttin auf der durch sie für ewig geweihten Burg mit tiefergriffenem Gemüthe nachgeht.

Die bildliche Darstellung der Göttin hielt sich lange an die altherkömmlichen Muster der Cultusbilder, deren es sitzende und stehende gab, jedes nach seiner besonderen Bedeutung durch Speer und Schild, die Aegis mit dem Gorgoneion, den Spinnrocken oder andere Attribute characterisirt. Die stehenden mit der gezückten Lanze und dem geschwungenen Schilde nannte man speciell Palladien, unter denen das troische Palladion vor allen übrigen berühmt war, wie die meisten alten Schutzbilder angeblich vom Himmel gefallen (διοπετές), sein Besitz eine Bürgschaft für die Sicherheit der Stadt, daher Diomedes es unter dem Beistande des Odysseus entwendet. Eine Veranlassung von vielen Sagen, die bald die außerordentliche Heiligkeit des Bildes bald das Wunder seines Ursprungs hervorheben, bald von den Wegen und Abenteuern berichten durch welche es dahin gekommen wo man sich seines Besitzes rühmte, wie in Argos, in Athen, in Unteritalien, endlich in Lavinium und RomStrabo 6, 264. Die bildliche Darstellung von manchen dieser Sagen, namentlich von der Kassandra und vom Raube des Palladions, lehren uns zugleich das Bild selbst kennen, s. Müller Handb. § 68. 368, D. A. K. 1, 5–7 u 202, und über die den Raub des Palladions darstellenden Gemmen und Vasenbilder O. Jahn im Philologus 1, 46–60, Ann. d. Inst. 30, 228–264.. Anderer alter Bilder rühmte sich Athen, darunter das heiligste das im Erechtheum bewahrte der Athena Polias war, wahrscheinlich ein sitzendes mit Peplos, Aegis und dem Kopfschmucke des Polos, des rundlichen Sinnbildes des gewölbten HimmelsVgl. über dieses und die anderen alten attischen Bilder die Untersuchung Ed. Gerhards über die Minervenidole Athens, B. 1844. Nächst dem in Erechtheum, Paus. 1, 26, 7, galt für besonders alt das der Ἀϑ. γεφυρῖτις d. h. das in der Nähe der Kephissosbrücke an der h. Straße nach Eleusis, also vermuthlich im H. der A. Skiras aufbewahrte, vgl. Serv. u. Intpp. V. A. 2, 165. 166, Schol. Aristid. p. 320 Ddf., wo mit Schneidewin Coni. crit. p. 165 zu lesen ist: λέγοι δ' ἂν καὶ περὶ ἄλλων πολλῶν παλλαδίων, τοῦ τε κατ' Ἀλαλκόμενον τὸν αὐτόχϑονα (S. 148) καὶ τῶν παρ' αὐτοῦ Γεφυραίων καλουμένων, u. Io. Lyd. de Mens. 3, 21, nach welchem die Gephyraeer bei diesem Palladion einen ähnlichen Dienst gehabt zu haben scheinen wie die Praxiergiden bei dem der A. Polias. Noch andre alte Cultusbilder des attischen Athenadienstes werden erwähnt in den von Böckh Berl. Monatsber. 1853 S. 573 besprochenen Rechnungsurkunden.. Daneben gab es indessen 179 auch alte kriegsgerüstete Bilder der Promachos, sammt anderen die sich auf Sieg und auf Fruchtbarkeit und sonstige Eigenthümlichkeiten des Cultus bezogen, denen wir nicht mehr zu folgen vermögen. Die Gesichtsbildung blieb nach der altherkömmlichen Weise lange eine aegyptisirende, wie alle älteren Thonbilder sammt den bekannten Münzen älterer Prägung sie zeigen. Die große Menge archaistischer Vasengemälde, auf denen Athena so oft erscheint, besonders die panathenaeischen Preisgefäße und die außerordentlich zahlreichen mit Scenen aus der Heraklessage, endlich das Bild der Pallas unter den aeginetischen Bildwerken zu München können dazu dienen dieses ältere Bild der Göttin zu vergegenwärtigen. Wie lebendig dasselbe dem attischen Volke vorschwebte, davon giebt die bekannte Erzählung von der List, durch welche Pisistratos zur Tyrannis gelangte, ein merkwürdiges BeispielHerod. 1, 60. Vgl. auch die Schilderung b. Hesiod sc. Herc. 197 τῇ ἰκέλῃ ὡσεί τε μάχην ἐϑέλουσα κορύσσειν, ἔγχος ἔχουσ' ἐν χερσὶ χρυσείην τε τρυφάλειαν αἰγίδα τ' ἀμφ' ὤμους· ἐπὶ δ' ᾤχετο φύλοπιν αἰνήν..

Aus solchen Elementen erhob sich die Kunst nach den Perserkriegen zu den bewunderungswürdigsten Leistungen, durch Phidias, welcher auch die ideale Bildung der Athena in den Grundzügen ein für allemal feststellte. Der große Künstler hatte die oberste Schutzgöttin seines Vaterlandes oft und für verschiedene Städte gebildet, seine berühmtesten Werke aber waren die auf der Burg von Athen, in welchen die drei wichtigsten Phasen der Göttin auf entsprechende Weise hervortraten. 1) Die chryselephantine Statue der jungfräulichen Pallas im Parthenon, ein colossales Standbild mit einem auf die Füße hinabwallenden Chiton, darüber die Aegis mit dem Gorgoneion, auf dem Haupte ein Helm welchen oben eine Sphinx, zu beiden Seiten Greife schmückten. Auf der einen Hand (wahrscheinlich der rechten) ruhte eine sechs Fuß hohe Nike, in der anderen hielt sie die Lanze und 180 an derselben Seite unten sah man die Erichthoniosschlange und den mit Scenen aus der Amazonen- und der Gigantenschlacht verzierten Schild, welcher bei den Füßen anlehnte: Alles von Gold und Farbenglanz strahlend. Selbst die tyrrhenischen Schuhe waren mit Gruppen aus dem Kampfe der Lapithen und Kentauren geziert, und am oblongen Postamente (von welchem allein sich an Ort und Stelle einige Spuren auf dem Fußboden erhalten haben) sah man ein in vielen Götterfiguren ausgeführtes Bild von dem Ursprunge der Pandora. Das Ganze läßt sich mit Hülfe gleichartiger Statuen, attischer Votivreliefs und verschiedener Münzbilder doch nur einigermaßen wiederherstellenA. Schöll Archäol. Mittheil. 67 ff. u. Gerhard a. a. O. S. 6 u. 21.. 2) Das eherne Bild der Pallas Promachos, die ins Riesige übertragene und dabei doch ganz schöne und ausdrucksvolle Ausführung der alten Idee der Palladien: die bewaffnete Schutzgöttin des attischen Volkes und seines heiligen Mittelpunktes, der Burg von Athen, wie sie sich besonders in den Perserkriegen bewährt hatte und deshalb aus der Marathonischen Siegesbeute in diesem Bilde dargestellt wurde. Es stand zwischen dem Erechtheum und Parthenon (noch sieht man die Spuren des Unterbaues), wie gewisse attische Münzen dieses Bild in freilich sehr unzulänglichen Umrissen zeigenVgl. meinen Aufs. üb. Phidias in d. Hall. A. Encycl. s. v. S. 182. Die dabei in Betracht kommenden Münzen b. Beulé Monn. d' Ath. p. 394. Ueber die Parthenos s. jenen Aufsatz S. 183, über die lemnische S. 185, über die gewöhnlich unter den Werken des Phidias aufgezählte Kliduchos S. 195 und O. Jahn Ber. d. Leipz. Ges. d. W. 1858 S. 109 ff.. Der Schild war mit Gruppen aus dem Kampfe der Lapithen und Kentauren geschmückt, die Spitze des Speeres und der Büschel des Helmes ragten so hoch empor, daß sie den Schiffern gleich wenn sie um das Vorgebirge Sunion gekommen waren sichtbar wurden. 3) Ein ehernes Bild welches man die lemnische Pallas nannte, weil es von den attischen Kleruchen auf Lemnos gestiftet war. Hier erschien die Göttin in solcher Anmuth, daß man sie die schöne zu nennen pflegte. Es war die Göttin des Friedens und der Werke des Friedens, daher der Künstler, wie eine alte Beschreibung sich ausdrückt, den Helm weggelassen und statt seiner die jungfräulich erröthende Schönheit zur Zierde des Hauptes gemacht hatte. Allen Athenabildern des Phidias aber werden jene Züge geeignet haben, welche wir an den besseren Statuen dieser Göttin noch jetzt als die vorherrschenden wiedererkennen. Eine ragende ernste Gestalt 181 von einer körperlichen Bildung und mit einem Antlitze, welches von einer ungetrübten Herrschaft des Geistes zeugt. Eine reine Stirn, längliche feine Gesichtsbildung, sinnende Augen, strenger Mund, festes Kinn, das Haar kunstlos zurückgeschlagen. Kurz der Geist, die Festigkeit, die Klarheit in der Gestalt einer reinen göttlichen Jungfrau, die gewöhnlich bewehrt gedacht wurde.

Was die sonst vorhandenen zum Theil sehr schönen Büsten und Statuen, Münz- und Vasenbilder betrifftO. Müller Handb. § 368–371, D. A. K. 2 t. 19–22, Braun K. M. t. 56–70., so läßt sich jener Gegensatz einer kriegerisch aufgeregten und einer in friedlicher Milde gesammelten Göttin auch dort an vielen Beispielen nachweisen. Wo sie kriegerisch erscheint, bald zum Kampfe eilend oder schon am Kampfe theilnehmend, ist sie immer mit dem althellenischen Chiton bekleidet und in vollem WaffenschmuckeSo thut sie auch Il. 5, 733 ff., als sie sich zum Kampfe rüstet, erst den Peplos ab, dann den Chiton an (χιτῶν' ἐνδῦσα Διὸς νεφεληγερέταο) und darauf rüstet sie sich mit den Waffen., von dem die Aegis dem Arme zum Schilde dient oder die Brust bedeckt, ein lebendiger Schlangenpanzer, dessen Schlangen sich auf manchen Bildern wie am Kampfe theilnehmend emporbäumen: die Göttin selbst mit finsterem Ausdruck des Gesichts, mächtigen Gliederformen, kühnen Bewegungen. Dahingegen sie in anderen Bildern, welchen die siegreich waltende und herrschende Göttin vorschwebte, ruhig dastehend abgebildet ist, angethan mit einem großen Mantel, welcher die Gestalt und deren kriegerische Attribute verhüllt, aber den majestätischen Eindruck des ganzen Bildes erhöht. Noch andere heben bestimmtere Beziehungen ihres friedlichen Waltens hervor, wie die insgemein Athena Agoraea genannten Bilder, wo die Aegis lose über die Brust herabhängt, der Helm gleichfalls lose aufgesetzt ist oder ganz fehlt, dahingegen in Geberde und Miene der Ausdruck ihres im bürgerlichen Verkehre thätigen Wesens vorherrscht. Endlich die mythologischen Acte ihrer Geburt aus dem Haupte des Zeus, wie sie in dem östlichen Giebelfelde des Parthenon in Athen, und ihres Streites mit Poseidon, wie sie in dem westlichen Giebelfelde zu sehen warPaus. 1, 24, 5, vgl. Welcker A. D. 1, 67–150. Beide Acte waren auch in anderen Bildwerken auf der Burg wiederholt, P. 1, 24, 2, vgl. Beulé Monn. d'Ath. p. 393., ihr Antheil an dem Gigantenkampfe und an den zahllosen Kämpfen der heroischen Vorzeit. Von 182 keiner anderen Gottheit besitzen wir eine solche Menge vielfach wechselnder Kunstdarstellungen.


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