Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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Erster Abschnitt
Theogonie.

Die Theogonie der Griechen ist der am wenigsten ausgebildete und ins Einzelne ausgearbeitete Abschnitt ihrer Mythologie, wahrscheinlich eine Folge davon daß der ernste, oft an Naturphilosophie streifende Inhalt zu dem in den bewegtesten Zeiten der Mythendichtung vorherrschenden Tone des Epos nicht mehr passen wollte. Bei Homer finden sich manche Andeutungen eines eigenthümlichen Systems, aber nur als Bruchstücke eines halb verschollenen Gesangs. Die Hesiodische Theogonie ist die wichtigste Quelle, scheint aber mehr eine Compilation aus verschiedenen Dichtungen älterer und neuerer Zeit als aus einem Gusse zu sein, wie sie denn auch an mehr als einer Stelle die ältere Tradition entweder mißverstanden oder entstellt hat. Die Titanomachie des Eumelos oder Arktinos ist bis auf wenige Bruchstücke verloren. Die Orphische Theogonie ist wenig zu brauchen, weil sich hier schon zu viel Fremdartiges einmischt, da es ohnehin verschiedene Redactionen dieses Gedichtes, ältere und jüngere gab, die Fragmente aber größtentheils den letzten Zeiten der griechischen Litteratur angehören. Das System des Pherekydes von Syros ist interessant als erster Versuch die herkömmliche Mythologie mit der Philosophie auszugleichen. Endlich gab es theogonische Gedichte des Thamyris, Musaeos, Linos u. A., die aber ganz apokryphisch warenVgl. die Abhandlungen von G. F. Schoemann zur Geschichte und Erläuterung der theogonischen Dichtung überhaupt und der Hesiodischen insbesondre, Opusc. Acad. Vol. 2..

26 Alter Hymnengesang im Culte des Olympischen Zeus scheint die älteste Quelle dieser theogonischen Dichtungen zu sein, in denen die Macht und Abkunft des Zeus durchaus der centrale Gedanke ist, auf den sich Alles bezieht. Das Gedicht von seiner Abkunft hat aufwärts und zurück zu den verschiedenen Generationen vor ihm geführt, bis zu den ersten Weltanfängen. Das Gedicht von seinen Weltkämpfen, wodurch er Weltherrscher geworden, zu der Titanomachie und zu den übrigen Götterkämpfen die größtentheils Nachklänge der älteren Titanomachie sind, bis auf die Prometheussage, welche ein Ausfluß des Nachdenkens über die Anfänge der Menschheit und der menschlichen Cultur ist.

Zwei Grundgedanken gehen durch das Ganze. Der erste ist daß die Welt nicht auf einmal d. h. durch Schöpfung entstanden, sondern aus dunklen und elementaren Anfängen durch organische Entwickelung bis zu dieser letzten Gestalt des schönen vollendeten Kosmos gediehen ist, und zwar in mehrfachen Absätzen und Steigerungen, deren endliche Spitze und Vollendung eben Zeus und die von ihm regierte Welt der Götter und der Natur ist. Also das Vollkommene war nicht das Erste, sondern das Letzte, woraus sich von selbst die Götterkämpfe erklären, denn alles Vollkommene ist der natürliche Untergang des weniger Vollkommenen. Der zweite Grundgedanke ist der daß der lichte Himmel, der Aether, das Vollkommenste in der Natur und der Inbegriff aller höheren Macht und Gewalt, also das Herrschende ist, der funkelnde Thron der Welt, dessen jedesmaliger Inhaber die Welt regiert, in der mythologischen Sprache der Olympos. Zuerst hat ihn Uranos inne, dann Kronos, endlich Zeus, alle drei Götter des Himmels und aller himmlischen Mächte, nur daß der eine immer vollkommener ist als der andere, wie die Welt selbst und die Naturordnung über welche sie regieren.


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