Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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11. Die Sirenen.

Die Musen der See, aber verlockend und verfänglich, verführerisch und tückisch, ein bildlicher Ausdruck der glatten Spiegelfläche des Meeres, unter welcher sich die Klippe oder die Sanddüne, also Schiffbruch und Tod verbirgt, blanda pericla maris, terror quoque gratus in undis, wie sich Claudian Epigr. 100 ausdrückt. Allgemein bekannt sind die Sirenen der Odyssee (12, 39 ff.), nach welchem Abenteuer später ähnliche der Argonautensage gedichtet wurden (Apollon. 4, 803). Sie erscheinen in diesen Gedichten durchaus als dämonische Wesen der See und zwar als Gefahren der Schifffahrt im fernen Westen, wo alle diese Märchen zu spielen pflegen. Als Seegötter wissen sie auch von allen DingenOd. 12, 189 ἴδμεν γάρ τοι πάνϑ' ὅσ' ἐνὶ Τροίῃ εὐρείῃ Ἀργεῖοι Τρῶές τε ϑεῶν ἰότητι μόγησαν, ἴδμεν δ' ὅσσα γένηται ἐπὶ χϑονὶ πουλυβοτείρη. Im Mittelalter nannte man die Nixen gewöhnlich Sirenen., ihr Gesang aber ist so wunderbar schön und bezaubernd, daß der Schiffer darüber die liebe Heimath und Weib und Kind vergißt. So verlocken sie ihn auf ihre Insel, wo sie auf feuchter Wiese süße Gesänge singen, aber vor ihnen ist der ganze Strand voll bleichender Gebeine und faulender Leichname. Bei Homer sind ihrer nur zwei, in den späteren Sagen meist drei, die mit verschiedenen Namen benannt werdenDie beiden Homerischen hießen nach Eustath. Ἀγλαοφήμη und Θελξιέπεια. Die drei an der Küste Italiens verehrten heißen gewöhnlich Παρϑενόπη (die Sirene Neapels), Λίγεια und Λευκωσία. Noch andre Namen sind Θελξιόπη oder Θελξινόη, Μολπὴ und Ἀγλαόφωνος oder Πεισινόη Ἀγλαόπη und Θελξιέπεια, s. Aristot. Mirab. 103 (110), Schol. Apollon. 4, 892, Tzetz. Lykophr. 712–16.. Als jene Abenteuer der Odyssee an den Küsten Italiens und Siciliens localisirt wurden, pflegte man sich Circe auf Circeji bei Terracina zu denken, die Sirenen also weiter südlich, bald in den reizenden Umgebungen von Neapel und Sorrent, bald beim Vorgebirge Poseidion zwischen Paestum und Elea, oder endlich am Eingange der sicilischen Meeresenge beim Vorgebirge Pelorum, wo nun ihre Felsen und Klippen und allerlei Denkmäler von ihnen gezeigt wurdenStrabo 1, 22 ff.; 5, 246 ff. 252. 258, Virg. A. 5, 864, vgl. Gromat. vet. p. 235 Neapolis – Ager eius Sirenae Parthenopae a Graecis est in iugeribus adsignatus. Ib. p. 237 mons Sirenianus auf dem Gebiete von Sorrent. Der Parthenope wurde in Neapel ein gymnischer Agon gefeiert, bei dem auch ein Fackellauf herkömmlich war, Strabo 5, 246, Timaeos b. Tzetz. Lykophr. 732–37.. Aber auch an der Küste von Kreta erzählte man von den Sirenen, namentlich in der Gegend von Aptera, wo man von 482 einem Wettkampfe zwischen den Musen und Sirenen wußte, in welchem diese von jenen besiegt und ihrer Federn beraubt wurden, die fortan den Musen zum Kopfputz dienten; ein Wettkampf den man auf alten Kunstdenkmälern abgebildet siehtSteph. B. Ἄπτερα, Paus. 9, 34, 2, Pashley Crete 1, 50 ff.. Endlich wurden die Sirenen in einer gewissen Version der Sage vom Raube der Persephone genannt, wie sie mit dem Demeterkinde auf den Wiesen des Acheloos gespielt und Blumen gepflückt und nach dem Raube die liebe Gespielin über die ganze Erde, ja beflügelt auch über das Meer gesucht hätten, worauf sie sich zuletzt an der Küste von Sicilien niederließen und dort bis zur Ankunft des Odysseus ihre verlockenden Lieder sangen; in welcher Fabel sie Töchter des Acheloos und der Mnemosyne oder Terpsichore oder Kalliope, also nahe Verwandte der Musen genannt werdenVon diesen Acheloiden hatte Hesiod gesungen, der ihre Insel Ἀνϑεμόεσσα genannt und ihrem Gesange eine die Winde beschwichtigende Kraft zugeschrieben hatte, s. Apollon. 4, 892 Schol., Eust. 1710, 40. Vgl. Apollod. 1, 3, 4, Ovid M. 5, 551 ff., Hygin f. 141, Mythogr. 1. 1, 186; 2, 101. Verschiedene Sagen und Combinationen b. Eustath. 1709, 25–55., da sie sonst für Töchter des Phorkys galten. Also tritt schon in diesen Dichtungen ihre später ziemlich allgemeine Bedeutung hervor, vermöge welcher sie für Sängerinnen der Todtenklage galten, in welchem Sinne Sophokles fr. 776 sie Töchter des Phorkys nennt welche die Weisen des Hades ertönen lassen, und Euripides Hel. 167 geflügelte Jungfrauen und Töchter der Erde, welche Persephone sendet damit sie mit ihrer trauernden Musik die Klagenden unterstützen; wie ihre Bilder denn auch oft als Schmuck von Gräbern angebracht wurden. Oder sie bedeuten anziehenden Reiz und bezaubernde Ueberredung, entweder der Schönheit und der Liebe oder die der Sprache und des Gesanges, daher ihre Bilder sowohl auf den Gräbern schöner Frauen und Mädchen als auf denen von Dichtern und Rednern gesehen wurden, z. B. auf dem von Sophokles und IsokratesPaus. 1, 21, 2, Plut. orat. 4, 25, vgl. Anthol. Pal. 7, 491. 710, L. Friedländer d. op. anagl. in mon. sepulcr. gr. p. 32, C. I. Gr. n. 6083. 6261. 6268 u. A. Sueton ill. gramm. 11 Cato grammaticus Latina Siren, qui solus legit ac facit poëtas. Von verführerischen Reden Eurip. Androm. 936, von schönem Gesange Alkman fr. 7 ἁ Μῶσα κέκληγ' ἁ λίγεια Σειρήν.. Oder sie bleiben in ihrem ursprünglichen Character, indem sie die verführerischen aber herzlosen Künste der Buhlerei bedeuten. Ihre gewöhnliche Bildung war die von 483 Vögeln mit weiblichen Köpfen, doch wurde mit der Zeit die weibliche Gestalt immer mehr zur HauptsacheGerhard A. Vasenb. 1, 98 ff., Müller Handb. § 393, 4, D. A. K. 2, 750–758..


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