Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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2. Die Umgebung des Zeus und der Olympier.

a. Themis und die Horen.

Themis ist nach Aeschylos Prom. 209 nur ein andrer Name für die Erde, sofern diese nicht blos die gütige Mutter ist, sondern auch die zuverlässige, sich an feste Regeln und Naturgesetze bindende Göttin, die ihre milden Gaben nach einer bestimmten Jahresordnung spendet. Daher nennen die Dichter sie εὔβουλος (Pindar) und ὀρϑόβουλος (Aeschylos) und bei Homer ist sie eine Göttin der Sitte und Ordnung, namentlich bei den Versammlungen des Mahles oder des Marktes, sowohl bei den Göttern als bei den MenschenIl. 15, 87; 20, 4, Od. 2, 68. Vgl. Aristid. 1 p. 837 ἐκκλησίαί καὶ βουλευτήρια, ἃ ϑεῶν ἡ πρεσβυτάτη συνάγει Θέμις.. Eben deshalb ist sie eine nahe Vertraute des Zeus und neben ihm die Vertreterin des göttlichen Rechts in allen irdischen Verhältnissen, besonders des Gastrechts, und eine Zuflucht aller Bedrängten, weshalb sie in vielen Städten als Σώτειρα verehrt wurdeAuf Aegina neben Ζ. ξένιος s. Pind. Ol. 8, 21 ἔνϑα Σώτειρα Διὸς ξενίου πάρεδρος ἀσκεῖται Θέμις ἔξοχ' ἀνϑρώπων, vgl. Nem. 11, 8, Aesch. Suppl. 360, Soph. El. 1064, Paul. p. 367 Themin deam putabant esse quae praeciperet hominibus id petere quod fas esset, eamque id esse existimabant quod et fas est.. Als Inhaberin dieser göttlichen und natürlichen Ordnungen ist sie aber auch deren Erkenntniß und eine Verkündigerin der Zukunft, daher sie bei Aeschylos die Mutter des Prometheus ist und nach delphischer Sage eine Zeitlang das pythische Orakel besaß ehe dieses an Apoll übergingVgl. das Vasenbild b. Gerhard das Orakel der Themis, B. 1846, Welcker A. D. 2, 325 und oben S. 218.. Sonst wurde sie auf dem Olympos heimisch gedacht, daher Pindar und Sophokles El. 1064 sie οὐρανία nennen. Nach Hesiod 374 th. 901 ff. war sie die zweite Gemahlin des Zeus (nach der Metis), von dem sie die Horen und die Moeren gebiert, nach Pindar fr. 6. 7. die erste, welche wie er singt von den Moeren auf goldenem Gespann von den Okeanosquellen (der Gegend des Ursprungs der Dinge) auf die heilige Höhe des Olymp geführt wurde, damit sie die ehrwürdige Gattin des Zeus Σωτὴρ würde. Bei den Dichtern ist Themis also eine Gemahlin des Zeus, sonst seine πάρεδρος. Spätere Ortssagen wußten auch hier von verstohlener Liebschaft zu erzählenSteph. B. v. Ἴχναι, vgl. Strabo 9, 435, Hes. v. Ἰχναίην, oben S. 194, [Anmerkung 525].. Die Früchte dieser Verbindung aber sind die Horen, das sind die Jahreszeiten in ihrer natürlichen Folge und Ordnung, vorzüglich sofern sie Blüthen und Früchte zur rechten Zeit bringenDas Wort ὥρα erklärt sich durch ὧρος Jahr, ὡραῖος zeitig, blühend, ὀπώρα Fruchtzeit, lat. iōro goth. jēr ahd. jār böhm. jaro d. i. Frühling, s. G. Curtius Gr. Etym. 1, 322, Corssen üb. Ausspr. d. lat. Spr. 2, 43. Vgl. Od. 10, 469 ἀλλ' ὅτε δή ῥ' ἐνιαυτὸς ἔην περὶ δ' ἔτραπον ὧραι. 9, 134 βαϑὺ λήιον αἰεὶ εἰς ὥρας ἀμῷεν, Hes. th. 903 αἵτ' ἔργ' ὠρεύουσι καταϑνητοῖσι βροτοῖσι. Die weitere Entwicklung des Begriffs b. Lehrs popul. Aufs. S. 73–87., daher überhaupt die reifenden, vollendenden, Alles zu rechter Zeit bringenden, die stetige Ordnung im raschen Wechsel. Denn auch bei ihnen ist wie bei dem Vater und der Mutter die Bedeutung innerhalb des Naturlebens mit der des Rechtes und der Sitte unter den Menschen ganz durchdrungen. In der Ilias sind ihnen die Pforten des Himmels und des Olymps anvertraut d. h. die Wolken, welche sie bald von dem Götterberge hinwegschieben bald wieder um ihn versammeln (5, 749; 8, 393), bei Hesiod heißen sie diejenigen welche den Feldbau beaufsichtigen und seine Frucht zeitigen. Am gewöhnlichsten werden sie aber, und zwar meistens neben den Chariten und Nymphen als dienende und begleitende Umgebung anderer Gottheiten des Himmels und des Jahressegens genannt, des Zeus und der Hera, der Aphrodite die sie im Frühlinge mit Blumen schmücken und neben welcher sie gleich der Hebe die schönste Blüthe des menschlichen Lebens bedeuten (Pind. N. 8 z. A.), auch des Apollo und der Musen, wenn in der schönen Jahreszeit ihr Saitenspiel und ihre Gesänge ertönen (H. in Ap. P. 16), endlich des Helios, dem sie die Rosse ein- und ausspannenOvid M. 2, 118, Lukian D. D. 10, 1. In der Umgebung des Helios, namentlich als Begleiterinnen seiner täglichen Fahrt, erscheinen dann auch 12 Horen d. h. die Stunden des Tags, s. Nonnos 12, 17; 38, 290, Wieseler Phaethon S. 24. 37. Anatole Mesembria Dysis als Horen b. Hygin f. 183.. Gegen die Sterblichen sind 375 sie allezeit willig und freundlich (πολυγηϑέες Il. 21, 450, εὔφρονες H. in Ap. l. c), den Ungeduldigen oft zu langsam, aber zuletzt bringen sie doch immer etwas Schönes und Liebes (Il. 21, 450, Theokr. 15, 103 ff.) und immer sind sie wahr und zuverlässig (ἀληϑεῖς Pindar). Ein zartes, fröhliches, mit goldnem Geschmeide und mit Blumen und Früchten bekränztes (χρυσάμπυκες, ἀγλαόκαρποι, πολυάνϑεμοι), leicht hinschwebendes Geschlecht (μαλακαὶ πόδας, veloces), das auch die Künstler in diesem Sinne zu bilden pflegten. Gewöhnlich sind ihrer drei, seltner zwei oder vier, je nachdem man das Jahr eintheilte und nur die schöneren Jahreszeiten oder alle rechnete. In Athen wurden blos zwei Horen verehrt, Θαλλὼ und Καρπώ, also die Horen des Blüthentriebes im Frühling und die des Früchte tragenden HerbstesPaus. 9, 35, 1. In ihrem H. sah man einen Altar des Dionysos ὀρϑὸς und daneben einen A. der Nymphen, Philoch. b. Athen. 2, 7. Man betete zu ihnen um Schutz gegen zu große Hitze und um die rechte Temperatur von Wärme und Feuchtigkeit, Ders. ib. 14, 72., und so sah Pausanias 3, 18, 7 auch am Amyklaeischen Throne nur zwei Horen. Die gewöhnlichen Namen aber sind die aus Hesiod bekannten: Eunomia Dike Eirene, welche die ethischen Bezüge ihres Wesens, das Regelmäßige, Billige und Friedfertige ihres Waltens in der Natur ausdrücken. Pindar preist Korinth daß diese Horen dort ihren Sitz aufgeschlagen haben (Ol. 13, 6 ff.), als fester Grund der Städte und unerschöpfliche Quelle des Reichthums und vieler schönen Erfindungen, zu einer Zeit wo sich die Dichter überhaupt mit diesen ethischen Weltmächten viel beschäftigten. So nannte Tyrtaeos sein Gedicht an die Spartaner nach der Eunomia und Solon in seinem Testamente an die Athenienser schildert ihr Wesen in schönen Versen aufs nachdrücklichste. Von der Dike hatte schon Hesiod gesungen, der jungfräulichen Tochter des Zeus, der ehrwürdigen Göttin, die ihrem Vater alles Unrecht hinterbringt was auf Erden geschieht, und die übrigen Dichter preisen sie oft als die neben Zeus Thronende, die heilige Urheberin aller gesetzlichen OrdnungPindar P. 8, 1 nennt die Hesychia d. i. die Ruhe als Folge der Ordnung eine T. der Dike. Vgl. Bacchyl. fr. 29 ἐν μέσῳ κεῖται κιχεῖν πᾶσιν ἀνωρώποισι Δίκαν ὁσίαν ἁγνάν, Εὐνομίας ἀκόλουϑον καὶ πινυτᾶς Θέμιδος u. oben S. 117, [Anmerkung 276].. Endlich Eirene war die heiterste der drei Schwestern, die Mutter des Reichthums und der Lust des Frühlings und des Dionysos, wie sie sich in fröhlichen 376 Gesängen und Genüssen des Lebens ausspricht: in welchem Sinne sie auch dargestellt wurde und in Athen bei ihrem jährlichen Opfer am Tage der Synoikesien nur Früchte empfingSchol. Ar. Pac. 1020, C. I. n. 157, vgl. das schöne Gedicht des Bacchylides fr. 13. Eine Eirene φέρουσα Πλούτωνα παῖδα Paus. 1, 8, 3. Auf Vasenbildern ist sie eine Freundin des Dionysos, O. Jahn Vasenb. t. 2, Welcker A. D. 3, 243 ff. Weibliche Flügelgestalt mit Krotalen, Weinlaub im Haar, Antiq. d. Bosp. Cimm. t. 70, 1. 2 vgl. T. 2, p. 94.. Auf den vorhandenen Bildwerken erscheinen die Horen bald in der Dreizahl bald in der Vierzahl, tanzend, mit Blumen und Früchten, Geschenke darbringend, in späterer Zeit mit den Attributen der verschiedenen JahreszeitenZoega Bassir. t. 94–96, Campana Op. in plast. t. 61. 62, Müller-Wieseler D. A. K. 2, 959–966. Die Bildung der Jahreszeiten nach späterer Auffassung bei Ovid M. 2, 27 ff.. Vor den andern gefeiert wurde auch im Bilde die Hore des Frühlings, die Hore schlechthin, eine begleitende Figur der Aphrodite und des Aufgangs der Persephone, wo sie den Schooß voll Blumen hat, auch durch besondere Statuen ausgezeichnet. Es ist die Chloris der Griechen, die Flora der Römer, von welcher die Dichter erzählten daß Boreas und Zephyr um ihre Gunst gebuhlt, sie aber habe sich dem Zephyr ergeben und ist seitdem seine treue Gattin (Ovid F. 5, 201 ff.). Auf einem Pompejanischen Gemälde sieht man den jugendlichen, mit Myrten bekränzten, an Schultern und Haupt beflügelten Zephyr, wie er einen blühenden Zweig in der R., von zwei Eroten zärtlich begleitet zu der schlummernden Geliebten hinabschwebt. Auch ist zu bemerken daß, wie die Horen in der späteren Kunst und Poesie manchmal die Stunden des Tages bedeuten, so die Jahreszeiten bisweilen in der Bildung von geflügelten Jünglingen oder Knaben auftreten, namentlich in der Umgebung des Dionysos, der Ge und des Priapos.


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