Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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[b. Die Quellen und Bäche.]

Neben diesen Söhnen des Okeanos, den männlichen Flüssen und Strömen, war die große Schaar seiner Töchter d. h. der Quellen und Bäche eine noch häufigere Veranlassung zu vielen frommen und sinnigen Gebräuchen, Benennungen und Dichtungen. Denn überall wo das Wasser aus dem mütterlichen Boden der Erde hervorquoll, sei es daß es benachbarten Strömen zufloß oder sich in einem eignen Becken oder auch in Brunnen 430 sammelteAuch die Brunnen haben ihre Nymphen Artemid. Oneirocr. 2, 27, vgl. Il. 21, 197 πᾶσαι κρῆναι καὶ φρείατα. Die Quellen galten oft für Töchter des Flusses dem sie zuflossen, wie die kleineren Flüsse für die Söhne des größeren Stroms, Ovid M. 1, 575 ff., war es ein Gegenstand der liebevollsten Pflege und Verzierung durch Blumen und Kränze, Anpflanzungen, Brunnenhäuser und sonstige DenkmälerE. Curtius über griech. Quell- und Brunneninschriften, Abh. d. G. d. W. Gött. 1859, vgl. H. Runge d. Quellcultus in d. Schweiz, Mtsschr. d. wiss. V. in Zürich 1859.; und überall galt das Wasser, wie es frisch und rein von den Händen der Natur gespendet wurde, für reinigend und heiligend, befruchtend und begeisternd. Daher der Volksglaube die in den Quellen wirksamen Kräfte von jeher für weibliche und jungfräuliche Wesen gehalten hat, deren Character sich je nach der Natur des Wassers oder seiner Anwendung zu diesem oder jenem gottesdienstlichen Zweck von selbst näher bestimmte, indem sie sich bald als heilkräftige Mächte bewiesen, also neben Apollo und Asklepios verehrt wurden, bald als begeisternde und aufregende, daher die Musen und die Sibyllen den Quellnymphen so nahe verwandt sind, oder sie wurden wegen des frischen und jungfräulich herben Characters, den die Quellen des Waldgebirgs zu zeigen pflegen, als Umgebung der Artemis und andrer Gebirgsgötter gedacht. Vorzüglich aber wurde immer die reinigende und die befruchtende Macht der Quellen im Gottesdienste hervorgehoben, denn immer sind diese Nymphen am meisten von den Frauen und Jungfrauen und auf Veranlassung von Hochzeiten verehrt wordenArtemid. 2, 38 Ποταμοὶ δὲ καὶ Λίμναι καὶ Νύμφαι καὶ Ἐφυδρίδες ἀγαϑαὶ πρὸς παίδων γονήν. Vgl. die Kinderbrunnen u. A. bei Runge S. 20., und überall wurde das Wasser benachbarter Quellen bei gottesdienstlichen Reinigungen, Heiligungen und Abwaschungen für unentbehrlich gehalten. Eben so häufig hatten aber auch die Dichter Gelegenheit sich mit diesen Wesen zu beschäftigen, sei es daß das örtliche Märchen und die Volkssage sie darauf brachte, in welcher Hinsicht an die Fabel von den Danaiden zu erinnern ist, oder daß sich die combinirende Dichtkunst darin gefiel, wie es bei Hesiod th. 346 ff. der Fall ist, durch Zusammenstellung und geistreiche Gruppirung so vieler schöner und ausdrucksvoller Namen zugleich das Ohr und die Phantasie in anmuthiger Weise zu beschäftigenBraun Gr. Myth. S. 93–119, Schoemann Op. 2, 147 ff.. So wird Peitho mit der Admete 431 zusammengestellt, die süß Flüsternde mit der ungebändigt Dahinrauschenden, Ianthe mit der Elektra d. h. die wohlig Durchwärmte mit der prachtvoll Strahlenden. Oder es werden die Bäche geschildert wie sie sich bald von steiler Höhe herabstürzen (Πρυμνώ), bald schüchtern das Verborgene suchen (Καλυψώ), bald in raschem Wellenschlage dahingaloppiren (Ἱππώ), zusammenfließen um sich wieder zu theilen (Ζευξώ und Ἀμφιρώ), mit klatschender Strömung die Luft schlagen (Πληξαύρη) und dann wieder mit erfrischender Kühlung die LuftStat. Theb. 9, 404 at pater arcano residens Ismenos in antro, unde aurae nubesque bibunt atque imbrifer arcus pascitur etc. Immer wurde das kalte und kühlende Wasser besonders hoch geschätzt, an Flüssen und an Quellen, s. Curtius S. 12. gleichsam speisen und nähren (Γαλαξαύρη). Oder es ist die Anmuth ihrer Erscheinung und Umgebung, welche in diesen Namen durchschimmert, wie Καλλιρρόη die Schönfließende, Ἀκάστη die Saubere, Ῥόδεια die durch Rosengebüsch Fließende: da diese in den vielen kleinen Thälern von Griechenland fließenden Bäche im Reize des Frühlings, wo ihre Wiesen reichlich mit Anemonen und anderen Feldblumen geschmückt sind, oder im dichten Gebüsch von Oleander Myrten und Lorbeer selbst bei der jetzigen Verödung des Landes einen überaus lieblichen Anblick gewähren. Oder es ist die wohlthätige Wirkung dieser Strömungen, die ihnen den Namen gegeben, ihre reiche Spende für Menschen und Vieh, wie bei der Δωρίς Εὐδώρη Πολυδώρη, Πλουτώ und Μηλόβοσις, welche die Weiden tränkt, oder die Weihe ihres Wassers, wie bei der Τελεστώ. Endlich noch andere Namen hatten eine so allgemeine Bedeutung daß dieselben an verschiedenen Orten wiederkehren, z. B. der der Amaltheia, nach welcher das Horn der Amalthea als Inbegriff alles Segens den die Nymphen oder die Flüsse spenden und eine eigenthümliche Art von Nymphaeen benannt war, und Arethusa, welcher Name eigentlich auch nur den Segen des Wassers und der Quellen überhaupt ausdrückteHerodian π. μον. λέξ. p. 13, 4 Ἀρέϑουσα κρήνη κυρίως, ἀλλὰ καὶ πᾶσαι κρῆναι κατ' ἐπιϑετικὴν ἔννοιαν οὕτω καλοῦνται ἀπὸ τοῦ ἄρδην ἴσως σχηματισϑεῖσαι, mit einem Belege aus dem Dichter Choerilos. Es gab Quellen des Namens in Syrakus Smyrna Chalkis und Ithaka. Ueber Amalthea s. oben S. 30.. Immer wurden die Quellnymphen als schöne und blühende Mädchen gedacht, mit reichlichem Haarwuchs und geschmückt mit den Blumen des Frühlings, gerne tanzend oder badend und wasserschöpfend. Außer ihnen 432 werden als Töchter des Okeanos oder einzelner Flüsse z. B. des Asopos aber auch nicht selten die Inseln und selbst ganze Länder genannt, daher bei Hesiod selbst Asia und Europa unter den Okeaninen erscheinen und von Andern Rhodos Kamerina Aetna und andre Nymphen zu demselben Geschlechte gerechnet werdenKallim. Del. 17 ὁππότ' ἐς Ὠκεανόν τε καὶ ἐς Τιτηνίδα Τηϑὺν νῆσοι ἀολλίζονται. Vgl. Schoemann op. 2, 151. 163., während Aegina Salamis Kerkyra Thebe Tanagra u. s. w. eben so allgemein für Töchter des Asopos galten.


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