Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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a. Typhon.

Die Fabel scheint kleinasiatischen Ursprungs zu sein, wenigstens ist der älteste Schauplatz eine von den vielen Gegenden Kleinasiens, welche in früher Vorzeit von vulkanischen Naturumwälzungen heimgesucht wurden und die deutlichsten Spuren davon noch jetzt aufweisen. Sie ist zugleich von besonderem Interesse deswegen weil sie die Ansicht des Alterthums über die physikalischen Ursachen solcher Revolutionen in bildlicher Weise ausspricht, daß nehmlich das Innere der Erde mit gasartigen Dämpfen angefüllt sei, welche nach auswärts drängen und dort wo sie einen Ausgang nicht von selbst finden diesen gewaltsam erzwingenOvid. M. 15, 296 sqq., vgl. Al. v. Humboldt Ans. d. Natur 2, 255 ff. 3. A.. Typhon oder Typhoeus ist der allgemeine mythologische Ausdruck für diese feurigen Dämpfe und ihre zerstörenden Wirkungenvon τύφω d. i. dampfen, qualmen, brennen, Kallimach. Del. 141 Αἰτναίου ὄρεος μέγα τυφομένοιο, Artemon b. Sch. Find. P. 1, 31 πᾶν ὄρος ἔχον πυρὸς ἀναδόσεις ἐπὶ Τυφῶνι καίεται· τύφειν γὰρ τὸ καίειν. Der Name lautet bald Τυφώς bald Τυφωεύς bald Τυφών oder Τυφάων. Vgl. Schoemann op. 2, 340– 74.. Schon die Ilias (2, 782) kennt seinen Kampf mit Zeus und zwar verlegt sie sein Lager (εὐνὰς) d. h. die Stätte 55 wo er gebändigt, aber noch widerstrebend in der tiefen Erde ruht in das Land der Arimer, worunter die Meisten die Gebirge von Cilicien, Andere die vulkanischen Gegenden von Lydien und Phrygien, noch Andere Syrien verstanden; dahingegen man später, als die vulkanischen Erscheinungen der Gegend von Cumae und Pozzuoli bis hinüber zu den Liparaeischen Inseln und zum Aetna die Aufmerksamkeit der Griechen auf sich zogen, sowohl das Ungeheuer Typhon als jenen mythischen Begriff des Arimerlandes in diese westlichen Gegenden verlegt hatAesch. Pr. 353 ff., Pindar Ol. 4, 6; P. 1, 15 ff., Str. 13, 626, Hes., Steph. B. Auch in Boeotien gab es ein Τυφαόνιον d. h. eine dampfende Feuerstätte, daher man auch hier vom Typhon erzählte, Hesiod sc. Herc. 32, Schol. Pind. Ol. 4, 11; P. 1, 31, Tzetz. Lykophr. 177.. Die ganze Dichtung giebt am vollständigsten Hesiod th. 820 ff. Typhon ist hier eine letzte Geburt der Erde, welche sie um den Sturz der Titanen zu rächen vom Tartaros empfangen hatNach Stesichoros u. A. ein Sohn der Hera, s. dort.. Seine Schilderung des Kampfes gehört als allegorisches Gemälde von einem der großartigsten Naturereignisse, nehmlich eines feuerspeienden Berges, zu dem Merkwürdigsten was von derartiger Poesie erhalten ist. Das Ungeheuer ist von gewaltiger Kraft an Händen und Füßen und aus seinem Nacken ragen hundert Drachenköpfe, die mit dunklen Zungen lecken, mit feuersprühenden Augen leuchten, mit wunderbar gemischten Tönen zischen, denn bald hört man die gewöhnliche Göttersprache, bald das Gebrüll eines furchtbaren Stieres, bald das Geheul eines Löwen oder das Gebell von Hunden, dann wieder ein schrilles Gepfeife, daß das ganze Gebirge wiederhallt. Es hätte sich der Herrschaft über Götter und Menschen bemächtigt, wenn Zeus ihm nicht mit dem Donnerkeile entgegengetreten wäre. Nun entstand ein Kampf von dem die Welt bis in den tiefsten Grund erbebte, und wie das Ungeheuer seine Flammen spie und von oben der Blitz darein fuhr, gerieth Erde Himmel und Meer in Brand, tosete siedete und sprühte, daß selbst der Fürst der Unterwelt und die Titanen im Tartaros zitterten. Endlich trifft es ein Blitzstrahl mit solcher Macht aufs Haupt, daß das Ungethüm zusammenstürzt, worauf eine Gluth von ihm ausgeht, daß die Erde wie geschmolzenes Metall dahin strömtDie Lavaströme, welche Pindar P. I, 21 ff. prächtig schildert. Aeschylos wiederholt die bedeutungsvollsten Züge des Naturgemäldes. Bei beiden Dichtern kämpfen alle Götter mit dem Ungeheuer, nicht blos Zeus. Nach Virg. A. 8, 297 nahm auch Herakles an dem Kampfe Theil.. Nun wirft Zeus es in den Tartaros, von 56 wo es viele verderbliche Wirkungen noch immer auf die Oberwelt sendet. Denn von ihm stammen alle schlimmen Gluthwinde, welche zerstörend über Land und Meer dahinfahren, und gesellt mit der schrecklichen EchidnaHes. th. 295–305, Arist. Ran. 473, Schoemann l. c. p. 188. Ἔχιδνα ist das fem. zu ἔχις, daher sie halb Schlange halb Weib ist und wie Typhon ἐιν Ἀρίμοισιν zu Hause, nach Aristophanes ein hundertköpfiges Ungeheuer der Unterwelt. Beide, Typhon und Echidna, wurden auch mit Schlangenleibern abgebildet s. Paus. 3, 18, 7, vgl. Aesch. Sept. 475 ein feuerspeiender Typhon als Schildverzierung. Auf einem Vasenbilde b. Gerhard t. 237 kämpft Zeus mit Typhon, welcher hier geflügelt ist und statt der Beine zwei Schlangen hat. ist Typhon der Vater von allen den mythischen Ungethümen, welche auf und unter der Erde das menschliche Geschlecht bedrohten, bis Herakles kam und ihnen ein Ende machte, wie sein göttlicher Erzeuger dem Typhon selbst ein Ende gemacht hatte. Spätere Dichtungen haben die Wirkungen des Ungeheuers bis in den Kaukasos verfolgen wollenApollon. Rh. 2, 1210.. Nach anderen Sagen unterstützte Kadmos den Zeus bei diesem furchtbaren KampfeSo erzählt besonders Nonnos, s. R. Koehler üb. die Dionysiaka des Nonn. v. Panop. Halle 1853 S. 2.. Andererseits wurde die aegyptische Fabel vom Set-Typhon mit der griechischen verschmolzen, was unter anderen abenteuerlichen Sagenbildungen zu der angeblich schon dem Pindar bekannten Dichtung führte, daß die Götter auf der Flucht vor dem Typhon Thiergestalt angenommen hätten und deshalb von den Aegyptern in dieser Gestalt angebetet würdenApollod. 1, 6, 3, Anton. Lib. 28, vgl. Porph. d. abst. 3, IG, Nigidius b. Schol. German. Arat. p. 70..


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