Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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8. Die Telchinen.

Vulkanische Dämonen der Meerestiefe welche zur Umgebung des Poseidon auf Rhodos gehörten, wo sie der Sage nach die älteste Bevölkerung der Insel gebildet hattenLobeck Agl. 1181–1202, vgl. A. Kuhn Zeitschr. für vgl. Spr. 1, 187. 193 ff.. Der Name Τελχῖνες ist abzuleiten von ϑέλγω in der Bedeutung bezaubern, durch Berührung berücken, daher Stesichoros die Keren und betäubende Schläge, welche das Bewußtsein verdunkeln, τελχῖνες genannt hatte. Ohne Zweifel hängt die Sage von ihnen mit der vulkanischen Natur der Insel zusammen, die sich in älteren 474 und neueren Zeiten durch heftige Erdbeben und andre Phaenomene kund gethan hatEin Erdbeben zur Zeit der Antonine, welches die schöne und prächtige Stadt Rhodos verwüstete, beschreibt Aristides 1 p. 803 Ddf. Das letzte war das vom Febr. 1851. Von andern s. Roß griech. Inseln 3, 81. 115 ff. Der Hafen Θέρμυδρα ist in der Nähe von Lindos zu suchen, Lykophr. 924, Apollod. 2, 5, 11, Steph. B. v. Auch das späte Auftauchen der Insel aus dem Meere (Pind. Ol. 7, 54) deutet auf vulkanischen Ursprung.. Auch sind alle Schriftsteller über das Entstehen der Telchine aus dem Meere oder ihr Walten unter demselben und ihre nahe Beziehung zu Poseidon einigBei Kallim. Del. 31 schmieden sie den Dreizack des Poseidon. Nach Ovid M. 7, 367 hat Zeus sie wegen ihres bösen Blicks unter dem Meere verborgen. Als Gefolge des Poseidon b. Nonn. 14, 36., wie über ihre Natur als kunstreiche Schmiede, welche von selbst an die Schmiede des Hephaestos in der Tiefe des Meeres erinnert. Die vollständige Sage aber findet sich nur bei Diodor 5, 55. Die Telchinen waren nach ihm Söhne des Meeres welche mit der Kapheira, einer Tochter des Okeanos, den Poseidon großgezogen haben, nachdem Rhea ihnen das Kind anvertraut hatteΚαφείρα erinnert an Καφηρεὺς und die πέτραι Καφηρίδες auf Euboea, welches Wort durch Klippen, schroff ins Meer vorspringendes Felsenufer erklärt wird. Lobeck vergleicht den Namen der Stadt Κάμειρος oder Κάμιρος.. Sie galten für Erfinder verschiedener Kunstfertigkeiten, namentlich schrieb man ihnen die ältesten Götterbilder zu, daher verschiedene alte Cultusbilder in den drei älteren Hauptstädten der Insel nach ihnen benannt wurden, zu Lindos ein Apollo, zu Ialysos eine Hera und Nymphen, zu Kameiros eine HeraStrabo 14, 654 πρώτους δ' ἐργάσασϑαι σίδηρόν τε καὶ χαλκὸν καὶ δὴ καὶ τὴν ἅρπην τῷ Κρόνῳ δημιουργῆσαι. Also Metallurgen. Vgl. oben S. 144.. Doch galten sie auch für Zauberer und Wettermacher, welche Gewölk und Regen, auch Schnee und Schloßen nach Belieben herbeiziehen könnten; eine Combination die an ein meteorologisches Phänomen auf der vulkanischen Insel der liparaeischen Gruppe erinnert, welches dem Volksglauben an die dortige Herrschaft des Windgottes Aeolos zur Stütze diente. Auch war ihre Gestalt wandelbar nach Art aller MeeresdämonenEustath. Il. p. 771, 63 ἀμφίβοι καὶ ἔξαλλοι ταῖς μορφαῖς, ὡς ἐμφερεῖς τὰ μὲν δαίμοσι τὰ δὲ ἀνϑρώποις τὰ δὲ ἰχϑύσι τὰ δὲ ὄφεσι.. Endlich hielt man sie für neidisch und boshaft in der Anwendung und Ueberlieferung ihrer Kunst, daher ihnen vorzugsweise solche Werke zugeschrieben wurden die verhängnißvoll und schädlich waren, die Sichel des Saturn womit er seinen Vater 475 castrirte, der Dreizack des Poseidon als Ursache der Erdbeben u. s. w. Poseidon verliebte sich, nachdem er in ihrer Pflege groß geworden, in ihre Schwester Halia d. i. das personificirte Meer (Salacia) und erzeugte mit derselben sechs wilde Söhne und eine Tochter Rhodos, nach welcher die Insel benannt wurdeBei Pindar ist Rhodos oder Rhode eine T. der Aphrodite, b. Apollod. 1, 4, 6 der Amphitrite.. Die östlichen Theile derselben waren nach Diodor um dieselbe Zeit von Giganten bewohnt, welche wahrscheinlich mit den von andern Schriftstellern erwähnten Gneten oder Igneten identisch sindSteph. B. Γνής, Hesych Ἴγνητες, Simmias v. Rhodos bei Clem. Str. 5, 674.. Auch soll damals Zeus mit einer erdgebornen Nymphe Himalia d. h. der Müllerin, einer Göttin des Erndtesegens welcher Zeus in einem Regenerguß beiwohnte, drei Söhne erzeugt haben, Spartaios Kronios und Kytos, das sind vermuthlich der Säer, der Reifer und der BäckerAußer Diodor s. Clem. Ro. Homil. 5, 13 u. b. Iul. Firm. ed. Burs. p. 54. Ἱμαῖα μέλη sind die von den Mädchen beim Wasserschöpfen am Brunnen und bei der Arbeit an der Handmühle gesungenen Lieder, Ἱμαλὶς δαίμων τις ἐπιμύλιος ἔφορος τῶν ἀλετῶν, auch Νόστος und Εὔνοστος genannt, eigentlich Ueberfluß, Abundantia, daher Ἱμαλὶς in Syrakus ein Beiname der Demeter. Ἱμάλιος ein Monat auf Kreta, s. Polem. fr. p. 71. Σπαρταῖος von σπείρειν, Κρόνιος in dem Sinne wie Κρόνος und sein Fest (S. 44), Κύτος ist überhaupt das Hohle, des Bauchs sowohl als der Gefäße, Aesch. Agam. 322 ὄξος τ' ἄλειφά τ' ἐγχέας ταυτῷ κύτει, also auch wohl der Trog. Bekanntlich war das Geschäft der Bäcker und Müller im höheren Alterthum in derselben Person vereinigt. Vgl. Heffter Götterd. v. Rhodos 2, 26, welcher Κύτος durch Speicherer erklärt.. Endlich gehört auch die meergeborne Aphrodite zu diesen mythischen Gestalten der rhodischen Vorzeit. Sie will auf ihrer Fahrt von Kythera nach Cypern einsprechen, wird aber von jenen wilden Söhnen des Poseidon und der Halia daran verhindert, daher Aphrodite dieselben mit Tollheit straft, in welcher sie der eignen Mutter Gewalt anthun und den Bewohnern der Insel vieles Böse zufügen, bis Poseidon sie unter der Erde verbirgt, wo sie seitdem Dämonen des östlichen Gebiets genannt wurden. Halia aber sprang aus Verzweiflung ins Meer und ward unter dem Namen Leukothea zur Meeresgöttin. Einige Zeit darauf merkten die Telchinen die bevorstehende Ueberschwemmung der Insel, nach welcher Helios von derselben Besitz ergriff, und verließen sie deshalb indem sie sich nach verschiedenen Gegenden zerstreuten, nach LykienNamentlich soll einer der Telchinen, Lykos , damals nach Lykien gegangen sein und den T. des lykischen Apoll im Xanthosthale gegründet haben, vgl. oben S. 195. Cypern Kreta und wo man sonst noch von 476 ihnen erzählte. So weit Diodor, dessen Nachrichten von andern Seiten bestätigt oder vervollständigt werden; obwohl gewöhnlich ihre bösartige dämonische Natur noch mehr hervorgehoben wird, daher sie allgemein für βάσκανοι und φϑονεροὶ galtenS. die Stellen b. Lob. 1193 v. Daher der böse Blick der Telchinen b. Ovid l. c. oculos ipso vitiantes omnia visu.. Namentlich heißt es daß sie aus Neid oder Haß die Felder der Insel mit dem Wasser der Styx besprengt hätten, zum größten Schaden der Vegetation und des ViehstandesStr. 14, 654, Zenob. 5, 41, Nonn. 14, 41 ff., wo sie von den Heliaden verjagt und deshalb so bösartig werden. Nach Andern wurden die tollen Hunde des Aktaeon in Telchinen verwandelt, Eust. 771, 59. Vgl. Lucan 6, 518 ff. von der thessalischen Hexe Erichtho, die in der Nacht aus den Gräbern hervorkomme nocturnaque flamina captat. Semina fecundae segetis calcata perussit et non letiferas spirando perdidit auras., wobei vermuthlich wieder vulkanische Wirkungen zu Grunde liegen. Dahingegen die von Diodor gerühmten nützlichen Erfindungen außer der Metallurgie vorzüglich in der der Mühlen bestanden haben mögen, welche wenigstens in den Ueberlieferungen der Stadt Kameiros auf einen Telchinen zurückgeführt wurde, den Μύλας d. h. den Müller, von welchem man auch ein Heiligthum der ϑεοὶ μυλάντιοι in KameirosDas sind vermuthlich Zeus, Himalia und die drei Söhne. Ζεὺς Μυλεὺς Lykophr. 425. Eine ϑεὸς προμυλαία d. h. ἱδρυμένη ἐν τοῖς μύλωσι kennt Hesych. und den Namen des benachbarten Vorgebirges Mylantia ableitete. Der Glaube an diese submarinen Zaubergeister hat sich übrigens mit der Zeit nicht allein ziemlich weit verbreitet, sondern auch sehr lange behauptet. Man erzählte nehmlich von ihnen auch auf Kreta wo sie den Kureten gleichgesetzt wurden, auf CypernStr. 10, 472; 14, 654, Nicol. Damasc. fr. 116 (Histor. Gr. 3), Paus. 9, 19, 1. Auch Sikyon soll einst Τελχινία geheißen haben, daher die Telchinen auch dahin verlegt wurden, Lob. 1195. wo die mythischen Erinnerungen der Metallurgie natürliche Anknüpfungspunkte darboten, auch hin und wieder in Griechenland z. B. in Sikyon, obwohl hier nur eine Aehnlichkeit alter Namen zu Grunde zu liegen scheint. Ein Merkmal späteren Volksglaubens ist die Beschreibung der Telchinen bei Eustathios p. 771, 64, wo sie nach Art anderer fabelhafter Seegeschöpfe geschildert werdenOhne Arme und Beine und mit Schwimmhäuten zwischen den Fingern, dabei γλαυκωποὶ und μελανόφρυες.. Noch bei 477 Paulus Silentiarius in dem Gedichte auf die h. Sophia in Constantinopel v. 60 wird der Einsturz der Kuppel in Folge eines Erdbebens der Arglist der Telchinen zugeschrieben.


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