Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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12. Skylla.

Der personificirte Meeresstrudel bei gefährlichen Klippen und Abgründen. Die Odyssee 12, 73 ff. beschreibt zwei Klippen, die eine himmelhoch, mit schroffen Wänden und scharfer Spitze bis in die Wolken ragend, die in dichten Nebeln immer darüber lagern: darin eine dunkle Höhle gegen Norden. Dies ist die Wohnung der Skylla, bei ihm eine Tochter der Krataeis, welche ein bildlicher Ausdruck für die ungeheure Gewalt der Meereswogen zu sein scheintDas Wort kommt außerdem nur Od. 11, 597 vor und zwar von dem Felsen des Sisyphos, τότ' ἀποστρέψασκε κραταιίς.. Skylla selbst ist ein schreckliches Ungeheuer mit greller Stimme, wie die eines jungen Hundes, mit zwölf Vorderbeinen und sechs langen Hälsen, an jedem ein gräßliches Haupt mit drei dichten Reihen scharfer Schneidezähne die mit sicherem Tode drohn. Der Leib steckt in der finstern Höhle, die Köpfe ragen hervor mit dem schrecklichen Schlunde. So jagt sie nach Delphinen, Seehunden und größeren Meeresgeschöpfen. Wehe dem Schiffe das in ihre Nähe kommt! Der andere Fels ist niedriger, einen Pfeilschuß von jenem entfernt. Darauf wächst ein mächtiger wilder Feigenbaum, unter welchem Charybdis das dunkle Gewässer der Meeresfluth einschlürft und wieder ausspeit, dreimal an jedem Tage, in furchtbarem Strudel, gegen den selbst die Hülfe Poseidons nichts vermagEtymologisch ist Σκύλλα die Zerzauserin, von σκύλλειν, Χάρυβδις der wirbelnde Schlund und Abgrund, Pott Ztschr. f. vgl. Spr. 5, 244, beide von Natur an Klippen und Vorgebirgen zu Hause, wie man noch jetzt in den griechischen Gewässern unter ähnlichen Bedingungen Aehnliches erzählt, s. Conze Reise a. d. Ins. d. thrak. M. S. 48. Nicht ohne Bedeutung ist der wilde Feigenbaum, ἐρινεός, auf dem Felsen der Charybdis. Der Name erinnerte an Ἐρινὺς und wird deshalb wiederholt in Verbindung mit den Mächten des Todes genannt.. Bekanntlich haben die Alten beide Strudel später in die Sicilische Meeresenge verlegt (Virg. A. 3, 420 ff.), obwohl die Gefahren der dortigen Durchfahrt jener Beschreibung nur wenig entsprechen. Doch erzählte auch die Heraklessage hier von der Skylla, und zwar in der GeryoneisLykophr. Al. 44, Schol. Od. 12, 85, Eustath. 1714, 30 u. A.. Wie Herakles die Rinder des Geryon 484 in dieser Gegend vorbeitreibt, entrafft ihm Skylla eins der Thiere, in dieser Sage eine Tochter des Phorkys und der wegen der Umgebung der Hunde gleichartigen Hekate, auf welche nun auch den Name Krataeis übertragen wirdApollon. 4, 825 ff. Schol. Schon Akusilaos, wahrscheinlich auch Hesiod kannten diese Genealogie. Andre nannten sie eine T. des Triton.: ein so furchtbares Ungeheuer daß sie selbst vor der Persephone keine Scheu hat. Herakles tödtet sie über ihrer Höhle, worauf ihr Vater Phorkys sie wieder ins Leben ruft indem er ihren Leichnam verbrennt. Ferner hatte Stesichoros eine Skylla gedichtet, wo er sie eine Tochter der Lamia nannte, eines weiblichen kinderraubenden, schreckhaft häßlichen Gespenstes, von welchem ein libysches Märchen erzählte. Sie sei eine schöne Königin gewesen, welche vom Zeus geliebt, aber von der Hera aller Kinder beraubt worden sei, worauf sie sich in eine einsame Höhle in dem tiefen Abgrunde düstrer Felsen zurückgezogen habe und dort zum tückischen und gefräßigen Ungeheuer geworden sei, welches aus Neid und Verzweiflung allen glücklicheren Müttern ihre Kinder raube und tödte: ein Märchen das in dem Munde der Kinderfrauen von Geschlecht zu Geschlecht fortlebteDiod. 20, 41 welcher aus Euripides die Verse citirt: τίς τ' οὔνομα τὸ ἐπονείδιστον βροτοῖς οὐκ οἶδε Λαμίας τῆς Λιβυστικῆς γένος; Vgl. Aristoph. Pac. 758, Vesp. 1035 Schol. und Plut. de curios. 2, Suidas v. Λαμία, v. Leutsch Paroemiogr. 2, 498. Wenn sie sich vollgefressen, trank sie gewöhnlich über den Durst und schlief dann ein, nachdem sie ihre Augen in einen Beutel gethan, daher sie dann nicht zu fürchten war. Λάμος, λάμιον, τὰ λάμια ist eigentlich Schlund Abgrund Höhle, daher der Laestrygonenkönig Lamos, der Menschenfresser, und verschiedene aus örtlichen Gründen so genannte Städte und Flüsse. Das Wort hängt zusammen mit λαιμός. und sich in verschiedenen Gegenden in ähnlichen Erzählungen von kinderraubenden Ungeheuern wiederholteEin ähnliches Ungeheuer in einer Höhle des Gebirges Kirphis in der Nähe von Krisa b. Antonin Lib. 8. Auf Lesbos ein kinderraubendes Gespenst Γελὼ oder Γελλώ, dessen Sappho gedacht hatte, Zenob. 3, 3 vgl. Hesych, Suid. u. Schol. Theokr. 15, 40 Λαμία – ἡ καὶ Γελὼ λεγομένη. Auch tödliche Krankheiten, Fieber, Pest u. dgl. erscheinen in der Gestalt solcher Gespenster s. oben S. 360. 362.. So ist nach der späteren Sage auch Skylla ursprünglich schön und reizend gewesen und erst durch Verwandlung so abscheulich geworden. Bald heißt es daß Glaukos sie geliebt und Kirke sie aus Eifersucht verwandelt habe, oder Poseidon liebt das schöne Meerfräulein und Amphitrite macht sie zum Ungeheuer, oder auch Triton durch ein Gift das er von der Kirke empfangen, denn auch er buhlte mit ihrOvid M. 14, 1–74, Serv. u. Prob. z. Virg. Ecl. 6, 74, Hygin f. 199.. 485 Dahingegen die attisch-megarische Pandionidensage eine Skylla kannte welche Tochter des Nisos, Königs von Megara gewesen und ihren Vater an den großen kretischen Seekönig Minos schändlich verrathen habe. Nisos hat ein purpurfarbiges Haar mitten auf dem Haupte, das Geheimniß seiner Macht und seines Lebens. Seine eigne Tochter reißt ihm das Haar aus, nach Aeschylos weil sie sich hatte bestechen lassen, nach der jüngeren Tradition aus Liebe zu dem schönen Seekönige. Dieser aber verabscheut solchen Verrath und bindet sie, nachdem er Megara genommen, an das Steuer seines Schiffs, so daß sie hinter demselben durch das Meer geschleift wird, bis sie in das bekannte Ungeheuer verwandelt oder von Seevögeln aufgefressen oder in den mövenartigen Seevogel Ciris verwandelt wurde, welcher von dem Seeadler, in den ihr Vater Nisos verwandelt worden, beständig verfolgt wird. Denn man erzählte auch diese Sage sehr verschieden, wie sie sich im Munde der Küstenbevölkerung des Saronischen Meerbusens mit dem Vorgebirge Skyllaeon bald so bald so gestaltet haben magAesch. Choeph. 613 ff., Parthenios b. Meineke Anal. Al. p. 270, Apollod. 3, 15, 8, Paus. 2, 34, 7, Ovid M. 8, 1–151, Virg. Ecl. 6, 74 Prob., Ciris 47 ff., Schol. Eur. Hippol. 1199, Hygin f. 198. Der Name des Saronischen Meerbusens (S. 480) wurde in diesem Zusammenhange durch σύρεσϑαι erklärt.. Die Gestalt der Skylla ist die bekannte, wie man sie oft auf Münzen, Wand- und Vasengemälden und anderen Denkmälern siehtMon. d. Inst. 3, 52. 53, vgl. Ann. 29 t. F. G. p. 220 sqq., Campana op. in plastica pl. 83, El. céram. 3, 36..


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