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1. Die himmlischen Erscheinungen.
a. Helios.
Helios (ἀβέλιος, ἠέλιος, ἥλιος) ist seinem Namen nach der Leuchtende, der Brennende, da die Vorstellung von dem Sonnenfeuer sowohl den Griechen als den übrigen 334 stammverwandten Völkern eine geläufige warἀβέλιος, welche Form sich nach Hesych auf Kreta erhalten hatte, ist ἀϝέλιος, welches auf eine Nebenform αὐέλιος führt, wie sich neben ἠώς lak. ἀβώρ d. i. ἀϝώς und lesb. αὔως erhalten hatte. Beide Wörter sind desselben Stammes wie das ital. aurora und ausel d. i. sol. Die gemeinschaftliche Wurzel ist us brennen, s. G. Curtius Ztschr.f. vgl. Sprachf. 1, 29–31, Grundz. d. gr. Etym. 1, 367. Vgl. Aesch. Pr. 22 ἥλίου φοίβη φλογί. Soph. Tr. 95 φλογιζόμενος – λαμπρᾶ στεροπᾶ φλεγέϑων. Eur. Ion 84 πῦρ τόδ' αἰϑέρος. Phaeth. fr. 776 ϑερμή ἄνακτος φλόξ. Prometheus entzündet seine Fackel am Sonnenrade s. oben S. 72, [Anmerkung 142].. In der Theogonie gilt er für einen Sohn des Hyperion d. h. des Hochwandelnden, wie er bei Homer noch selbst heißt, und der Prächtigen oder Weitleuchtenden , wie seine beiden Geschwister Eos und Selene (S. 40). Die späteren Dichter pflegen ihn schlechtweg den Titanen zu nennen. In der gewöhnlichen Mythologie ist er neben Apollo und den vielen Helden, welche aus dem Sonnendienste der Vorzeit hervorgegangen waren, eigentlich zwar nur die tägliche oder jährliche Erscheinung der Sonne, wie sie am Himmel auf- und niedersteigt. Doch wurde auch Helios als mächtiger Gott in vielen Gegenden verehrt, vorzüglich in Korinth und seinen Colonieen, auf dem Taygetos zwischen Lakonien und Messenien und dem Vorgebirge Taenaron (überhaupt meist auf Bergen und am Meere), ferner in Elis und am allereifrigsten auf der Insel Rhodos, die sich seiner als ihres uranfänglichen Eigenthümers und als des Urhebers ihrer Geschlechter rühmtePind. Ol. 7, 54 ff., Diod. 5, 56, Aristid. Rhod. 1 p. 807 Ddf. u. A. Bei Pindar heißt dieser Helios ὀξειᾶν ὁ γενέϑλιος ἀκτίνων πατήρ, bei Aristid. p. 840 ἀρχηγέτης der Rhodier, vgl. Aesch. Ag. 633 πλὴν τοῦ τρέφοντος Ἡλίου χϑονὸς φύσιν. Kamiros verehrte einen Apollo ἀειγενέτης, τῷ τὸν ἥλιον ἀεὶ γίγνεσϑαι καὶ ἀεὶ γεννᾶν Macrob. S. 1, 17, 34. Bilder des Helios b. Müller-Wieseler D. A. K. 2, 970–972.. Die rhodischen Münzen zeigen auch sein Bild wie man es sich gewöhnlich dachte und wie es namentlich in dem berühmten Coloß am Hafen ausgeführt war. Ein schöner Gott, kräftig und männlich (nach Pindar schwuren die Männer ihre Liebe beim Helios, die Mädchen bei der Selene), von blühender Jugend, mit strahlenden Augen und wallendem Lockenhaar, das Haar mit einer sprühenden Strahlenkrone oder einem Strahlenhelm bedeckt, um den Leib ein zartes im Luftzuge flatterndes Gewand schimmernd (Hom. H. 31); dahingegen spätere Bildwerke gewöhnlich sieben oder zwölf Strahlen unmittelbar von seinem Haupte ausgehen lassen. Immer gehören zu ihm sein Gespann und seine Rosse, mit welchen der Unermüdliche (ἀκάμας) jeden Tag von neuem seine gefährliche Bahn vollendet: wenn Homer 335 ihrer nicht erwähnt, so kann das nur zufällig sein, da er das Geschirr der Eos kenntIhre Rosse heißen Λάμπος und Φαέϑων Od. 23, 244. Der Sonnenwagen wird zuerst erwähnt H. in Merc. 69, Cer. 88.. Es sind vier schneeweiße, licht- und feuersprühende Rosse, welche in Korinth Eoos und Aethiops, Bronte und Sterope hießenNach Eumelos b. Hygin f. 183, vgl. Pind. Ol. 7, 71, Virg. A. 12, 115. Ovid M. 2, 153 nennt sie geflügelt und Pyroeis, Eous, Aethon, Phlegon. Auf einigen Bildwerken ist das ganze Gespann von einem Strahlenkreis umgeben., d. h. Licht und Glanz, Donner und Blitz, da auch sonst und namentlich in der korinthischen Mythe vom Bellerophon die Donnerwolke mit dem leuchtenden Strahle des himmlischen Feuers sowohl zur Ausstattung des Sonnengottes als zu der des Zeus gehörte. So wurde Helios auch sehr oft auf einer prächtigen Quadriga stehend abgebildet, in welcher Art ein Werk des Lysippos zu Rhodos vor allen übrigen berühmt war, zu Rhodos wo man ihm jährlich an seinem Feste ein Viergespann geweihter Rosse als Opfer ins Meer stürztequod is tali curriculo fertur circumvehi mundum Fest. p. 181. Auch auf dem Taygetos wurden Pferde geopfert, Paus. 3, 20, 5. In Korinth Helios und Phaethon zu Wagen, ib. 2, 3, 2. In Syrakus Helios auf goldner Quadriga von dem Künstler Eetion, Meineke Philol. 1859 S. 23. Colossale Trümmer des Sonnenwagens, welcher einst auf dem Gipfel des Mausoleums zu Halikarnaß stand, befinden sich jetzt im britischen Museum zu London.. Dieses Fest der Ἅλια oder Ἁλίεια wurde mitten im heißen Sommer mit vielen Festlichkeiten und mit gymnischen und musischen Spielen begangen, welche für Rhodos dieselbe Bedeutung hatten wie die Panathenaeen für Athen, die Olympien für Elis. Der Siegeskranz wurde von der Weißpappel (λευκή) genommen, welche wegen des schimmernden Glanzes ihrer Blätter dem Sonnengotte heilig warS. die Verse b. Dikaearch Hist. Gr. fr. 2, 256 (Meineke Com. Gr. 2, 746; 5, 52), Schol. Pind. Ol. 7, 141–147, Athen. 13, 12, C. I. n. 3208. 5913..
Eine andere Eigenthümlichkeit des Sonnendienstes sind seine heiligen Heerden, welche nur die Odyssee kennt. Auf der Insel Dreispitz (Θρινακίη von ϑρῖναξ) weiden dem Helios sieben Heerden von Kühen und sieben Heerden Lämmer, jede zu fünfzig Stück, die sich nicht vermehren und vermindern, unter der Hut von zwei Nymphen, der Leuchtenden und der Glänzenden (Φαέϑουσα und Λαμπετίη), welche Neaera d. h. die ewig Junge, ewig Frische dem Helios geboren hatte, der aufsteigend 336 und niedersteigend an diesen Heerden täglich seine Lust hatte. Schon Aristoteles hat in den siebenmal fünfzig Kühen die Tage des Mondjahrs, in den siebenmal fünfzig Lämmern die dazu gehörigen Nächte erkanntBei Schol. u. Eustath. Od. 12, 129. 130, vgl. Lukian astrol. 22. Der Mond ist νυκτὸς οἶον ἥλιος, Theophr. d. sign. pluv. 5.. Es ist dasselbe Bild, dem wir beim Hermes bereits begegnet sind und dem wir auf Kreta, in Elis und sonst bei verschiedenen Gelegenheiten begegnen werden; auch gab es solche heilige Heerden des Helios noch in geschichtlicher Zeit auf Taenaron und zu Apollonia, einer Colonie von KorinthH. in Merc. 233, Herod. 9, 93, Konon 30.. Die einzelnen Tage und Nächte des jährlichen Verlaufs gelten für eben so viele nach einander auftretende Stücke einer Heerde, welche in jener Erzählung der Odyssee mit der dem Helios so gut wie dem Apollo heiligen Siebenzahl in so viele Gruppen zerlegt ist. War doch auch sonst den Alten der Ausdruck Sonnen in der Mehrzahl für Tage ein geläufigerPind. Ol. 13, 37 ἁλίῳ ἀμφ' ἐνί. Eurip. El. 654. λέγ' ἡλίους ἐν οἷσιν ἀγνεύει λεγώ. Hel. 652 ἡλίους μυρίους διελϑών. Virg. Ecl. 9, 51 longos soles. Horat. Od. 4, 5, 8 soles melius nitent. Umgekehrt sagt Lucan 2, 412 diem für solem. Einige erklärten das Wort λυκάβας für Jahr durch eine hinter einander über einen Fluß gehende Heerde von Wölfen, Artemid. Oneir. 2, 12, Aelian N. A. 3, 6. Der Ausdruck quotquot eunt dies b. Horat. Od. 2, 14, 5..
Von seinem strahlenden Lichte heißt Helios Φαέϑων, auch das glänzende Auge des Himmels oder des ZeusMacrob. S. 1, 21, 12 quia Solem Iovis oculum appellat antiquitas, freilich zunächst mit Bez. auf Aegypten. Man berief sich auf Hesiod O. D. 267 Διὸς ὀφϑαλμός und Aristoph. Nub. 285 ὄμμα αἰϑέρος. Vgl. Soph. Antig. 879 τόδε λαμπάδος ἱερὸν ὄμμα. Das Auge Odins b. Grimm D. M. 665, das Auge des Varuna (Uranos) in den Veden., weil das Auge das Licht des Leibes ist und deshalb von jeher auf alle strahlenden und leuchtenden Erscheinungen des Himmels übertragen wurde. Eben deshalb ist Helios der allsehende (πανόπτης), Alles Beobachtende und Erkundende, der allgemeine Späher der Götter und Menschenὃς πάντ' ἐφορᾷ καὶ πάντ' ἐπακούει Il. 3, 277, Od. 11, 109. ϑεῶν σκόπος ἠδὲ καὶ ἀνδρῶν H. in Cer. 63. κρατιστεύων κατ' ὄμμα Soph. Tr. 101. Videt hic deus omnia primus Ovid M. 4, 172. Omnia qui video, per quem videt omnia tellus, mundi oculus 227. Daher auch Sehkraft und Blindheit der Menschen vom Helios kommt Soph. O. C. 869, Eur. Hek. 1067., vor dem nichts verborgen und heimlich ist, wie z. B. er allein in der Dichtung vom Raube des Demeterkindes der trauernden Mutter über den Räuber Auskunft zu geben weiß. Auch ist Helios deshalb ein Gott der Wahrheit alles Verborgenen, 337 welcher bei Eidschwüren und von der bedrängten Unschuld angerufen zu werden pflegte und in dieser Beziehung sehr heilig gehalten wurdeIl. 3, 104. 278; 19, 196. 259, H. in Merc. 381, Aesch. Ag. 1323, Soph. El. 825 und O. T. 660 οὐ τὸν πάντων ϑεῶν ϑεὸν πρόμον Ἅλιον.. Worin weiter der Uebergang zum Princip der Weisheit und der Erkenntniß leicht gegeben war, in welchem Sinne Parmenides im Eingange seines philosophischen Lehrgedichts auf dem Sonnenwagen und geführt von den Heliaden zur Höhe der Erkenntniß strebte, während Pindar in einem sehr schönen, durch eine Sonnenfinsterniß veranlaßten Gedichte den Strahl der Sonne zugleich die Mutter der Augen und die Quelle der Weisheit genannt hatteParmen. b. Sext. Emp. adv. math. 7, 111 p. 213 Bekk., Pind. fr. 84 (74) ἀκτὶς ἀελίου, πολύσκοπε μᾶτερ ὀμμάτων u. s. w. Auch Ol. 7, 72 sind die sieben Söhne des Helios die Weisesten ihrer Zeit..
Auge und Gemüth erquickte sich an dem täglichen Laufe des strahlenden Gestirns, wenn es leicht und majestätisch gleich dem Vogel des Zeus, so nennt Aeschylos Suppl. 212 die Sonne, am Himmel dahinschwebt, das einzige Gestirn des Tages, welches ἐρήμας δι' αἰϑέρος, wie Pindar Ol. 1, 6 mit schönem Nachdruck sagt, seine Bahn wandelt, Sterblichen und Unsterblichen Licht und Leben spendend (φαεσίμβροτος). Nach den aus Homer bekannten Bildern steigt Helios täglich aus den Fluthen des Meeres empor und taucht täglich in dieselben wieder unter, wobei die Gegenden des Aufgangs und des Niedergangs die Phantasie natürlich am meisten beschäftigten. Namentlich erzählte man gern von den Aethiopen, welche bei Homer sowohl die Gegend des Aufgangs als die des Niedergangs bewohnen (Od. 1. 22–26), Αἰϑίοπες d. h. sonnenverbrannte Völker, die man sich gut und fromm dachte weil sie im Lichte wohnen, wie im hohen Norden jenseits der Berge des Boreas die Hyperboreer. Doch hat sich der Glaube an diese durch die Nähe des Helios beglückten Völker früh auf die Gegend des Aufgangs beschränkt, welche allen Religionen immer für eine heilige gegolten hatPlut. Pomp. 14 τὸν ἥλιον ἀνατέλλοντα πλείονες ἢ δυόμενον προσκυνοῦσιν. Auch die Tempel und Altäre waren in Griechenland gewöhnlich nach Sonnenaufgang gerichtet. Vgl. Aesch. Pr. 808 οἳ πρὸς ἡλίου ναίουσι πηγαῖς, ἔνϑα ποταμὸς Αἰϑίοψ.. Daher sich auch die Götter bei Homer dahin begeben, wenn sie zu den Aethiopen gehen um ihre Hekatomben entgegenzunehmen; welche Göttermahlzeiten sich am natürlichsten dadurch erklären daß man sich in der Nähe des Helios ewige Reife und ewige 338 Erndte dachteDaher der immer gedeckte Sonnentisch der Aethiopen und ihre Flur, welche die Alten dem Horn der Amalthea vergleichen, Herod. 3, 18, Pomp. Mel. 3, 9, Himer or. 5, 15. Vgl. den Apoll der Thargelien und Theoxenien und den Mohrenkopf auf Münzen von Delphi und Athen.. Die Odyssee (3) spricht von einer schönen Meeresbucht, welche Helios verlasse ehe er an dem ehernen Himmel emporsteige, Aeschylos bei Strabo 1, 33 von einem wie blankes Erz strahlenden allnährenden See der Aethiopen am Okeanos, wo der allsehende Helios sich und seine Rosse im warmen Bade erquicke: welche Bilder nach der später üblichen Behandlungsweise der poetischen Erd- und Weltschilderungen zu vielen geographischen Hypothesen Veranlassung gegeben haben. Andere Dichtungen, besonders die welche vom Phaethon erzählen, wissen von einer strahlenden Sonnenburg in diesen Gegenden, wo Helios und Eos ihre Stallungen haben und von wo sie Morgens ausgehen, so daß die ersten Strahlen des aufgehenden Lichtes das Land und Volk der Aethiopen treffen. Oder die Phantasie beschäftigte sich mit den Schwierigkeiten des täglichen Laufes, wie Helios als Tagesläufer (ἡμεροδρόμος) in einer dem Umschwunge des Himmels entgegengesetzten Richtung auf- und untergeheOvid M. 2, 70 Adde quod assidua rapitur vertigine caelum sideraque alta trahit celerique volumine torquet. Nitor in adversum nec me qui cetera vincit impetus et rapido contrarius evehor orbi. Daher Sol b. Lucan 7, 2 seine Rosse contra aethera treibt., welches der Sage nach vor den Zeiten des Atreus und Thyestes nicht der Fall gewesen. Oder mit den Wendekreisen der Sonne und wie Helios im Winter zu seinen geliebten Aethiopen geheτροπαὶ ἠελίοιο Od. 15, 404, vgl. Hesiod. O. D. 527 vom Winter, wo Helios ἐπὶ κυανέων ἀνδρῶν δῆμόν τε πόλιν τε στρωφᾶται, βράδιον δὲ Πανελλήνεσσι φαείνει., oder mit seinen schlangenartigen Windungen durch verschiedene Thore, Kreise und Bilder der verschiedenen JahreszeitenEuripides verglich die Sonne mit einem Drachen b. Macrob. S. 1, 17, 59 πυριγενὴς δὲ δράκων ὁδὸν ἡγεῖται ταῖς τετραμόρφοις ὥραισι ζευγνὺς ἁρμονίᾳ πλούτου πολύκαρπον ὄχημα., woraus später die bekannten zwölf Häuser des Thierkreises geworden sind.
Wieder andere Vorstellungen sind die mit der Argonautensage ausgebildeten, auch in der Odyssee berührten, von einem östlichen und einem westlichen Sonneneilande Αἶα, wo die Kinder des Helios und der Okeanine Perse oder PerseisOd. 10, 139, Hesiod th. 956. wohnen, die zauberische Kirke im Westen und König Aeetes im Osten. 339 Auch die Odyssee kennt diese beiden Kinder des Sonnengottes, spricht aber nur von dem westlichen Aea, ja sie scheint nur dieses zu kennen, da sie selbst die Wohnungen und Tanzplätze der Eos dahin verlegt12, 3, wo ἀντολαὶ Ἠελίοιο nicht wohl etwas Anderes sein können als der Ort, von wo Helios bei seinem Aufgange aufbricht, s. Schol. Od. 17, 208, Phaethon sei gegangen ἐπὶ τὰς τοῦ πατρὸς ἀντολάς, Ovid M. 1, 774 unde oritur domus est. Ἠελίοιο πύλαι in der Gegend des Untergangs Od. 24, 12.. So weiden auch die Heerden des Helios auf einer Insel im westlichen Okeanos und von der Argo heißt es (12, 70) daß sie παρ' Αἰήταο πλέουσα durch die Plankten d. h. durch das Thor des westlichen Okeanos gekommen sei. Ja man ging, wie jene Fabel vom Atreus und Thyestes lehrt, so weit zu behaupten daß Helios nach der ursprünglichen Naturordnung im Westen aufgegangen und im Osten untergegangen sei. Doch war später der allgemeine Glaube daß das westliche Aea von der Kirke, das östliche vom Aeetes bewohnt sei, der mit der Tochter des Okeanos Ἰδυῖα d. h. der Wissenden, denn alle Götter der Meeresfluth sind von tiefer und verborgner Weisheit, die zauberische Medea gezeugt habe (Hesiod th. 959), ein östliches Gegenbild zur Kirke und wie diese eine MondgöttinNach Apollon. 3, 311 brachte Helios auf seinem Sonnenwagen Kirke von dem östlichen Aea nach dem westlichen bei Circeji, wo sie schon bei Hesiod th. 1011 zu Hause ist.. Auch findet sich bei einigen Dichtern die merkwürdige Vorstellung von einem Sonnenbecher oder einer Sonnenschale, welche dem Oriente entlehnt zu sein scheintAuf aegyptischen Denkmälern erscheinen Helios und Selene auf Barken, nicht auf Wagen, wie schon Plut. Is. Osir. 24 anmerkt. Die assyrischen Denkmäler aus Ninive zeigen becherartige Fahrzeuge, die zur Schilffahrt auf dem Tigris stromabwärts dienten.. So wird nun Helios, nachdem er im Westen ausgeschlafen, früh Morgens auf seinem becherartigen Fahrzeuge durch die reißende Strömung des Okeanos nach dem östlichen Aea geführt, um von dort aus wieder am Himmel emporzusteigen. Namentlich war in der Heraklessage von diesem Sonnenbecher die Rede und zwar schon in einer wiederholt angeführten Titanomachie von älterem UrsprungeAthen. 11, 38. 39. Bald heißt dieser Sonnenbecher, auf welchem Helios und Herakles den Okeanos durchschiffen, δέπας bald φιάλη bald λέβης.. Auch Stesichoros und Aeschylos dichteten in diesem Sinne von dem goldnen Becher des Helios, den Hephaestos geschmiedet habe und auf welchem der Sonnengott über den Okeanos fährt »zu den 340 Tiefen der heiligen dunklen Nacht, zur Mutter und zu seinem Eheweibe und den lieben Kindern«, wie Stesichoros sich ausdrückt, oder »fliehend in das Dunkel der heiligen Nacht mit den schwarzen Rossen«, wie Aeschylos dichtete. Dahingegen Mimnermos es beschrieb wie Helios auf demselben Becher, noch schlafend und mit reißender Geschwindigkeit, aus der Gegend der Hesperiden nach dem Aufgange entführt wird. »Denn es trägt ihn durch die Wogen das wunderschöne Lager, das hohle, welches Hephaestos aus kostbarem Golde geschmiedet, das beflügelte. Ueber die Fläche des Wassers führt es ihn schlafend in reißender Schnelle von der Stätte der Hesperiden hin zu dem Lande der Aethiopen, wo der schnelle Wagen und seine Rosse stehen, wenn die frühgeborne Eos naht. Dort besteigt darauf Hyperions Sohn den Wagen«. Und derselbe Dichter sprach an einer anderen Stelle von dem östlichen Aea, wo der König Aeetes wohne und das Ziel der Iasonsfahrt gewesen sei. »Dort auch liegt in goldner Kemenate des schnellen Helios Strahlenkrone, am Gestade des Okeanos« (Strabo 1, 46).
Bei anderen Dichtern und Künstlern trifft man auf ausgezeichnet schöne Bilder und Beschreibungen des Sonnenaufgangs und des Sonnenuntergangs, indem auch diese erhabenen Thatsachen des täglichen Lichtwechsels nach griechischer Weise in figurenreiche Vorgänge verwandelt werden. So schildert Euripides (Ion 82) wie das aufsteigende Gestirn des Helios zuerst die Bergesgipfel röthet und die Sterne dann schnell in den Schooß der heiligen Nacht fliehen (ἄστρα δὲ φεύγει πυρὶ τῷδ' αἰϑέρος ἐς νύχϑ' ἱεράν), und ein schönes Vasenbild führt dieses Gemälde des anbrechenden Tages noch weiter aus. Helios steigt aus dem Okeanos auf, von seinen vier ansprengenden Flügelrossen auf leichtem Wagen zum Himmel emporgezogen. Vor ihm stürzen sich die Sterne in Gestalt luftiger Knaben in die Fluth, nur der Morgenstern wagt es dem anbrechenden Sonnenlichte ins Auge zu sehenOvid M. 2, 114 diffugiunt stellae, quarum agmina cogit Lucifer et caeli statione novissimus exit. Gerhard über die Lichtgottheiten auf Kunstdenkmälern B. 1840, Welcker A. Denkm. 3, 53 ff.. Eos, der Sonne voraneilend, verfolgt den geliebten Kephalos, den die Jagd in die Berge ziehtVgl. die schöne Schilderung des anbrechenden Tags b. Eurip. Phaeth. fr. 775, wo u. a. ἤδη δ' εἰς ἔργα κυναγοὶ στείχουσιν ϑηροφόνοι. Darum liebt Eos alle Jäger., während Selene auf ihrem Pferde langsam in die Tiefe hinabreitet, von 341 der Höhe des Gebirges aber Pan den Anbruch des Tages freudig begrüßt. Und nicht minder schön sind die bildlichen Beschreibungen des Sonnenuntergangs und des Anbruchs der Nacht, von welcher Sophokles sagt daß sie sich selbst zum Untergange den Helios gebäre und dann wieder den Glühenden sanft zur Ruhe bringeIl. 8, 485 ἐν δ' ἔπεσ' Ὠκεανῷ λαμπρὸν φάος ἠελίοιο ἕλκον νύκτα μέλαιναν ἐπὶ ζείδωρον ἄρουραν. Indem die Sonne in den Okeanos fällt, cum sol Oceano subest, wie Horaz Od. 4, 5, 40 sagt, geht sie zugleich unter die vom Okeanos begrenzte Erde, also ὑπὸ γαῖαν oder κατὰ χϑονός, Od. 10, 191, H. in Merc. 68, Ennius b. Cic. d. Divin. 1, 48, 108 interea sol albus recessit in infera noctis, Lucan 6, 570 Titan medium quo tempore ducit sub nostra tellure diem, Fest. p. 178 occasus solis, cum decidit a Superis infra terras.. Bald zieht der sinkende Helios die schwarze Nacht wie einen dunklen Mantel über die Erde hinaufSoph. Tr. 94 ὃν αἰόλα νὺξ ἐναριζομένα τίκτει κατευνάζει τε φλογιζόμενον. Eurip. Pirith. fr. 596 ὀρφναία νὺξ αἰολόχρως., oder sie stürzt sobald die Sonne untergegangen ist aus dem Okeanos hervor, die schwarze, die bunte, die feuchte, die heilige Nacht, die mit ihren dunklen Schwingen die Erde einhüllt und bergend umfängtVirg. A. 2, 8. 250. 360; 4, 351; 8, 369.. Oder sie fährt mit dunklen Rossen am Himmel empor und es begleiten sie alle Sterne, Hesperos voran, und der Vollmond schießt von oben seine StrahlenEurip. Ion 1150 ff., Aesch. Choeph. 660 Νυκτὸς ἅρμ' ἐπείγεται σκοτεινόν, Heliad. fr. 67 μελάνιππος, Virg. Cul. 200 iam quatit et biiuges oriens Erebo cit equos Nox..
Andre Dichtungen beschäftigten sich mit den ausserordentlichen Wirkungen der Sonnenhitze, wie man sie in der Gluth jedes Sommers oder an den Eigentümlichkeiten der heißen Zone beobachtete und von außerordentlichen Störungen des Sonnenlaufes ableitete. Das ist die Fabel vom Phaethon, wie sie von Hesiod Aeschylos Euripides und andern Dichtern erzählt wurde, immer mit besonderer Rücksicht auf den mythischen Strom Eridanos und das vielbewunderte Elektron d. i. den BernsteinOvid M. 1, 750–2, 400, Schol. Od. 17, 208, Hygin f. 154, Nonnos 38, 108–434. Das Gemälde b. Philostr. imag. 1, 11. Ueber die bildlichen Darstellungen auf Sarkophagen und Gemmen s. F. Wieseler Phaethon, Gött. 1857.. Eigentlich ist Helios selbst Phaethon d. i. der Leuchtende (Il. 11, 735, Od. 5, 479), doch gilt dieser Phaethon für seinen Sohn, gewöhnlich von der Okeanine Klymene, der Gemahlin des am Okeanos wohnenden Aethiopenkönigs Merops. Um seines Ursprungs vom Sonnengotte gewiß zu werden sucht der Jüngling diesen in 342 der nahen Burg seines Aufganges auf, fordert den Sonnenwagen auf einen Tag und besteigt denselben trotz aller Bitten und Warnungen des Vaters. Bald gehen die Pferde durch und es entsteht eine entsetzliche Verwirrung. Da sind viele Gebirge und Flüsse für immer verdorrt, Libyen ist zur Wüste, die Aethiopen sind zu Mohren geworden, der Nil verbirgt seitdem seine Quellen. Endlich schleudert Zeus seinen Blitz und Phaethon stürzt zerschmettert und verbrannt in den Eridanos, wo ihn die Nymphen begraben und seine Schwestern, die drei Heliaden Aegle Lampetie und Phaethusa ihn mit nie ersterbender Klage beweinen, bis sie in Pappeln verwandelt werden, aus denen noch immer goldene Thränen herabrinnen. Die Sonne verwandelt diese in das wie sie strahlende Elektronelectrum appellatum quoniam sol vocitatus sit ἠλέκτωρ Plin. H. N. 37, 31, vgl. Hesych s. v. Bald bedeutete es glänzendes Metall bald Bernstein s. Buttmann Mythol. 2, 337 ff., welches der Eridanos durch nördliche Völker in den Okeanos trägt. Auch Kyknos, ein naher Verwandter des Phaethon, klagt um den schönen Jüngling bis er in einen Schwan verwandelt wirdOvid M. 2, 367, Phanokles b. Lactant. arg. 4 z. Ovid, Paus. 1, 30, 3.. Wahrscheinlich gehörten der EridanosZuerst nennen ihn Hesiod th. 338 und die Batrachom. 20. Bei Herod. 3, 115, welcher das Wort Ἠριδανὸς für ein griechisches hält, fließt er in den nördlichen Ocean. Nach Serv. V. A. 6, 659 hieß er auch Φαέϑων d. i. der leuchtende, vgl. Lucan 2, 415 hunc habuisse pares Phoebeis ignibus undas. Apollon. Rh. 4, 611 weiß von einer keltischen Sage, nach welcher der Bernstein nicht aus den Thränen der Heliaden, sondern aus denen des Apollon der Hyperboreer entstanden war. Ein Bach Ἠριδανὸς bei Athen Paus. 1, 19, 6., der singende Schwan, die Bernstein weinenden Sonnenmädchen ursprünglich zur Sage von dem heiligen Nordlande der Hyperboreer, welches den Okeanos berührte. Doch suchte man jenen mythischen Strom bald in bekannten Gegenden des Nordens, zunächst in solchen woher den Griechen der Bernstein zugeführt wurde. Aeschylos in seinen Heliaden dachte an den Rhodanos, der für ihn in Iberien floß, aber zugleich wie es scheint den höheren Norden und mit einer Mündung auch das adriatische Meer berührtePlin. H. N. 37, 32, vgl. das Frgm. der Heliaden b. Bekk. An. 346, 10 Ἀδριαναί τε γυναῖκες τρόπον ἔξουσι γόων, Apollon. 4, 627 Schol., Dionys. P. 288., welches bei dem Bernsteinhandel immer vorzugsweise genannt wurde. Dahingegen man seit Euripides den Eridanos gewöhnlich mit dem Po identificirte, den man sich mit dem Rhodanos vereinigt dachte, so daß nun die Küste der Pomündung 343 für die Gegend gelten mußte wo Phaethon seinen Sturz gethan und von seinen in Pappeln verwandelten Schwestern noch jetzt mit Elektron beweint wurdeEurip. Hippol. 735–741, Polyb. 2, 15, 13, Aristot. Mirab. 81..