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Aberglaube aus der Christnacht

Diese Zeit, die den Christen in aller Absicht ehrwürdig und heilig seyn sollte, wird immer noch zur Betreibung des schändlichsten Aberglaubens, der schwärzesten Bosheit, oder wenigstens sehr kindischer Tändeleien gemisbraucht. Unverheurathete Mädchen und Bursche gießen flüssig gemachtes Blei in kaltes Wasser, und wollen aus den daraus entstehenden Figuren theils ihre künftigen Beschäftigungen, theils ihre Heirathspartie lernen. Es geht ganz natürlich zu, daß in solchem Fall das Blei mancherlei Figuren bekommt, und es geschieht dieß nicht etwa nur in der Christnacht, sondern zu jeder andern Zeit. Zwar die Nagelschmiedin S. goß auch Blei in ihrem ledigen Stande, und es erschienen lauter kleine Nägelchen; aber dieß ist das gemeinste, und man wird die Figuren, welche Nägeln gleichen, fast immer finden. Je aufmerksamer der Zukunftsforschende das Blei betrachtet, jemehr sieht er darinn, jemehr schmeicheln die Figuren den Erwartungen, Wünschen und Hoffnungen. Es giebt Weiber, die ein eigenes Geschäft daraus machen, das gegossene Blei zu besehen und zu deuten; Jede hat ihre eigne Art; dieß macht aber die ganze Sache verdächtig. H. wurde in der Jugend beredet, am heil. Abend um Mitternacht zwischen 11 und 12 Uhr stillschweigend Blei zu giessen; und er sahe die Figur eines Menschen, der ein Schießgewehr auf der Schulter und einen Hund neben sich hatte, Ja, Ja, H. wird ein Jäger; er ist nun erwachsen; aber seine Bestimmung ist eine ganz andere. Damit der junge Bursche oder das Mädgen die künftige Liebschaft kennen lerne, geht er oder sie in der Christmacht zwischen 11 und 12 Uhr stillschweigend an den Brunnen, sieht hinein, und glaubt das gewünschte darin zu sehen. Ruprecht hatte gehört, daß die reiche Franzl, die er gerne geheirathet hätte, dieß an einem gewissen Brunnen thun würde. Es kam ihm zu statten; daß bei diesem Brunnen ein Baum stand, desen Zweige darüber hinreichten. Da hinauf stieg er, so bald es halb elf geschlagen hatte; Franzl kam, und Ruprecht, der sich recht sichtbar machen wollte, biegte sich so sehr herüber, daß der Ast, auf welchem er sich befand, entzwei brach. Er fiel herunter, und zerbrach den Arm, und Franzl bekam vor Schreck das Fieber. Von dem Auffüllen des Weins in der Christnacht, schließt man, wie er im künftigen Jahr gerathen werde. In der Christnacht zwischen 11 und 12 Uhr glaubt man, ist das Wasser Wein. Der Weinhändler füllt die Fässer mit Wein auf, um von dem Steigen und Fallen, auf die Güte und Menge desselben im nächsten Jahr zu schließen. Der Kornhändler thut ein gleiches mit dem Korn. Er füllt Gefäße mit Korn an, und bestimmt aus dem Zu- oder Abnehmen des Maaßes in denselben den Fruchtpreis in jedem Monat. Wessen Schatten am Weihnachts heil. Abend bei eingebrachtem Licht keinen Kopf hat, der stirbt im selbigen Jahr. In der Christnacht müssen zwei Lichter die ganze Nacht über auf dem Tisch brennen: Löscht eins davon aus (welches doch sehr zufällig ist, oder leicht vernmieden werden kann) so bedeutet es, daß der Vater oder die Mutter sterben werde. Wenn in dieser Nacht ein Reif vom Gefäß springet, so soll das Jahr einer aus dem Hause sterben. Aber wenn man auf beiden Seiten eines Menschen ein Licht in gerader Stellung setzt, so erscheint er ohne Kopf; daß kann alle Tage durchs ganze Jahr geschehen. In den zwölf Nächten (von Weihnachten bis Dreikönigstag) soll man keine Erbsen, Hülsen oder andere Früchte essen, man bekommt sonst selbiges Jahr die Krätze, oder Schwären – wenn man viele üble Feuchtigkeiten bei sich hat, oder sich unreinlich hält.

Jungfern, die gern heirathen wollen, sollen in der Christnacht nackend beten; denn wird ihnen ihr Liebster im Schlaf erscheinen. Wenn sie ihn denn auch nicht kriegen; so haben sie's doch gedacht; vielleicht auch geträumt. Denn gewiß wird der im Schlaf erscheinen, den das Mädgen sich wünscht. Wenn eine Dienstmagd wissen will, ob sie länger bei ihrem Herrn in Diensten bleiben oder abziehen werde, soll sie auf den Weihnachts heil. Abend den Schuh werfen. Wenn der Schuh mit der Spitze nach der Thür steht, so glaubt sie, daß sie abziehen; steht er hereinwärts, daß sie dableiben werde. Sie setzt sich dabei mit dem Rücken nach der Thür. Man pflegt zu sagen, daß wie jemand glaubt, es ihm widerfährt; Dieß wird auch hiebei wahr. Denn wenn die Magd erst glaubt, daß es des Schicksals Rathschluß, und es nun nicht zu ändern sey, daß sie werde abziehen müssen; so wird sie ihre Dienste vernachlässigen; Im andern Fall wird sie fortfahren, sich so zu verhalten, wie bisher, und wird in Diensten behalten werden. – Das Schuhwerfen wird also eintreffen; aber ganz natürlich! Wenn ein Mädchen wissen will, was für Haare ihr künftiger Liebster hat; so greife sie in der Christnacht rücklings zur Stubenthür hinaus, so bekommt sie solche Haare in die Hand. Und wenn sie wissen will, ob sie in diesem Jahr einen Mann kriegen werde, soll sie an das Hünerhaus klopfen und sagen:

Gackert der Hahn: so krieg ich ein Mann;
Gackert die Henn; so krieg ich kein.

Wenn sie wissen will, ob ihr Liebster gerade oder krumm seyn werde, soll sie aus einer geschichteten Klafter Holz ein Stück ziehen: Wie das Scheit ist, so ist auch der künftige Mann. Wenn sie wissen will, wie ihr künftiger Mann heißen werde; so soll sie den ersten Faden Garn, den sie am Weihnachts heil. Abend spinnt, vor ihre Hausthür spannen: Wie nun der erste vorbeigehende heißt, so wird auch ihr künftiger Mann heißen. Die Schäfer dürfen in den zwölf Nächten den Wolf nicht nennen: er zerreißt sonst die Schafe. Ein Hund, der in der Christnacht heult, wird selbiges Jahr toll. – Welche Thorheiten, welche Einbildungen, welche Lügen und Erfahrungswidrige Meinungen. Kaum sollte man es glauben, daß vernünftige Menschen auf Dinge verfallen könnten, die so ganz dem gesunden Menschenverstand entgegen sind, wenn leider es die Erfahrung nicht bestätigte! Aber sie sind noch nicht zu Ende, die Thorheiten, welche Christen glauben und handhaben, denen die Weihnachtszeit zur heiligen Feier bestimmt ist. Man beschwöret in dieser Nacht den Teufel zum Geldbringen, und sucht Schätze zu graben, weil man glaubt, den Geistern, unter deren Aufsicht diese stehen sollen, wären, so wie dem Teuefel selbst, die Hände gebunden. Man höhlt zwölf Zwiebeln aus, und streut in das Ausgehöhlte etwas Salz: In welcher Zwiebel nun Wasser ist, das soll anzeigen, daß der Monat, den diese bedeuten soll, nass seyn werde. Ist aber in der Zwiebel kein Wasser; so glaubt man, daß er werde trocken seyn. Das kommende Jahr ist nicht glücklich, wenn man nicht um diese Zeit, zwischen 11 und 12 Uhr des Nachts, ein Fußbad anstellt. Der Bauer umwindet dann seine Obstbäume mit nassen Strohseilen, ohne ein Wort zu reden, um sie zu dem folgenden Sommer fruchtbar zu machen. In dieser Nacht werden die Kaffeewahrsagereien vorgenommen. Helle Christnacht, finstre Scheunen; finstre Christnacht helle Scheunen, sagt man, und es soll so viel heißen: Wenn in der Christnacht der Mond scheint, und das Wetter helle ist, so soll das Jahr an Getraide fruchtbar seyn, so daß die Scheunen von dem Eingesammleten voll und finster werden: Wenn er aber nicht scheint, und das Wetter trübe ist, so soll das Jahr wenig in die Scheunen kommen, und sie licht und leer bleiben. Aber wer kennt die Thorheiten alle, wodurch Weihnachten entweiht wird?! Daß man den Kindern um diese Zeit Geschenke giebt, ist an sich eine unschädliche Gewohnheit; daß man ihnen aber sagt, der heil. Christ oder das Christkindlein gebe sie ihnen, daß man befielt, Tücher auszubreiten oder Bäume aufzustellen, damit es darauf bescheren könne, daß man das Zusehen verbietet, weil es ihnen die Augen ausblasen könne – wer kann das billigen? Ein vermummter Claus, St. Nicolaus, Knecht Ruprecht, oder wie er sonst heißen mag, tritt herein, mit einem weissen Hemd oder auf andere, Kindern fürchterliche Art gekleidet, hat in der Hand eine Ruthe, und ruft mit verstellter Stimme: betet, betet! und stäupt sie, wenn sie das nicht können; oder giebt ihnen Nüsse, Aepfel x. wenn sie recht viel zu beten wissen. Das arme, unwissende Kind betet den verkleideten Buben fast an, damit er es nicht in den Sack stecke: und glaubt, es sey der Herr Jesus selbst. Aber würde dieser so handeln, wenn er auf der Erde erschien? würde er Kinder erschrecken, und durch Schläge Gebete von ihnen erzwingen? Man würde erstaunen, wenn man die Menge der Kinder wissen sollte, die vor Schreck über solchen Anblick gestorben sind. Man durchschwärmt die Nacht, welche Vorbereitung auf die heiligsten Tage seyn sollte, und macht den Kindern weiß, daß es in dieser Nacht besonders sehr unsicher sey, und die Gespenster da häufiger erscheinen als sonst, und jedem sichtbar würden. Heilloses Gewäsch!


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