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Abergläubische Meinungen von den Wirkungen des Monds.

Abergläubische Leute, die den Grund nicht absehen, woher die abwechelnden Lichtgestalten des Mondes kommen, haben darin etwas Geheimnisvolles gesucht, und dem Monde Wirkungen angedichtet, die er nimmermehr haben kann. So glaubt man, daß der volle Mond Krebse, Austern, Muscheln und Schnecken voller mache, als der abnehmende; daß die zur Zeit des vollen Mondes versetzten Blumen voller werden; daß das Holz im zunehmenden Mond mehr Feuchtigkeit habe, als im abnehmenden; daß die im vollen Mond geschlachteten Thiere fetter und schmackhafter Fleisch haben, als die im abnehmenden geschlachtet werden. Daß die im vollen Mond abgewöhnten Kälber bessere Kühe werden, und größere und von Milch strotzendere Euter bekommen, als die man zu einer andern Zeit abgewöhnt hat; daß der Mohrrübensaamen im abnehmenden Mond müsse gesäet werden, weil die Rüben sonst zu sehr ins Kraut wachsen; daß aus den Eiern, mit welchen eine Gans zur Zeit des neuen Monds gesetzt wird, Gänse ausgebrütet werden, die blind sind; daß wer kein Geld hat, sich hüten müsse, damit nicht der Mond, wenn er neu ist, ihm in den Beutel scheine, weil sonst, so lange dieser Monat währt, Geldmangel bei ihm sei – sind unverzeihliche Thorheiten, welche außer der Vernunft, besonders die Erfahrung widerlegt. Das Licht, das uns der Mond giebt, ist das Sonnenlicht selbst, welches von ihm auf unsere Erde zurückgeworfen wird. Da wir aber täglich das viel stärkere Sonnenlicht haben; so kann das schwächere Mondenlicht auf die Dinge keinen Einfluß haben. Es ist zwar nicht zu läugnen, daß der Mond auf unsern Dunstkreis wirkt, und daß nach seinem verschiedenen Stand, diese Wirkungen verschieden seyn, und zu der Zeit, wenn er Neumond heißt, durch die Wirkung der Sonne vermehrt werden können: Aber diese Wirkung auf die den Erdboden umgebende Luft ist viel zu gering, und nicht von der Beschaffenheit, daß dadurch das angeführte verursacht werden könnte. Man möchte die Menschen bedauren die an so ungegründeten Meinungen hangen, und darnach sich richten. Zur Zeit des neuen Mondes soll es schädlich sein, Samen auszustreuen, und einige Hauswirthe glauben dieß, ohne es aus dem Einfluß des Mondes auf die Gewächse erklären zu können. Allein der Mond mag auf die Pflanzen überhaupt wohl keinen Einfluß haben! Warum sollte gerade der neue Mond beim Säen und Pflanzen eine widrige Wirkung äußern? Die darüber angestellten Proben beweisen ganz das Gegentheil. Laßt euch also, bei Bearbeitung und Bestellung eurer Felder, durch das Alter des Monds niemals irre machen, sondern sehet vielmehr darauf, daß ihr euren Samen, sowol im Frühling als im Herbst, nachdem ihr das Land gut bearbeitet habt, bei der besten Witterung ausstreuet. Einige glauben auch, daß der Waizen nicht brandigt werde, wenn man ihn auf denTag, da der Michaelsmond voll ist, säet. Auch diesem widerspricht die Erfahrung. Was kann der volle Mond für Einfluß auf brandigten Waizen haben? Der Michaelstag ist ein Tag, wie andere. Eben so ungegründet ist es gewiß, wenn man glaubt, daß der Waizen alsdann nicht brandigt werde, wenn man ihn zu der Zeit säet, da der Mond unter der Erde steht. Ich glaube ohne nähern Beweiß eines Naturkündigers durchaus nicht, daß der Mond auf die Pflanzen so merklichen Einfluß habe. Die bekannten Verse, die unsre Bauern so oft gebrauchen:

Von neuen bis zum vollen Schein,
Sä' Nachmittags; so wirds fein rein.
Vom vollen bis zum neuen Licht,
Sä' Vormittags, so wirds nicht brandigt. –

sind weder richtig, noch beweisen sie etwas. Denn Verse und Sprüchwörter beweisen in allem nichts. Willst du keinen Brand im Waizen haben, sagt ein anderer Abergläubischer; so nimm den Sack mit dem Samen stillschweigend herunter, setze ihn auf den Kopf und sprich: Waizen, ich setze dich auf den Band, Gott behüte dich für Tresp und Brand. – Das soll gut seyn, aber wer glaubt solcher unsinnigen Rede?!


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