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Von Propheten, Wahrsagern und Zigeunern.

Die Welt ist voll von Menschen, die sich die Thorheiten, und der Leichtgläubigkeit anderer bedienen, um theils sich ein gewisses Ansehen zu verschaffen, theils sie zu betrügen. Ein Mensch der zukünftige Dinge vorhersagt, ist seines Beifalls desto gewisser je dreister er dabei zu Werke geht. Wer das Ende der Welt und den nahen jüngsten Tag verkündigt, den bewundert der Abergläubische, und glaubt die Erfüllung seiner Vorhersagungen gewiß. Noch nie sind dergleichen Prophezeihungen eingetroffen, wenn auch der prophetische Mann noch so zuversichtlich sprach. Ziehen, weiland Superintendent in Zellerfeld, berechnete aus dem Buch Chevilla, das aber niemand kennt, ein fürchterliches Erdbeben, das zwischen 1779 und Ostern 1780 Deutschland von allen angränzenden Reichen: Böhmen, Mähren, von den Alpen, von Frankreich und den Niederlanden abreißen sollte. Das wisse er, sagte er, untrüglich aus diesem göttlichen Buch, und aus dem nur von ihm beobachteten Sinken der Erdfläche, welches sich, durch das hervorgehen des Sterns Kapella offenbahre. Diese Entdeckung machte er der Regierung kund, bekräftigte die Wahrheit derselben mit einem Eide, und machte sie in Schriften öffentlich bekannt. Er entgieng der beßten Widerlegung durch den Tod, denn er starb im Mai 1780. Jetzt nun sieht jeder, daß diese obgleich eidlich bekräftigte Prophezeihung eine Thorheit war. Auch grosse Männer ergrif die Furcht, die sich bis nach den Niederlanden, England, Frankreich und Pohlen verbreitete; und halb Deutschland zitterte. Wer damals spottete, hieß ein Ungläubiger, ein Freigeist.

Jetzt freilich ists vergessen, aber zu unserer Demüthigung wollen wir zurück denken, daß Z. noch vor kurzem, wo man auch schon dachte, die Welt wäre erleuchteter als jemals, so ausgebreiteten Glauben finden konnte. Das Wahrsagen gewährt einen fast gewissen Verdienst. Man hat Beispiele, daß Leute davon reich geworden sind. Jeder Abergläubische und wie viel sind deren? trägt ihnen zu. Die Prophezeihungen mögen noch so unwahrscheinlich und widersinnig seyn; genug, man glaubt ihnen: Denn die Betrüger verstehen die Kunst, die, welchen sie etwas verkündigen sollen, unvermerkt auszufragen, nehmen dann diese Umstände zu Rathe und prophezeihen dem Rathfragenden, was ihnen wahrscheinlich ist. Wenn denn ihr Geschwätz mit dem erwarteten und geglaubten nur einigermassen zutrifft, so glaubt man und erwartet auch das unwahrscheinlichste desto gewisser. Der Glaube richtet sich oft nach den Wünschen; wenn daher der Betrüger diese erregt hat, so folgt darauf oft jener gewisse Glaube, der das Ansehen der Propheten und Wahrsager immer noch erhält. Wie viel Unglück ist durch diese Menschen schon angerichtet worden! häuslicher Unfriede, Mismuth, fehlgeschlagene Hoffnung und Verzweiflung – sind die gewöhnlichen Folgen ihrer unseligen Vorhersagungen. Oft schon vernachlässigte der, der bei dem Wahrsager rathfragte, seine Berufsgeschäfte, und wartete auf jene ihm verkündigten glücklichen Zeiten; denn nur selten wird etwas verkündigt, das unangenehm seyn könnte. Die Verfahrungsart bei dem Wahrsagen mag noch so abgeschmackt seyn, das thut zur Sache nichts, man glaubt fast wider seinen Willen; so geneigt ist der Mensch, Betrügern zu glauben; so begierig die Zukunft zu wissen. Ein geborner Türke Erdmann Paul hatte unter den Wahrsagern Berlins so ausgezeichnetes Glück, daß er sich von dem Erwerbe des Wahrsagens aus den Planeten ein eigenes, recht gutes Haus kaufen konnte. Sechs Groschen war das geringste, was er foderte, und man kann leicht denken, wie viel abergläubische Menschen, in einem Vierteljahrhundert ihr Scherflein ihm gebracht, und dagegen oft Wahnsinn im Kopf und Unmoralität im Herzen zurück getragen haben. Er gesteht selbst, aus den Planeten einigen Mädchen Unzucht, als ein einträgliches Erwerbungsmittel angerathen zu haben. Manchem Eheweib schwatzte er von Liebe eines vornehmen Mannes vor, den sie wohl noch einmal heirathen könnte; und veranlaßte dadurch häuslichen Unfrieden und Ehescheidungen. Manchen beschuldigte er schädlicher Dinge und stürzte ihn in Verzweiflung und Unglück. Manchem machte er grosse Hoffnungen von Glück, spannte dadurch seine Begierden aufs höchste, und wie es denn nicht anders seyn konnte – täuschte ihn. Das übelste hiebei war, daß so viele von ihm nur Hülfe erwarteten, auf ihn ihre alleinige Hofnung setzten, und dann statt Arbeitsamkeit und Sparsamkeit, statt Nachdenken und Vorsicht x. den bequemen Gang zu diesem Elenden wählten, um Kenntnisse des Zukünftigen und für ihr ganzes Leben Rath zu kaufen. Das ganze Verfahren bestand darin, daß er sich das Datum der Geburt sagen ließ, dann im hundertjährigen Kalender, in abgeschmackten Planeten- und Cometenbüchern nachschlug, die Prophezeihungen daraus herlas; aus dem Kopfe noch hinzusetzte, was möglicher Weise dem, den er vor sich hatte, begegnen könnte; in einem Büchlein mit flachen, unkenntlichen Holzschnitten, die Gesichter von des fragenden künftigen Eltern und Liebschaften zeigte, endlich Karten legte, die er auf die bekannte abgeschmackte Art deutete: Der Knecht bedeutet einen Soldat, die Königinn eine Braut x. So wenig gehört dazu, die Menschen zu täuschen! Sie nehmen ihren Betrügern die Hälfte der Mühe ab; und solch ein Mensch konnte in Berlin durch eine plumpe Kunst reich werden. Er war ganz das Gegentheil von dem, was man in der Beschreibung eines Volksbetrügers vermuthet, gar kein feiner, gewandter angenehmer Mann; sondern der unwissendste, roheste, pöbelhafteste Kerl. Sein ganzes Aeussere war niedrig, sein Ausdruck gemein, und selbst seine Taschenspielerei höchst dumm. Demohnerachtet giengen oft Vornehmere zu ihm. Plumpe und unwissende Menschen, Vagabunden und Bettler dürfen sich nur aufs Wahrsagen legen, und sie können auf sichere Einnahme rechnen. Wie oft wurde nicht selbst Religion gebraucht die Bosheit zu verstecken; und hat man nicht Beispiele, daß solche Boshafte selbst biblische Prophezeihungen auf die ausgelassenste Art auf sich gedeutet haben. Ausschweifungen, und Liederlichkeiten, welche sich dergleichen Personen nicht selten erlauben, vermindern den Glauben an sie oft nicht, sondern ihre Absichten sind dadurch schon befördert worden. Die aufgeklärte Obrigkeit betrachtet und behandelt einen solchen, wie er es verdient, als einen Wahnwitzigen; aber der Glaube seiner Verehrer wird dadurch vielleicht noch vermehrt. Es ist fast nicht auszusprechen, zu was für Verirrungen der menschliche Verstand verleitet werden kann, und zu was für Thorheiten diese ihn hinreissen. Hier ist ein Beispiel; Rosenfeld fieng im Jahr 1762, da er 31 Jahr alt war, eine herumsteichende Lebensart an; Er hatte Wohlleben, Gemächlichkeit x. immer gelibt. Wo er nur hinkam, fieng er an, von Religionssachen zu sprechen; gab sich für einen Propheten, der in der Bibel verkündigt sey, endlich, für den Heiland der Welt, den wahren Messias – für Gott selbst aus. Er fand vielen Glauben, Beifall und Anhang, und trieb dieß Werk um sich füttern zu lassen, Geschenke zu bekommen, und Jungfrauen zur Erfüllung seines Wunsches zu bereden; und fand darinn grosse Bereitwilligkeit. Eltern selbst brachten ihm ihre Kinder, an ihnen seine Lust zu büssen, und junge verheirathete Männer liessen ihm das Recht der ersten Nacht. Wegen dieser seiner ausgelassenen Schwärmerei, wodurch er auch andere verrückt machte, kam er auf zwei Jahre von 1769 bis 1771 ins Irrenhaus in Berlin; aber seine Anhänger fuhren fort an ihn zu glauben, und ihm ergeben zu seyn. Eine Mutter brachte ihm ihre eben 15 Jahr altgewordene Tochter in Begleitung eines Mannes und einer andern Frau dahin. Unterwegs sagte man dem Mädchen, sie müsse alles glauben, was Rosenfeld ihr sage, und alles thun was er verlange. Rosenfeld sagte, er wolle jetzt das Mädchen zur Braut Christi machen, und that darauf in Gegenwart der Mutter und der übrigen an ihr, was er vorher an andern schon gethan hatte. Nach Verlauf jener 2 Jahre ward Rosenfeld wieder frei, streifte noch eine Zeitlang herum und kam 1775, 44 Jahr alt, wieder nach Berlin, sich da zur Ruhe zu setzen, und seine Lust gemächlicher zu büssen. Daher schrieb er einen Zirkelbrief an seine Anhänger, worinn er ihnen eröfnete: Er habe die Schlüssel des Paradieses, bei ihm liege das Buch des Lebens mit 7 Siegeln verschlossen; um es zu entsiegeln, brauche er 7 Jungfrauen. Wer ihm seine Tochter nicht gäbe, über den würden alle Seelen ach und weh schreien. Sogleich wurden ihm die Mädchen geschickt; aber der kaltherzige, heilige Wollüstling behandelte sie schlecht. Nur eine hatte seine Gunst ganz: Bei ihr brachte er ganze Nächte zu, und sie war schwanger. Die andern rief er auch zur Befriedigung seiner Lust; aber sie mußten vom frühsten Morgen bis in die späte Nacht Wolle spinnen, und ihn damit ernähren. Er prügelte diese sechs Mädchen, ließ sie hungern und behandelte sie wie Gefangne und Sclaven. Er ließ sie weder untereinander, noch mit ihren Eltern reden, quälte sie unaufhörlich mit Fragen, fluchte und drohete zuweilen schrecklich. Vorzüglich war die eine, die Schwester seiner Geliebten, ein Gegenstand des Hasses dieser letzern, und daher auch des Rosenfeld. Von Hunger und Verzweiflung überwältigt, entlief sie endlich zu ihrer Mutter; Aber auf des Heiligen Drohung, daß sie nicht zu den sieben glücklichen Jungfrauen gehören, und ewig verdammt werden solle, wenn sie nicht wiederkäme, kam sie, sagte aber zu einer ihrer Unglücksgenossen: »Meine Schwester und Rosenfeld haben mir schon das Mark aus den Knochen gesogen, jetzt gehts aufs Herz los, das wird bald auch abgefressen seyn.« Sie starb bald darauf bei Rosenfeld, und eine andre bald nach ihrer Zuhausekunft. Drei andre konnten es nicht aushalten, und entliefen, aber nichts empörte die Eltern.

In solchen Greueln, man kann es nicht oft genug wiederholen, verführt der unselige Aberglaube. Was für Ansehen haben nicht auch die Zigeuner bei dem Unwissenden! Sie, die unregelmässigsten und liederlichsten Menschen, lügen, und man glaubt es ihnen, daß sie wahrsagen können. Man giebt ihnen Fleisch, Speck, oder was sie sonst verlangen, und hält gläubig die Hand hin, von ihnen sein künftiges Schicksal zu erfahren. Unter andern geben sie auch vor, die Feuerwurzel zu besitzen, welche die Kraft haben soll, zu verhindern, daß etwas angezündet werde. Ihrem Vorgeben nach bekommen sie diese Wurzel in großer Menge alle Jahre aus Aegypten, wo sie auf einem hohen Berge wachse. Diese Zigeuner, deren Leben ein Zusammenhang von Betrügereien ist, wohnen meistens in Scheunen, wenn sie auf ihren Zügen in einem Dorf übernachten; und sind dann oft genöthigt, Feuer darin anzumachen, um ihre Speise zuzurichten, und sich vor Kälte zu schützen. Der Eigenthümer der Scheune würde ihnen dieß nicht gestatten, wenn sie ihn nicht beredeten, es könne wider ihren Willen weder die Scheune, noch sonst etwas in Brand gerathen. Wenn dieß nun nicht geschieht, so ist nicht die vorgegebene Wurzel, oder die braunen Kugeln, welche sie an den Hauptbalken des Gebäudes vernageln, die Ursache davon, sondern ihre Vorsichtigkeit und die Sorgfalt, womit sie das angemachte Feuer beobachten.

Die Begierde das Zukünftige zu wissen, die den Menschen so leichtgläubig, oft so abergläubisch macht, entsteht aus dem geheime´n Bewußtsein, daß das Künftige für ihn gehöret, daß er eine unsterbliche Seele habe. Es ensteht aber die Frage:


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