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Vater Hellmuth

starb, alt und Lebenssatt. Er hatte das Vergnügen, seine Kinder groß erzogen zu haben, und hatte die gewisseste Hoffnung, daß sie nützliche Menschen, und tugendhaft seyn würden. Bei ihrer Erziehung hatte er nichts gespart, und hinterließ ihnen ein gutes Vermögen. Aber was könnte ihnen das helfen, sagte der Alte, wenn sie es nicht gut zu gebrauchen wüßten, oder wenn sie kein gutes Herz hätten? Die Nachricht von des alten Hellmuths Tod erfüllte bald die ganze Gegend. Jeder sagte, er sey ein guter Mann gewesen; man habe seines gleichen nicht viel. So wie um ihn hat man noch nie weinen sehen. Er begegnete dem Gesinde nie hart, und konnte mit Güte alles ausrichten: Aber er legte keinem zu viel Arbeit auf, und wer durch Fleiß und Wohlverhalten sich auszeichnete, erhielt eine verhältnismässige Belohnung. Jeder that in der Stille, was er zu thun hatte, man hörte kein Lermen und Fluchwort. Jeder diente bei Hellmuth gern, und blieb bei ihm. Die Knechte sagten; wir haben einen guten Herrn, und kennen nun einmal seine Mode, und auf uns kann er sich verlassen. Bei seinem Leichenzug waren aus allen umliegenden Dörfern viele, und aus aller Augen sahe man Thränen fliessen.

Da man nach Verlauf der gewöhnlichen Zeit, das Testament öfnete, fand man ein versiegeltes Päckchen, auf welchem geschrieben stand: Vermächtnis für meine Kinder. In demselben waren geschriebene Aufsätze, welche folgendermassen lauteten.

Meine Kinder!

Ihr wißt schon, daß bei der Hauswirthschaft viel auf Erfahrung ankommt; Man muß, wenn man etwas neues anfängt, behutsam seyn, um nicht in Schaden zu gerathen: Und dann muß man auch darauf denken, wie man etwas besser einrichten könne. So wie nicht alles neue anwendbar und gut ist; so ist auch nicht alles darum gut, weil die Vorfahren es so machten. Ich habe in den vielen Jahren, da ich meinen Acker bearbeitete, hierin mancherlei Bemerkungen gemacht; besonders aber erfuhr ich, daß man oft etwas für bewährt hält, was es nach genauerer Untersuchung nicht ist: Oft sind Betrügereien die versteckte Ursach. Um euch davor zu warnen, schrieb ich gegenwärtiges. Lest und befolgt es, es wird nicht ohne Nutzen seyn!

Wie oft habe ich in der Burkhardswoche, welche zur Saat für unglücklich gehalten wird, meinen Saamen ausstreuen lassen, und er gedieh wohl, und andere, die es mir widerriehten, bedauerten es nachmals, daß sie es nicht so wie ich gemacht hatten. Wenn das Wetter günstig, und die Zeit da ist, muß man sich an gewisse Vorgeben nicht kehren. Eben in dieser Woche pflegen die Kirchweihen ihren Anfang zu nehmen, weil Jahrszeit und Witterung noch bequem dazu ist; also wird die Saat nicht vorgenommen. Man gab daher vor, es sey nicht gut, zu säen. Seht die Betrügereien des Gesindes!

Am grünen Donnerstag soll man vor Sonnenaufgang dreierlei Frucht säen, und sobald der Saamen aufgegangen ist, daß er bald in Halme schiessen kann, alles vom Boden abschneiden, hacken und eine Salbe daraus machen, die das einzige und beßte Mittel für alle Brandschäden seyn soll. Ich habe immer vor dergleichen Mitteln gewarnet, und gerathen, daß man bei vorfallendem Unglück lieber einen verständigen Mann um Rath fragen und brauchen soll. Ich wiederhole diese Warnung auch euch, daß ihr zu Hirten und andern dergleichen Leuten nicht gehet, wenn ihr Hülfe braucht. Warlich, sie helfen nicht; sondern machen das Uebel, wovon sie befreien sollen nur noch grösser.

Andere glauben, so viel Lasten Mist in der Charwoche aus dem Dorf oder Hof gefahren würden, so viel Leichen würde man aus solchem Ort zu Grabe tragen: Und so viel Bett- oder Tischtücher man in dieser Woche auswaschen lasse, so viel Menschen würden in dem Jahr sterben. Freilich, wer in der Charwoche lieber schlachtet und bäckt, und den Feiertagsputz in Ordnung bringt, der entfernt Mistbreiten und Waschen. Damit es nun unter einem Vorwand geschehe; so giebt man vor, daß diese Beschäftigungen, lebensgefährliche Wirkungen hätten. Ein guter Hauswirth veranstaltet die nöthigen Mistungen schon vorher, weil er durch die Feiertage gehindert werden könnte, den ausgefahrnen oder ausgestreuten Mist unterzuackern, der daher durch Winde ausgezehrt werden würde. Wenn der Acker schlecht gepflügt, nicht gedüngt, mit schlechtem Saamen und nachlässig bestellt ist, oder wenn die Jahrswitterung unfruchtbar ist: Sollten denn wohl die Hexen oder Druden Schuld daran seyn, daß wenig Getraide in die Scheuer kommt? Wer am Charfreitage Laugenprezen ißt, bleibt das ganze Jahr vom Fieber frei. O, wenn unser Körper dazu geneigt ist, so wird die Krankheit ausbrechen, und sich an die gegessene Laugenprezen nicht kehren. Mancher hängt am Charfreytag seine Kleider in die Sonne, und glaubt denn, daß sie weder Motten noch Schaben bekommen würden. Mir ist das sehr natürlich. In der Zeit, in welcher dieser Tag fällt, pflegt noch eine heftige durchdringende Luft zu wehen, wodurch Motten und Schaben aufgerieben werden können.

Wenn ein Selbstmörder auf den Kirchhof begraben wird, so sollen in dem darauf folgenden Jahr die Früchte in der Gegend nicht gut gerathen. Also soll man einen Unglücklichen, den sein hartes Schicksal so muthlos machte, daß er sich sein Leben gewaltsamer Weise selbst raubt, nachdem er vorher seine Vernunft betäubt hatte – dahin graben, wohin man auch das Vieh scharret? Martin henkte sich, ihr erinnert euch, wie viel Mühe ich hatte, daß er ehrlich begraben wurde; und verspürten wir wohl Unseegen an unsern Feldfrüchten? Wir thaten eine gewünschte Erndte, und man sahe daraus, wie thörigt jenes einem vernünftigen Menschen so ganz unanständige Vorurtheil ist.

Wenn man am Tage Sylvester, die Maulwurfshügel abträgt; so wirft der Maulwurf selbiges Jahr nicht mehr, denkt mancher: Ich denke, der Maulwurf wird nicht aufhören zu werfen, wenn man ihm auch seinen Hügel wegträgt, und sich daran nicht kehren, daß es am Sylvestertag geschah. Man fange die Maulwürfe, und versichre sich durch ihren Tod, daß sie den Gärten und Wiesen künftig keinen Schaden thun können. Wenn man am Tibureii odeer Abdonstag die Dornen, Disteln, Schilf und anderes Unkraut aushackt, sollen sie nicht wieder wachsen. Wenn man nur recht viel solche Tage im Jahr hätte, von denen man glaubte, daß das Unkraut nicht wieder wachse, wenn es an demselben ausgehackt werde; dann würde es bald vermindert werden, folglich den heurigen Schaden nicht mehr thun können.

An Petri Tage den Hünern die Nester gemacht, bringt viel Eier, glaubt mancher; aber wer könnte so etwas glauben? denn wo ist zwischen dem St. Peter und dem Eierlegen der Hüner ein Zusammenhang?

Die Weinreben sollen am besten gedeihen, wenn sie dann eingelegt werden, wenn im Calender das Zeichen Jungfrau steht. Nein, von Gott müssen wir den Seegen beim Säen und Pflanzen erwarten. Von ihm kommt Witterung und Gedeihen. In der Nacht auf den Neujahrstag umwinden viele ihre Obstbäume mit einem Strohseil. Einige sprechen dabei kein Wort, andere sprechen eine Seegensformel, oder stecken in das Seil einen kupfernen Pfennig, damit die Obstbäume in dem künftigen Sommer desto reichlicher Früchte tragen. Von Gott hängt die grössere oder geringere Fruchtbarkeit der Bäume ab, und er ordnet alles mit Weisheit und Güte. Wer sich zu ihm wendet, der wählt den rechten Weg. Wer aber leblose Creaturen, dergleichen die Bäume sind, anredet, und ihnen gleichsam ein Opfer bringt, der begeht eine Art von Abgötterei, und giebt die Ehre nicht, dem sie gebührt. Oder könnte man glauben, daß Gott durch solche Alfanzerei bewogen werde, den gewöhnlichen Lauf der Dinge und die Natur der Bäume zu ändern, und sie vor andern fruchtbar zu machen? Ist es nicht weit sicherer, einen Baum zu umgraben und zu düngen, um diese Absicht zu erreichen? Ist denn der Neujahrstag ein anderer, als die übrigen? Menschen haben die Ordnung gemacht, den Jahresanfang vom ersten Januar zu rechnen. Da dieß aber eine von Menschen willkührlich abhangende Sache ist; so kann sie in der Natur der Dinge keine Veränderung hervorbringen, und die Bäume nicht fruchtbar machen. Am Bartholomäitage gehen die Mägde nicht in das Kraut, um Blätter für das Vieh zu holen, weil Bartholomäus an diesem Tag Krauthäupter in das Kraut werfe, den man daher nicht stöhren dürfe. Wie könnte Bartholomäus in allen Ländern die ungeheure Menge Krauthäupte ausstreuen? Wer könnte sich des Lachens enthalten, wenn er so etwas mit zuverlässigen Mienen sagen hört!

Wenn die Obstbäume auf Fastnacht beschnitten werden; so bekommen sie selbiges Jahr keine Raupen, und die Früchte keine Würmer. – Als ob Fastnachten um der Bäume willen einfiel; oder als ob Raupen und Würmer sich an Fastnachten kehren würden!

An Fastnachten soll man keine Suppe essen, weil sonst die Nase stets triefe. Wer aber wird sich dadurch hindern lassen, die gute Suppe zu essen, die er an Fastnacht vor sich hat?

Wie vielerlei besondere Meinungen hat man von der Johannisnacht! Einige glauben, daß wenn sie am genannten Tage zwischen elf und zwölf Uhr an der Wurzel einer kleinen Pflanze, welche sie Johanniskraut nennen, schneiden, das Blut des Täufers Johannis in kleinen Körnern sich zeige, und daß solches nach 12 Uhr wieder unsichtbar werden. Mir scheint es, ich möchte sagen, einfältig, zu glauben, daß Gott alle Jahr an diesem Tag ein Wunder thun, und das Blut dieses vor langen Zeiten enthaupteten heiligen Mannes fliessen lassen sollte; besonders da man nicht gewiß weiß, an welchem Tag Johannes geboren oder enthauptet ist. Die in diesem Kraut befindlichen Körner, welche die Eier von einem gewissen Insect sind, welches sie, wie ich sicher bemerkt habe, im Monat Junius an die Wurzel dieses Krauts legt, geben, wenn man sie zerquetscht, einen rothen Saft, den man aber nicht nur am Johannistage, sondern im gedachten ganzen Monat an dieser Wurzel findet; daher er um so weniger für das Blut des Johannes gehalten werden kann.

Wenn der schwarze Johannisbeerstrauch unter gewissen Ceremonien ausgegraben wird; so glauben einige, daß die Beeren dieser Staude Kraft bekämen, die Gicht zu vertreiben, sobald die kranke Person davon esse. Zu dem Ende holt am Abend vor dem Johannistag eine Frauensperson von dem Gärtner einen solchen Strauch. In der darauf folgenden Nacht um 12 Uhr zieht sie sich ganz nackend aus, nimmt den Strauch, und geht damit in den Garten. Hier gräbt sie ein Loch, und setzt, indem sie einige Worte spricht, den Strauch hinein; und dadurch sollen die Beeren dieser Staude Kraft bekommen, denen, die sie essen, die Gicht zu vertreiben. Aber ich denke: schwarze Johannisbeeren bleiben schwarze Johannisbeeren, man mag die Staude um Mitternacht vor dem Johannistag pflanzen, oder zu einer andern Zeit; man mag dabei mutternacken seyn, oder Kleider anhaben, dabei sprechen oder nicht. Ich habe in meinem ganzen Leben auch keinen gesehen, der durch das Essen schwarzer Johannisbeeren von der Gicht wär befreiet worden; denn die Einbildungskraft, die sonst wohl leichter Krankheiten heilen mag, ist doch nicht kräftig genug, die Gicht zu vertreiben.

Am Johannistage soll man nicht grünes von der Erde aufheben, auch an Blumen nicht riechen, um nicht den Leichwurm zu bekommen der alsdann schwärmen soll. Dort sucht man das Leben zu fristen und den Tod zu verscheuchen; hier fürchtet man ihn auf eine abentheuerliche Art. Denn was ist der Leichwurm, wer hat ihn gesehen, wem hat er das Leben genommen, und warum sollte er gerade am Johannistage schwärmen, dem das Leben zu nehmen der etwas grünes aufnimmt, oder auch nur an eine Blume riecht?

Je zuweilen stoßt man auf Meinungen, die an sich zwar unrichtig, aber doch nützlich sind, und ich schliesse daraus, daß man auch Vorurtheile, wenn man sie anders nicht ausrotten oder berichtigen könnte, zu etwas nützlichem gebrauchen müsse; Ob es wohl, im ganzen genommen, nicht gut seyn, und am Ende doch schädliche Folgen haben könnte, wenn man den Unwissenden täuschte; sollte es auch in der Absicht geschehen, ihn dadurch zu etwas gutem zu bewegen. Wenigstens wird es weit besser seyn, wenn man eben diese Absicht so erreichen kann, daß keiner dabei hintergangen wird. Es ist eine gemeine Bauernregel, daß das Federvieh viel Eier ausbrüte, wenn man zur Fastnachtzeit die Ställe säubert. Die träge Magd würde zur kalten Fastnachtszeit von dem warmen Ofen weggelermt werden müssen, den Stall zu reinigen, wenn diese Regel sie nicht in Bewegung setzte. Aber das Federvieh liebt zu allen Zeiten einen reinlichen Stall; denn wie bekannt, vermehrt sich sonst bei entstehender wärmeren Witterung das Ungeziefer in demselben, von dem das Vieh geplagt, abgemattet und ausser Stand gesetzt wird, dem Eigenthümer den erwarteten Nutzen zu verschaffen. Ueberdieß ist um diese Zeit die Düngung in den Gärten und auf Wiesen noch am vortheilhaftesten, weil die Winterfeuchtigkeit den Dünger zu besserer Wirkung bringt und das Gesinde zu dieser Arbeit noch die beste Zeit hat.

Einige halten die Mittwoch, andere den Donnerstag, andere den Freitag zu Unternehmungen für unglücklich; und ich glaube, daß kein Tag in der Woche ist, der nicht in verschiedenen Gegenden und Orten für unglücklich gehalten wird. Nachlässigkeit und Faulheit ist davon die gewisse Ursach. Ihr meine Kinder werdet keinen Tag vorüber gehen lassen; daß ihr mit euren Händen nicht etwas gutes schaftet. Die Ferkel pflegt man an Fleischtagen abzusetzen. Am Mittwoch geborne Kälber sollen von der besten Art seyn, man soll sie im Stall beibehalten; aber die am Valentinstage geworfene dienen nicht zur Zucht. An diesem Tage soll man auch keine Henne zum Brüten aufsetzen. Natürlich! weil es da noch kalt ist. Am Mittwoch soll man kein Kalb abbinden, nicht ein- und ausziehen, soll keine Magd in oder außer Dienst gehen. Am Freitage soll man kein Kind baden, allen Wein und Essig füllen. Mögen andere sich mit solchen Meinungen quälen, darüber ihre Pflichten vergessen und durch eigne Schuld endlich Schaden leiden: Ihr sollt euch ihnen nicht gleich machen! Am Freitag ein neugewaschenes Hemde angezogen, dient für das Grimmen! Gut, wer es dadurch vertreiben kann!

Das eingemachte Kraut, wenn es vergohren hat, 3 Freitage hinter einander, unter den Schiedungsläuten, abgepuzt, erhält es vor dem Verderben. – Welche Thorheiten!

Hier und da habe ich wohl gehört, hält man den Tag der unschuldigen Kinder für unglücklich, widmet man die Tage der heiligen Agnes, des Valentin und Marcus den Liebessachen, und glaubt, daß das, was man in dieser Rucksicht an genannten Tagen vornehme, von besonders glücklichem Erfolg sey. Was doch die Menschen von je für besondere Einfälle hatten! Wer jenem Vorgeben nicht glaubt, der beweist dadurch, daß er wirklich klüger und weiser sey, als mancher andre.

Am Himmelfarthstage wollen die Weiber nicht nähen, weil sie glauben, wer das genähete trage, ziehe die Gewitter an. Wieder eine Entschuldigung für Unordentliche. Daß das Gewitter nach den Metallen ziehe und darnach schlage, habe ich oft gehört; aber wer könnte glauben, daß es auch nach dem einschlage, was am Himmelfahrtstage genähet ist.

Am Frohnleichnamstag eine blaue Kornblume mit der Wurzel ausgerauft, soll das Bluten der Nase stillen, wenn man sie in der holen Hand so lange an dieselbe hält, bis sie erwärmt ist. Wenn auch die genannte Wurzel Kraft hätte, Nasenbluten zu stillen; so würde es doch nicht nöthig seyn, sie gerade am Frohnleichnamstage auszugraben. Es ist dieß eben so sonderbar, als wenn man sagt: Wer an Petri Kettenfeiertag Mohnköpfe abschneidet, aus deren Saamen Oehl preßt und es einnimmt, der schläft gut darnach; denn der Mohn hat an sich die Eigenschaft, den Schlaf zu befördern, wenn er auch nicht an einem besondern Tag abgeschnitten wird.

Wenn am Lichtmeß- oder Mariä Reinigungstag die Sonne scheint; so kratzen sich die Schäfer hinter den Ohren, und sagen, sie wollten lieber den Wolf in ihren Höfen sehen, als die Sonne. Die Weiber verlangen Sonnenschein, weil, wie sie glauben, der Flachs gerathe, wenn sie an diesem Tage tanzen. Kommt die Wirkung zum bessern Flachswachsen vom Sonnenschein, wozu braucht man zu tanzen? Kommt sie aber vom Tanzen, warum wünscht man den Sonnenschein so sehnlich? Man hat den Sonnenschein am genannten Tag oft zum Vorwand genommen, den Tag zu durchschwärmen. Ich gestattete das nie, und ließ meinen Leuten lieber zu einer andern Zeit einige Freiheit, um sie in dergleichen Vorurtheilen nicht zu bestärken. Oft hatte ich das Vergnügen, den schönsten Flachs vorzuzeigen, wenn es gleich am Lichtmeßtag geregnet hatte.

Wer Lein säet, soll dem Säemann ein Trinkgeld geben, weil sonst der Flachs verdirbt. Wer mag es glauben, daß ein Trinkgeld, dem Säemann gegeben, den Falchs könne besser wachsen machen? Wer merkt es nicht, daß die Säeleute selbst die Erfinder dieser Meinung sind, bei welchen eine kleine Belohnung zur genauern und bessern Verrichtung der Arbeiten immer viel thut? Wer sich die Liebe der Dienstboten gern erwirbt, nicht unbillig gegen sie verfährt, der wird nicht nöthig haben, durch besondere Belohnungen sie zur Erfüllung ihrer Pflichten zu treiben.

Wenn es am Medardi oder am Johannistag, oder am Mariä Heimsuchung regnet, soll es vierzig Tage regnen. Es kann seyn, daß um diese Zeit die vom Winter in der Luft zurückgebliebenen Feuchtigkeiten im Regen herunterfallen; aber es widerspricht aller Erfahrung, und es würde sehr thörigt seyn, etwas zu glauben, daß man schon so oft unwahr gefunden hat.

Der Winter hat vertragen, es wird nicht kalt, sagt das Volk, wenn sich der Winter früher als gewöhnlich zeigt; es ist aber auch wider die Erfahrung.

Man glaubt, die Leute, die an den Thürmen und am Wasser arbeiten, könnten das Wetter beschreien, daß es nicht regne, bis sie mit ihrer Arbeit fertig wären. Das können sie nicht; aber sie wählen zu einer solchen Arbeit eine Zeit, wo eine beständige Witterung zu vermuthen ist. Und wie oft sieht man nicht, daß dergleichen Arbeiten durch Regen und Ungewitter unterbrochen werden? Es ist fast kein Stand, der nicht von seinen Beschäftigungen besondere Meinungen hätte. Die Förster glauben, bei der Holzsaat müsse man auf das Calenderzeichen sehen. – Richtet sich denn der Same, der noch in den Zapfen ist, bei dem Ausfallen nach dem Calenderzeichen? Zum Baumsamensäen wird eine glückliche Hand erfodert. – Die Hand ist unglücklich, wenn der Kopf dumm denkt. Das Holz, welches in den Hundstagen gefället wird, brennt nicht. – Aber nicht darum, weil es gerade in den Hundstagen gefällt wird; sondern weil zu der Zeit die Bäume ihren höchstflüssigen Saft verliehren, folglich ihr Holz bei der Feuerung den erwarteten Nutzen nicht giebt. Zwischen dem Eschenbaum und der Schlange herrscht eine solche Antipathie, daß die Schlange lieber ins Feuer geht, als sich unter oder nahe bei diesem Baume aufhält. – Das ist wider alle Erfahrung! Das Eichenholz curirt alle offne und andre Schäden, wenn es am Johannistag oder Charfreytag, Morgens vor Aufgang der Sonne stillschweigend geschnitten wird. Wer hat das selbst erfahren? Unter gewissen Bäumen herrscht eine Antipathie – die aber in nichts mehr besteht, als daß einer dem andern den Nahrungsaft entzieht. Der Eichmistel heilt die fallende Krankheit, und ist bei Menschen und Vieh sehr heilsam. – Der Mistel entsteht aus dem stockenden Saft des Eichbaums, wie könnte er besondere Kräfte zu heilen haben.

Ich kenne die Bereitwilligkeit, meine Kinder, mit welcher ihr meinen Rath bisher folgtet, und zweifle nicht, daß ihr auch nach meinem Hingang die Lehren und Warnungen hören werdet, die ich euch hier geschrieben habe. Ihr gehört nicht unter die, welche nur durch eignen Schaden klug werden, und ich kann daher die Ermunterungen übergehen, die euch zur Befolgung dessen, was ich gesagt habe, bewegen sollten. Doch kann ich die Feder nicht niederlegen, ohne euch noch folgenden Aufsatz zu geben, den ihr als einen Auszug von den Unterredungen ansehen könnt, die ich mit dem Herrn Pfarrer zuweilen hatte; und ich überschreibe ihn:


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