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Von Amuleten.

Jede Sache, welche der Mensch wider eine Krnakheit, die er bereits hat, oder welche er zu bekommen befürchtet, an irgend einen Theil seines Leibes, vorzüglich aber an den Hals hängt, wird ein Amulet (Anhängsel) genennt. Es ist richtig, daß in der Arzneykunst Fälle vorkommen, wo auch an äußerlichen Theilen des Leibes, Mittel mit Nutzen angehängt werden können. So ist z.B. der Kampfer, wenn er in zusammenfliesenden und eingefallenen oder niedergeseßenen Blattern oder Pocken unter die Achseln gehängt wird, wegen seiner durchdringenden Kraft von guter Wirkung; imgleichen ist der Safran, wenn man ihn auf die nämliche Art anhängt, wegen seiner anodischen Kraft, welche durch die Achselschlagader ins Blut, und mit diesem in den Magen wirkt, ein Mittel gegen die Seekrankheit, indeme dadurch das bey dieser Krankheit gewöhnliche Erbrechen gehindert wird. Und so giebt es noch mehrere Mittel, die auf eine solche Art gebraucht, in manchen Krankheiten von Nutzen sind. Man kann aber alle diese natürliche Mittel, deren Wirkungen und Heilkräfte von dem Schöpfer ursprünglich sind in sie gelegt worden, denen keineswegs beysetzen, die Aberglaube und Betrug erfunden hat, und von denen kein Mensch vernünftigerweise die Heilkraft darthun oder erklären kann.

Der Aberglaube schreibt den Kleidern, Ringen, Knochen und dergleichen Sachen, die angeblich von heiligen und frommen Personen, welche vor hundert und mehrern Jahren verstorben seyn sollen, heilende Kräfte in der fallenden Sucht und mehrern Krankheiten zu, und nicht selten glauben auch wohl sonst vernünftige Personen daran. Alleine da diese Sachen nur höchst selten von der benannten heiligen Person wirklich sind, dafür man sie doch ausgiebt; und Vernunft und Offenbarung einer solchen übernatürlichen Heilmethode gerade zu widersprechen; auch Gott natürliche Mittel genug erschaffen hat unsere Krankheiten zu heilen: so wird man mir's verzeihen, wenn ich davon ab- und zur Hülfe des geschickten Arzts rathe.

So hat man auch Gesundheitsringe aus Metall gemacht, oder aus Horn gedreht, die bald für Krämpfe, bald für die fallende Sucht, bald für sogenannte Flüße, bald für noch andere Krankheiten helfen und schützen sollen. In Wahrheit, wer hier den Unsinn nicht einsieht, der muß seinen gesunden Menschenverstand vorsetzlich verläugnen, oder darauf Verzicht thun. Der Verfertiger dieser Ringe kann sie wohl nicht besser verkaufen, als wenn er ihnen diese Kräfte beylegt, und es ist nur noch zu bewundern, daß man nicht auch Gesundheitshüte, Stiefeln, Stöcke und dergleichen gemacht hat.

Daß die Menschen Dingen aus den drey Reichen der Natur, Kräfte beylegen, die sie nicht haben, ist noch zu verzeihen, weil sie von andern ähnlichen Dingen auf diese schließen können; wenn sie aber blosen Buchstaben und Schriftzeichen, wenn sie blosen Gaukeleien und andern dergleichen Dingen eine gewiße Wirkung zusprechen, so muß man billig ihren Verstand bemitleiden und in Zweifel ziehen. Wie viele Verehrer giebt es nicht von den sympathetischen Mitteln wider das kalte Fieber, von dem beliebten Abrakadabra; man schreibt dieses Wort, dessen Sinn herauszubringen in keines Menschen Kräften steht, weil es eigentlich für uns keinen hat, auf ein Stückchen Papier in Form eines Dreyecks und hängt dieses an den Hals des Patienten. Wie kann aber dieses beschriebene Papier die Ursache des Fiebers heben, die bald von Unreinigkeiten im Magen, in den Gedärmen, bald von verstopften Eingeweiden des Unterleibs herrührt? – Gegen das sogenannte böse Wesen oder die fallende Sucht bekam ich neulich einen Zettel zu sehen, worauf etliche Verse geschrieben waren, hier sind sie in getreuer Abschrift:

Caspar Fert Myrrham thus Melchior Balthasar Aurum

Haec tria qui fecum portabit nomina Regum,

Solvitur a morbo Christi pietate caduco.

Der Zettel ist von einem Mönche erkauft worden, und wird in der ganzen Familie, sobald sich jemand ärgert, erzürnt, oder Schrecken gehabt hat, angehängt, um üblen Folgen, besonders Convulsionen vorzubeugen. Man sollte es kaum glauben, daß ein solcher Zettel samt seinem Aberglauben bis auf unsere Zeiten hätte vererbt werden können, und doch wird er, zur Schande der gesunden Vernunft, vielleicht noch hundert Jahre vererbt. Die sogenannten Lukaszetteln sind eine Waare ähnlichen Schlags, sie helfen vortreflich wo nichts fehlt, und man treibt damit, wiewohl nur heimlich, eine ganz ansehnliche Handelschaft, zum Nachtheil der armen betrogenen Leute die man daran glaubend macht. –

Wider das Scharlachfieber wird dem Kranken ein Stückchen rothes Tuch auf die Brust gehängt. Was kann wohl dies Stückchen Tuch für Wirkung haben? Aus was für einem Grunde soll es die Kraft haben die Krankheit zu heben? Doch nicht etwa deswegen, weil sie mit der Farbe des Tuchs einerley Namen führt? Wie höchst lächerlich ist nicht dieses Mittel, und welchen Nachtheil hat es nicht für den Patienten, wenn dieser mit Sehnsucht die Wirkung des Tuchs erwartet, und die nöthige Hülfe darüber versäumt wird. Es kann wohl bisweilen die Wärme und der Reitz eines auf die Brust gelegten roth, blau, grün oder schwarzen wollenen Tuchs (die Farbe gilt gleich und thut gar nichts zur Sache) das Herauskommen eines Ausschlags befördern; allein man muß dabey keinen Aberglauben hegen, und die sonst gewöhnlichen Mitteln verabsäumen. – So soll auch das angehängte Herz von einer Bachstelze (welcher Unsinn!) die Kraft haben vor Schlagflüssen zu sichern.

Nicht weniger ist in mehrern Gegenden auch der sogenannte Krötenstein, der auch Schreckenstein genennt wird, bekannt. Er wird bey verschiedenen Krankheiten angehängt, und soll besonders schwangern Weibern, die sich auf irgend eine Art erschreckt oder geärgert haben, sehr dienlich seyn, auch die Leibesfrucht für allen Schaden sichern. Ein Stein von solcher Wirkung (leider giebt es keinen) wäre demnach unschätzbar, besonders für solche Weiber, welche während ihrer Schwangerschaft keins von ihren gewöhnlichen Vergnügen entbehren wollen. – Für Zahnschmerzen soll der Zahn eines Gehenkten, welchen Zahn man an den Hals anhenkt, unfelbar helfen. Hu, Hu! in andern Fällen erweckt schon das blose Wort: Gehenkter, bey vielen Grausen und Schrecken, und hier soll der Zahn eines solchen Verurtheilten Wunder wirken! Fürwahr der Aberglaube ist ein allmächtiger Götze. Sogar der Strick, daran ein Missethäter gehängt worden, soll die Kraft haben Kröpfe zu heilen; diese Kraft muß also der Seiler, der den Strick gemacht hat, hineingedreht haben: warum geht man dann nicht lieber gleich zum Seiler und läßt sich den Kropf heilen? Einige Quacksalber verkaufen auch eine Wurzel, welche, blos in der Hand gehalten, die Blutflüsse vertreiben soll; nicht genug: heute heilt sie die Blutflüsse, morgen soll sie das kalte Fieber, Kröpfe, und wer weis was sonst noch alles heilen. Und doch glaubt man diese Albernheiten und grobe Betrügereyen! –

Und so könnte man noch eine Menge solcher Dinge anführen die angehängt werden, um für eine Krankheit sicher zu stellen, oder eine schon vorhandene zu heben; sie sind aber allesamt mit den schon erwähnten, von gleicher Beschaffenheit, und fallen am Ende in das Schmutzige und Eckelhafte; und deme ohngeachtet werden sie mit weit größerem Vertrauen gebraucht, als die ordentlichen und natürlichen Mittel; die Gott geschaffen hat um jede Krankheit, die heilbar ist, zu heilen.


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