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Von dem Bluten eines ermordeten Körpers.

In den alten Zeiten glaubten selbst obrigkeitliche Personen, daß der Körper eines Erschlagenen zu bluten anfange, sobald der Mörder zu ihm gebracht würde; und es wurde dieß daher als ein Mittel gebraucht, den unbekannten Mörder zu entdecken. Wenn jemand entleibt war, und die Obrigkeit wußte den Thäter nicht sogleich; so ward auf Befehl derienige, den sie wegen der begangnen Mordthat im Verdacht hatte, zu dem todten Körper gebracht. Wenn nun der todte Leichnam zu bluten anfieng; so hielt man das für ein Zeichen, daß er der Mörder desselben sey. Läugnete er; so suchte man ihn wohl gar das Bekenntnis der That durch die Folter abzunöthigen. Diese Art zu verfahren, wurde bei den alten Deutschen das Baarrecht genennt. Des Julius Mallavacca, eines Corporals, Ehefrau, ward um die Mitte des vorigen Jahrhunderts bei schwangerm Leibe umgebracht. Nach 3 Tagen ward die That ruchbar, und ihr Körper wurde geöfnet, welches an eben dem Tage geschah, an welchem ihr Mann von einer Reise zurück kam. Kaum hörte er die erschreckliche That, so eilte er ganz ausser sich in die Stube, wo seine erschlagene Frau auf dem Tische lag. Aber welch ein Unglück für den armen Mann! Die Ermordete fieng bei seiner Gegenwart an, aus der Nase zu bluten, und jedermann glaubte nun, daß er der Mörder derselben sey. Vergebens betheuerte er seine Unschlud, läugnete, eine so schändliche That begangen zu haben, und suchte sich mit seiner Abwesenheit zu vertheidigen, und zu rechtfertigen. Er ward gefoltert, und da er die Qualen nicht aushalten konnte; so bekannte er eine That, die er nicht begangen hatte; und ward darauf, auf Befehl der Obrigkeit, seiner Unschuld ohnerachtet, gehangen. Gewiß ist mancher andre Unschuldige, durch diesen abergläubischen Gebrauch wie dieser zum Tode verdammt worden, weil man ihn durch die Folter nöthigte, etwas zu bekennen, wovon er nichts wußte. Wir können daher sehr froh seyn, daß die Obrigkeit jetzt von solchen Anzeigen nichts mehr hält; denn sonst könnte ja jeder Unschuldige in den Verdacht kommen, eine Mordthat begangen zu haben. Wenn ein Mensch ermordet ist; so befindet sich hin und wieder bei ihm geronnen Geblüt, welches sich vermöge seiner Schwere herunter senken kann, so daß der Entleibte zu bluten anfängt. Dieß geschieht aber ganz zufällig; denn die Gegenwart eines Menschen kann, wenn er auch der Mörder wäre, auf keine Weise das Nasenbluten bei dem Ermordeten verursachen; und die Erfahrung lehrt, daß ein Erschlagener zuweilen blutet, es mögen Menschen zugegen seyn oder nicht.


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