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Das Punktiren

oder die Geomantie ist die eitle Kunst, da man durch Punkte. welche man in den Staub, Sand, oder auf Papier macht, etwas unbekanntes erfahren will. Die Punkte, die aber, indem man sie zeichnet, nicht gezählt werden dürfen, werden, wenn sie gemacht sind, zusammen gezählt, und von der Zahl, die da heraus kommt, auf mannigfaltige Weise Gebrauch gemacht. Oder die Taufnahmen der rathfragenden Personen werden aufgeschrieben, und die einzelnen Buchstaben, mit der Summe der gezählten Punkte verglichen. Jeder Buchstabe bedeutet eine Zahl; a bedeutet 1. b 2; c – 3. u.s.w. Die Verfahrungsart ist ganz willkührlich, und sie ist daher verschieden; Schon hieraus kann man sehen, daß die Antworten, welche man auf die Fragen: Wird der Kranke wieder gesund? Kommt der Reisende wieder? u.s.w. erhält, unrichtig sind. Man kann sie auch ohne zu punktiren, wenigstens eben so richtig angeben; denn da mein Name von der Willkühr meiner Eltern abhängt; so kann eine gewisse Berechnung nach demselben mein Glück, meinen Tod x. nicht anzeigen. Vielleicht wurde dieß nur zum Spaß und Zeitvertreib erdacht; aber dieser Spaß artete in Aberglauben aus. Alle vorher schon angeführte Gründe gehören auch hieher. Die Kunst ist thörigt, eitel und unnütz; denn was hilft es mir, wenn ich den Dieb zu wissen glaube, ihn aber nicht gewiß weiß, und es ihm nicht sagen, ihn darüber nicht beklagen darf? Oft schon sind durch diese und dergleichen Künste, die besten Freunde und Eheleute veruneinigt worden, oft schon Unglück und Menschenelend daraus erfolgt. Aus einem Lohnkutscherstalle in H. wurden ein paar Uhren, und einige andre Sachen gestohlen. Die Kutscherknechte gehen zu einem Weibe, die in dem Ruf stand, daß sie wahrsagen könne, und fragen, ob sie nicht den Dieb jener Sachen anzuzeigen wisse? Sie sagt, der den folgenden Morgen zuerst in den Stall kommen würde, sey der Dieb. Zufälliger Weise kommt ein armer Schuhflicker, der in einer ganz entfernten Gegend der Stadt wohnte, frühmorgens vor Anbruch des Tages in den Stall, um einige Arbeit zu überbringen. Sogleich fallen ihn die Knechte an, richten ihn mit Mistgabeln unmenschlich zu, und werfen ihn denn in diesem hülflosen, dem Tode nahen Zustande, heimlich heraus, weil sie gewiß glauben, daß er bald sterben, und sie nicht würden verrathen werden. Der Unglückliche erholt sich, kriecht einige Gassen fort, und verbirgt sich, da ihn alle Kräfte verlassen, in ein Kellerloch; wo ihn die Stadtsoldaten fast todt finden, ihn nach Hause bringen, und Anzeige davon thun. Er hat noch so viel Kräfte, daß er abgehört werden und diejenigen anzeigen kann, die ihn so unmenschlich zugerichtet hatten. Die Bösewichter entflohen.


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