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sich unsichtbar machen

können: Sollen es jetzt noch einige glauben? Der Körper des Menschen, der aus so vielen und mannigfaltigen Theilen besteht, müßte in so kleine Theile zertheilt werden, daß man sie nicht sehen könnte; hernach müßten diese Theile wieder zusammengesetzt und dem Auge dargestellt werden, oder unsere Augen müßten so geblendet werden, daß wir die vorhandene Menschengestalt nicht sähen. Aber hiezu würde eine unendliche Kraft erfodert, die keine Creatur hat; sondern ein Vorrecht der Gottheit ist. Kein Engel, kein Mensch ist im Stande, so etwas zu thun. Hätte man die geringste Kenntnis von der Beschaffenheit des menschlichen Körpers gehabt; so würde man eine so unsinnige Meinung, als die von dem Unsichtbar machen ist, nicht gefaßt und geachtet, oder am wenigsten in Gerichten, wie es ehedem hiebei, so wie bei Wehrwölfen, wirklich der Fall gewesen ist, darüber Fragen aufgeworfen haben.

Auch das ist ein irriger Wahn, daß ein Mensch an einem andern Ort zugegen seyn könne, der von dem Ort seines Aufenhalts verschieden ist; oder wie der Aberglaube redet, daß ein Mensch bei lebendigem Leibe spuken oder umgehen könne. Es ist unmöglich, daß der menschliche Körper, an zween Orten zugleich, zu ein und derselben Zeit gegenwärtig seyn kann; Denn das streitet mit den Kräften der Natur, und kann daher natürlicher Weise nicht geschehn. Die Geschichten, welche man hievon erzählt, sind entweder erdichtet, oder sie haben der Einbildungskraft ihr Entstehen zu danken; oder es träumte jemand so lebhaft, daß er den Traum für etwas wirkliches hielt. Die bei dergleichen Geschichten obwaltenden Umstände treffen freilich zusammen, so wie man sie erzählt; aber wer steht dafür, daß sie nicht erdichtet sind? Der Mensch ist fast zu nichts so sehr geneigt, als wunderbare Dinge zu glauben, und selbst zu erzehlen. Der Ort, wo Jemand gesehen worden, ist von dem Ort seines wirklichen Aufenthalts oft sehr weit gelegen. Was soll nun dort von ihm erscheinen? Etwa sein grober Körper? Nein, der kann sich in solcher Geschwindigkeit nicht von einem Orte zum andern bewegen; Und man vermißt ihn, zu der Zeit, da er dort erschienen seyn soll, an dem Ort nicht, wo er wirklich ist. Oder war es der subtile Körper, der sich in dem äußerlichen befinden soll? Welchen Beweis hat man, daß jeder Mensch noch einen feinen solchen Körper in sich habe? War es die Seele, die dadurch sichtbar wurde, daß sie eine Art von Körper annahm? Aber woher hat sie diesen Körper? Von was für Beschaffenheit ist er? Wie kann unterdeß der Leib jenes Menschen fortleben? Woher weiß man, daß sie dazu die Macht habe? Vielleicht verursacht Gott dergleichen Erscheinungen durch eine unmittelbare Wirkung, oder durch ein Wunderwerk? Das ist wider alle Wahrscheinlichkeit: Denn Gott thut nichts ohne weise Absichten; diese Geschichtchen aber tragen sich oft bei sehr geringen Umständen zu. Vielleicht verursachen sie Engel oder Geister? Es ist nicht zu glauben, daß weise und gute Geister, ohne die erheblichsten Ursachen, ihr Kräfte zur Hervorbringung solcher Erscheinungen anwenden werden. Und dann würde dieß ja doch die Person nicht selbst seyn. Die Geister hätten nicht einmal nöthig, erst einen Körper anzunehmen; sondern sie dürften nur unsre Sehnerven auf eben die Art erschüttern, als es geschieht, wenn wir wirklich eine Person sehen; Es ist also mit dem sich anders wo sehen lassen nichts, eben so wenig als mit dem


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