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siehe Bildunterschrift

Rote Johannisbeere, Ribes rubrum L.

Die Stachelbeersträucher und Johannisbeerbüsche, welche die Gartenstege von den langgestreckten Gemüsebeeten trennen, waren im Altertum und Mittelalter als Obst unbekannt und sind erst seit einem bis zwei Jahrhunderten dem Dunkel unserer Wälder entrissen und in Kultur genommen; und was hat des Menschen sorgsam auslesende Hand aus den kleinen, säuerlichen Waldbeeren gemacht! Die Größe der Stachelbeere hat seit 1786 beständig zugenommen, so daß man schon vor 50 Jahren Früchte von der Größe eines Apfels und 5 Lot Gewicht erzielt. Etwas früher als die Stachelbeere scheinen die Johannis- und die Gichtbeere die Aufmerksamkeit des Menschen gewonnen zu haben. Ihre Früchte zieren schon die Gemälde holländischer Stilllebenmaler aus dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts, wurden also von den Zeitgenossen des dreißigjährigen Krieges schon gepflegt und genossen.

Die Kunst des Gärtners vereinigt durch Pfropfen die beiden Beerenarten auf demselben Stamm; ein Beweis für ihre nahe Verwandtschaft, die sich auch in der Ähnlichkeit der Blätter und des Blütenbaues kund giebt. Daneben treten jedoch bedeutsame Unterschiede auf, welche den Stachelbeerstrauch als den stärkeren, mit wehrhaftem Kleide versehenen Bruder, die Johannisbeerstaude als die sanftere, weichlichere Schwester charakterisieren. In dem flachen Becken ihrer zu traubenartigen Blütenständen vereinigten Blütchen bietet letztere jedem Insekt Speise und Trank. Die Stachelbeere dagegen birgt in dem hängenden Glockenkelch, über dessen zurückgeschlagene Gipfel ein kriechendes Insekt schwerlich gelangen wird, ihre Gaben für die wenigen Auserwählten, die auch ihr zu dienen vermögen. Die Natur zwingt sie, haushälterisch zu sein, da ihre Narben sich erst nach dem Verstäuben der Blüte aufthun und sie daher der Fremdbestäubung bedarf. Wenn sie lange auf Gäste warten muß, so trieft die Innenseite des Kelchglöckchens von Nektar, der durch die Drüsenbehaarung des Blütenbodens am Auströpfeln verhindert wird. Außer der hangenden Stellung dient auch die dichte, fiebrige Behaarung des Fruchtknotens zum Schutze der Blüte gegen unberufene Eindringlinge. Diese Drüsenhaare, welche bei den Wildlingen des Waldes wohl meistens auftreten und den damit behafteten rohen Früchten den Namen »Rauhbeeren« verschafft haben, schwinden unter dem Einflusse der Kultur häufig ganz oder werden wenigstens kurz, weich und drüsenlos. – Ein Schutzmittel gegen größere Pflanzenfresser besitzt die Stachelbeere in den zu einfachen oder dreiteiligen Dornen verwandelten Nebenblättchen. Die Behaarung der drei- bis fünflappigen Blätter dient als Schutz gegen starke nächtliche Abkühlung.

Die Beerenfrüchte der Ribesarten, deren schleimiges wohlschmeckendes Fruchtfleisch mit zahlreichen, an feinen Fäden befestigten Samen erfüllt ist, sind ursprünglich zum Genusse für das gefiederte Volk der Vögel bestimmt, die den unverdaut abgehendes Samenkörnchen weite Verbreitung sichern. Daß die fröhlichen Sänger sich durch die Konkurrenz des Menschen durchaus nicht aus ihrem guten Recht verdrängen lassen, beweisen die nicht selten als »Überpflanzen« auf Weiden und Espen wachsenden Stachel- und Johannisbeersträucher; sie können nur mit Hilfe der Vögel auf ihren ungewöhnlichen Standort gelangt sein.

Stachelbeergewächse oder Grossulariaceen; Kl. V. Holzgewächs. April, Mai. H. – 1,50 m.

 


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