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siehe Bildunterschrift

Wohlriechendes Veilchen, Víola odoráta L.

»Wieder auf leis ergrünenden Hängen
ersten Veilchens lieblicher Fund!« –

Wer hätte den Zauber der Stimmung, die aus diesem Dichterwort spricht, nicht an sich selbst erfahren, könnte ihn sich nicht jederzeit aufs lebhafteste ins Gedächtnis zurückrufen! Wir brauchen deshalb der Poesie, die uns aus den Düften der lieblichsten Lenzblume entgegenbringt, nicht weiter nachzugehen, sondern können uns ganz ihrer naturwissenschaftlichen Betrachtung widmen.

Alljährlich schmückt mir im Blumentopf ein Märzveilchen den Balkon. Die süßduftenden Blüten, denen zwei Deckblättchen ungefähr in der Mitte des Blütenstiels sitzen, erscheinen zur Anlockung von Insekten auf das vollkommenste ausgerüstet. Der Sporn, in welchen zwei den Honig absondernde Anhängsel der beiden unteren Staubblätter hineinreichen, ist für den Rüssel der Näscher nur auf einem Wege, durch die Rinne des unteren Blumenblattes, zu erreichen. Hier lagern die fünf Staubbeutel ihren Pollen ab, der sich an der Behaarung des Bienen- oder Hummelkopfes festsetzt und so zur nächsten Blüte getragen wird, um dort auf der Narbe des Stempels abgestreift zu werden. Und trotz dieser vollkommenen Einrichtung zur Sicherung der Fremdbestäubung scheinen die schönen Blüten des Märzveilchens selten Samen zu bilden. Ich habe weder auf dem Balkon noch im Freien jemals eine solche Samenkapsel gefunden. Fehlt es zur Blütezeit noch an Bestäubungsinsekten, oder ziehen diese es vor, den Honig zu rauben, indem sie den Sporn anbeißen und ausschlürfen? Sobald nun die großen duftenden Blumen verwelkt sind, wachsen an der Stelle, wo die Blätter aus dem Wurzelstock hervortreten, sowie aus den Blattwinkeln der langen Ausläufer zahlreiche winzige, etwa 1 mm lange Knospen hervor, die sich niemals öffnen und dennoch große Samenkapseln mit wohlausgebildeten Samen hervorbringen. Man nennt diese Blüten kleistogame. Bei ihnen schließt sich der Kelch fest zusammen, die Kronenblätter bleiben unentwickelt, und der Pollen wächst aus den Staubbeuteln oder Antheren zur Narbe herüber. Die Pflanze bedient sich also zur Erzeugung ihrer Samen der Selbstbestäubung, welche in diesem Falle denselben Erfolg wie die Fremdbestäubung hat. Wenn die Samenkapseln völlig reif sind – auf dem Balkon schon im Anfange des Juni, im Freien später – springen ihre drei Klappen auf, falten sich zusammen und schleudern die Samen einen nach dem andern ein Stückchen von sich. So sorgen sie auch noch für angemessene Samenverbreitung; denn nahe bei der Mutterpflanze würde es den jungen Pflänzchen an allem, Licht, Luft und fruchtbarem Boden, fehlen. Deshalb hinaus ins Weite mit ihnen!

Veilchengewächse oder Violaccen. Kl. V. Ausdauernde Pflanze. März, April. H. 0,08 bis 0,10 m.

 


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