Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Siebzehntes Kapitel.

Von der glühenden Liebe und Begierde / Christum zu empfangen.

Der Jünger Jesu spricht. Mit höchster Andacht und Liebe / mit einem Herzen / das ganz sich dir / o mein Gott / weiht und dir allein anhängt / möchte ich jetzt dich empfangen / empfangen mit jenem lebendigen Sehnen nach dir / das die heiligsten und andächtigsten Menschen an deinem Tische nach dir empfunden haben. O mein Gott / o du ewige Liebe / o du mein höchstes und all mein Gut / du die Seligkeit ohne Ende / du die Heiligkeit ohne Fehl: dich / dich möchte ich empfangen mit dem lebendigsten Verlangen / mit der tiefsten Anbetung / mit der heiligsten Empfindung / die je im Herzen eines Heiligen gelebt hat oder hätte leben können.

Und obgleich ich durchaus nicht würdig bin / alle diese Empfindungen der Andacht den Heiligen nachzuempfinden / so opfere ich dir denn doch mein ganzes Herz mit allen seinen Neigungen / gerade als wenn ich allein alle die glühendsten / heiligsten Gesinnungen / die je die Heiligen gehabt haben / jetzt wirklich in mir hätte. Alles / was ie eine heilige Seele denken und wünschen konnte / alles dieses lege ich mit tiefster Ehrfurcht und höchster Inbrunst auf deinen Altar. Nichts will ich mir vorbehalten / mich selbst und all das Meinige will ich dir mit der vollkommensten Willigkeit meines Herzens opfern. Mein Herr und mein Gott / mein Schöpfer und mein Erlöser / empfangen möcht ich dich mit allen Empfindungen der Andacht / mit all jener Ehrerbietung / Lobpreisung und Verherrlichung deines Namens / mit all jenem Glauben und Dankgefühl / mit all jener Würdigkeit und Lauterkeit / Zuversicht und Liebe / mit welcher deine Mutter Maria / die ehrwürdige Jungfrau / dich empfangen hat / als ihr der Engel das Geheimnis der Menschwerdung kund machte / und sie voll Andacht und Demut antwortete: Sieh / ich bin eine Magd des Herrn / mir geschehe nach deinem Worte:

Und wie dein seliger Vorbote Johannes / den du selbst unter den heiligen Propheten oben ansetztest / da er noch im Mutterleib war / bei deiner Annäherung / von der Freude des heiligen Geistes beseelt / wonnevoll aufhüpfte und wie er später / als er dich unter Menschen wandelnd erblickte / tief sich erniedrigte und dem drängenden Gefühl der Andacht nachgab und ausrief: Der Freund des Bräutigams / der seine Stimme hört / freut sich über den Laut / den er hört / weil es der Laut des Bräutigams ist:; so möchte auch ich von großen / heiligen Begierden ergriffen und durchwärmt werden / daß ich mich dir allein ganz hingeben könnte. Alle die jubelvollen Herzensergießungen der Andächtigen / alle ihre brennenden Empfindungen der Liebe / alle ihre Entzückungen im heiligen Feuer der Andach / alle ihre himmlischen Erleuchtungen / und was ihre geistigen Augen in diesen bessern Augenblicken sehen / alle Tugenden und Lobpreisungen der Heiligen / die dir der Himmel und die Erde samt allen ihren Geschöpfen bisher dargebracht haben und noch darbringen werden / lege ich vor dir nieder und falle in ihr gemeinsames Loblied ein und wünsche von ganzem Herzen / daß du von allen Geschöpfen gelobt und ewig verherrlicht werdest / und flehe für mich und alle / die meinem Flehen sich empfohlen haben.

Nimm diese meine Gelübde an / o du mein Herr und Gott / und laß die Wünsche meines Herzens dir gefallen; denn alle meine Gelübde sind nur ein Gelübde / alle meine Wünsche sind nur ein Wunsch / daß auch durch mich dein Name ohne Ende verherrlicht / und alle die grenzenlosen Lobpreisungen / die dir allein nach der Fülle deiner unaussprechlichen Herrlichkeit gebühren / im Himmel und auf Erden von allen deinen Kindern ohne Unterlaß dir geopfert werden. Dies ist mein Wunsch / dies mein Opfer / und dieses Opfer des Dankes und Lobes möchte ich dir alle Tage und zu allen Zeiten meines Lebens entrichten; und weil ich mich zu schwach dazu fühle / so lade ich alle himmlischen Geister und alle deine treuen Verehrer dazu ein / daß sie in mein Lob und Danklied einstimmen mögen.

Alle Völker der Erde / alle Geschlechter und Zungen sollen dich loben / sollen deinen heiligen Namen / der ein Name der Gnade und Barmherzigkeit ist / mit innigster Andacht und höchstem Jubel preisen. Alle / die dein heiliges Sakrament mit Ehrerbietung und Andacht konsekrieren und mit vollem Glauben empfangen / sollen Gnade und Erbarmung bei dir finden und für mich Sünder in Demut bitten. Und wenn sie in Fülle der Andacht zum seligen Genuß der Einigung mit dir kommen / mit Trost gesalbt und mit dem Wunder der Liebe erquickt von deinem himmlischen Tisch zurückkehren / dann sollen sie meiner / des Armen / nicht vergessen.


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