Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Siebentes Kapitel.

Was es heißt / unsern Herrn Jesus Christus lieb haben.

Wohl dem / der es begreift / was es heißt / Jesum zu lieben und um Jesu willen sich selbst zu verschmähen. Man muß manches Liebe um des Liebsten willen verlassen / denn Jesus will allein über alles geliebt sein. Um die Liebe zu den Geschöpfen ist es ein trügliches / unstetes Ding / aber die rechte Liebe zu Jesus ist treu und unwandelbar. Wer sich an ein Geschöpf hängt / fällt mit dem Hinfälligen / wer sich an Jesus hält / steht ewig fest. Den mußt du lieben / den als deinen Freund behalten / der auch dann dich nicht verläßt und der dich nicht zugrunde gehen läßt / wenn alles andere zugrunde geht. Einmal mußt du doch von allen Geschöpfen scheiden / du magst wollen oder nicht. Halte dich fest an Jesus im Leben und im Sterben und überlaß dich ganz der treuen Liebe desjenigen / der allein noch helfen kann / wo alle andere Hilfe nicht ausreicht. Es ist die Natur deines Geliebten / daß er sein Reich mit keinem andern teilen will / er will dein Herz ganz allein für sich haben / er will darin wie ein König auf seinem Throne herrschen. O könntest du dein Herz für ihn ganz leer machen / leer von allen Geschöpfen / so müßte er bei dir Herberge nehmen / und würde sie am liebsten bei dir nehmen. Im Grunde wirst du doch finden / daß fast alles verloren ist / was du nicht bei Jesus suchst und so gern bei Menschen finden möchtest. Ach / traue nicht und stütze dich nicht auf ein Rohr / das der Wind hin und her bewegt. Denn alles Fleisch ist wie Heu / und alle Herrlichkeit des Fleisches fällt ab wie eine Blume des Heues.

Du bist leicht betrogen / wenn du nur auf das siehst / was an den Menschen weiter nichts als Glanz und Anstrich ist. Sobald du bei andern deinen Trost und Gewinn suchst / so wirst du meistenteils nur Schaden und Herzeleid dabei gewinnen. Wenn du Jesum überall suchst / so wirst du ihn auch überall finden. Wenn du aber dich selbst suchst / so wirst du dich selber auch überall finden / aber zu deinem eigenen Verderben. Denn der Mensch / der Jesum nicht sucht / schadet sich selber ungleich mehr / als alle Welt und alle seine Feinde ihm ewig schaden können.


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