Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Fünftes Kapitel.

Vom Priesterstand und von dem hohen Wert des heiligen Sakraments.

Der Geliebte spricht.

Wenn du die Reinheit eines Engels und die Heiligkeit des Täufers Johannes hättest / so wärest du nicht würdig / dies Sakrament zu empfangen oder darzureichen. Denn das ist nicht Menschenverdienst / daß jemand das Sakrament Christi weihe und das Brot der Engel genieße. Wahrhaftig / hier ist ein großes Geheimnis / hier erscheint der Priester in seiner Würde! Es ist ihm gegeben / was den Engeln nicht gegeben ist. Denn die Priester allein / die in der Kirche die rechtmäßige Vollmacht erhalten / haben die Gewalt / den Leib Christi zu weihen. Allerdings ist der Priester nur Diener Gottes / er gebraucht nur das Wort Gottes nach Gottes Ordnung und Einsetzung; Gott ist es eigentlich / der hier als der vornehmste Urheber handelt und unsichtbar wirkt. Ihm ist alles untertan / ihm gehorcht alles / und er tut / was er will.

Du mußt also in diesem vornehmsten Sakrament dem allmächtigen Gott weit mehr als dem eigenen Sinne oder dem Scheine eines sichtbaren Zeichens glauben. Und deshalb nahe dich mit aller Ehrfurcht dieser Handlung. Hab acht auf dich selbst und bedenk es wohl / was für ein Amt durch die Handauflegung des Bischofs dir anvertraut ist. Sieh / du bist nun mein Priester / bist zur Weihung des Leibes Christi geweiht worden. Sorg also / daß du deinem Gott in Andacht und Treue das heilige Opfer darbringest und dich selbst untadelig darstellest. Du hast deine Bürde nicht erleichtert / es ist vielmehr eine neue Pflicht zu heiligerem Wandel dir auferlegt worden / du bist zur höheren Vollkommenheit berufen. Der Priester soll mit allen Tugenden geschmückt sein / soll seinen Mitchristen als ein Vorbild heiligen Lebens vorleuchten. Er soll nicht auf der Heerstraße mit dem großen Haufen wandeln / sondern mit den Engeln im Himmel oder mit heiligen Menschen auf Erden.

Ein Priester in seinem Priestergewand vertritt eigentlich die Stelle Christi / denn er hat den Beruf / für sich und für das gesamte Volk in Demut und Andacht zu Gott zu flehen. Er hat vor sich und hinter sich das Zeichen des Kreuzes / damit er und das Volk zum steten Andenken an das Leiden Christi erweckt werden. Er trägt das Kreuz vor sich auf dem Meßgewande / damit er die Fußstapfen Christi stets im Auge behalte und Mut fasse / denselben nachzufolgen. Das Kreuz Christi ist auch hinten auf dem Meßgewand zu sehen / ein schönes Sinnbild / daß der Priester auch die Leiden / die ihm von andern gleichsam im Rücken zustoßen / um Gottes willen / in Demut und Sanftmut ertragen soll. Er trägt das Kreuz vor sich und hinter sich / ein Denkzeichen / daß er seine eigenen Sünden bereuen und aus Mitleid auch fremde beweinen / sich selbst zwischen Gott und dem Volk als Mittler gestellt ansehen und im Gebet und im heiligen Opfer nicht ermüden soll / bis er Gnade und Erbarmung erfleht hat. Wenn der Priester am Altare sein Amt im Geiste seines Amtes verrichtet / so verherrlicht er seinen Gott / erfreut die Engel / erbaut die Kirche und erfleht Hilfe den Lebenden / Ruhe den Entschlafenen / sich selbst Teilnahme an allem Guten.


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