Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Vierzigstes Kapitel.

Gott ist die Quelle alles Guten.

Mein Herr / was ist der Mensch / daß du seiner gedenkst / oder eines Menschen Sohn / daß du ihn heimsuchst? Wie hätte der Mensch je es verdienen können / daß du deine Huld ihm angedeihen ließest? Wie könnte ich klagen / wenn du deine Huld mir entzögest? Was dürfte ich mit Grund dagegen einwenden / wenn du mein Bitten nicht erhörtest? Wahrhaftig / dies eine kann und darf ich mit aller Wahrheit denken und sagen: Aus mir allein und ohne dich bin ich nichts und habe nichts Gutes an mir / aus mir allein und ohne dich bin ich gebrechlich und ohnmächtig zum Guten und strebe immer nach dem / was nichts ist / und wenn deine Macht mich nicht unterstützt / dein Licht mich nicht im Innern erleuchtet / so werde ich noch ganz lau und zuchtlos.

Du aber / o mein Gott / du bist immer derselbe und bleibst ewig / was du bist / gut / gerecht / heilig; und gut / gerecht / heilig in allem / was du tust / und weise in allem / was du anordnest. Du immer derselbe / und ich immer anders und anders. Du immer der Heilige / und ich immer geneigter zum Rückgang als zum Fortgang im Guten. Ach / ich bin das rechte Bild der Zeit / so veränderlich wie sie / siebenmal anders an einem Tag. Doch wird es auch mit mir bald besser werden / wenn du deine helfende Hand mir darreichst. Denn du kannst ohne alle Beihilfe der Menschen mir helfen / du kannst mich im Guten so festigen / daß mein Angesicht immer sich gleich bleibe / und mein Herz / zu dir allein hingewandt / in dir allein seinen Ruhepunkt finde.

O verstünde ich doch die große Kunst / allem menschlichen Trost zu entsagen / entweder um die Gabe der Andacht zu erlangen / oder weil wenigstens die Not mich dazu treibt / dich zu suchen / da außer dir nichts die Not meines Herzens stillen kann; dann / dann könnte ich das Wehen deiner Gnade getrost erwarten / dann würde ich bald deine Tröstungen im neuen Maß genießen und in heiliger Entzückung dich lobpreisen können!

Dank dir für alles Gute / das ich zustande bringe / denn alles Gute kommt von dir! Ich bin aus mir und vor dir eitel nichts / ein Mensch / unstet und schwach. Was hab ich nun für Grund und Recht / von mir selbst groß zu sprechen oder andere groß von mir sprechen zu lassen? Vielleicht weil ich aus mir nichts bin? Ein Ruhm / auf nichts gebaut / wäre doch von allem / was eitel ist / das Eitelste. O die eitle Ehre / sie ist wahrhaftig die erste Eitelkeit und eine Seelenpest / die alles Gute tötet / denn sie entblößt uns von der Gnade des Himmels und raubt uns das Kleinod der wahren / inneren Herrlichkeit. Denn sobald der Mensch an sich selbst sein Wohlgefallen findet / hast du Mißfallen an ihm. Und wenn er dem Lob der Menschen nacheilt / so verliert er darüber den wahren Wert / den nur die wahre Tugend ihm verschaffen kann.

Es gibt aber doch auch einen wahren Ruhm und eine heilige Freude. Und der wahre Ruhm besteht darin / daß der Mensch nicht sich / sondern dich / seinen Herrn / allein verherrliche; die wahre Freude besteht darin / daß der Mensch nicht an seinem Namen oder an seiner Tugend oder an irgend einem Geschöpf / sondern an dir und nur um deinetwegen an dem Guten / das von dir kommt / Freude habe. Dein Name werde gelobt / nicht der meine! Dein Werk werde verherrlicht / nicht das meine! Dein Name werde in aller Welt ausgerufen / und alles Lob / das die Menschen etwa mir beilegen / bleibe nicht an mir haften / sondern gehe auf dich zurück! Denn du bist mein Ruhm / du die Jubelfreude meines Herzens. Deiner will ich immer mich rühmen / deiner will ich mich freuen den ganzen Tag. Und wenn ich meiner mich rühme / so will ich nur meiner Schwachheiten mich rühmen.

Mögen doch die Juden Ehre voneinander nehmen / ich will die Ehre suchen / die von Gott allein kommt. Aller Ruhm der Menschen / alle Ehre der Zeit / alle Hoheit der Welt / verglichen mit deiner ewigen Herrlichkeit / ist doch nichts als Eitelkeit und Torheit. O mein Gott / du bist meine Wahrheit! Du meine Liebe / voll Erbarmen und Seligkeit! Gott Vater / Sohn und Geist / ein Gott / allein heilig und selig in dir selbst / dein sei alles Lob und alle Ehre und aller Ruhm und alle Herrlichkeit und alle Kraft / und sei ewig dein! Amen.


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